Danke schön, Herr Abgeordneter Tischner. Als Nächster hat Abgeordneter Dr. Hartung für die SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, als der Antrag vor einigen Monaten auf der Tagesordnung stand, habe ich mich natürlich auch mit einer ordentlichen Rede, mit Konzepten, mit Beispielen, mit Zahlen auf diese Plenardebatte vorbereitet. Allerdings finde ich, es gibt kaum etwas, was die Notwendigkeit demokratischer Bildung deutlicher
macht, als die Ereignisse der letzten Woche in Chemnitz. Ich glaube, da können wir genau das ablesen, was wir verhindern wollen.
Und Sie haben, Herr Tischner, nicht ganz recht, wenn Sie sagen, es gibt da keinen Zusammenhang zur politischen Bildung. Im Januar ist eine Studie der Universität Bielefeld veröffentlicht worden – Hedtke et al. –, nach der bescheinigt wird, dass gerade Sachsen im Vergleich mit allen anderen Bundesländern besonders wenig Unterricht auf politische Bildung verwendet. Die Frage, was die Folgen sind, das können wir uns anschauen. Ich glaube schon, dass wir in unseren Schulen den Schülern vermitteln müssen, dass es bestimmte Grundwerte in unserer Gesellschaft gibt. Ein Grundwert ist das absolute Gewaltmonopol des Staates. Man geht mit seinen Argumenten nicht so um, dass man sie dem anderen einprügelt, egal von welcher Seite. Der zweite Punkt ist natürlich, dass man dem anderen zuhört, dass man eine tolerante Werteordnung lebt und auch erkennt und sich in seine eigenen Belange einmischt. Wir müssen den Schülern von Anfang an beibringen, dass es Sinn macht, über die eigenen Belange zu diskutieren, dass es Sinn macht, darüber abzustimmen, dass es Sinn macht, sich zu beteiligen und dass man damit etwas bewirkt. Dass man damit etwas bewirkt, ist die eigentliche Lehre. Das bedeutet, dass wir nicht nur Unterricht im Demokratie-Verhalten brauchen, sondern wir brauchen tatsächlich Demokratie-Wirkung in unseren Schulen. Wir müssen Schule demokratischer gestalten. Da habe ich eine ganz andere Erfahrung, als Sie sie hier gerade unterstellen. Ich glaube, unsere Schüler sind teilweise sehr gut darauf vorbereitet. Sie nicken, wir sind gar nicht weit auseinander.
Ich möchte da einfach mal eine Begebenheit erzählen: Hier war vor einigen Wochen eine 11. Klasse – das war im Juni – und wir haben hier mit denen diskutiert, Abgeordnete, Mitarbeiter, es war eine lebhafte Debatte. Da war auch jemand von der AfD dabei, sie ist ja Teil des Parlaments und da gehört das auch dazu. Der Herr von der AfD hatte so die Chance, mal eine Darstellung seiner persönlichen Auffassungen zu geben. Ich gebe da mal so ein paar Beispiele: Punkt Nummer 1 war, die jungen Leute möchten sich doch bitte nicht die linksliberale Springerpresse anschauen wie die „Bild“-Zeitung, das ist ja alles viel zu links, man solle doch so gute Blätter wie die „Junge Freiheit“ lesen. Die kennt er zwar nur von den Überschriften, weil die Texte alle zu klein gedruckt sind, aber die Überschriften sind toll. Das war Aussage Nummer 1. Weitere Aussage des Abgeordneten war, er könne überhaupt nichts gegen Ausländer haben, weil seine Tochter vier Fremdsprachen sprechen würde. Dritte Aussage – und das ist meiner Meinung nach die beachtenswerteste: Der Abgeordnete erzählte, dass wir in Deutschland ja gar keine Demokratie hätten, und
andere Menschen in richtigen Demokratien würden uns auslachen. Er war zum Beispiel vor einigen Wochen, so erzählte er, in der Musterdemokratie Weißrussland und da hat man ihm erzählt, wie schlimm das hier in Deutschland ist und warum wir uns das gefallen lassen.
Das ist eine Musterdemokratie im Sinne der AfD. Ich bin der Überzeugung, dass wir den Schülern da etwas in die Hand geben müssen. Aber die Schüler hatten es in der Hand. Das war eigentlich das Lustige an der ganzen Geschichte. Die Schüler saßen da, hörten dem Abgeordneten zu –
Sie erinnern sich noch daran, Herr Rudy, ich habe Ihren Namen bewusst nicht genannt, Sie erinnern sich noch daran – die runzelten die Stirn, sie schüttelten mit dem Kopf, hörten Ihnen bis zum Ende zu und dann haben sie ihn mit ihren Fragen seziert. Sie haben ihn regelrecht seziert und am Ende war, glaube ich, auch dem Herrn Rudy klar, dass er in dieser Debatte gerade nicht die hellste Kerze auf der Torte war.
Ich glaube, das ist auch der Punkt, zu dem wir jeden Thüringer Schüler bringen müssen, weil einer solchen Auseinandersetzung ein Thüringer Schüler immer wieder gegenüberstehen wird, dass Leute versuchen, ihn mit Lügen, mit Falschdarstellungen usw. zu instrumentalisieren.
Doch, genauso haben Sie es gesagt, Herr Rudy, genauso haben Sie es gesagt. Ich kann mich noch gut erinnern.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie lassen sich immer etwas einfallen! Geschichten, die nur Herr Hartung weiß!)
Genau. Es waren genügend Schüler dabei, da waren noch andere Personen dabei. Wir können zum Beispiel Herrn Seela von der CDU-Fraktion fragen, der saß auch daneben.
Jedenfalls glaube ich, dass wir unseren Schülern mit einer demokratischeren Schule das Rüstzeug an die Hand geben müssen, mit diesen Leuten so
umzugehen, wie es diese 11. Klasse getan hat. Wenn das an jeder Schule das Übliche ist, dann, glaube ich, haben wir unser Ziel erreicht. Dann hat dieser Antrag voll gewirkt. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Tischner, Sie haben sich ja hier vorne wirklich in Szene gesetzt. „Gut“ kann man dazu nicht sagen. Wenn Ihnen wirklich so viel daran gelegen hätte, mit uns zu diesem Antrag ins Gespräch zu kommen – ich muss im Konjunktiv sprechen, Frau Tasch, weil Herr Tischner mich nicht ein einziges Mal angesprochen hat –, dann hätten Sie das doch tun können. Dieser Antrag liegt seit Mai vor. Seit Mai!
(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Ich habe Sie mehrfach angesprochen! Sie haben im- mer Nein gesagt!)
Seit Mai hätten wir darüber diskutieren können, Sie hätten uns ansprechen können, Sie hätten sagen können: Übrigens, wir hätten es schön gefunden, wenn wir über dies oder jenes vorher hätten ins Gespräch kommen können.
Natürlich hätten Sie das tun können. Jederzeit könnten Sie mit uns sprechen. Es gibt Neufassungen, wenn man das will, es gibt die Möglichkeit, wenn man sich konstruktiv beteiligen möchte, tatsächlich das Gespräch zu suchen. Sie wollten hier vorne eine Abrechnungsrede halten, die aber leider sehr wenig mit dem Antrag zu tun hat. Deswegen will und werde ich auch noch mal einiges zu dem Antrag sagen.
Konkret haben Sie uns vorgeworfen, dieser Antrag würde die Schwächung der Lehrerpersönlichkeit implizieren. Dazu will ich mal ein paar Punkte vorlesen, wir haben ja 17 Punkte unter Punkt II aufgeführt, die wir ganz konkret vorschlagen, um Lehrerinnen und Lehrer, um Schulen zu stärken. Da steht zum Beispiel der Punkt 2: „die Lehrkräfte an den Schulen bei der Umsetzung demokratiestärkender
Bildungsinhalte und demokratischer Schulkultur zu stärken und zu unterstützen“. Wo ist da die Schwächung der Lehrerpersönlichkeit? Das Gegenteil ist der Fall. Unter Punkt 4 steht: „die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften in Richtung demokratiestärkender Unterrichtsmethoden und demokratischer Schulkultur zu stärken sowie Demokratiebildung in allen Phasen der Lehrerbildung als eine fächerübergreifende Aufgabe zu verankern“. Auch das ist ja wohl keine Schwächung – das Gegenteil, es ist eine Stärkung der Lehrerinnen und Lehrer. Weiter geht es dann aber auch im Punkt 7. Den Punkt hatte mein Kollege Herr Schaft eben schon mal bei seiner Zwischenfrage vorgetragen. Da steht nämlich, wenn Sie ihn zu Ende lesen: „durch die fächerübergreifende“. Es geht nicht nur um den Sozialkundeunterricht in 45 Minuten, sondern: „durch die fächerübergreifende Vermittlung von Wissen über Demokratie als Gesellschafts-, Herrschafts- und Lebensform sowie einen lebendigen, durch demokratische Formen bestimmten Schulalltag die demokratischen Werte bei Pädagogen und Pädagoginnen, Schülerinnen und Schülern zu fördern sowie demokratisches Engagement zu unterstützen“. Wo wird hier etwas unterlaufen? Das Gegenteil ist der Fall: Wir wollen stärken.
Und an dieser Stelle bin ich bei Herrn Hartung: Chemnitz muss uns allen zu denken geben und die Reden der AfD übrigens auch, und zwar alle ausnahmslos, die ich hier in den letzten Stunden gehört habe, dass wir mehr Demokratiebildung an unseren Schulen brauchen. Und da braucht es auch „Sensibilisierungsmaßnahmen zu Erscheinungsformen und Ursprung von Rassismus und Diskriminierung sowie den Umgang damit für alle pädagogischen Fachkräfte in der Aus- und Fortbildung“. Das steht unter Punkt 13. Oder im Punkt 15: „im Rahmen der Weiterentwicklung der Thüringer Lehrpläne“. Und das ist der Punkt, wo Sie behauptet haben, wir würden sagen, es wäre alles rassistisch. Nein, wir wollen genau darauf achten, dass eben rassistische und diskriminierende Inhalte nicht in Lehrplänen und Lehrbüchern enthalten sind und dafür Menschenrechtsbildung verankert wird. Und jetzt sagen Sie mir mal, was daran schlecht ist!
Demokratie und eine offene pluralistische Gesellschaft sind schließlich – ich dachte, da sind sich zumindest die demokratischen Fraktionen in diesem Hause einig – politische Errungenschaften, die immer wieder erlernt, erstritten, verteidigt und auch erfahren werden müssen, auch und gerade in Thüringen. Und wir sehen das als Rot-Rot-Grün als gesamtgesellschaftlichen Auftrag, aber insbesondere eben auch als bildungspolitische Aufgabe angesichts der Zunahme rassistischer, rechtspopulistischer und antidemokratischer Tendenzen, die politische Bildungsarbeit und die Demokratiebildung in den Schulen zu stärken.
Deshalb wollen wir, dass Demokratiebildung an unseren Schulen lebendig und gemeinsam mit den Schülerinnen, mit den Eltern, mit den Lehrkräften, mit allen an Schule Beteiligten weiterentwickelt wird. Bald werden wir im Landtag auch das Schulgesetz diskutieren. Da wird es auch um gesetzliche Veränderungen für mehr Mitbestimmung und Demokratie in den Schulen gehen. Und wir hatten das Thema auch schon heute Morgen, als es um die Stärkung von eigenständiger Jugendpolitik ging.
Mit dem vorliegenden Antrag jedenfalls unter der Überschrift „Thüringer Schulen als Lern- und Lebensorte für die Demokratie stärken“ beschreiben wir sehr umfassende Maßnahmen, wie wir in Thüringen demokratische Bildung und politische Bildung voranbringen können. Das politische Ziel, hinter dem wir uns zumindest heute vereinen, ist eine lebendige, eine demokratische Schulkultur, in der Beteiligung und Mitbestimmung großgeschrieben werden. Mit dem heutigen Beschluss unterstützen wir gleichzeitig – und das ist der Punkt, wo Sie vorhin gesagt haben, was wollen Sie eigentlich mit Herrn Holter –, wir unterstützen Bildungsminister und KMK-Präsident Helmut Holter, der auf KMKEbene Demokratiebildung als das große Thema seiner Kultusministerkonferenzpräsidentschaft benannte.
Ich will trotzdem noch mal ganz kurz auf wesentliche Aspekte unseres Antrags eingehen. Wir betonen mit unserem Antrag, dass wir eine Schulentwicklung befürworten, die auf Mitbestimmung, die auf Augenhöhe und auf Diskurs mit allen Beteiligten setzt. Gute Schule braucht selbstverständlich auch gut ausgebildete Lehrkräfte und Pädagoginnen und Pädagogen. Und das ist übrigens bei allen wichtigen Schulentwicklungsthemen so. Daher sprechen wir in unserem Antrag eben auch – ich habe es eben schon zitiert – die Bereiche der Aus-, Fortund Weiterbildung an und – das ist ganz wichtig – wir dürfen Schulen auch nicht allein lassen. Denn außerschulische Partner – ich nenne mal Kunst, Kultur, Vereine, Betriebe, auch die Gemeinden, Sport, Städte und Landkreise – sind ganz wichtige Partner für Schulen innerhalb von kommunalen Bildungslandschaften. Auch deshalb wollen wir Schulen dabei unterstützen, sich aktiv in diese kommunalen Bildungslandschaften einzubringen, denn Vernetzung und gemeinsame Verantwortungsübernahme, insbesondere mit der außerschulischen Jugendbildung, kann wertvolle Impulse für das Leben und Lernen liefern. Das ist übrigens das Gegenteil von Gleichschaltung, die uns hier vorgeworfen werden soll, oder Ähnlichem. Es geht darum, dass Schulen selbst entscheiden, was für
sie wichtige Kooperationspartner sind, und für sich selbst ein eigenes Profil entwickeln, und zwar als Schule vor Ort, die Lern- und Lebensort ist.
Wir machen uns aber auch Gedanken, wie sich politische Bildungsinhalte in unseren Schulen stärker verankern lassen. Dazu gilt es, die fächerübergreifende Vermittlung politischer Bildung voranzutreiben. Es kann eben nicht sein, dass die Verantwortung für die Auseinandersetzung mit politischen Inhalten in Schule nur einem Fach – der Sozialkunde oder der Geschichte – zugewiesen wird. Vielmehr muss die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten und damit politischen Themen in möglichst viele Fächer integriert werden.
Außerdem haben wir mit unserem vorliegenden Antrag wichtige Anregungen und Hinweise aus der Arbeit der Enquetekommission aufgegriffen. Aber ein bisschen interessant oder aberwitzig fand ich es schon, lieber Herr Tischner, wenn Sie jetzt vorwerfen, wir würden etwas vorgreifen, wo gerade Ihre Fraktion die Arbeit in der Enquetekommission im Moment nicht gerade unbedingt voranbringt, um das mal ganz höflich zu formulieren.
Ich sage, das ist das, was wir bei Ihrer Arbeit in der Enquetekommission erleben. Wir könnten längst viel weiter sein, gerade auch was die Erstellung des Zwischenberichts anbelangt. Da blockieren Sie an ganz vielen Stellen und ich würde da den Ball an dieser Stelle sehr flach halten, Herr Tischner. Das will ich einfach ganz deutlich sagen.