Protocol of the Session on September 27, 2018

Vergleich 2021 zu 2019 zu Buche stehen. Dann frage ich Sie: Welches Unternehmen, welcher Wirtschaftsverband und welcher Kollege aus Ihrer Fraktion fordert, in diesen Jahren etwas von dieser Mehrarbeitsleistung den Menschen in diesem Land zurückzugeben? Denn nach Ihrer Rechnung würden dadurch nämlich 350 Millionen Euro zusätzlich durch die Werktätigen, Beschäftigten für die Wirtschaft erwirtschaftet werden, wenn Sie die Rechnung hier umgekehrt aufmachen, dass 70 Millionen Euro verloren gehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Was Sie dabei aber auch nicht berücksichtigen, ist die tatsächliche Entwicklung in dieser Zeit. Dann will ich es Ihnen auch mal deutlich sagen: Wir haben einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 2016 auf 2017 um 3,7 Prozent.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Und das trotz der Linken!)

In derselben Zeit sind die Reallöhne um weniger als 1 Prozent gestiegen. Wenn Sie einzelne Sektoren herausnehmen, haben in dieser Zeit sogar einzelne Bedienstete und Beschäftigte einen tatsächlichen Reallohnverlust erlitten. Ich glaube, wenn wir darüber diskutieren, welche Folgen ein Feiertag für die Wirtschaft hat, dann müssen wir auch darüber diskutieren – wie im Übrigen die CDU in Hamburg deutlich in der Parlamentsrede ausgeführt hat –, dass die Menschen in diesem Land diesen zusätzlichen Feiertag in den letzten Jahren durch zusätzliche Arbeitsleistung,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

durch angestiegene Produktivität

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Hamburg hat weniger Feiertage als wir!)

und durch eine nicht gleichlaufende Lohnentwicklung bereits erwirtschaftet und erarbeitet haben.

Dann sagen Sie, es wäre keine Gerechtigkeit darüber herzustellen? Dann sage ich, wir haben auch eine Verantwortung als Thüringer Gesetzgeber über die Vollendung der Deutschen Einheit zu diskutieren, ganz speziell aus Thüringer Sicht.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Na wunder- bar!)

Die Thüringer Arbeitnehmer sind die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik, die nicht allein wegen des fehlenden Feiertags – aber eben auch deshalb – 110 Arbeitsstunden im Jahr mehr arbeiten als die Bediensteten und Beschäftigten und Werktätigen in Nordrhein-Westfalen. Das sind vier Arbeitswochen,

vier Arbeitswochen Mehrarbeit, die in Thüringen geliefert wird.

Davon geben wir ihnen jetzt praktisch acht Stunden im Jahr zurück. Wer das als unverhältnismäßig bezeichnet, der hat ja wohl einen Triller unterm Pony.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen noch etwas, wenn Sie von einseitiger Belastung der Wirtschaft sprechen: Reden wir in diesem Land doch mal über die unbezahlten Überstunden, die viele Ältere leisten. Allein in der Bundesrepublik Deutschland werden fast 1 Milliarde Überstunden nicht bezahlt. Wenn Sie das jetzt mal auf Thüringen herunterrechnen entsprechend des Anteils des Bruttoinlandsprodukts, den Thüringen erwirtschaftet – man kann das auch noch viel detaillierter ausführen –, dann kommen Sie dazu, dass die Bediensteten und Beschäftigten den Unternehmen jedes Jahr zusätzlich eine Arbeitsleistung in Höhe von ungefähr 370 Millionen Euro geben, ohne dafür entlohnt zu werden.

Ich glaube, wenn wir im Zusammenhang mit einem Feiertag über Gerechtigkeit und über wirtschaftliche Folgen reden, dann müssen wir auch über unbezahlte Überstunden, dann müssen wir über Mehrarbeit, dann müssen wir über ungerechte Verteilung von Arbeitsbelastung in diesem Land reden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das ist ja lä- cherlich! Das ist ja so ein Schwachsinn, was der da vorn erzählt!)

(Unruhe DIE LINKE)

Ich wünschte, dass Sie das, Herr Heym, auch innerhalb Ihrer Partei mal thematisieren, denn wir sind hier nicht die Einzigen in diesem Jahr, die über einen zusätzlichen Feiertag reden:

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das stimmt!)

Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg, Bremen. Und wissen Sie, welche Partei immer wieder zugestimmt und diese Gesetzentwürfe sogar selbst eingebracht hat? Es war die CDU, die in all diesen Ländern Mitinitiator war oder zumindest den Gesetzentwurf unterstützt hat.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen mal – für Herrn Mohring ist er ja gut bekannt – ein Zitat des CDU-Fraktionschefs aus Bremen, Herrn Röwekamp, mit auf den Weg geben: „Die Bremerinnen und Bremer haben diesen weiteren Feiertag verdient, denn sie arbeiten garantiert nicht weniger hart als die Menschen in Bayern, wo es sogar 13 [bzw. 14 Feiertage] gibt.“

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Diskussion sollten Sie tatsächlich mal in Ihrer Partei führen. Ich denke, man kann noch vieles aus dieser Rede von Herrn Röwekamp anführen, was hier auch berechtigt ist, weil er auch sagt, dass man sich der Frage zuwenden muss, wenn immer wieder von Wirtschaftsverbänden diskutiert wird, dass ein Feiertag der Produktivität entgegensteht, welche Bundesländer in der Bundesrepublik die höchste Produktivität verzeichnen und welche Bundesländer in der Bundesrepublik die meisten Feiertage haben. Es sind nämlich dieselben Bundesländer: Baden-Württemberg und Bayern.

Meine Damen und Herren, natürlich will ich mich auch dazu äußern, warum der 1. Juni; einiges wurde von Frau Pelke schon gesagt. Der 1. Juni hat eine große Tradition in den neuen Bundesländern, er hat eine große Tradition in den osteuropäischen, ehemals sozialistischen Ländern, übrigens auch in der Türkei. Er hat auch eine große Tradition, die dazu führte, dass in Kindergärten, Schulen Feste stattfinden und die wird es auch in Zukunft geben. Daran wird dieser Feiertag am 20. September überhaupt nichts ändern.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will natürlich nicht verhehlen, dass wir als Linke auch den 1. Juni vorgeschlagen haben. Natürlich lebt so eine Koalition auch von Kompromissen, das ist für uns sicherlich ein Argument. Aber ich will Sie praktisch noch mal in diese Überlegung mitnehmen, wenn Sie gerade in dem Zusammenhang zwischen Feiertag und Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf das gesellschaftliche Leben diskutieren. Einen Aspekt der Traditionsfeste habe ich bereits genannt. Ich will Ihnen aber auch mitgeben – und das ist tatsächlich verantwortungsvolle Politik –, dass man darüber redet und abwägt, dass in den Monaten April, Mai, Juni bereits fünf Feiertage liegen. In den Monaten von August bis November haben wir zwei Feiertage. Das heißt, wir hätten, wenn wir in dieser Situation tatsächlich einen sechsten Feiertag in den Monat Juni gelegt hätten, durchaus noch mal eine ganz andere Diskussion, was Belastung von Unternehmen, was Belastung von gesellschaftlichem Leben anbelangt. Da muss es letztendlich eine Abwägung geben, die wir vorgenommen haben.

Wir glauben, dass es nicht nur darum geht, praktisch Traditionen an sich durch einen Feiertag zu stärken. Auch mit einem 20. September haben sich – das wurde dargestellt – in Thüringen schon Traditionen entwickelt, sondern das ist auch ein politischer Anlass, der seit 1954 besteht, ein internationaler

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das ist eure Angst vor dem Absaufen nächstes Jahr im Herbst!)

ich sage gleich etwas dazu, Herr Heym, seien Sie ganz ruhig, ich sage Ihnen gleich noch etwas dazu –

(Unruhe SPD)

Anlass, nämlich ein Weltkindertag, der weltweit begangen wird, weil wir eben nicht unsere Augen verschließen können, dass es Kinderarmut und möglicherweise die Benachteiligung von Kinderrechten nur vor unserer eigenen Haustür gibt,

Herr Kollege Dittes, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wirkner?

sondern, dass wir das auch letztendlich international denken müssen und diesen Kontext tatsächlich herstellen. Gern. Herr Wirkner, bitte.

Herr Wirkner, bitte.

Herr Dittes, ich möchte etwas zur Versachlichung der ganzen Problematik beitragen. Mir fehlt es im Wesentlichen in Ihren Ausführungen,

(Heiterkeit DIE LINKE)

dass Sie mal auf die Auswirkungen eines gesetzlichen Feiertags eingehen, nicht nur auf die Wirtschaft. Bedenken Sie bitte, dass es Krankenhäuser gibt, Pflegeheime gibt und andere Einrichtungen, die, egal ob Feiertag ist oder nicht, immer für die Menschen da sein müssen. Ich hätte jetzt die Frage: Was glauben Sie, welche Auswirkungen das auf solche Einrichtungen hat, die jetzt schon um Arbeitskräfte bangen und ringen, wenn ein zusätzlicher Feiertag dazu führt, dass man zusätzliches Personal einstellen muss, um das auszugleichen?

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Das führt zu Feiertagszuschlägen!)

Erstens sollten Sie den Blick tatsächlich noch einmal auf die Bundesländer richten, in denen derzeit vier Tage mehr an Feiertagen im Jahr verankert sind, ob die Effekte, die Sie gerade versuchen, zu beschreiben, tatsächlich eingetreten sind.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Wel- che Bundesländer sollen das sein?)

Was dazu führt, wenn wir einen neuen Feiertag einführen, ist doch … Wenn Sie mir eine Frage stellen, wollen Sie die Antwort hören oder nicht?

(Unruhe CDU)

Wollen Sie die Antwort hören oder nicht? Herr Wirkner, ich gebe Sie Ihnen.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Belegen Sie es doch mal, Herr Dittes, belegen Sie es!)

Es wird natürlich die Folge haben, dass auch an einem solchen Tag viele Bereiche, sehr viel mehr als Sie aufgeführt haben, noch sichern müssen, dass die Arbeit bewerkstelligt wird – die Polizei, die Feuerwehr, Krankenhäuser. Es wird natürlich auch Angebote geben, wo Selbstständige tatsächlich auch Freizeitleistungen anbieten. Auf der anderen Seite führt das aber auch dazu – und das ist eben das Äquivalent zur Arbeitszeitverkürzung, die wir hier als sozialpolitische Maßnahme mit vornehmen –, dass die Menschen, die an einem solchen Tag arbeiten, ihre zusätzliche Mehrarbeit an einem Feiertag auch entlohnt bekommen. Auch das ist der sozialpolitische Ausgleich, den ich vorhin beschrieben habe,