Protocol of the Session on April 27, 2018

Frau Abgeordnete Henfling hat das Wort und alle anderen hören ihr bitte zu.

Ich bin der Meinung, dass die Problemlagen der Thüringer Hochschulen auch tiefgreifende Problemlagen waren und sind. Das hat spätestens die Anhörung gezeigt. Wenn Hochschulen 2018 fragen, wie denn bitte schön die Beteiligung der Hochschulen am öffentlichen Diskurs zu verstehen sei – ich verweise auf die Stellungnahme der Hochschule in Schmalkalden –, ist das schon bitter, wie ich finde. Es zeigt, wie wenig sich einzelne Hochschulen ihrer Rolle in einer demokratischen Gesellschaft bewusst sind. Demokratie muss erleb- und erfahrbar sein. Nicht gelebt schafft sie sich schlussendlich selbst ab. Eine akademische Laufbahn ist kein Garant für eine freiheitliche Gesinnung. Doch gerade an Hochschulen muss sie gelebt werden.

Wir als Bündnis 90/Die Grünen haben uns der Demokratie verpflichtet und das tut auch diese Koalition. Demokratische Entscheidungsprozesse gehören nach unserer festen Überzeugung auch in den Wissenschaftsbereich hinein. Genau das soll dieses Gesetz erreichen und genau das wird von der CDU nicht verstanden. Die Gegenargumente sind so alt wie die Demokratie selbst. Es dauert zu lange, es ist zu anstrengend, es macht unflexibel – mit diesen Argumenten konnte sich schon Dionysios I. 405 vor Christus zum Tyrannen von Syrakus aufschwingen, und das nach den solonischen Reformen.

In Hochschulen lebt und arbeitet eine Vielzahl von Menschen in unterschiedlichen Arbeitsfeldern und Funktionen. Sie schaffen gemeinsam die Hochschule und machen es möglich, dass Wissenschaft und Forschung stattfinden können. Ein Hochschulgesetz muss auch ihre Expertisen einfließen lassen. Anscheinend geht es also um Herrschaft und um Kommunikation. Anders ist es nicht zu erklären, dass einzelne Hochschulleitungen zu der Aussage kommen, sie haben noch nicht vernommen, dass Teile ihrer Mitarbeiterschaft sich aktiv in Gremien einbringen möchten. Doch genau diese Akteursgruppe gibt in ihrer Stellungnahme genau diesen Wunsch an, frei nach Friedrich Löchner: Fast jede Kommunikation ist eine Kette von Missverständnissen. Mit diesem Gesetz bekommen die Beteiligten im wissenschaftlichen Betrieb die Möglichkeit, das Arbeiten ihrer Hochschule grundlegend neu zu

strukturieren unter dem Motto „Power back to the people“. Es geht also immer noch um Demokratie. Demokratie ist in unseren Augen die Form der Herrschaft, die unser Zusammenleben am nachhaltigsten gestaltet, auch in Hochschulen, eben weil viele Perspektiven einfließen. Ich meine damit echte Nachhaltigkeit, die sich nicht in der Klimabilanz von Gebäuden erschöpft. Echte Nachhaltigkeit greift die angesprochenen Probleme auf. Der deutsche Nachhaltigkeitskodex für Hochschulen beispielsweise berücksichtigt eine Vielzahl von Nachhaltigkeitsaspekten, darunter auch Arbeitnehmerrechte, Qualifizierung und Chancengleichheit genauso wie die Teilhabe an Politik und am Gemeinwesen. Er thematisiert damit all die Problemlagen, die auch bei uns im Prozess aufgebracht wurden. Darum haben wir unter anderem auch noch die Orientierung an der Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie, die auf dem Nachhaltigkeitskodex basiert, in die Aufgabenbeschreibungen der Hochschulen aufgenommen.

Wir haben unsere Aufgabe aus unserer Sicht gut gelöst, so gut, dass die CDU den Großteil unseres Antrags für den ihrigen einfach kopiert hat. Auch der Rechnungshof muss verblüfft in seiner Stellungnahme festhalten, ich zitiere: „Hinsichtlich der nachfolgend bewerteten Bestimmungen fällt auf, dass diese überwiegend dem Referentenentwurf der Landesregierung zum Thüringer Hochschulgesetz vom Mai 2017 entsprechen. Vereinzelt sollen außerdem Regelungen getroffen werden, die dem Entwurf der Landesregierung vom 14. September 2017 entsprechen.“ Das zu Ihrem Entwurf, Herr Voigt, aus Ihrer Fraktion. Das klingt eher nach einer Neiddebatte und die Pläne der CDU für die Thüringer Hochschullandschaft waren so dünn, dass Sie von uns abschreiben mussten, um dann auch noch daran rumzunörgeln. Bei so viel Ideenlosigkeit ist es nur folgerichtig, dass Ihr Gesetz im Ausschuss abgelehnt wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, wir haben hier in den letzten Jahren einen guten Prozess geführt. Ich möchte mich ganz herzlich bei meinen Kolleginnen und Kollegen von SPD und Linke bedanken und ganz herzlich auch beim Ministerium für die Unterstützung und für das offene Ohr in dieser Debatte. Ich glaube, wir haben hier einen guten und konstruktiven Prozess geführt, und ich glaube, wir kommen mit diesem Gesetz auch zum Ende dieses konstruktiven Dialogs und dieses konstruktiven Prozesses.

Ich würde mir wünschen, dass die Hochschulen und insbesondere die Hochschulrektorinnen und -rektoren – ach, es sind nur Männer im Moment –, also die Hochschulrektoren sich tatsächlich dem, was Herr Höcke vorhin von ihnen gefordert hat, nämlich quasi das Gesetz zu verzögern und sich eventuell viel Zeit zu lassen, damit man hier andere politische Vorzeichen bekommt, widersetzen. Denn

wenn wir etwas nicht gewinnen können, dann können wir die Wissenschaftsfreiheit nicht mit der AfD gewinnen, die steht nämlich dagegen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich glaube, das ist in vielen Bereichen des Wissenschaftsbetriebs angekommen, dass – wenn wir denen hier das Feld überlassen – es mit der Wissenschaftsfreiheit in diesem Land tatsächlich vorbei sein könnte. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun hat Abgeordneter Prof. Dr. Voigt von der CDUFraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, recht herzlichen Dank für die spannende Debatte. Ich darf der Kollegin Henfling ruhig zurufen: Ich kann das alles respektieren, ich habe Ihnen das schon mal gesagt, wir können hier gern darüber diskutieren, wer zuerst da war. Das Thema der Hochschulentwicklungsplanung, Hochschulgesetze, Zielvereinbarungen beschäftigt mich, seitdem ich 2009 hier in diesen Landtag eingezogen bin. Ich kann Ihnen minutiös sagen, wann wir einen Antrag hier eingereicht haben und welche Elemente davon sich in Ihrem Gesetzentwurf finden. Und wenn ich mir dann anhören muss, wir würden von Ihrem von uns total abzulehnenden Gesetzentwurf abschreiben müssen, kann ich Ihnen nur sagen: Pardon, das können Sie zwar für sich so verbuchen, aber daran zu glauben, dass das eine implizite Zustimmung zu Ihrem – wie ich vorhin schon ausgeführt habe – total schwachen Vorschlag ist, das geht, glaube ich, zu kurz. Und will Ihnen das auch sagen: Die Kritik, die ich hier vortrage, die ist von Tag 1 da und die haben Sie nicht aufgegriffen, genauso wenig wie Sie aufgegriffen haben, was Ihnen die Landesrektorenkonferenz gesagt hat, genauso wenig wie Sie aufgegriffen haben, was CHE Ihnen gesagt hat. Sie haben Ihre Status- oder Pressure-Groups aufgegriffen – das ist auch okay, das ist Politik, das ist Teil von Demokratie. Aber das zu verkleistern und so zu tun, als ob das ein moderner Gesetzesvorschlag wäre, das greift meiner Meinung nach massiv zu kurz und zeigt letztendlich auch, dass Sie nicht gewillt sind, auch nur zur Kenntnis zu nehmen, dass diejenigen, die tatsächlich mit ihrer Verantwortung, mir ihrem eigenem Namen – nicht einfach nur eine Quasselbude, um mal was mitzuentscheiden –, sondern mit ihrem eigenen Namen dafür verantwortlich zeichnen müssen, ob die Entscheidung so durchgetragen wird oder nicht, dann im Zweifelsfall sogar persönlich dafür haften. Das ist ein Unterschied. Und Sie versuchen,

das nebulös in irgendwelchen Verantwortungsgremien oder Strukturen aufzulösen. Aber tatsächlich sorgen Sie für etwas: Sie sorgen dafür, dass unser gemeinsamer Hochschulraum schwächer wird. Und das als Kritik wahrzunehmen, ist einfach nur ein Bestandteil einer öffentlichen Diskussion. Und wenn Sie es beim ersten Mal nicht verstanden haben, dann versuchen wir es beim zweiten und beim dritten Mal. Offensichtlich ist die Lernkurve bei Ihnen anders strukturiert.

Und ich finde, Frau Henfling, nehmen Sie es mir nicht übel, aber Hochmut kommt vor dem Fall. Sie können uns da gern irgendwas ins Stammbuch schreiben. Die Wahlen sind 2019, da können Sie gern antreten. Und ob die Grünen dann den Thüringer Landtag hier aus dem Parlament oder aus dem Livestream beobachten können, werden wir alle sehen.

(Beifall CDU)

Aber lassen Sie uns bis dahin doch vernünftige Sachpolitik für dieses Land machen.

Und jetzt gehen wir mal auf die konkreten Sachen ein. Herr Schaft hat ein paar Punkte rausgegriffen. Ich will es nur einfach mal für Sie reflektieren.

Beginnen wir mal bei dem Thema „Berufung“, weil Sie das so weggewischt haben, was da der Kollege Prof. Scharff gesagt hat. Ja, das ist ganz simpel: Wenn Sie sich mal ansehen, was in Ihrem eigenen Gesetzentwurf drinsteht, da steht nämlich in § 85 Abs. 9 bei der Frage „Berufung“ – und darauf hat er sich bezogen –: Warum könnte so etwas länger dauern? Da gibt es eine neue Formulierung, die lautet, ich lese es mal vor: „Die Gleichstellungsbeauftragte kann verlangen, dass die Berufungskommission nochmals prüft und neu bewertet, ob eine von ihr benannte Frau oder ein von ihr benannter Mann aus dem Kreis der Bewerber in die Vorstellung und Begutachtung einbezogen wird.“

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Das ist doch okay! Das ist doch okay!)

Da können Sie werthaltig sagen, dass das für Sie wichtig ist, respektiere ich auch. Aber zu negieren, dass das im Zweifelsfall, wenn man etwas in die zweite Runde schickt, noch mal länger dauert, das halte ich – offen gestanden – für ein zeitlich bezogenes, vollkommen sinnloses Argument. Insofern kann ich Ihnen wirklich nur sagen: Wir sollten hier sachlich bleiben. Wir sollten schauen, dass wir uns selbst alle untereinander ernst nehmen.

(Beifall CDU)

Dann nehme ich einen zweiten Punkt heraus, Zivilklausel. Sie wissen, dass das ein Thema ist, das mich beschäftigt, seitdem ich das selbst für ein Unternehmen erleben durfte, was DNA-Analytik gemacht hat, was technische Automatisierungspro

(Abg. Henfling)

dukte erstellt hat, die sowohl biologische als auch chemische Stoffe detektiert hat. Diese sind natürlich für Friedenszwecke zu nutzen. Aber auszuschließen, dass diese Instrumentarien auch in einem Krisengebiet eingesetzt werden können, um zum Beispiel für die militärische Anwendung genutzt zu werden – das kann man doch nicht ausschließen.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist doch Quatsch!)

Zu glauben, dass man das irgendwo abgrenzen kann, das ist, glaube ich, ernsthafterweise schwierig. Da greift auch Ihr Änderungsvorschlag zu kurz. Ich will Ihnen auch sagen, Sie haben gesagt: Okay, Zivilklausel, na ja, jetzt müsst ihr euch mal bewähren in den Hochschulen. Was passiert denn da real? Ich will Ihnen nur mal die Realität spiegeln, ich will Ihnen jetzt nicht hier irgendwie akademische Fingerübungen machen. Ihre Zivilklausel, so wie Sie sie jetzt mit Ihrem Änderungsantrag formuliert haben, wird dazu führen, dass eine mögliche Unvereinbarkeit, die es zu prüfen gilt – das ist ja quasi Ihr Anspruch – am Ende in Gremien hochschulöffentlich veröffentlicht werden muss.

Jetzt darf ich bitte noch mal daran erinnern: Wir haben in Deutschland grundgesetzlich eine sogenannte Wissenschaftsfreiheit geschützt. Diese Wissenschaftsfreiheit setzt voraus, dass – obwohl das vielleicht nicht Ihre intendierte Konsequenz ist, Sie wollen nicht, dass damit die Wissenschaftsfreiheit des Forschers eingeschränkt wird. Sie sorgen aber de facto dafür, dass es, wenn Sie das in solchen Gremien tun und dass dann auch noch öffentlich irgendwo an das Schwarze Brett nageln, dazu kommen wird, dass Sie die Wissenschaftsfreiheit des einzelnen Forschers einschränken. Das wird automatisch so kommen. Das ist genau die Debatte, die wir bei den Zivilklauseln in anderen Ländern auch erlebt haben. Deswegen kann ich Sie nur davor warnen, dass sich dieser Änderungsantrag zwar vielleicht gemäß Ihrem intendierten Ziel gut anhört, aber tatsächlich zu einer realen Konsequenz für Forscher in Thüringen führen wird und zu keiner guten. Das ist genau das, was ich versucht habe, Ihnen vorhin als Kritikpunkt deutlich zu machen. Ich kann nicht ausschließen, dass diese Fragestellung „Wissenschaftsfreiheit der Forschenden“ am Ende natürlich auch gesetzlich zu überprüfen sein wird, weil die Forscher auch in ihrer Berufsausübungsfreiheit eingeschränkt sind. Das ist genau ein Thema, worüber wir reden.

Warum das so wichtig ist und warum mich das beschäftigt – auch bei dem Thema „Berufung“ –, hat etwas damit zu tun, dass ich mir angeschaut habe, wie lange es in Thüringen dauert, einen Professor zu berufen. In den nächsten fünf Jahren – es hat sich jetzt schon ein bisschen verschoben, wir sind schon zwei Jahre weiter – sollen 202 Professoren

an Thüringer Hochschulen in den Ruhestand gehen. Dann ließe sich die Frage stellen, wie das gemanagt wird. Die durchschnittliche Berufungsdauer an der FSU beträgt 23 Monate, Bauhaus-Universität dicht gefolgt von der TU Ilmenau 24 Monate, zwei Jahre. Ja, ich kann nur eines sagen: Internationale Wissenschaftslandschaft, da können wir einen Haken setzen, wenn wir die 202 berufen wollen. Dann gehen wir quasi noch in eine neue Runde. Dann sagt der Diversitäts- oder Gleichstellungsbeauftragte: „Komm, lass uns noch mal prüfen“, dann verlängern wir einen Berufungszeitraum, wo wir einfach nicht mehr international wettbewerbsfähig sind. Das ist einfach nur ein Punkt, auf den ich Sie hinweisen wollte. Wenn das für Sie jetzt eine erneute Kritik ist, die Ihnen bekannt vorkommt, dann hat das was damit zu tun, dass mir dieses Thema wichtig ist. Da ich das in dem Gesetzentwurf nicht wiederfinde, will ich Ihnen das schon mal sagen.

Jetzt kommen wir zu dem freudigen Thema „Hochschule und Haftung“. Natürlich habe ich Ihren Änderungsantrag gelesen. Natürlich steht da drin „nur grob fahrlässig“. Nur, ich will es mal rekapitulieren: Sie sind ehrenamtliches Hochschulratsmitglied. Sie haben keine Directors- and Officers-Versicherung, D&O, damit sind Sie nicht geschützt. Jetzt sagt Ihnen der Gesetzgeber: Ja, lass uns doch mal nur grob fahrlässig diejenigen prüfen. Aber jetzt passiert doch Folgendes: Sie sollen einen 100-Millionen-Haushalt prüfen ohne irgendwelche Unterstützung. Das machen Sie als ehrenamtliches Mitglied eines Hochschulrats. Dann übersehen Sie irgendetwas und dann ist die Abgrenzung – ist das jetzt grob fahrlässig oder ist das vielleicht einfach nur zufällig passiert – eine Fragestellung, die vor Gericht und auf hoher See ausgehandelt wird. Dann steht niemand für Sie haftungsmäßig ein, dann müssen Sie selbst als Privatperson haften. Jetzt stelle ich Ihnen die Frage, Herr Schaft: Würden Sie dann dafür in den Hochschulrat gehen? Ich könnte vielleicht ganz spontan politisch Ja sagen, aber ich will Ihnen eines sagen: Wenn Sie mal tiefer darüber nachdenken, wird Ihnen klar sein: Bevor Sie für einen 100-Millionen-Haushalt haften, stellen Sie sich schon die Frage, wie Sie da abgesichert sind.

Und ich stelle Ihnen hier noch gar nicht mal die Frage, wie der Vertreter des Ministeriums in dem Hochschulrat abgesichert ist. Wer bezahlt denn dann die Situation, wenn der Vertreter des Ministeriums da drin hockt? Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Das sind so viele ungeklärte Fragestellungen, wo für mich vollkommen klar ist: Die letzte Verantwortung für öffentliche Gelder muss doch bitte schön auch das Ministerium in seiner Prüfung tragen und nicht irgendein Hochschulrat. Das sind solche Punkte, wo ich Sie einfach nur darauf hinweisen möchte, dass die Kritik konstruktiv sein soll, selbst wenn ich grundsätzlich andere Vorstellungen

davon habe, wie Sie Hochschule organisieren und wie wir die Hochschule würden organisieren wollen.

Das bringt mich zu dem entscheidenden Punkt der Debatte, zu der Frage „Gruppenuniversität“. Ich meine, ich kann jetzt hier zig Experten zitieren – und das war nicht nur die LRK –, die alle gesagt haben: Der Thüringer Hochschulraum hat sich deswegen so gut entwickelt, weil er erstens lange, stabile und klare rechtliche Rahmenbedingungen hatte und weil er zweitens – ich zitiere jetzt aus einem Gutachten der Anhörung – nicht den „Exzessen einer Gruppenuniversität“ unterlegen hat. Ich kann Ihnen das wirklich nur ans Herz legen. Ich glaube, dass Sie uns durch die Drittel- und Viertelparität in eine Situation bringen, die zu einer massiven Verschiebung innerhalb unseres Grundverständnisses der Hochschulen führen wird. Das beginnt erstens bei der Fragestellung, dass im Senat nicht mehr alle Fakultäten vertreten sind – führt also dazu, dass wir ohnehin schon Leute exkludieren.

Und dann kommt ein zweiter Punkt hinzu, den halte ich für zentral, weil das nämlich auf den Kern Ihrer Fragestellung zielt: Was ist eigentlich demokratisch? Ist demokratisch, wenn jeder, der an der Hochschule ist – ob jetzt nur ein Jahr, fünf Jahre, zehn Jahre oder zwanzig Jahre –, sofort die komplette Expertise hat und die auch demokratisch ausleben kann? Der Unterschied von gesellschaftlichen Organisationen zu den demokratischen Organisationen ist, dass ein Bürger in einer Demokratie gleiche Wahlrechte hat, dass es aber in einer Hochschule, in einer selbstverwalteten Körperschaft schon unterschiedliche Rechte und Zugriffe gibt. Das steht in Ihrem § 22, sehr geehrte Frau Mühlbauer. Da steht drin: Bringt er die Kompetenz mit, bringt er die Funktion mit und bringt er auch die Erfahrung mit, um das beurteilen zu können? Das ist der Kernbestandteil dessen, was wir kritisieren: Ich sage, es macht einen Unterschied, ob ein Student nur zwei Jahre da ist oder ob jemand vielleicht eine längerfristige Perspektive einnimmt.

Ich spreche nicht ab, dass der Student nicht genauso kluge Ideen einbringen kann, und deswegen werbe ich auch für alternative Beteiligungsformen. Heutzutage, im Zeitalter der Digitalisierung, können Sie sehr schnell Sachen abfragen. Jeder meiner Kurse, die ich an der Hochschule gebe, wird sofort evaluiert. Die kriegen alle per E-Mail ihren Evaluationsbogen und ich habe innerhalb von einer Woche eine Rückmeldung, ob das sinnvoll war oder nicht. Das findet heutzutage alles schon statt. Warum sollen wir nicht solche Instrumente auch in Thüringen an den Start bringen.

Wovon wir uns irrigerweise nicht leiten lassen sollten, ist ein falsches Verständnis von partizipativer Demokratie, wo Sie am Ende das, was wir erfolgreich in den letzten, sage ich mal, zwei Jahrzehnten im Thüringer Hochschulraum austariert haben –

nämlich eine konsensuale Interessenfindung innerhalb der Hochschule –, versuchen zu reduzieren, den Senat zu einem Mehrheitsentscheidungsgremium zu verändern. Das wird automatisch zu mehr Konfrontation führen, das wird automatisch – und das kann ich Ihnen garantieren – zu einer Verlangsamung der Prozesse führen. Das haben Ihnen auch die Experten gesagt – und das waren nicht nur LRK und CHE, sondern auch alle anderen.

Genau aus diesem Grund heraus werbe ich dafür, dass man das noch einmal bedenkt, denn letztlich ist das, was Sie hier abliefern, nichts anderes als die Gebietsreform in der Hochschullandschaft. Und diese Gebietsreform in der Hochschullandschaft werden wir alle auszutragen haben. Die Fragestellung, mit der wir uns beschäftigen müssen, ist: Macht sie den Thüringer Hochschulraum stärker oder nicht?

(Beifall CDU, AfD)

Gut. Da sind die Depeschen heute ausgetauscht. Aber ich kann eines sagen: Ich glaube, wir werden uns zum Thema „Hochschulen“ in diesem Gremium baldigst wiedersehen, weil die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit das erfordern wird. Schönen Dank.

(Beifall CDU)

Danke schön, Herr Prof. Dr. Voigt. Weitere Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Schaft zunächst.

Danke, Herr Präsident, noch mal für das Wort. Ich will dann doch noch mal ein paar Sachen klarstellen, die jetzt auch noch mal angesprochen worden sind. Herr Voigt, Sie haben jetzt wieder darauf abgestellt, wir hätten in den vorliegenden Änderungsanträgen und auch schon im Gesetzentwurf der Landesregierung nur Interessen von bestimmten Gruppen berücksichtigt, beispielsweise Gewerkschaft und Studierendennetz.

Ich nenne mal drei Sachen, zwei davon haben mit dem Gesetz zu tun, eines ist vorher schon als wichtige Grundlage für die Hochschulen mit der Rahmenvereinbarung IV angestoßen worden: Glauben Sie denn tatsächlich, dass die Frage der Hochschulautonomie bei der Frage des Hochschulbaus oder bei der Frage, wer am Ende den Professor oder die Professorin ernennt, oder die ganzen Verfahrensfragen, die an der Rahmenvereinbarung IV und den Globalhaushalten hängen, tatsächlich die großen Felder waren, wo sich jetzt, ehrlich gesagt, Studierende oder vielleicht andere Gruppen irgendwie vereinbaren, mit Blick auf die ersten beiden Punkte, oder beim Bau – sage ich mal – eine große Leidenschaft hegen? Ich glaube, wenn man das

(Abg. Prof. Dr. Voigt)

jetzt über die Statusgruppen hinweg mal definiert, sind das eher Dinge, wo wir gesagt haben, da gibt es natürlich auch wichtige Anregungen der Hochschulen, das nehmen wir mit auf und das spiegelt sich am Ende auch in der Frage wieder, wie wir Hochschulautonomie ausgestalten. Es ist also keineswegs so, dass wir uns hier nur einzelne Stakeholder rausgegriffen haben, sondern wir haben gesagt, vom Rektor über den Mitarbeiter, sei es der technische oder der wissenschaftliche, die Studierenden schauen wir, welche Anregungen sind sinnvoll, und die haben sich dann auch hier wiedergefunden.

Dann bin ich noch mal bei einem Punkt, da geht es noch mal um die Frage der sachlichen Benennung, wo das, was jetzt im Gesetz steht, Prozesse verzögert. Ich will es jetzt noch mal an der Frage der Berufung festmachen: Wenn man sich mal anschaut – Sie haben es auch selbst gesagt –, wie lange so ein Berufungsverfahren dauert, teilweise bis zu zwei Jahren – und Sie haben jetzt die Frage der Gleichstellungsbeauftragten und ihres Vetorechts angeführt –, dann lese ich mal kurz aus dem Gesetzentwurf § 6 Abs. 6 Satz 1 und 2 vor: „Im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs kann die Gleichstellungsbeauftragte gegen einen Beschluss oder eine Entscheidung eines Organs, eines Gremiums oder einer Kommission [...] schriftlich innerhalb von sieben Arbeitstagen ab Kenntnis Einspruch einlegen. Dieser ist innerhalb derselben Frist zu begründen.“ Wir reden also hier am Ende über eine Verzögerung von zwei Wochen bei einem Verfahrensablauf von zwei Jahren. Da muss man doch, glaube ich, mal ganz ehrlich schauen, wenn man sich Berufungen anschaut, wo es denn eigentlich hakt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nämlich nicht die Kompetenz der Gleichstellungsbeauftragten.