Protocol of the Session on April 29, 2015

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Am Umgang mit Flüchtlingen und der Integration von Migrantinnen und Migranten bemisst sich die Humanität einer Gesellschaft.“ Das steht im Koalitionsvertrag, den Rot-Rot-Grün im Dezember vorgelegt hat.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Weiter steht dort: „Allen, egal ob sie als Asylsuchende, Bürgerkriegsflüchtlinge oder aus anderen Gründen nach Thüringen geflüchtet sind, soll mit Respekt und Würde begegnet werden.“ Das gilt selbstverständlich, meine Damen und Herren, auch für die Erstaufnahme der in Thüringen ankommenden Flüchtlinge. Dementsprechend steht auch im Koalitionsvertrag: „Die Erstaufnahme von Flüchtlingen wird sich am Grundsatz der menschenwürdigen Aufnahme und Unterbringung orientieren.“ Ein Satz, den die Vorgängerregierung und die jahrelang regierende CDU so wahrscheinlich nicht unterschrieben hätte. Das war auch kein Leitsatz für die Flüchtlingspolitik der vergangenen knapp 25 Jahre.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Keine Un- terstellungen!)

Das sind keine Unterstellungen, Herr Fiedler, ich rede hier von einer Zeit, auf die wir zurückblicken können, und ich rede über Fakten wie zum Beispiel die heruntergekommene Landesaufnahmestelle in Eisenberg und die dort wirklich schlechten Unterbringungsbedingungen, die auch schon vor dem Anstieg der Flüchtlingszahlen derart schlecht waren, dass im Sommer 2013 – daran will ich erinnern – etwa 100 Flüchtlinge in einen Flüchtlingsstreik ge

treten waren und gegen mangelhafte medizinische Versorgung, gegen teilweise verspätete Auszahlung der ihnen zustehenden Gelder, gegen schlechte hygienische Bedingungen protestiert haben.

Bereits gegen Ende 2013 hatte sich die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge fast verdoppelt und, meine Damen und Herren der ehemals Regierenden von der CDU insbesondere, wer Tagesschau gesehen hat und die Zeitungen gelesen hat, der hätte wissen können, dass die Flüchtlingszahlen weiterhin ansteigen. Wir reden im Moment über eine Flüchtlingszahl von 51,2 Millionen Flüchtlingen weltweit. Wie die damalige Landesregierung auf diese Nachrichtenlage, auf diese Krisensituation in der Welt reagiert hat, ist bekannt.

Wir haben jetzt eine Landesregierung, die ungefähr 150 Tage im Amt ist, da kann man natürlich keine Wunder erwarten.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Habt ihr aber angekündigt!)

Selbstverständlich haben wir Veränderungen in der Flüchtlingspolitik angekündigt und einige der ersten Schritte beschäftigten sich auch mit der Flüchtlingspolitik. Aber ich bin der Landesregierung und dem zuständigen Ministerium sehr dankbar, dass man sich nicht hinter die hohen Zahlen zurückzieht und trotz der hohen Zahlen und trotz der Lage, die wir in Thüringen haben – dass nämlich die alte Landesregierung sich nicht gekümmert hat um eine Ausweitung der Kapazitäten –, um einen anderen Umgang mit Flüchtlingen in Thüringen kümmert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ich will mal sagen: Für die teilweise sehr repressive Stimmung, für die Ressentiments, die gegen die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Thüringen bestehen, ist nicht zuletzt die Inaktivität der alten Landesregierung mitverantwortlich, sind nicht zuletzt die Art und Weise des Umgangs mit Flüchtlingen verantwortlich, die jahrelang in Thüringen gepflegt wurden. Und es gibt natürlich auch Verantwortlichkeiten, die man in einer gewissen Berichterstattung bestimmter Thüringer Medien suchen muss. Ich bin der Landesregierung ebenso – wie das Frau Astrid Rothe-Beinlich gerade eben schon angedeutet hat – dankbar dafür, dass die Landesregierung im Koalitionsvertrag entsprechende Bedingungen formuliert hat und dies ernst nimmt. Ich bin dankbar dafür, dass das Ministerium einen Kriterienkatalog aufgelegt hat, der eben nicht nur über wirtschaftliche Standortbedingungen Regelungen festlegt oder in welchen Städten Erstaufnahmeeinrichtungen sein können, sondern der auch integrationspolitische Bedingungen formuliert für geeignete Standorte von Landeserstaufnahmestellen.

(Abg. Rothe-Beinlich)

Ich bin dankbar, dass jetzt endlich damit begonnen wird, die Menschen als solche zu behandeln, und beispielsweise Qualifikationen, Sprachkenntnisse, die die Leute mitbringen, in der Erstaufnahmestelle schon erfasst werden sollen.

Darüber hinaus möchte ich die Landesregierung auffordern, beispielsweise auch auf die ganz besonderen Bedürfnisse von Kindern in den Landeserstaufnahmestellen zu achten, wie es beispielsweise der Flüchtlingsrat fordert, damit auch regelmäßige Kontrollen durch die Jugendämter dort durchgeführt werden können.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen der CDU aufrufen, diesen Kurs der Landesregierung zu unterstützen, und zwar nicht nur dann, wenn es sich um Landkreise handelt, die SPD-regiert sind, oder um Städte, in denen ein SPD-Oberbürgermeister ist, sondern auch wenn es um ihre eigenen Parteifreundinnen und Parteifreunde geht. Unterstützen Sie die moderne Flüchtlingspolitik, die die Thüringer Landesregierung jetzt verfolgt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke schön. Das Wort hat nun Abgeordneter Möller für die Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, die Flüchtlingsaufnahme ist ein kontrovers diskutiertes Thema in unserem Land. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingsaufnahme hört man in letzter Zeit einerseits häufig die Forderung nach einer Willkommenskultur und andererseits aber auch kritischere Töne. Ich zitiere mal einen davon: „Wir haben ein Asylrecht, das für politisch Verfolgte gedacht ist. Zurzeit läuft die massenhafte Zuwanderung der Menschen aus dem Kosovo darüber – das kann aber nicht funktionieren, sie sind nicht politisch verfolgt. Das überfordert und gefährdet das Asylrecht.“

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Waren Sie mal im Koso- vo?)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das ist Ihnen aus der Seele gesprochen!)

Wissen Sie, wer das war? Das war der Ministerpräsident der Grünen, Kretschmann, der das gesagt hat

(Beifall CDU, AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das macht es aber nicht besser!)

nachzulesen auf der offiziellen Internetpräsenz des Landes Baden-Württemberg. Und um den Herrn Kretschmann gleich mal vor dem bösen Vorwurf des Rechtspopulismus in Schutz zu nehmen und Ihnen zu erklären, was das mit dem heutigen Thema zu tun hat, möchte ich mal ein paar Klarstellungen machen: Das Fehlen der Willkommenskultur wird häufig mit den Vorbehalten gegenüber geplanten Aufnahmeeinrichtungen in Verbindung gebracht. Dabei haben diese Vorbehalte kaum etwas mit rassistischen Einstellungen der Thüringer Bevölkerung zu tun. Nein, die Vorbehalte hängen vor allem mit der Quantität, also den Zahlen der Asylbewerber, und den berechtigten Zweifeln der Bevölkerung am Flüchtlingsstatus vieler Migranten zusammen.

(Beifall AfD)

Hier liegt auch der Kern des Problems, warum unsere Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaats und der Kommunen mit der Unterbringung tatsächlich hilfsbedürftiger Flüchtlinge zum Beispiel aus Syrien, dem Irak und Afghanistan überfordert sind. Ich illustriere das mal an ein paar Fakten: Zusammengerechnet kamen aus den Staaten des Westbalkans im Februar und März über die Hälfte aller Antragsteller bundesweit. Dabei sind das Staaten, in denen es keine politische Verfolgung gibt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt doch über- haupt nicht!)

Das ist auch eigentlich ganz klar, weil diese Staaten nämlich auf dem Weg in die EU sind. Da gibt es keine Verfolgung, da gibt es keine Todesurteile,

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

da gibt es einen Rechtsstaat. Das können Sie alles nicht unter Asyl subsumieren, das tut mir leid.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die DDR war früher auch anerkannt, Herr Möller!)

Aktuell sind 45 Prozent, also fast die Hälfte der Flüchtlinge, in den Erstaufnahmeeinrichtungen unseres Landes Staatsangehörige sicherer Herkunftsstaaten. Die Gesamtschutzquote liegt bei diesen Menschen nahe 0 Prozent – so weit zum Flüchtlingsstatus.

Was wäre also notwendig? Die Landesregierung müsste sich für die Anerkennung mindestens aller Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer ein

(Abg. Berninger)

setzen und die Verfahren im Zusammenwirken mit dem Bundesamt so organisieren, dass die hohen Fallzahlen bewältigt werden können, und zwar zeitnah.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Des Weiteren wird es nicht schaden, wenn man sich einmal die Verwaltungsgerichte anguckt, ob genügend Richterstellen vorhanden sind, um die überlangen Verfahrensdauern etwas zu verkürzen.

(Beifall AfD)

Das alles würde zu einer spürbaren Entlastung der Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes führen und auch die ganze Diskussion entspannen. Doch was machen Sie? Sie verhängen einen Winterabschiebestopp, der auch sichere Herkunftsländer erfasst.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war gut so!)

Sie schaffen mit dem Abschiebungsdefizit und der Forderung nach Geld- und Sachleistungen falsche Anreize und helfen so den Schleppern, ihr verdorbenes, aber lukratives Geschäft am Leben zu erhalten.

(Beifall AfD)

Damit das alles finanzierbar bleibt, verlangen Sie vom Bund eine Erhöhung der Zulagen für die Versorgung von Flüchtlingen auf mindestens 2 Milliarden Euro. Damit, meine Damen und Herren, sind Sie mitverantwortlich für die Vorbehalte der Bevölkerung gegen weitere Erstaufnahmeeinrichtungen,

(Unruhe DIE LINKE)

indem Sie einerseits ein Bleiberecht für alle umsetzen und andererseits über das Solidarsystem dieses abfangen möchten. Dies fördert nämlich Migrationsbewegungen ohne Flucht- und Vertreibungshintergrund, also sprichwörtlich eine Einwanderung in die Sozialsysteme.

(Beifall AfD)

Da sage ich Ihnen eines: Das Solidarsystem, auf das Sie so großen Wert legen – das ganz zu Recht –, ist im Grundkonzept eines einer geschlossenen Gesellschaft. Es funktioniert nämlich nur, wenn im Wesentlichen diejenigen vom System zehren dürfen, die dieses System auch speisen und alles Weitere ist eine Frage der Solidarität.