Protocol of the Session on November 9, 2018

(Abg. Henke)

In formeller Hinsicht möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass nach Auffassung der Landesregierung eine Änderung wahlrechtlicher Vorschriften, die das Bewerberaufstellungsverfahren betreffen, wegen des verfassungsrechtlich garantierten Gleichbehandlungsgrundsatzes mit Wirkung für die bevorstehende Kommunalwahl bzw. Landtagswahl wohl nicht mehr möglich wäre, da die jeweiligen Bewerberaufstellungsverfahren bereits begonnen haben. So weit zu dem formellen Aspekt.

Die Landesregierung hat das Thema – und Frau Abgeordnete Müller hat bereits darauf hingewiesen – jedoch im Blick und verfolgt aufmerksam die Entwicklung der Thematik sowohl beim Bund als auch bei den übrigen Ländern. Bei möglichen Änderungen des Wahlrechts ist insbesondere zu beachten, dass die Wählerinnen und Wähler regelmäßig möglichst genau wissen möchten, wer ihre Interessen in den kommunalen Vertretungen oder im Landtag vertritt und mit welcher Persönlichkeit sie es zu tun haben. Für sie ist es wichtig, sich ein umfassendes Bild über die zur Wahl stehenden Bewerber machen zu können. Dazu gehören auch Informationen zum Beispiel darüber, ob der Kandidat im Wohnort verwurzelt ist.

Die Kandidaten müssen – darauf hat Abgeordneter Kellner aus meiner Sicht zu Recht hingewiesen – für Wählerinnen und Wähler genau identifizierbar sein. Sie müssen in diesem Kontext auch in Kauf nehmen, dass sie mehr von sich preisgeben, als das die übrigen Bürger in der Gesellschaft tun. Aber ich gebe Ihnen insoweit recht, als die Diskussion um die Preisgabe dieser Daten unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten seit Längerem schon sehr kontrovers diskutiert wird, auch unter dem Gesichtspunkt Sicherheit der Wahlbewerber. Auch ich persönlich, und für die Landesregierung, finde es unmöglich, wenn Abgeordnete in ihrem privaten Umfeld – da ist es völlig egal, welcher Partei die Abgeordneten angehören – angegriffen werden, wenn sich das auf Familienangehörige auswirkt, egal ob das die Eltern sind, ob das die Kinder sind, ob das die Ehefrauen sind,

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Ehemänner – die gibt es auch! Danke!)

die Ehemänner auch, ja, so etwas darf in unserer Gesellschaft nicht passieren.

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Doch liegt eigentlich – und darauf wurde schon zu Recht hingewiesen – die Wurzel des Übels ganz woanders. Die liegt in dem gesellschaftlichen Umgang, den wir mittlerweile leider miteinander pflegen. Es ist schon bedenklich, dass wir uns über diese Thematik, die seit 25 Jahren überhaupt nicht zur Diskussion stand, mittlerweile Gedanken machen müssen. Aber, wie gesagt, diese Diskussion hat auch andere Ursachen, sie liegt auch im Daten

schutzrecht begründet. Wir im Thüringer Innenministerium beschäftigen uns seit Längerem damit. Wir werden nach gegenwärtiger Planung, wenn sich der Regelungsbedarf so, wie er sich jetzt für uns darstellt, bestätigt, dem Landtag in naher Zukunft auch einen Gesetzentwurf zu möglichen Änderungen vorlegen. Sie haben dann die Möglichkeit, diesen hier im Hohen Haus zu diskutieren. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Einen Überweisungsantrag habe ich auch nicht vernommen. Dann stimmen wir direkt über den Antrag der Fraktion der AfD in der Drucksache 6/6319 ab. Wer sich diesem Antrag anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus der AfD-Fraktion. Wer stimmt gegen diesen Antrag? Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der CDU. Gibt es Stimmenthaltungen? Das sehe ich nicht. Dann ist dieser Antrag abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den neuen Tagesordnungspunkt 20 a

Unterstützung der Bundesratsinitiativen von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zur Verbesserung der Mitsprache der Bürger und Kommunen beim Windenergieausbau Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/6353

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Beratung und erteile Frau Abgeordneter Tasch von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute einen Antrag in der Drucksache 6/6353 vorgelegt. Damit möchten wir die Landesregierung auffordern oder bitten, in der nächsten Bundesratssitzung die Bundesratsinitiativen von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zur Verbesserung der Mitsprache der Bürger und Kommunen beim Windenergieausbau zu unterstützen.

Wo sitzt denn Herr Harzer? Er wird gleich drankommen

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Weiß ich nicht!)

(Staatssekretär Götze)

doch, davon gehe ich mal aus – und wird uns wieder lang und breit erzählen, warum das nicht geht. Ich bin kein Prophet, aber ich würde mal sagen, unser Antrag wird auch von Rot-Rot-Grün abgelehnt. Das bedauern wir sehr, da gerade RotRot-Grün ja immer propagiert, wie wichtig Bürgeranliegen genommen werden, wie Einwände von Bürgerinnen und Bürgern in die Planung einzubeziehen sind. Wenn es aber dann konkret wird, dann finden Sie gleich wieder Hundert Ausreden, warum das in diesen beiden Fällen nicht geht, weil ja alles in Butter ist.

Trotzdem möchte ich heute noch einmal hier Werbung machen, damit Sie diese Anträge unterstützen. Sie kommen einmal aus NRW, dort regiert die CDU mit der FDP. Das andere Bundesland, welches in der Richtung auch einen Vorstoß unternimmt, ist nun mal Brandenburg, da regiert Rot-Rot. Daran sehen Sie, dass dieses Thema und die Betroffenheit der Menschen und Kommunen vor Ort, die mehr Mitsprache haben möchten, in dem Bereich erst mal gar nichts damit zu tun haben, ob schwarz oder rot oder gelb oder rot, ganz dunkelrot an der Landesregierung ist. Eines ist klar – die Bürger fordern mehr Bürgerbeteiligung ein und sie haben auch besondere Anliegen und Forderungen. Deshalb befassen sich diese beiden Bundesländer in einer Bundesratsinitiative mit diesem Thema. Das ist nicht aus der Luft gegriffen – auch wenn wir dann gleich hören werden, dass das alles Quatsch ist.

Die Verankerung einer Länderöffnungsklausel zur Festlegung der gesetzlichen Mindestabstände zwischen Wohnbebauung und den Windenergieanlagen und das Streichen der Privilegierung der Windenergie im Baugesetzbuch sollen geregelt werden, und es geht um die Verlängerung der Zurückstellungsmöglichkeiten von Genehmigungsanträgen bei besonderen Umständen auf zwei Jahre. Das sind alles Forderungen, die in vielen Bürgerbeteiligungen von Gemeinden und von Personen in den letzten Jahren auch in Thüringen immer wieder Thema waren.

Warum sind meiner Meinung und unserer Meinung nach die drei Vorschläge auch berechtigt? Die Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Festlegung gesetzlicher Mindestabstände zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung ist richtig, weil wir es mit insgesamt gewachsenen Gesamthöhen bei Windenergieeinzelanlagen zu tun haben. Da sind heute 150 bis 200 Meter Standard. Bei den Mindestabständen sind wir von viel kleineren Anlagen ausgegangen. Die Topografie ist überall eine andere. Auch die Akzeptanz vor Ort könnte gestärkt werden, wenn die Mindestabstände zur Wohnbebauung größer würden. Deshalb soll eine Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch eingeführt werden. Länderspezifische Regelungen gab es ja schon mal, es gab schon mal eine Länderöffnungs

klausel. Die haben Sie ja abgelehnt: Wir haben schon mal einen Antrag eingebracht, der 2015 abgelehnt worden ist.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Ja, stimmt!)

(Beifall DIE LINKE)

Ja, dann klatschen Sie ruhig, aber dann sagen Sie es auch dem Bürger draußen, warum Sie so klug sind und warum alle Leute so dumm sind, Herr Harzer. Denn bei den Einwendungen zum Windenergieerlass – Sie waren in Leinefelde, ich war in Leinefelde, Frau Ministerin war in Leinefelde – war das meistgenannte Thema – als eines von vier – die Abstandserweiterung, weil die Anlagen höher geworden sind und dem dann auch in den Mindestabständen Rechnung getragen werden muss. Eine Anlage von 200 Metern Höhe muss eben 2 Kilometer vom Dorf, von der Wohnbebauung entfernt liegen, weil die Leute es hören. Und, Herr Harzer, wissen Sie, dass ich Sonntagnachmittag an Sie gedacht habe?

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Oh, das ist ja lieb von Ihnen! Ich hoffe nur Gutes!)

Doch, ich habe um 17.30 Uhr ferngesehen – war Zufall – und da kam Planet E, das Thema „Infraschall“. Ich habe von Ihnen leider keine Telefonnummer, ich hätte Sie angerufen, Herr Harzer,

(Beifall CDU)

und hätte gesagt, machen Sie doch mal das Fernsehen an, informieren Sie sich mal.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Ma- che ich doch!)

Denn Sie sind hier im Haus doch der größte Leugner von Auswirkungen von Infraschall auf die Menschen. Er ist der größter Leugner, aber ich konnte ihn leider nicht anrufen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Was? Du bist das, Steffen Harzer?)

Wie gesagt, ich will noch mal – weil Sie eben gesagt haben, Gott sei Dank ändert sich nichts. Wo ist denn Ihre Bürgerbeteiligung? Wo sind sie denn – oder hier die Damen und Herren der Grünen, der Bürgerbewegten, die ja immer sagen, die Bürger müssen mitgenommen werden. Wo bleibt denn das in der Realität?

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Keller, Ministerin für Infrastruk- tur und Landwirtschaft: In den Regionalplä- nen.)

In den Regionalplänen. Ich habe es auch noch mal geschrieben bei der Stellungnahme der Gemeinde Küllstedt, dass die Planungsgemeinschaft eigene

Spielräume hat – und wenn Sie hier nicken, dann hoffe ich, dass Sie das auch umsetzen, aber es wäre ein Leichtes, das von Landesseite zu ändern, indem Sie zustimmen. Auch die Privilegierung im Baugesetzbuch muss fallen. Die Windenergie ist aus den Kinderschuhen raus, wir sind 20 Jahre weiter.

(Beifall CDU)

Es stehen 2.800 Windenergieanlagen im Land in bis zu 200 Metern, das habe ich jetzt schon ein paar Mal gesagt, und die werden einfach nicht kleiner, die werden noch größer. Die Gesamtleistung beträgt 50.000 Megawatt. Diese Entwicklung zeigt, dass es keine rechtliche Privilegierung mehr geben muss. Es muss auch eine Waffengleichheit geben zwischen der Bevölkerung, der Natur und den Investoren vor Ort. Und auch, wenn – der Ministerpräsident hat gestern in seiner Erwiderung im Monitor, in der Regierungserklärung, gerade das Thema „Windenergie“ angesprochen und gesagt, dass es Konflikte gibt. Ein Instrument, die Konflikte zu entschärfen, ist unserer Auffassung nach die 10H-Regelung, wie sie zum Beispiel Bayern hat und jetzt im Koalitionsvertrag auch wieder bestätigt hat. Warum machen die denn das? Auch weil sie auf die Menschen vor Ort hören. Die Verlängerung der Zurückstellungsmöglichkeit auf zwei Jahre soll den Kommunen auch die Möglichkeit einräumen, ihre Planungen unter dem geringsten Zeitdruck mit größter Sorgfalt durchzuführen. Dadurch soll die Steuerungsfähigkeit der Planungsträger gestärkt werden, eine höhere Absicherung der Planung erzielt werden, um dann auch bei einem Ergebnis die Akzeptanz der Kommunen und der in der Kommune lebenden Menschen vor Ort zu stärken. Wir sind überzeugt, dass alle drei Anträge, die jetzt Ende November im Bundesrat anstehen, sinnvoll und richtig sind. Rot-Rot in Brandburg, Schwarz-Gelb in NRW sind auf einem richtigen Weg. Ich hoffe und appelliere mal an Ihre Vernunft. Lassen Sie Ihre Scheuklappen weg, wenn es um ungezügelten Ausbau von Windenergie geht. Was die Menschen zu diesem Thema sagen, ist Ihnen aber ganz egal.

(Beifall CDU)

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Harzer von der Fraktion Die Linke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen in diesem Haus! Frau Tasch, ich finde es ja schön, dass Sie an mich denken, und ich hoffe, dann nur Gutes natürlich.

Wie gesagt, auch die Kollegen vom ZDF und auch die Kollegen in Brandenburg – die Brandenburger

Landesregierung in diesem Fall – sind natürlich in der Lage, sich zu irren, und auch in der Lage, sich bei verschiedenen Fragen zur Windkraft und zum Infraschall zum Beispiel zu irren. Also zum Infraschall: Es gibt da Hunderte von Gutachten mittlerweile, es gibt Gutachten des Umweltamts BadenWürttemberg, des Bayerischen Umweltamts, des Bundesumweltamts, es gibt Gutachten aus Dänemark zum Infraschall, die alle zu dem Ergebnis kommen, dass der Infraschall, der bei Windkraftanlagen entsteht, für Menschen bei der Einhaltung der Abstandsregelung nicht schädlich ist.

Die Abschaltungsregelung, liebe Frau Tasch, bemisst sich nicht nach ihren ideologischen Metern oder 10H oder was Sie immer bemessen, sondern die bemisst sich in Deutschland, in einem Rechtsstaat, nach Recht und Gesetz. Dafür gibt es in Deutschland das Bauplanungsrecht und dafür gibt es in Deutschland das Immissionsschutzrecht. Danach werden Abstände berechnet, und das müssten Sie eigentlich wissen, weil Sie jahrelang in Regierungsverantwortung waren. Da sind nach dem gültigen Immissionsschutzrecht Anlagen bis zu 500 Meter an die Wohnbebauung heran genehmigt worden – zu Ihrer Amtszeit! –, weil nach Immissionsschutzrecht und nach Bauplanungsrecht diese 500 Meter zulässig waren, liebe Frau Tasch. Dem haben wir als Rot-Rot-Grün mit dem Windenergieerlass einen Riegel vorgeschoben, wir haben gesagt: Bis 100 Meter mindestens 750 Meter Abstand, die höheren Anlagen mindestens 1.000 Meter Abstand. Wir haben also gesagt: Unabhängig von den immissionsschutzrechtlichen Regelungen wollen wir einen Mindestabstand. Wir sind nämlich nicht ideologisch herangegangen, wir sind nach Recht und Gesetz herangegangen. Der eigentliche Abstand, wie weit es dann sein muss, bemisst sich natürlich auch an den vorhandenen Höhenlagen, nach den vorhandenen Topografien vor Ort und nach der Hauptwindrichtung, Vogelzuggebiete etc., was alles eine Rolle spielt. Danach werden die Abstände festgelegt. Da kann es durchaus über 1 Kilometer sein, da können es auch 2 Kilometer sein, wenn es eine ungünstige Lage ist. Es können aber rein theoretisch auch 500 Meter sein. Da haben wir gesagt, nein, das wollen wir nicht, und deswegen haben wir das vorgeschoben.

Das Hauptproblem der Menschen vor Ort – Sie kennen es doch, Frau Tasch, und Sie können es doch auch bestätigen –, wenn man mit den Leuten redet, ist das Problem der Befeuerung in der Nacht. Dazu gibt es den Antrag aus dem Thüringer Landtag zu einer Bundesratsinitiative der Landesregierung, die dort entsprechend auf den Weg gebracht werden soll. Das ist nämlich das Problem, was wir haben, diese Befeuerung in der Nacht,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Auch!)

(Abg. Tasch)

und nicht irgendwelche Geräusche, die hier kommen, denn ein vorbeifahrender Lkw ist tausendmal lauter als die andere Frage. Von der Warte aus empfehle ich Ihnen, nicht ideologisch ranzugehen, sondern, wie es sich in einem Rechtsstaat gehört, mit Recht und Gesetz und entsprechend auch hier zu handeln.