Protocol of the Session on August 31, 2018

oder beispielsweise darüber, ob Deutschland einen Friedensvertrag braucht oder was weiß ich, was da alles noch für Fragen eine Rolle spielen. Das heißt, mit sehr, sehr hoher Wahrscheinlichkeit ist das Problem, über das wir hier reden, ein politisch stark aufgebauschtes. Es ist ein Problem des politischen Aktionismus und auch ein Problem des politisch korrekten Aktionismus. Und, meine Damen und Herren von der CDU, meine Damen und Herren hier im Haus, wenn man am Leitfaden der politischen Korrektheit Politik macht, dann entsorgt man am Ende das Recht zugunsten der richtigen Gesinnung. Das Thema hatten wir in diesem Plenum schon mal und auch da stand ich hier vorn. Deswegen will ich diesen Antrag der CDU mal ein bisschen sezieren. Der besteht ja aus einem Berichtsteil und einem Forderungsteil. Gegen den Berichtsteil hätten wir jetzt nichts einzuwenden. Es ist immer gut, wenn das Parlament und die Öffentlichkeit über die Zustände im Land Bescheid weiß, und das gilt natürlich auch für die Reichsbürgerszene. Wenn die CDU beispielsweise wissen möchte, wie viele Reichsbürger im Freistaat zum Waffenbesitz berechtigt sind, dann ist es ein legitimes Erkenntnisinteresse des Parlaments.

(Beifall AfD)

Die Frage, was genau eigentlich einen Reichsbürger ausmacht, stelle ich jetzt mal in dem Zusammenhang dahin. Immerhin scheint mir das keine ganz so klare Sache zu sein. Jedenfalls gilt, wenn es allein um die Aufklärung über die Lage in Sachen Reichsbürger ginge, dann wäre gegen den Antrag nichts einzuwenden. Aber der zweite Teil des Antrags der CDU muss eigentlich alle hellhörig machen, denen am Rechtsstaat etwas liegt. Und es muss vor allem jene hellhörig machen, die sich fragen, wer für die Zustände in Thüringen seit Jahr und Tag verantwortlich ist. Da wird also im Antrag der Landesregierung die Landesregierung aufgefordert – ich zitiere mal mit Erlaubnis des Präsidenten –, „die Waffenbehörden im Freistaat […] anzuweisen – in Zusammenarbeit mit dem Amt für Verfassungsschutz –, waffenrechtliche Erlaubnisse zu widerrufen, sofern unwiderlegbare Feststellungen über die Zugehörigkeit einer Person zur Reichsbürgerbewegung vorliegen“. Die Waffenbehörden sollen zusammen mit dem Verfassungsschutz also auf die richtige Gesinnung hin prüfen und dementsprechend ihre Bescheide ausrichten.

Meine Damen und Herren, insbesondere von der CDU, um solche Fragen haben sich Waffenbehörden nicht zu kümmern. Wenn es darum geht, rechtswidriges Handeln oder Gefahren für die öffentliche Ordnung abzuwehren, so sind dafür andere zuständig,

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Erzählen Sie doch nicht so einen Quatsch! Was erzählen Sie denn da?)

(Abg. Marx)

nämlich a) die Polizei, die aber seit Jahren unter der Ägide von CDU, SPD, Linken und Grünen kaputtgespart wird, b) der Verfassungsschutz, den die Linke gern abschaffen möchte, c) die seit Langem chronisch unterbesetzte Staatsanwaltschaft und d) auch die oft überlasteten Gerichte. All die Inkapazitäten in diesen eigentlich zuständigen Organisationen haben Sie zu verantworten.

Meine Damen und Herren, in einem Rechtsstaat wird geschaut, ob jemand mit seinem Handeln Gesetze verlässt. Und wenn ein Reichsbürger strafrechtlich verurteilt wird, zum Beispiel wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung oder vielleicht wegen was Schlimmerem, dann, meine Damen und Herren, ist die Waffenbesitzkarte weg. Da braucht man nichts neu zu regeln und auch nichts anzuweisen. Das ist der Rechtsstaat und so funktioniert er heute.

Aber offenbar geht es hier nicht um den rechtsstaatlichen Weg. Sonst würden Sie, liebe Kollegen von der CDU, sich in Ihrem Antrag um die mangelnden Kapazitäten bei der Polizei oder beim Verfassungsschutz oder bei der Staatsanwaltschaft kümmern und nicht um eine Anweisung der Waffenbehörden. Denn das Ziel dieses Antrags, den Sie hier gestellt haben, ist folgendes: Sie wollen legale Waffen auch dann einziehen, wenn keine strafrechtliche Verurteilung, wenn keine waffenrechtlichen Verstöße festzustellen sind. Hier sollen also Personen in ihren Rechten auch dann eingeschränkt werden, wenn sie sich bisher rechtlich einwandfrei verhalten haben, sie aber seltsame Ansichten vertreten. Da sind wir beim Kern, meine Damen und Herren. Der Rechtsstaat knüpft Konsequenzen an nachgewiesenes Fehlverhalten. Er wird dagegen zum Gesinnungsstaat, wenn er Konsequenzen an Meinungen und Gesinnungen knüpft.

(Beifall AfD)

Das ist das, was wir Ihrem Antrag vorwerfen. Man muss keine Sympathien mit den Ideen der Reichsbürger haben, um gegen den Antrag zu sein, den Sie gestellt haben.

(Unruhe CDU)

Man muss gegen den Antrag sein, wenn einem etwas an Rechtsstaatlichkeit und an Freiheitlichkeit liegt. Und darum geht es hier.

(Unruhe SPD)

Die Frage ist doch: Wer bestimmt denn, welche Gesinnungen demnächst von den Waffenbehörden alles überprüft werden? Wenn Ihnen das so passt. Heute sind es die Reichsbürger, da jammert kaum ein. Aber wer ist es denn morgen? Wer hat morgen die falsche Gesinnung?

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Immer die Verfassungsfeinde!)

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Die an- deren Nazis!)

Die nächsten falschen Ideen braucht man ja dann nur zu definieren und dann den Waffenbehörden entsprechende Anweisungen zu geben. Das ist die Logik hinter Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der CDU. Als Nächstes kämen dann vielleicht die Jäger und Sportschützen dran, die sich mal kritisch zur Multi-Kulturalisierung des Landes geäußert haben, oder diejenigen, die sich kritisch zur Ausländerkriminalität äußern.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Wir wissen ja, wie der größte Teil des Plenums darauf reagiert. Das wird dann sofort als Rassismus bezeichnet. Selbst wenn sie nur Statistiken zitieren. So schnell können Meinungen kriminalisiert werden.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Faschismus ist keine Meinung!)

Ja, das ist wieder mal so eine schöne Phrase, wunderbar. Kein einziges Argument, eine reine Phrase. Faschismus ist keine Meinung – was wollen Sie denn damit sagen?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist eine Haltung!)

Sie wollen damit einen Ton von sich geben, ohne was zu sagen.

(Zwischenruf Abg. Adams: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es ist eine Haltung, die vielen Menschen das Leben gekostet hat. Nie wie- der!)

Ja, richtig. Aber wissen Sie was: Ihre Haltung hat keine gesetzliche Legitimität. Die Verfassung, die wir alle zu schützen haben, ist der Leitfaden, nicht Ihre Haltung, Herr Adams. Offenbar sehen Sie alle nicht, wohin es führt, wenn man so eine Haltung zum Maßstab macht und nicht die Verfassung.

(Beifall AfD)

Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, dass es ein Kennzeichen totalitärer Herrschaft ist, das Recht durch Gesinnungsforderungen, durch Haltungen aufzuweichen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Würde des Menschen ist un- antastbar – Artikel 1!)

In einem vor einigen Jahren erschienenen Sammelband über den sogenannten Historikerstreit, Herr Adams, kann man nachlesen, ich zitiere: Im Totalitarismus muss der Einzelne nicht nur richtig handeln, sondern zudem von der richtigen Gesinnung, von der richtigen Haltung beseelt sein. Um die rich

tige Gesinnung – also das, was Sie mit Haltung umschreiben –

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

unter Beweis zu stellen, wird der Einzelne zur empathischen Akklamation gezwungen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Er hat gesagt, wir sind Ge- sinnungsfaschisten!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe im Saal. Herr Möller hat das Wort.

Und wenn ich das noch kurz anfügen darf: Herr Höcke, für den Gesinnungsfaschist-Vorwurf bekommen Sie einen Ordnungsruf.

(Beifall DIE LINKE)

Ihre Erregung, meine Damen und Herren, zeigt jedenfalls, dass Sie im Kern schon verstanden haben, an welchem Rädchen Sie da gerade drehen und dass es eigentlich bitterböse ist, was Sie tun.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Sie drehen am Rädchen da vorn! Sie sind der große Raddreher!)

Herr Abgeordneter Blechschmidt, für diese Beleidigung erhalten Sie auch einen Ordnungsruf. Jetzt bitte ich wirklich alle, sich etwas abzurüsten und abzukühlen.

(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: Bei dem Thema kann man nicht abrüsten!)

Wir haben die Beratung eines Themas, was sicher emotional umstritten ist, und der Herr Möller hat das Wort. Danach kommen andere zu Wort und das müssen wir hier vernünftig abarbeiten. Herr Möller, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. Meine Damen und Herren, wir sind gern die Verteidiger des freiheitlichen Rechtsstaats, den unsere Verfassung konstituiert

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Verteidiger von bewaffneten Nazis sind Sie!)

auch gegenüber Leuten, die diesen Rechtsstaat gern durch Haltungen ersetzen möchten, was nichts anderes als Gesinnung ist.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Diesen Rechtsstaat respektieren wir!)

Meine Damen und Herren, der Rechtsstaat muss wehrhaft sein, keine Frage. Da stimmen wir Ihnen zu, auch Ihnen, Herr Minister. Wenn eine Bedrohung von Leuten droht, die die Existenz unseres Staates leugnen, dann muss dieser Bedrohung mit den Mitteln des Rechtsstaats, der sich am Handeln orientiert, entschieden begegnet werden.

(Beifall AfD)

Der Freistaat Thüringen verfügt auch im Kern über alle rechtsstaatlichen Instrumente, um möglichen Gefährdungen zu begegnen. Natürlich müssen diese Instrumente endlich wieder ertüchtigt werden, sie müssen mit den entsprechenden Mitteln und Personal ausgestattet werden, insbesondere Polizei, Staatsanwaltschaften und die Gerichte und natürlich auch der Verfassungsschutz, den die Kollegin von den Linken ja gern abschaffen möchte.