Protocol of the Session on June 21, 2018

Vielen Dank, Herr Präsident. Werte Abgeordnete, werte Gäste, um es hier gleich auf den Punkt zu bringen: Der vorliegende Gesetzentwurf zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden leidet im Wesentlichen an drei Punkten. Zunächst einmal erfolgt eine nicht unerhebliche Anzahl der geplanten Fusionen in Wirklichkeit nicht freiwillig. Zudem berücksichtigt er bei einer Vielzahl der geplanten Fusionen auch nicht die Belange kleinerer Gemeinden, wie sie sich im Rahmen des schriftlichen Anhörungsverfahrens offenbarten. Und er beinhaltet schließlich auch Regeln, die im erheblichen Maße in die kommunale Personalhoheit eingreifen.

Lassen Sie mich diese Punkte nun einmal etwas näher erläutern. Als Erstes möchte ich hier Folgendes klarstellen: Auch wir von der AfD begrüßen grundsätzlich freiwillige kommunale Strukturveränderungen zur Schaffung von zukunftsfähigen sowie leistungsfähigen, verwaltungsstarken Gemeinden, die in der Lage sind, ihre kommunalen Aufgaben dauerhaft, in geordneter Haushaltswirtschaft, eigenständig und sachgerecht wahrzunehmen.

(Beifall AfD)

Wir lehnen jedoch ausdrücklich Neugliederungen von Gemeinden ab, die lediglich nach außen hin freiwillig dargestellt werden und in Wirklichkeit von den Gemeinden erkauft bzw. abgepresst wurden.

(Beifall AfD)

Denn bereits seit Jahren werden den Gemeinden die Finanzmittel vorenthalten, die sie eigentlich benötigt hätten, um ihre Aufgaben angemessen zu erfüllen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ha- ben Sie nicht zugehört?)

Im Ergebnis wurde somit die Bereitschaft zur Fusionierung bei einer Vielzahl der Gemeinden in Wirklichkeit nur aufgrund ihrer finanziellen Not erkauft.

(Zwischenruf Höhn, Staatssekretär: Quatsch!)

Die zweite große Schwachstelle dieses Gesetzentwurfs ist, dass oftmals die Belange kleinerer Gemeinden und der Bürger nicht berücksichtigt oder schlichtweg übergangen wurden.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Wer hat denn das aufgeschrieben?)

So ergab sich aus den umfänglichen Stellungnahmen im Rahmen der schriftlichen Anhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf, dass sich viele Bürger in der Umsetzung der Neugliederungsvorhaben eine stärkere Beteiligung und Berücksichtigung ihrer Interessen gewünscht hätten. Ferner wurde oftmals auch moniert, dass die Umsetzung der Neugliede

(Abg. Scheerschmidt)

rungsvorhaben nicht dem beschlossenen Leitbild und den Leitlinien zur Neugliederung entsprechen würde. Denn entgegen den Vorgaben des Leitbilds wird durch die geplante Neugliederung häufig gerade keine Stärkung der Ober- und Mittelzentren erreicht. Zudem gingen die Kritik und der Widerstand gegen den vorliegenden Entwurf bisweilen sogar so weit, dass die Bürgermeister der Stadt Saalfeld und der Gemeinde Berlingerode die Erhebung einer Klage gegen dieses Gesetz in Aussicht stellten, da einige Aus- bzw. Eingliederungen von Gemeinden gegen den Willen der übrigen tangierenden Gemeinden erfolgen sollen.

Schließlich ist der dritte äußerst kritikwürdige Punkt an diesem Entwurf der Umstand, dass auch mit der Regelung zur Rechtsstellung der kommunalen Wahlbeamten – § 17 Abs. 7 des Gesetzentwurfs – in unverhältnismäßiger Weise in die kommunale Personalwahl eingegriffen wird. Denn durch die in dieser Regelung enthaltene Fiktion gelten die hauptamtlichen kommunalen Wahlbeamten der aufgelösten Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften als in den einstweiligen Ruhestand versetzt und die beamtenversorgungsrechtlichen Wartezeiten als abgeleistet, sofern der hauptamtliche kommunale Wahlbeamte bis zum Ende seiner regulären Amtszeit eine Dienstzeit von mindestens fünf Jahren erreicht hat. Eine nachvollziehbare Rechtfertigung für eine derart weitreichende Vorwegnahme einer Personalentscheidung durch den Gesetzgeber ist jedoch nicht ersichtlich.

Hierbei ist außerdem zu berücksichtigen, dass die gesetzgeberisch vorweggenommene Personalentscheidung eine erhebliche Kostenfolge für die kommunale Ebene nach sich zieht. Die direkte Konsequenz hiervon wäre nämlich notwendigerweise die unmittelbare Entstehung einer erheblichen Anzahl gesetzgeberisch erzwungener Versorgungsansprüche von Beamten in Leitungsfunktionen, deren finanzielle Folgen und Formen von Umlagen gegenüber dem kommunalen Versorgungsverband von den betroffenen Gemeinden und Städten zu tragen wären, obwohl sie gegebenenfalls gegen ihren Willen aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung dazu gezwungen wurden. Es entstünden der kommunalen Ebene insoweit erhebliche Folgekosten, obwohl diese Kostenlast durch die Landesregierung initiiert und vom Landesgesetzgeber beschlossen wurde. Nach unserem Dafürhalten müsste daher noch eine Regelung aufgenommen werden, welche die erzwungenen finanziellen Belastungen der kommunalen Ebene interessen- und sachgerecht auffangen würde.

(Beifall AfD)

Wie man also sieht, hat der vorliegende Gesetzentwurf noch erhebliche Schwächen, die man ausbessern müsste. Auch wenn wir uns als AfD – wie bereits erwähnt – freiwilligen Fusionen nicht in den

Weg stellen, können wir den Entwurf in seiner jetzigen Fassung aufgrund der aufgezeigten Mängel nicht mittragen.

Heute Morgen habe ich in der Pressemitteilung gelesen – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –: „Gebietsreform: Ramelow stiftet Verwirrung.“

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war Ihre Pressemitteilung, oder was?)

Das zeigt doch ganz deutlich, wie mit den weißen Flecken umgegangen werden soll, sprich: mit den Überbleibseln einer Gebietsreform. Hier sagt Innenminister Maier, ich zitiere:

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Es gibt keine Überbleibsel oder weißen Flecken!)

Ja, ja. – „In Thüringen werde es in der nächsten Legislaturperiode eine Zwangsphase für eine Gemeindegebietsreform geben“.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Sie müssen dazusagen, woraus Sie zitieren!)

Ja. – Ich habe gesagt, ich zitiere Innenminister Maier.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Wor- aus zitieren Sie denn?)

„Gebietsreform“, OTZ.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es antwortete Ministerpräsident Ramelow am Mittwoch: „Von Zwang war überhaupt keine Rede.“ Ja was nun: hü oder hott? Vertrauensbildung sieht anders aus.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, Sie haben das Pferd Gebietsreform ohne Zaumzeug zu Tode geritten und sich jetzt mit einem Reförmchen freiwilliger Fusionen zufriedengegeben.

(Beifall AfD)

(Unruhe DIE LINKE)

Da muss ich sagen: Die CDU hat in der letzten Legislatur 300 freiwillige Fusionen durchgezogen – geräuschlos, ohne große Kosten.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: We- gen notorischer Faulheit als Beigeordneter, abgewählter Experte!)

Sie in den Koalitionsfraktionen sind großspurig angetreten – mit großem Tamtam – und sind krachend gescheitert, die Gebietsreform durchzuziehen.

(Beifall AfD)

Und noch ein Wort zu Herrn Kuschel: Sie können sich darauf verlassen, 2019 werden wir Ihnen Ihre schwere Bürde und Verantwortung abnehmen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Adams für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Gäste hier im Thüringer Landtag, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Rede vom Kollegen der AfD kann ich eigentlich nur sagen: So würde ich gern reiten können, ohne Zaumzeug jemanden zu Tode zu reiten. Das sagt vieles über die Bilder und über die Gedankenwelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kollege Fiedler hat in einer sehr ausführlichen Rede im Prinzip zwei Dinge gesagt. Zum einen hat er unterstrichen, dass die CDU zu diesem Gesetz eigentlich Ja sagen könnte und Ja sagen müsste, weil sie genauso zur Freiwilligkeit und genauso zur kommunalen Selbstbestimmung steht wie wir. Dann haben Sie ein Aber gesetzt und haben lauter ängstliche Fragen gestellt, ob dieses oder jenes denn vielleicht mit anderen Rechtsnormen oder Regeln zusammenpassen würde. Da muss ich noch einmal ganz ehrlich sagen: In der Politik darf man keine Angst haben, Herr Fiedler.

(Beifall DIE LINKE)

Da darf man keine Angst haben, Entscheidungen zu treffen. Wenn die Kommunen den Weg gehen wollen, dann muss man dazu Ja sagen, es sei denn, man hat wirklich schwerwiegende Bedenken. Dann müsste die CDU wieder Nein sagen. Aber dadurch, dass Sie heute sagen, Sie werden sich enthalten, zeigen Sie doch nur eines, dass Sie sich der Verantwortung entziehen und dass Sie die Verantwortung für unsere Kommunen und in dem speziellen Fall dieses Gesetzes auch ein großes Stück Verantwortung für den ländlichen Raum nicht übernehmen wollen und nicht übernehmen können.

Aber eigentlich wollte ich anders in diesen Tagesordnungspunkt eintreten: mit einem Zitat, zu dem mir der Urheber leider nicht bekannt ist. Dieses Zitat sagt: Wahre Liebe ist es eben nicht, sich stundenlang in die Augen zu schauen, sondern wahre Liebe ist es, gemeinsam in die Zukunft zu schauen. Wenn wir auch wissen, dass es nicht immer Liebe

ist, so wissen wir doch, dass 48 Gemeinden nun gemeinsam in die Zukunft schauen werden.

Der Weg, den die Gemeinden dahin gegangen sind, ist meist ein sehr schwerer Weg. Beispielhaft sind alle diese Gemeinden für den ländlichen Raum in Thüringen und für den Weg, selbstbewusst vor Ort Entscheidungen zu treffen und damit einen neuen Schritt in die Zukunft zu machen.

Deshalb erlauben Sie mir, dass ich auf einige Beispiele hier aus diesem Gesetz eingehe. Am Anfang allerdings muss, glaube ich, noch ein Punkt stehen. Dieses Gesetz ist lange in der Bearbeitung gewesen – im Kabinett wie auch hier im Thüringer Landtag. Es gab Verzögerungen, auch durch die Verfassungsklage und das Urteil des Verfassungsgerichtshofs. An der Stelle kann und möchte ich auch sehr deutlich den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der Gemeinden, die schon lange beantragt haben, gemeinsam gehen zu können, ein „Entschuldigung!“ sagen. Wir bitten Sie dafür um Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat.

(Unruhe CDU)