Protocol of the Session on May 25, 2018

Vielen Dank.

Es gibt eine weitere Wortmeldung von der Kollegin Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Reden von Herrn Rudy, aber auch von Herrn Möller waren ein Schlag ins Gesicht jedes Menschen, der oder die Opfer einer Vergewaltigung oder sexualisierter Gewalt geworden sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Das haben wir auch gesagt!)

Die Reden waren ein Schlag ins Gesicht – hören Sie mir doch mal zu! Dann überlegen Sie auch, was Sie hier vorn vortragen, Herr Möller! Wir haben es jetzt verstanden, Sie hätten es wohl gern, dass

Frauen das schwache Geschlecht oder der schwache Teil dieser Gesellschaft sind? Das sind wir nicht! Das passt vielleicht nicht in Ihr Weltbild, aber das sind wir nicht, Herr Möller!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das merkt man! Ja!)

Und ich sage Ihnen noch eines: Eigentlich habe ich gedacht, dass Sie bei einem solchen Antrag jubeln. Es geht darum, Spuren zu sichern nach einem sexuellen Übergriff, nach Vergewaltigung, nach sexualisierter Gewalt. Die Spuren sollen gesichert werden, damit eben jemand, der oder die Opfer sexualisierter Gewalt oder Vergewaltigung geworden ist, sich gegebenenfalls auch zu einem späteren Zeitpunkt immer noch überlegen kann, dieses Verbrechen anzuzeigen, weil wir alle wissen, dass Scham einer der Hauptgründe ist, warum – überwiegend sind es ja Frauen – Opfer von sexualisierter Gewalt oder Vergewaltigung sie nicht anzeigen. Und ich sage Ihnen noch eines: Kein Opfer von Vergewaltigung ist schuld an dieser Vergewaltigung! Niemals!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und Nein heißt Nein, auch wenn Sie das nicht verstehen können oder wollen. Wenn Sie sich dann hier vorn hinstellen und behaupten, sozusagen 80 Prozent der „sogenannten Opfer“ würden das sowieso nur vortäuschen oder sind selbst schuld, Entschuldigung, dann sage ich Ihnen ganz deutlich: Sie sind ein Teil des Problems – und zwar ein ganz erhebliches in dieser Hinsicht!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe AfD)

Ich habe mir dieses Modell der anonymen Spurensicherung in Berlin mal angeschaut, die machen das schon sehr lange in der Charité. Es geht überhaupt nicht um irgendwelche Randgruppen oder um all das, was Sie hier schon wieder verunglimpfend vorgetragen haben. Es geht darum, dass beispielsweise Ärztinnen und Ärzte diese Spuren dort sichern lassen – und in Berlin ist es unter anderem die Charité –, wenn Menschen dorthin kommen, nachdem sie einen Übergriff erfahren haben, nachdem sie vergewaltigt wurden. Es ist auch schon vorgetragen worden: Diese Spuren werden dann über viele Jahre gesichert, um die Möglichkeit zu haben, den Täter oder die Täter auch später noch zur Rechenschaft zu ziehen.

All das, was Sie von der AfD hier vorgetragen haben, hat überhaupt nichts mit diesem Antrag zu tun. Sie müssen sich schon mal überlegen, was Sie hier gerade gemacht haben. Sie können ja mal nach

(Abg. Möller)

schlagen, was „sekundäre Viktimisierung“ heißt. Aber das war verächtlich, das war beschämend und das war alles andere als sachlich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin froh gewesen über den Beitrag von Frau Holzapfel, das will ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen. Ich gebe auch zu, ich hätte mir gewünscht, dass wir nicht erst eine Konzeption entwickeln, sondern es einfach tun, weil es die Konzepte in anderen Ländern längst gibt. Das muss ich an dieser Stelle einmal sagen. Ich bin seit vielen Jahren Delegierte im Landesfrauenrat und der Landesfrauenrat hat schon vor vielen Jahren beschlossen, dass die vertrauliche Spurensicherung endlich Möglichkeiten bekommen soll, hier auch angewendet zu werden. Ich glaube, wir sollten dies schnellstmöglich tun, weil hier auch jeder Einzelfall zählt. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächstem Redner gebe ich Abgeordneten Dr. Hartung von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich habe mir in letzter Zeit angewöhnt, denen da drüben relativ genau zuzuhören. Und da kann ich es mir nicht ersparen, einfach mal festzustellen, was Herr Möller hier gesagt hat: Er möchte, dass eine Institution die Spurensicherung durchführt, die das Vertrauen der Bevölkerung genießt. Sorry, das ist mir egal, ob die Bevölkerung der Institution vertraut. Die Frau muss doch Vertrauen zu dieser Institution und zu dieser Person haben! Ich muss doch in dieser Schocksituation die Hürde nicht so hoch hängen. Man kann sich als Mann ohnehin kaum da reindenken, aber das muss jeder Mann auf der Straße verstehen – Mann vor allem – und gutheißen, dass es diese Institution ist. Die Frau muss doch im Mittelpunkt stehen! Wir müssen doch erreichen, dass wir eine möglichst niedrige Schwelle dahin gehend errichten, dass Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind, von sexualisierter Gewalt geworden sind, sich dort melden können und dort Spuren von jemandem entnehmen lassen, dem sie vertrauen, und nicht von irgendeiner Institution, die sie weiterhin traumatisiert.

Das mag sich vielleicht komisch anhören, aber ich habe damit Erfahrung. Leute sind in so einer Situation zu mir gekommen – in meine Notaufnahme, haben mich als Notdienst, als Notarzt gerufen. Ich weiß, wie das dort aussieht. Ich weiß, was es bedeuten würde, wenn ich die dann zu irgendeinem Mann, zu irgendeinem gerichtsbestellten Institut

schicken würde, wo dann irgendwann eine Spur entnommen wird. Das ist doch nicht das Entscheidende. Wir müssen doch den Frauen den Weg bahnen, dass sich die Traumatisierung nicht fortsetzt. Wir brauchen einfühlsame Zugänge und nicht irgendwas, was wir denen vorschreiben.

Ich finde interessant, was Sie sagen – auch da wieder, Herr Möller: Das ist nicht der Ort für irgendeine rassistische, ausländerfeindliche Polemik. Wir haben Vergewaltigungsfälle vor der Zuwanderungswelle gehabt. Sie sprechen auch nicht von Tätern, sondern Sie sprechen von Tatverdächtigen. Tatverdächtige sind nur Beschuldigte, sie sind nicht Verurteilte. Sie vermischen wieder Dinge, die man nicht vermischen kann. Sie sind ja der Freund der Einzelfälle. Ich habe Einzelfälle erlebt, ich habe einen Einzelfall erlebt. Wenn ich mich ein bisschen bemühe, bringe ich auch noch das Aktenzeichen. Da wurde ein ausländischer Staatsbürger, ein Kurde in diesem Fall, lange vor der Massenflüchtlingsbewegung durch gezielte Falschinformationen, durch getürkte Arztprotokolle ins Gefängnis gebracht und erst im Rahmen eines Berufungsverfahrens wieder entlassen, weil er unschuldig war. Das sind genau die Menschen, auf die Sie abheben: Beschuldigte, die sind noch nicht mal verurteilt. Ich finde, dieses Thema, bei dem man sensibel mit allen Menschen, mit allen Opfern sexualisierter Gewalt umgeht, jetzt zu instrumentalisieren, die jetzt vorzuführen vor ein Gremium, das das Vertrauen der Bevölkerung genießt, ist so ein Blödsinn. Das ist wirklich unerträglich für jemanden, der Frauen in dieser Situation gesehen hat. Ich will mir gar nicht anmaßen zu behaupten, dass ich mich in diese Frauen hineinversetzen kann, aber ich habe sie gesehen. In diesem Moment dann irgendeine Institution dazu zu holen, ist unerträglich. Dass die Zeit ein wesentlicher Faktor ist, ist doch völlig auf der Hand liegend, denn Spuren gehen verloren. Wenn ich da jetzt erst noch Hürden aufbaue, indem ich irgendjemanden hole, zu dem die Bevölkerung Vertrauen hat – das ist Blödsinn.

Deswegen brauchen wir jede Möglichkeit, wir brauchen ein anonymisiertes System. Der Antrag ist richtig, er ist gut, wir sollten ihn beschließen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Abgeordnete Möller wünscht erneut das Wort.

Vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Wir sind keine Kollegen!)

(Abg. Rothe-Beinlich)

Ich verstehe überhaupt nicht, was Sie daran so aufregt, dass wir als AfD-Fraktion einfach nur sagen, dass das Verfahren der Beweiserhebung bei den bisherigen Behörden gut aufgehoben ist, dass die natürlich auch in der Lage sind, auf betroffene Frauen sensibel zu reagieren und da, wo sie es vielleicht noch nicht genug sind, dass man die dann eben entsprechend sensibilisiert – dagegen spricht auch gar nichts –, aber dass man eben diese ausgebildeten Fachleute mit dieser Aufgabe betraut.

(Beifall AfD)

Daran ist doch überhaupt nichts Menschenfeindliches oder Frauenfeindliches.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie haben den Antrag nicht ansatzweise verstanden!)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie mir mit Ihrem Antrag immer kommen: Darin steht eben, dass Sie in diesen Prozess auch gern irgendwelche LAG-Interventionsstellen oder eben die

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sind die Fachleute in den Interventionsstellen!)

Koordinierungsstelle für LSBTIQ-Arbeit und Vertreterinnen und Vertreter und was weiß ich nicht alles mit einbinden wollen. Da sage ich Ihnen ganz offen: Die haben nicht gelernt, wie man ein Ermittlungsverfahren neutral und sauber führt.

(Beifall AfD)

Deswegen vertraue ich denen nicht.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Es geht um Beweissicherung, Herr Möller!)

Deswegen traue ich denen auch nicht zu, dass sie in diesem Prozess irgendeinen sinnvollen Beitrag leisten können.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: So wie Sie gerade!)

Das ist einfach nur eine Behauptung von Ihnen, dass die das können. Aber den Beweis dafür oder irgendwie überhaupt eine Argumentation dazu haben Sie nicht angetreten. Man merkt ja auch, wie Sie dann versuchen zu reagieren, wie Sie versuchen, diese Argumentation auf die schiefe Bahn zu lenken und das ins Bösartige umzudeuten, dass man hier von schwachem Geschlecht spricht. Mein Gott, das ist eine Redensart, die wir seit Hunderten Jahren haben.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Träumen Sie mal schön weiter!)

Das sagt doch aber auch, dass es ein besonderes Schutzbedürfnis gibt, dem die Politik auch nachkommen soll.

(Unruhe SPD)

Was ist denn daran schlimm? Wenn Sie sich immer wieder auf Ihre phrasenhaften Politikrezepte konzentrieren, wie zum Beispiel „Nein heißt Nein!“: Wann hat es jemals einer Frau abends im Park genützt, dass Sie irgendeine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht haben unter der phrasenhaften Formel „Nein heißt Nein!“? Hat das jemals einen wirklichen Gewalttäter davon abgehalten, eine Frau zu vergewaltigen? Nein. Was Vergewaltiger abhält, ist Prävention, ist Repression. Und genau daran fehlt es im rot-rot-grünen Freistaat.

(Beifall AfD)