Protocol of the Session on November 9, 2018

Das bringt mich auch gleich zu dem, was Herr Kellner heute hier gesagt hat: Das Vertrauen in den Rechtsstaat haben einige in diesem Land verloren. Das haben nämlich unter anderem die Angehörigen der NSU-Opfer verloren, weil man dort eben nicht erkannt hat, was das Tatmotiv war, weil man dort die Angehörigen verdächtigt hat und weil man dort der rechtsstaatlichen Aufklärung nicht gerecht geworden ist. Die Erkenntnis aus dem NSU-Komplex ist eben, dieses rechtsstaatliche Vertrauen für diese Menschen wiederherzustellen. Deswegen ist es folgerichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir uns mit den Todesfällen, die wir hier in diesem Antrag genannt haben, noch einmal explizit auseinandersetzen und diese auf einen extrem rechten oder rassistischen Hintergrund hin überprüfen.

Es ist schon angeklungen, dass nach der NSUSelbstenttarnung die Bundesregierung unter enormen Druck geraten ist. Das BKA sowie die LKAs haben dann die Überprüfung von 3.300 Todesfällen übernommen, die zwischen 1990 und 2011 passiert sind und ungeklärt waren. Es konnten einige Fälle geklärt werden und sie wurden dann auch staatlich als Opfer rechter Gewalt anerkannt. Dennoch existieren Fälle, bei denen aus unserer Sicht Zweifel bestehen. Deswegen wurde in Berlin und Brandenburg ein externes Forschungsinstitut mit der Überprüfung von Verdachtsfällen rechter Morde beauftragt.

Herr Kellner, eine Empfehlung des NSU-Bundesausschusses von 2017 ist unter anderem, dass es eine regelmäßige Überprüfung von Ermittlungsergebnissen geben muss.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU)

Richtig. Und es wäre sinnvoll, dass durchaus extern zu machen, denn was wir aus dem NSU-Komplex sehen, ist, dass das Problem in der Polizei oder auch in der Justiz an sich liegt und dass unter

anderem struktureller und institutioneller Rassismus dabei eine Rolle spielen. Das gilt aus meiner Sicht auch darüber hinaus für strukturelle und institutionelle Diskriminierung. Wenn wir also davon ausgehen, dass unter anderem Menschen zu Tode gekommen sind, die beispielsweise obdachlos sind oder einer bestimmten Gruppe – zum Beispiel der Punkszene – zuzuordnen sind, dann wird oft übersehen, dass es sich dabei unter anderem um sozialdarwinistische oder diskriminierende Handlungsmotive handeln kann, unter denen die Täter sozusagen die Morde begangen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Moses Mendelssohn Zentrum hat diese Überprüfung von 24 Todesfällen in Brandenburg vorgenommen. In neun Fällen gab es eine Bestätigung des rechten Tatmotivs. In Berlin hat es die Technische Universität Berlin gemacht. Insgesamt wurden zwölf Tötungsdelikte untersucht, davon wurden sieben staatlich als Opfer rechter Gewalt anerkannt. Wir reden hier also nicht davon, dass da nur wenige dann tatsächlich auch anerkannt werden, sondern das ist ein erheblicher Teil der überprüften Fälle.

Recherchen der Amadeu Antonio Stiftung – das ist hier auch schon von der Kollegin Lehmann erwähnt worden – ergaben 194 Todesopfer rechter Gewalt seit 1990. Wir haben aber eine staatliche Anerkennung von lediglich 83. Wie kommt es jetzt zu dieser Lücke? Aus meiner Sicht sind die angewandten Kriterien von beispielsweise der Polizei durchaus schwierig. Mit Blick auf die Opferperspektive unterscheidet sich dort doch einiges. Rechtsextremismus wird bei der Polizei nach dem Kriterium „Extremismus“ bewertet, also ob sich die Tat gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richtet. Bei vielen Taten ging man damit keiner rechten Gesinnung nach. Und wenn eine rechte Einordnung stattfand, spielte die Feststellung in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft – auch das sagte die Kollegin Lehmann schon – oder in der Gerichtsverhandlung keine Rolle. Taten, die sozialdarwinistisch oder rassistisch motiviert sind, sind aus meiner Sicht mit dem Blick, den die Polizei oft auf politischen Extremismus hat, nicht sichtbar und damit werden sie oft übersehen. Das führt am Ende auch zu einer Entpolitisierung der Taten.

In Thüringen gibt es den von Frau Lehmann schon angesprochenen Fall Karl Sidon, der anerkannt ist, wir haben aber hier noch neun weitere Fälle, die aus unserer Sicht überprüfungswürdig sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen die Zweifel an den Mordmotiven oder an dem Zutodekommen dieser Menschen aus dem Weg räumen. Das sind wir den Opferangehörigen, den Familien und Freunden der Menschen schuldig. Aber es ist auch wichtig, rechte Gewalt eben als rechte Gewalt zu erkennen und zu benennen. Es muss ein realistisches Bild rechter Gewalt in

Deutschland gezeichnet werden. Extrem Rechte sind nicht einfach nur – wie wir in letzter Zeit hier oft zu sehen bekommen – die Menschen, die da auf Rechtsrockkonzerte gehen, sondern das sind gewalttätige Menschen, die andere Menschen verletzen – psychisch und physisch – und auch zu Tode bringen. Das liegt in der rechtsextremen Ideologie, in der neonazistischen Ideologie, sozusagen im Kern vor. Gewalttätigkeit gehört dort einfach zur Ideologie dazu. Deswegen gilt es, unseren Blick auch auf Opfergruppen wie Obdachlose und andere zu schärfen, das Versäumte zu korrigieren und politische Verantwortung zu übernehmen. Dass es auch zu anderen Erkenntnissen kommen kann, zeigt unter anderem zum Beispiel der Anschlag auf das Münchener Olympiaeinkaufszentrum – OEZ, wo wir momentan eine heftige Debatte darüber haben, ob es sich dabei nicht tatsächlich um Rechtsterrorismus handelt, wie einige unabhängige Gutachter und Forscherinnen sagen. Das andere ist der Fall Oury Jalloh, wo das Beharren der Zivilgesellschaft jetzt dazu geführt hat, dass dieser Fall nochmals überprüft wird. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir als Politikerinnen und Politiker, als Parlament dieser Aufklärung beitreten und sie vorantreiben. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gibt es weitere Redebeiträge? Herr Möller von der Fraktion der AfD.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Gäste! Es gibt in unserem Land ein ausgefeiltes System, wie Straftaten ermittelt werden, wie sie zur Anklage gebracht werden und wie sie abgeurteilt werden. Ich bin ja heute ein paar Mal von unserem Justizstaatssekretär darauf hingewiesen worden, wer das tut. Ich denke, nachher hat er wahrscheinlich die Gelegenheit, Ihnen dasselbe zu sagen. Das, was Sie hier machen, ist politische Meinungsmache. Sie missbrauchen Todesfälle, Sie missbrauchen Mordfälle, auch schlimme Mordfälle, um ihnen einen politischen Anstrich zu verschaffen und um sie damit politisch instrumentalisieren zu können. Das ist ein ziemlich verachtenswertes Motiv für Ihren Antrag, das allerdings ziemlich offensichtlich aus Ihrem Antrag und jetzt auch aus den Begründungen hervorgeht.

Fangen wir mal mit Ihren Beispielen an. Sie haben in Ihrem Antrag auf ezra verwiesen. Sie haben auf den Fall Oury Jalloh verwiesen. Ezra fällt vor allem dadurch auf, dass sie als Organisation auch Fälle von Gewalt zur politisch rechten Gewalt zuordnet, die ganz offensichtlich keine politisch rechte Gewalt sind. In Erinnerung ist mir da der Fall eines Brand

anschlags auf einen Friseur im Jahr 2015; es war ein türkischer Friseur, wenn ich mich richtig entsinne, oder ein syrischer. Den Anschlag hat ein arabischstämmiger Täter begangen. Das wurde ausermittelt. Und obwohl das ausermittelt wurde, erschien dieser Anschlag nach wie vor bei ezra in der Liste der rechten Gewalt. Daran sehen Sie, das hat mit neutraler Bewertung nichts zu tun. Hier geht es darum, Fälle aufzublähen und denen einen Anstrich zu geben, der natürlich nichts mit der Realität zu tun hat, der sich aber sehr gut im politischen Diskurs instrumentalisieren lässt. Das ist eine sehr unfeine Art, in den politischen Diskurs einzugreifen und dazu sind vor allem das Strafrecht und auch die innere Sicherheit überhaupt nicht geeignet.

Im Fall Oury Jalloh ist es ähnlich. Ja, da mag es von mir aus die eine oder andere Deutung geben, wie man diesen Fall bewertet. Aber wer da auf die Straße geht, ist nicht die Zivilgesellschaft, das sind in allererster Linie linksradikale bis linksextreme Kräfte und nicht selten eskalieren diese Demonstrationen ja auch entsprechend sehr stark. Gerade solche Fälle als Beispiele zu bringen, dass hier ein Handlungsbedarf vorhanden wäre, das finde ich schon ziemlich weit hergeholt.

Wenn Sie Ansatzpunkte haben, dass es in bestimmten Fällen keine vollständige Aufklärung gegeben hat, wenn es da neue Ansatzpunkte gibt, dann bieten sowohl die Strafprozessordnung als auch das allgemeine öffentliche Recht genügend Ansatzpunkte, hier die Ermittlungen wieder aufzumachen, ein Ermittlungsverfahren zu starten und die Sache auszuermitteln, neuen Ermittlungsansätzen nachzugehen.

Aber was auf gar keinen Fall geht, ist so eine politische Nebenpolizei oder politische NebenanklägerInstitution zu schaffen. Das ist einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat völlig abträglich. Sie sind doch sonst immer so gegen die Privatisierung öffentlicher Gewalt, wenn es zum Beispiel um Bürgerwehren geht, um den Schutz der Bevölkerung geht, dann bitte ich Sie auch darum, das konsequent durchzuziehen, wenn es um Ermittlungsverfahren geht.

Ermittlungsverfahren sind Sache der Polizei und der Staatsanwaltschaften, dasselbe gilt dann auch für Anklagen, und nicht von irgendwelchen wissenschaftlichen Institutionen, die oft genug – das wissen wir gerade hier in Thüringen – nur ein scheinwissenschaftliches Gewand tragen, in Wirklichkeit eine ganz klar erkennbare, nicht mal verhohlene politische Motivlage haben und denen es nur darum geht, sage ich mal, die Meinungen in einer ganz bestimmten Richtung zu beeinflussen. Dafür sind so was wie das Strafprozessrecht und solche Totschlagsdelikte einfach ungeeignet.

Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, was da alles an rechtlichen Fragen im Grunde genommen auch

(Abg. Henfling)

zu klären wäre, also zum Beispiel fällt mir da der Datenschutz ein. Sie können ja nicht einfach die Ermittlungsakten nehmen und irgendwelchen privaten Instituten oder öffentlichen Instituten rüberschieben. Das scheint mir alles nicht so richtig durchdacht zu sein.

Diese Herangehensweise, die aus Ihrem Antrag hervorgeht, da muss doch noch irgendwo was politisch Greifbares sein, da ist nur noch nicht lange genug gesucht worden, wir müssen eben so lange suchen, bis wir da was finden, das hat mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun. Wenn das so kommt, dann ist es eher Ausdruck eines Gesinnungsstaats. Die mangelnde Neutralität, die in Ihrem Antrag drinsteckt, erkennt man insbesondere auch daran, dass Sie sich einseitig auf die Suche nach politischer Gewalt begeben, die Ihnen recht ist, und die andere, die links ist oder die beispielsweise religiös motiviert ist, in Ihrem Antrag überhaupt keine Rolle spielt. Schon das diskreditiert Ihren Antrag, schon das macht ihn im Grunde zu einem Antrag, der undemokratisch und nicht rechtsstaatlich motiviert ist, und deswegen werden wir den natürlich auch vollständig und klar ablehnen.

(Beifall AfD)

Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete KönigPreuss, Fraktion Die Linke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kellner, ich möchte mich insbesondere an Sie richten und auf das reagieren, was Sie hier gerade gesagt haben, nämlich dass wir ja unter anderem fordern, über die von Zivilgesellschaft und Journalisten recherchierten möglichen weiteren Todesfälle rechter Gewalt hinaus zwei Personen mit aufzunehmen. Sie sagen, dass das so gar nicht geht. Ich mache es jetzt mal ein bisschen umgangssprachlich, wie Sie das formuliert haben. Ich sage Ihnen: Doch, das geht und das geht gerade wegen der Ergebnisse und wegen der Informationen, die wir über den NSU-Untersuchungsausschuss hier im Thüringer Landtag erhalten haben.

Ich will Ihnen eine Gesichte erzählen, und zwar von einem der Menschen, von dem wir hoffen, dass der Todesfall noch mal neu überprüft wird. Da geht es genau um den Todesfall, der zumindest in der Verurteilung nur eine schwere Körperverletzung war.

Ich versuche, es Ihnen und vielleicht auch allen anderen, die hier im Plenum oder auch am Livestream zuhören, kurz darzustellen. Im November 1991 begeben sich ein Vater und ein Sohn in Nordhausen nachts, höchstwahrscheinlich vorher in einer Gaststätte/Kneipe gewesen, auf die Straße, auf den

Weg, und werden von drei Neonazis überfallen. Die drei Neonazis schlagen den Vater und den Sohn massiv zusammen, so massiv zusammen, dass dann unter anderem in einem ärztlichen Gutachten, was uns hier im Untersuchungsausschuss vorliegt, steht: Die Konturen des Gesichts waren zum großen Teil aufgehoben. – Was das bedeutet, kann sich, glaube ich, jeder vorstellen. Und weiter steht in diesem ärztlichen Gutachten: Die Innenseite der Oberlippe hing fetzenartig in den Rachenraum, was zu einer permanenten Atmungsbehinderung führte, wobei für den Kläger – das ist dann aus dem Gerichtsverfahren – höchste Lebensgefahr bestand. Der Notarzt hält fest, dass die beiden, Vater und Sohn, maximal noch 45 Minuten hätten überleben können, und das unter anderem aufgrund einer Unterkühlung – es ist Ende November –, aber auch aufgrund der schweren Verletzungen, die ihnen durch die drei Neonazis zugefügt wurden. Die Polizeibeamten, die kommen, weil ein Zeuge das Ganze beobachtet, rufen mehrfach „Halt, Polizei!“ und versuchen, die drei von weiterem Zutreten und Zuschlagen abzuhalten. Die reagieren nicht. Daraufhin gibt ein Polizeibeamter einen Warnschuss ab, damit die von ihren Opfern ablassen, und dann erst lassen sie von den Opfern ab. Die zwei kommen ins Krankenhaus, sind in den ersten Tagen nicht identifizierbar, unter anderem weil die Konturen der Gesichter nicht mehr vorhanden sind. Dann identifiziert sie ein Angehöriger unter anderem aufgrund der Kleidungsstücke, die neben den zwei Opfern gefunden werden. Eines der Opfer bleibt bis Februar, also über mehrere Monate, im Krankenhaus, beide erleiden massive Folgeschäden. Und es gibt in den Akten, die uns im Untersuchungsausschuss vorliegen, den Vermerk des Arztes, dass nicht ausgeschlossen ist, dass insbesondere der Vater an diesen Folgeschäden sterben wird. Was auch über die Akten belegt ist, ist, dass der Vater nach diesem Übergriff nicht mehr in der Lage war, für sich allein zu sorgen und nur noch in Betreuung leben konnte – übrigens bis heute. Der Sohn ist durch diesen Übergriff geistig behindert, lebt in einer Einrichtung, hat bis heute eine Traumatisierung – und das Ganze hier in Thüringen.

Jetzt liegen uns über diese Akten im Untersuchungsausschuss Erkenntnisse vor, dass die drei Täter nicht nur Neonazis waren, sondern einer der drei Täter einer der Neonazis ist, die uns im Untersuchungsausschuss schon seit Monaten oder seit Jahren beschäftigen. Herr Kellner, es handelt sich dabei um denjenigen, den wir probieren, zurzeit als Zeugen in den Untersuchungsausschuss zu laden. Es handelt sich um Michael See, der die Haftstrafe – er wird wegen gefährlicher Körperverletzung dann eben verurteilt – nicht komplett absitzen muss, der kurz darauf vom Bundesamt für Verfassungsschutz als V-Mann angeworben wird, der in einem Zivilverfahren zur Zahlung von zweimal 50.000 Mark Schmerzensgeld verurteilt wird, das Geld bis heute

(Abg. Möller)

nicht gezahlt hat, weil er damals ja kein Geld gehabt hätte, was er allerdings hatte, nachweisbar über die V-Mann-Honorare, die ihm gegeben wurden. Der Vater ist gestorben. Und die große Frage ist: Ist er an den Folgeschäden gestorben, so wie es damals der Arzt in den Akten, die uns im Untersuchungsausschuss vorliegen, festgehalten hat, dass das möglich wäre? Und an der Stelle sage ich: Ja, das ist unsere Aufgabe, hier eine Überprüfung vorzunehmen.

(Beifall DIE LINKE)

In dem kompletten Gerichtsverfahren ist die politische Motivation von Michael See an keiner Stelle in der Form erwähnt worden oder beachtet worden, wie es aus meiner Perspektive notwendig gewesen wäre, Mitglied der FAP, einer mittlerweile oder damals in den 90er-Jahren zum Glück verbotenen Neonazi-Partei, Mitglied der Wiking-Jugend, Kontakte zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe usw., usf. Das lässt sich alles bis vor wenigen Jahren nachverfolgen, welche Karriere er innerhalb der extrem rechten Szene durchlaufen hat. An der Stelle appelliere ich an Sie, allein für diesen einen Fall Ihre Hand mit zu heben und sich mit dafür einzusetzen, dass diese Fälle überprüft werden. Da geht es übrigens nicht darum, der Justiz oder der Polizei Misstrauen zu unterstellen, auch wenn das aufgrund von diversen Erfahrungen, wie es meine Kollegin Henfling hier ausgeführt hat, definitiv nachvollziehbar ist und viele eben dieses Vertrauen nicht mehr haben, aber diese Überprüfung hat nichts mit Misstrauen zu tun, sondern hat etwas mit Perspektive zu tun, und zwar der Einnahme der Opferperspektive.

Und dann vielleicht noch als einen Hinweis für Sie: In Berlin, wo ja auch diese wissenschaftliche Überprüfung stattgefunden hat, ist diese Überprüfung durch das Landeskriminalamt Berlin in Auftrag gegeben worden. Spätestens an der Stelle können Sie mit Ihrer These, dass das ein Misstrauen in Polizei und Sicherheitsbehörden wäre, nicht mehr durchkommen, wenn die Polizei selbst sagt, wir brauchen hier die Unterstützung, wir wollen, dass sie mit einer anderen Perspektive genau diese Fälle noch einmal überprüfen. Dem schließen wir uns als Rot-Rot-Grün an. Es geht nicht darum zu sagen, Justiz, Polizei, wer auch immer, ihr habt versagt, sondern es geht darum, mit einer anderen Perspektive und mit vielleicht auch einem – ich nenne es jetzt mal – intensiveren Blick auf diverse Akten möglicherweise festzustellen, dass es weitere Todesfälle rechter Gewalt hier in Thüringen gegeben hat, um davon ausgehend dann eben auch in der Zukunft den Blick zu schärfen, wenn es um Ermittlungen geht, und optimalerweise durch eine entsprechende Analyse auch zu verhindern, dass es zu weiteren solcher Taten kommt.

Ich könnte ebenso zu dem zweiten Fall, den wir unter II. aufgelistet haben, Ähnliches erzählen, wo alle wissen, um wen es sich handelt, wenn man vom Täter spricht. Wo die Begrifflichkeit bis heute zu diesem Mord der sogenannte Satansmord ist. Wo die Opferperspektive kaum eine Rolle spielt, der Name kaum eine Rolle spielt. Und daran möchten wir als Rot-Rot-Grün auch etwas ändern, dass eben nicht wie jetzt hier im Antrag die Namen komplett abgekürzt werden und damit die Opferperspektive genommen wird – zumindest in der Drucksache, die uns vorliegt. Wir hatten nämlich die Namen ausgeschrieben, weil wir es für notwendig erachten, dass man nicht nur die Täternamen kennt, sondern auch, dass man die Namen derjenigen kennt, die ermordet wurden, die getötet wurden, die von uns gegangen sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deswegen meine Bitte ganz persönlich an Sie, Herr Kellner, allein für diesen einen Menschen, dessen Geschichte ich Ihnen und auch den anderen gerade erzählt habe, diesem Antrag zuzustimmen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine weitere Wortmeldung kommt vom Abgeordneten Kellner. Bitte schön.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Kollegin KönigPreuss! Ich bin da ganz bei Ihnen, überhaupt keine Frage. Wir sollten das alles aufklären. Mir ging es darum, wer es aufklären soll, wie es aufgeklärt werden soll. Und ich habe hier nun vermutet – aus Ihrem Antrag geht das leider nicht hervor, welche Kompetenz, welche Rechte dieses Forschungseinrichtungsinstitut hat. Ich hatte auch in meiner Rede gesagt, ich kann nachvollziehen, wenn man diese Sache wissenschaftlich betrachtet und begleitet. Ich habe auch gesagt, das ist wichtig, dass Zivilgesellschaften ihren Beitrag dadurch leisten, die Informationen, die sie haben, an Justiz und Polizei zu geben. Gleiches gilt für die Journalisten, die an den Fällen tätig sind oder dran sind, dass diese Informationen an die Justiz und Polizei weitergegeben werden, genau damit man diese Fälle dann auch aus einem anderen Blickwinkel neu betrachtet. Das habe ich vorhin auch so gesagt. Da sind wir nicht auseinander, überhaupt nicht.

Aber mir fehlt auch ganz einfach, wie man das rechtlich zu werten hat bzw. welche Kompetenz und mit welchen Rechten so ein Institut ausgestattet wird, ob es Akteneinsicht kriegt, ob es sogar vielleicht der Justiz – ich sage mal – Aufträge ertei

(Abg. König-Preuss)

len kann oder der Polizei und, und, und. Und das, muss ich sagen, geht mir entschieden zu weit. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Justiz und Polizei der richtige Ansprechpartner sind. Die sind dafür zuständig. Was darüber hinaus an Informationen an diese Stellen kommt, das kann ich nur begrüßen, das, denke ich, ist auch ein Stück weit die Pflicht derer, die sich damit beschäftigen und was wissen. Und dann können auch Justiz und Polizei entsprechend diese Informationen abarbeiten bzw. mit einfließen lassen. Deswegen sind wir da überhaupt nicht auseinander, in keiner Weise. Aber ich sehe die Gefahr, dass diese Gewaltenteilung dann ein Stück weit aufgehoben wird und die Kompetenzen vermischt werden. Es ist wichtig, dass man ganz einfach weiß, wer wofür zuständig ist und welche Möglichkeiten er hat, um letztendlich diese Fälle zu betrachten oder zu untersuchen. Das fehlt hier im Antrag. Ich habe das jetzt auch aus den Reden der Fraktionen nicht entnehmen können, wie man sich das praktisch vorstellt und ob es nicht doch ein erheblicher Eingriff in Justiz und Polizei ist.

Das wollte ich zu bedenken geben. Mehr war es eigentlich nicht, aber ich bin nach wie vor der Meinung, in der Form kann ich den Antrag nicht mit beschließen. Danke.

Frau König-Preuss mit einer Antwort. Bitte.

Ich halte es für eine Ausrede, Herr Kellner, die Sie hier gerade gebracht haben, und das unter anderem deswegen, weil: Was in Berlin, beauftragt durch das Landeskriminalamt, möglich war,

(Beifall DIE LINKE)

was in Brandenburg, beauftragt durch die dortige Regierung, möglich war, warum soll das in Thüringen nicht möglich sein?

(Beifall DIE LINKE)