Protocol of the Session on November 9, 2018

Aber der Rest im Raum sollte sich doch einig sein, dass das nicht Sinn und Zweck der Sache sein kann, sondern dass es das zu verhindern gilt, insbesondere natürlich, wenn Gewalt im Spiel ist. Fragen Sie mal Ihren Kollegen – ich glaube, Herr Heym war es. Herr Heym war es, den es betroffen hat, dessen Haus und Hof und Auto man beschmiert hat. Fragen Sie mal, wie sich das bei ihm ausgewirkt hat, und fragen Sie ihn vielleicht mal, wie sich das für die Mitbewohner des Hauses ausgewirkt hat, die mit seiner Politik vielleicht gar nichts zu tun haben, wie sich das für Kinder auswirkt, wenn plötzlich irgendwelche Leute, wie beim Kollegen Höcke, ums Haus schleichen und Fotos machen, von denen sie ganz genau wissen, dass die ihren Vater wie die Pest hassen.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Damit ver- hindert man!)

Dagegen was zu tun, das ist doch vernünftig! Das fängt doch bei Privatsphäre an. Wir haben im, ich sage mal, europäischen Rechtsrahmen dem Daten

schutz mittlerweile ein derart starkes Moment eingeräumt – teilweise haben wir schon Überregulierung, so wichtig ist der Datenschutz geworden –, aber gerade, die wir für ehrenamtliche Politik begeistern wollen, denn die Kommunalpolitik ist in erster Linie ehrenamtliche Politik, gerade die, auf deren Engagement wir angewiesen sind, stoßen wir vor den Kopf, da gilt der Datenschutz nicht mal im Ansatz. Die müssen sich im Grunde völlig mit ihrem Privaten entblößen und auch die Familie mit in Gefahr bringen. Ganz ehrlich, das ist schon familienpolitisch kein vertretbarer Aspekt. Es ist aber auch insgesamt keine vertretbare Positionierung, finde ich, insbesondere nicht für eine bürgerliche Partei, die ja im Grunde genommen auch vom bürgerschaftlichen Engagement lebt. Insofern bitte ich Sie, überdenken Sie noch mal Ihre Position. Es ist sicherlich nicht einfach, einem Antrag der AfD zuzustimmen, aber in dem Fall, wo es wirklich um Grundkonsensfragen geht, sollten Sie doch wirklich über Ihren Schatten springen können. Danke.

(Beifall AfD)

Als nächste Rednerin erhält Abgeordnete Müller von der Fraktion Die Linke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen, der vorliegende AfD-Antrag zur Änderung der Wahlordnung ist mal wieder plakatives Schaulaufen, wie es bei allen Anträgen der AfD der Fall ist. Wenn es der AfD mit dem Schutz der Privatsphäre wirklich so wichtig gewesen wäre, dann hätte sie sich schon viel früher melden können – hat sie aber nicht gemacht. Hinzu kommt, je mehr man an einen Wahltermin heranrückt, desto rechtlich problematischer wird es, wahlrechtliche Vorschriften zu ändern. Dabei gelten – das bekommt die Öffentlichkeit meist so nicht mit – erhebliche Vorlaufzeiten, denn die Parteien und Listen, die die Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen – auch Einzelkandidaten, die Unterstützerunterschriften sammeln – sowie die Verwaltung müssen für die Logistik und die Einhaltung bestimmter Fristen sehr lange vor dem Wahltermin anfangen. Im Grundsatz gilt: In ein laufendes Wahlvorbereitungsverfahren darf nicht mehr mit Änderungen eingegriffen werden. Außerdem ist auch Fakt: Die Landesregierung arbeitet schon an der Frage der Anpassung der Wahlordnung. Bei dieser Anpassung ist zu berücksichtigen, dass die Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung in der Praxis viel Auslegungs- und Umsetzungsspielraum lässt. Dass dem mit dem Auslegungs- und Anwendungsspielraum tatsächlich so ist, zeigen nicht nur die medienwirksamen Fälle von Namen auf Klingelschildern an Wohnungen. Jetzt in der allerersten Anwendungsphase ist vieles aber noch ungeklärt.

(Abg. Möller)

Es bestehen noch große Unsicherheiten und man sollte auch nicht völlig überziehen. Es geht darum, Datenschutz wirksam, aber gleichzeitig praktikabel für den Lebensalltag umzusetzen. Bei der Veröffentlichung von Daten zu den Wahlbewerberinnen sind verschiedene, zum Teil gegenläufige, Interessen abzuwägen, zum einen das Interesse der Bewerberinnen auf Schutz der Privatsphäre, nicht nur ihrer eigenen, sondern gegebenenfalls auch der ihrer Angehörigen. An dieser Stelle kommt aber mit Blick auf das bisherige Agieren gegenüber politischen Mitkonkurrenten aus anderen politischen Parteien die Frage auf: Geht es der AfD generell um den Schutz der Privatsphäre oder nur egoistisch um die ihre? Denn aus der Vergangenheit sind Vorkommnisse bekannt, bei denen sich Akteure der AfD nicht als Vorkämpfer des Daten- und Privatschutzes hervorgetan haben. Man hörte keine Unterstützung der AfD in Sachen Privatsphärenschutz, als ein populistischer Rechtsaußen-Mob vor dem Haus einer Grünen-Kollegin seine Hasstiraden gegen einen Moscheebau, gegen den Islam und gegen Menschen, die für Toleranz und Religionsfreiheit eintreten, in übelster Weise öffentlich von sich gab. Und auch meine Kollegin Katharina König-Preuss hat eben noch mal deutlich gemacht, die AfD wollte zweimal vor ihrem Haus aufmarschieren.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wie bitte?)

Ja, und da hat die Versammlungsbehörde in Jena gerade noch einwirken können, dass das nicht geklappt hat.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Ja!)

Zum anderen müssen sich Wahlbewerberinnen auch klarmachen: Mit ihrer Kandidatur machen sie sich zu Personen des öffentlichen Lebens. Das heißt, die Wählerinnen haben einen Anspruch auf Information und auf die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den Bewerberinnen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wissen Sie, wo ich wohne?)

Allerdings gilt auch in diesem Zusammenhang das Prinzip der Datensparsamkeit. Das heißt, nur solche Daten, die zur Aufgabenerfüllung notwendig sind, sollen erhoben und veröffentlicht werden. Zur Kontaktaufnahme mit den Bürgerinnen könnte mit Blick auf die Entwicklungen in der Kommunikationslandschaft zukünftig vielleicht eine Mailadresse statt der Wohnadresse als Anknüpfungspunkt dienen. Mit Blick auf die Stellung als Person des öffentlichen Lebens hätte aber sogar die bisherige Datenpraxis in der Wahlordnung etwas für sich. Zumindest bei Landes- bzw. Kommunalwahlleitern müssen auch zukünftig alle Daten der Bewerberinnen hinterlegt werden, denn die Bewerberinnen müssen ja als Personen eindeutig identifizierbar sein.

Und da will ich mal das Beispiel von mir nehmen: Bei mir im Ort wohnen mehrere Anja Müller – schöner Name, auch ein Sammelbegriff – man muss sich eindeutig identifizieren können.

Hinsichtlich der veröffentlichten Daten nach den Wahlordnungen sollte der verantwortungsvollen Abwägung aller beteiligten Interessen und Bedürfnisse lieber etwas länger Zeit eingeräumt werden. Das ist besser, als wenn es später Probleme in der praktischen Anwendung gibt.

Im Zusammenhang mit der Anpassung der Wahlordnung muss in diesen Abwägungsprozess vor allem die aktuelle Entwicklung um die Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung auf jeden Fall mit einbezogen werden.

Wir als Koalitionsfraktionen werden dieses Thema weiter aufmerksam und kritisch begleiten, vor allem den laufenden Arbeitsprozess in der Landesregierung. Der vorliegende plakative und aktionistische AfD-Antrag hilft dabei nicht wirklich weiter, zumal man der AfD mit Recht vorhalten kann, dass die AfD Thüringen entgegen ihrer Behauptung erst sehr kurzfristig das Thema entdeckt hat, nämlich dann, als diese Anträge unter den AfD-Fraktionen in den Landtagen als gemeinsame Aktion ausgerufen wurden.

Deshalb werden wir als Koalitionsfraktionen auch diesen vorliegenden Antrag ablehnen. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegt keine weitere Wortmeldung vor. Doch, Abgeordneter Henke von der AfD-Fraktion wünscht noch einmal das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau König-Preuss, das müssen doch Fake News gewesen sein. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir irgendetwas dahin gehend geplant oder vorgehabt hätten, bei Ihnen einen Aufzug zu machen.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Dann fragen Sie doch mal Ihre AfD-Kollegen, wo sie jedes Mal vorbeilaufen wollen!)

Sie wohnen doch dort, in Jena? Ich laufe da auch öfters bei Ihnen vorbei, aber das ist kein Aufzug.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Vielleicht zeige ich Ihnen mal Ihre Anmeldun- gen?)

Ich weiß nicht, Sie leben wahrscheinlich... Da kann ich auch Sand in Wüste tragen. Vielen Dank.

(Abg. Müller)

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Widerlich!)

Eine weitere Wortmeldung kommt vom Abgeordneten Kellner, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Herr Möller, jetzt muss ich noch einmal kurz nach vorn kommen. Nachdem Sie nun Ihren Einwand gebracht haben – er ist noch im Gespräch –: Ich habe in keiner Weise den Eindruck erwecken wollen, ich habe es auch nicht gesagt, dass uns das ziemlich egal ist, was letztendlich mit Angehörigen, mit Immobilien etc passiert. Das habe ich nicht gesagt. Ich weiß nicht, wo Sie das hergenommen haben.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist die Folge!)

Nein, das habe ich nicht gesagt. Das will ich hier richtigstellen. Wir lehnen aber jegliche Gewalt ab, ganz besonders, wenn sie politisch motiviert ist. Ich habe aber auch gesagt, das hängt auch damit zusammen, dass das Klima in diesem Land nicht das beste ist, dass die Polarisierung zunimmt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie hatten da- mit angefangen!)

Dazu, dass die Polarisierung zunimmt, trägt sicherlich auch die AfD mit bei. Das muss man an der Stelle auch sagen, ohne es rechtfertigen zu wollen, wenn da irgendeine Form von Gewalt im Spiel ist. Das lehne ich grundsätzlich ab. Politisch auseinandersetzen tun wir uns im Landtag, Kreistag, in Stadträten, Gemeinderäten. Da gehört es hin. Das ist meine feste Überzeugung. Ich habe nur gesagt, mit einer Streichung des Wohnorts oder der Straße wird man dieses nicht verhindern können, was ich bedauere. Ich finde es ganz schlimm, dass es so etwas überhaupt gibt. Das kannten wir bisher nicht, das muss ich auch sagen. Also muss sich in der Gesellschaft etwas ändern – und nicht, dass ich meine Straße aus dem Register streiche.

(Beifall CDU)

Damit finde ich da keine Lösung, das muss ich sagen. Das ist zu kurz gedacht. Was wollen Sie als Nächstes streichen, wenn die Straße nicht mehr ausreicht? Streichen wir den Wohnort und auf dem Plakat sind wir dann nicht mehr erkenntlich, oder was? Das Register – wollen wir das dann alles streichen, solange die Wahl läuft und wenn ich das Mandat habe? Das geht doch nicht.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Sie schreiben doch nicht den Namen unter den Wohnort!)

Ich sage, wir müssen anders an die Sache herangehen. Wir müssen vom Grundsatz her herangehen. Wir müssen doch an die Wurzel des Übels gehen und nicht den Straßennamen streichen. Ich halte das nach wie vor für den falschen Weg. Datenschutz wird sicherlich eine Rolle spielen, aber wir sehen auch, Abgeordnete werden anders behandelt als normale Menschen. Als Abgeordnete sind wir öffentliche Personen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ja, es geht aber auch um Frauen und Kinder!)

Ja, natürlich. Das weiß ich aber, wenn ich mich stelle. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich verhindere, dass man mich findet. Das ist doch der völlig falsche Ansatz.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Ja, auch wir haben Kinder!)

Vielleicht muss man eine Politik machen, die gar nicht erst zur Radikalisierung führt? Es ist so, Herr Möller. Es kommt doch nicht von ungefähr. Das will ich sagen. Es gibt doch immer eine Ursache dafür, dass es soweit ist. Das meine ich, da spreche ich nicht nur eine Seite an, da spreche ich alle an, wo Radikale unterwegs sind. Das kann es nicht sein. Das wollte ich nur sagen. Ich habe das von vorneherein deutlich gemacht. Wir lehnen jegliche Gewalt ab.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Wir auch, keine Gewalt!)

Ich habe gesagt, wo die Politik hingehört. Aber unsere feste Überzeugung ist: Mit dem Streichen des Straßennamens ändern wir das leider nicht. Wenn das so einfach wäre, dann wäre ja die Welt in Ordnung. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Götze das Wort.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, lassen Sie mich zum Antrag der AfD-Fraktion für die Landesregierung wie folgt Stellung nehmen:

Herr Henke, Sie hatten es ausführlich begründet. Bei der öffentlichen Bekanntgabe wollen Sie die bisher vorgesehene Wohnanschrift durch die Angabe nur noch des Wohnorts ersetzen. Die Angabe der Wohnanschrift bei der Bekanntgabe der Kandidaten ist sowohl im Bundesrecht als auch in den Landtags- und Kommunalwahlvorschriften der ganz überwiegenden Zahl der Bundesländer vorgesehen.

(Abg. Henke)