Das ist vollkommen egal, ob wir für die zukünftigen Generationen dort 1 Milliarde, 10 Milliarden, 100 Milliarden Euro liegen haben, das ist Familienfreundlichkeit, das ist Entgegenkommen in Richtung soziale Verträglichkeit. Da muss ich ganz ehrlich sagen: Da fasse ich mir an den Kopf bei so viel Unverschämtheit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ja sowohl in der ersten als auch jetzt in der zweiten Lesung schon eine ganze Menge an Argumenten ausgetauscht worden. Manchmal stellt sich die Frage, ob in der zweiten Lesung noch neue Argumente eingeführt werden, über die es sich nachzudenken lohnt und die – wie von Herrn Kießling erwartet und gewünscht – dann eine Ausschussüberweisung rechtfertigen würden.
Ich konnte die nicht erkennen, habe aber ein Argument von Ihnen nur beispielhaft gehört, das Sie in der ersten Lesung mit Bezug auf diese Bevölkerungsstudie schon mal angewandt hatten und wo Ihnen die Finanzministerin schon etwas entgegnet hatte. Ich glaube, mit der geringen Geburtenzahl in Gera die Notwendigkeit zu begründen, die Grunderwerbsteuer zu senken, ist angesichts der Geraer Realitäten vergleichbar dem Vorhandensein von adäquatem Wohnraum
im Vergleich zu anderen Städten, vergleichbar geringes Mietniveau, vergleichbar gutes bis sehr gutes Betreuungsklima, Betreuungsangebot im Bereich der Kindertagesstätten. Das sind alles keine Gründe, zu sagen, man müsste, um die Geburtenzahl irgendwie nach oben zu bringen, die Grunderwerbsteuer senken. Ich finde das Argument einfach nicht stichhaltig, das Sie jetzt hier wiederholt vorgetragen haben.
Ja, Sie haben „eines von vielen“ gesagt. Aber ich darf hier sagen, dass das Argument, was Sie vorgetragen haben, vielleicht nicht eins von vielen glücklichen Argumenten für Ihren Gesetzentwurf war. Ich fand es halt nicht überzeugend
Die Grunderwerbsteuer hatte im Jahr 2017 ein Aufkommen von 144 Millionen Euro in Thüringen. Entgegen Ihrer Behauptung hat die vorangegangene Erhöhung der Grunderwerbsteuer in Thüringen nicht zum Einbruch des Steueraufkommens geführt, sondern das Steueraufkommen steigt stetig. Die Zahl der Fälle – trotz Bevölkerungsrückgang – bleibt vergleichsweise konstant, wenn man sich das über einen Zeitraum kurzfristig anschaut. Wenn man es sich über zehn Jahre anguckt, ist es in etwa genauso.
Ihr Gesetzentwurf suggeriert, dass Sie mit der von Ihnen vorgesehenen Senkung in etwa 20 Millionen Euro Einnahmeausfälle zu konstatieren hätten. Ich denke, es ist hinreichend ausgetauscht worden, dass es angesichts der tatsächlichen Zahlen mehr als 40 Millionen Euro wären. Dr. Pidde hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir einen beschlossenen Landeshaushalt haben, in dem diese Einnahmeausfälle erst einmal nicht mit Ihrem Gesetzentwurf in irgendeiner Form, weder faktisch noch rechtlich, kompensiert werden können. Sie haben Ihre Rede immer wieder genutzt, um mit kleinen Bemerkungen – „Stadtviertel, in denen man noch sicher sein kann“ und „Flüchtlingskosten“ –, in denen Sie immer so ein bisschen suggerieren und sagen, wegen der Flüchtlinge wurden die Bürger bei der Grunderwerbsteuer abgezockt. Ich halte es methodisch für perfide und will Ihnen sagen
das Argument habe ich schon in der ersten Lesung bringen dürfen –, dass die Erhöhung der Grunderwerbsteuer nicht aus Jux und Tollerei hier geschehen ist, sondern im Kontext des Sondergutachtens des Thüringer Rechnungshofs aus dem Jahr 2010 stand, wie mit Blick auf das Jahr 2020 und folgende – Auslaufen des Solidarpakts, Absenken der EU-Mittel und demografischer Wandel – die zu erwartenden Einnahmeausfälle kompensiert werden können. Es war immer eine Anforderung – auch des von Ihnen zitierten Bundes der Steuerzahler und vieler anderer Akteure – an die Politik, den Landeshaushalt langfristig zu konsolidieren. Das geht nur, indem alle Aufgaben und Ausgaben kritisch überprüft werden, aber indem natürlich auch über eigene Einnahmemöglichkeiten nachgedacht wird. Die einzige relevante eigene
Einnahmemöglichkeit des Freistaats Thüringen ist die Landessteuer, die Grunderwerbsteuer. Weil Thüringen damals wie heute Nehmerland war, sprich als finanzschwach einzustufen ist trotz der Überschüsse, die wir jetzt in den Landeshaushalten glückerweise erzielen können, und nach wie vor finanzschwaches Bundesland ist, gibt es auch aus dieser Sicht heraus abgeleitet für mich kein Argument, einer Senkung der Grunderwerbsteuer das Wort zu reden.
Herr Müller hat völlig recht, wir haben den guten Zustand, dass wir Landeshaushalte haben, die, wenn nichts Dramatisches passiert, auch in den nächsten Jahren die Chance haben, Überschüsse zu erwirtschaften. Mit diesen Überschüssen werden nicht nur alte Schulden und alte Verbindlichkeiten getilgt, sondern wird vor allen Dingen eine aktivere Rolle des Staates wahrzunehmen sein und es können Investitionen, die Jahrzehnte lang nicht getätigt wurden, in Schulen, in Kultur, in Straßen, in die gesamte Infrastruktur, getätigt werden. Dafür brauchen wir am Ende, meine sehr verehrten Damen und Herren, jeden Euro.
Na gut, da kann ich sowieso nicht auf alles eingehen. Dann greife ich mir nur ein Thema heraus. Weil Sie, sehr geehrter Herr Huster, gerade hier noch mal bestritten haben, dass die Erhöhung der Grunderwerbsteuer etwas mit den Flüchtlingskosten zu tun hat, bekommen Sie Ihre Aussage ganz einfach widerlegt. Sie brauchen nur mal Google öffnen und dann geben Sie „Grunderwerbsteuer Thüringen Erhöhung“ und von mir aus noch „Flüchtlinge“ oder „Asyl und Kosten“ ein. Gleich der erste oder zweite Link führt Sie auf die „Thüringer Allgemeine“. Das ist ein Beitrag von 2015. Raten Sie mal, was da steht! Da steht, wie Sie damals die Grunderwerbsteuererhöhung begründet haben. Raten Sie mal, was da steht! Da steht, dass es die gestiegenen Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen sind, die Sie dazu veranlassen, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen. Wenn jetzt die Flüchtlingsunterbringungskosten gesunken sind, wäre die logische Konsequenz eines ehrbaren Staatsmanns, dass man darüber nachdenkt, ob man diese Steuererhöhung rückgängig macht. Deswegen ist, denke ich mal, diese Argumentation auch durchaus legitim und nicht an den Haaren herbeigezogen oder
Danke, Frau Präsidentin. Herr Möller, das Argument hatten Sie in der ersten Lesung, ebenfalls verwendet. Ich habe mich noch mal mit den GoogleEinträgen beschäftigt. Deswegen habe ich Ihnen auch wiederholt eine andere Auffassung entgegengesetzt. Ich habe nämlich die Erhöhung der Grunderwerbsteuer in ein langfristiges Schema – in eine Notwendigkeit, den Landeshaushalt langfristig zu konsolidieren – gestellt. Es mag sein, dass in der Sondersituation, die im Jahr 2015 mit völlig unklaren Herausforderungen bestand – keiner wusste, wie in den Folgejahren Haushalte überhaupt nachhaltig aufzustellen sind –, das auch damit begründet wurde: Im Übrigen haben wir jetzt eine besondere Herausforderung. Das mag sein. Aber im Kontext der Notwendigkeit, den Landeshaushalt langfristig zu konsolidieren und Sonderherausforderungen zu lösen, die es auch in Zukunft immer geben kann, wurde das so begründet, wie Sie genannt haben. Es ist für uns kein hinreichendes Argument, wo weniger Flüchtlinge da sind, dass wir jetzt diese Steuern senken können. Im Gegenteil: Sie kritisieren auch die vielen Bedarfe mit der Forderung, Familien stärker zu unterstützen. Jede Fraktion, die hier im Haus ist, kann seitenweise Papier aufschreiben, wo als Nächstes dringend zu investieren ist. In diesem Kontext können wir die Notwendigkeit zur Senkung der Grunderwerbsteuer nicht erkennen. Ich bitte Sie, langfristig zu argumentieren, weil es darum geht, dass wir den Landeshaushalt langfristig konsolidieren und damit gestaltbar machen. Danke.
Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr. Die AfD hatte nochmals Ausschussüberweisung beantragt. Das lasse ich zuerst abstimmen. An welchen Ausschuss sollte das, an den Haushalts- und Finanzausschuss?
Ja. Ich lasse darüber abstimmen. Wer der Überweisung des Antrags an den Haushalts- und Finanzausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Mitglieder der AfD-Fraktion. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stimmen
der Regierungsfraktionen und der CDU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? Keine. Dieser Überweisungsantrag ist damit abgelehnt und wir kommen direkt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD in Drucksache 6/6066 in zweiter Beratung. Wer ist für diesen Gesetzentwurf? Das sind die Mitglieder der AfD-Fraktion. Wer ist gegen diesen Gesetzentwurf? Das sind die übrigen Fraktionen des Hauses. Damit ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Beratung abgelehnt.
Thüringer Gesetz zur Neustrukturierung der Familienförderung und zu Änderungen bei Stiftungen Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/6150 dazu: Vielfalt der Familie in Thüringen stärken Entschließungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drucksache 6/6182
Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung zu ihrem Gesetzentwurf? Das ist der Fall. Frau Ministerin Werner, Sie haben das Wort.
Danke schön. Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, namens der Landesregierung ist es mir eine große Freude, Ihnen heute das Thüringer Gesetz zur Neustrukturierung der Familienförderung und zu Änderungen bei Stiftungen vorstellen zu dürfen. Mit dem vorgelegten Artikelgesetz werden verschiedene Regelungen unterschiedlicher Rechtsvorschriften geändert. Insbesondere gehen wir nun ganz neue Wege in der Familienförderung. Deshalb wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Familienförderung in Thüringen sozusagen auf neue Füße gestellt.
Das Landesprogramm „Solidarisches Zusammenleben der Generationen“, wie wir es im Koalitionsvertrag verankert haben, erhält mit diesem Gesetz die rechtliche Basis. Wir haben als Ministerium gemeinsam mit Kommunen, Trägern, Verbänden und Ihnen als Abgeordneten viel Vorarbeit dafür geleistet, damit 2019 in ganz Thüringen das neue Landesprogramm „Familie“ starten kann. Bereits jetzt arbeiten das Altenburger Land und der Kyffhäuserkreis als Modellkommunen mit diesem Landesprogramm. Weitere zwölf Landkreise und kreisfreie Städte er
halten von uns als Land bereits Geld für die benötigten Planungsprozesse bzw. haben einen Antrag dafür gestellt, um als nächsten Schritt in die Finanzierung des LSZ einzutreten.
Im kommenden Jahr stehen im Landeshaushalt für das neue Landesprogramm „Familie“ 10 Millionen Euro bereit. Auch das ist eine Umsetzung des Koalitionsvertrags von Linken, SPD und Grünen und wird Kommunen und den ländlichen Raum stärken, denn das LSZ bündelt die kommunale Familienförderung in einer neuen innovativen Weise. Ausgehend von örtlichen Bedarfsplanungen und begleitet von integrierter Sozialplanung können die familienpolitischen Leistungen künftig zielgenauer und bedarfsorientierter erbracht werden als bisher, weil sie sich eben am tatsächlichen und notwendigen Bedarf vor Ort orientieren. Das Land wird sich zunächst mit 70 Prozent an der Förderung beteiligen, die konkrete Umsetzung des Landesprogramms erfolgt durch eine Richtlinie, die aktuell erarbeitet und intensiv mit verschiedenen Akteurinnen und Beteiligten diskutiert wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, gestatten Sie mir, an dieser Stelle kurz auf den Antrag der Koalitionsfraktionen „Vielfalt der Familie in Thüringen stärken“ einzugehen. Ich begrüße den Antrag und unterstütze ihn ausdrücklich. Es zeigt, dass wir mit dem Landesprogramm „Solidarisches Zusammenleben der Generationen“ auf dem richtigen Weg sind, denn wir berücksichtigen genau die Zielstellungen, die im Antrag verankert sind, beispielsweise die Förderung der Solidarität der Generationen, die Unterstützung von Familien sowohl bei der Erziehung als auch bei der Sorgearbeit. Die Schaffung familienfreundlicher Rahmenbedingungen in allen Regionen Thüringens sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für ein Altern in Würde. Die Wirkung des Landesprogramms orientiert sich an den Lebenslagen und an den Bedarfen der Familien. Wichtig ist daher die Unterstützung des Landes auf der örtlichen Ebene durch das Landesprogramm „Familie“. Für die überörtliche Ebene ist durch die weitere Verankerung der Förderung von überregionalen Strukturen und Einrichtungen auf der Grundlage eines Landesfamilienförderplans dauerhaft über das Thüringer Familienförderungssicherungsgesetz die Unterstützung gewährleistet.
Der neue Familienbegriff, der alle Familien umfasst, wurde in den Gesetzentwurf aufgenommen. Familie ist überall da, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen und füreinander da sind, unabhängig von Trauschein, sexueller Orientierung oder der Form, in der sie zusammenleben, also als Lebensgemeinschaft, Ein-Eltern-Familie, als Kleinoder Großfamilie, als Ehepaar, als Mehrgenerationenhaushalt oder in anderen Formen der Gemeinschaft. Auch die im Antrag angesprochene Sicherung der zusätzlichen Förderung zur Umsetzung der Landesstrategie zum Ausbau von Kindertages
einrichtungen zu ThEKiZ, also Thüringer ElternKind-Zentren, ist mir ein großes Anliegen und sollte auch künftig im Landeshaushalt entsprechend vorgesehen und untersetzt werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, in Artikel 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs, welcher für das LSZ die rechtliche Grundlage schafft, wird auch das Thüringer Familienförderungssicherungsgesetz überarbeitet. Damit wird die überregionale Familienförderung neu strukturiert, auch das erfolgt in Umsetzung des Koalitionsvertrags. Diese überregionale Förderung wird im Wesentlichen so fortgeführt, wie sie bisher erfolgt. Ergänzend wird eine Bestimmung zum Landesfamilienförderplan aufgenommen, die ab 2020 alle familienpolitischen Einrichtungen, Maßnahmen und Projekte enthalten soll, die von überregionaler Bedeutung sind. Der Landesfamilienförderplan wird unter Beteiligung der familienpolitisch relevanten Akteurinnen und Akteure erarbeitet und vom Landesjugendhilfeausschuss für die in seiner Zuständigkeit liegenden Bereiche beschlossen. Mit Artikel 3 erfolgt eine Anpassung des Thüringer Chancengleichheitsfördergesetzes. Da die Förderung der Frauenzentren ab 2019 im Rahmen des LSZ erfolgen soll, muss ein entsprechender redaktioneller Verweis in das Chancengleichheitsfördergesetz aufgenommen werden.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Artikel 1 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs enthält das Thüringer Gesetz zur Aufhebung der Stiftung FamilienSinn. Ihnen ist bekannt, dass im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, die Vor- und Nachteile einer Umwandlung der Stiftung FamilienSinn sowie die Rückführung der familienpolitischen Leistungen in das zuständige Ministerium zu untersuchen und abzuwägen. Auf der Grundlage der Ergebnisse sollen die Strukturen und die Zuständigkeit der familienpolitischen Leistungen neu organisiert werden. Nachdem die IMAG „Modernes Thüringen“ eine entsprechende Empfehlung abgegeben hat, beschloss das Kabinett am 26. September 2017 die Auflösung der Stiftung. Ich als zuständige Ministerin wurde gebeten, die entsprechenden gesetzlichen Regelungen vorzulegen. Mit Artikel 1 wird dieser Kabinettsbeschluss umgesetzt.