Protocol of the Session on April 25, 2018

Ach, ihr könnt es gar nicht abwarten? Wir wollen erst mal Fakten und Zahlen haben. Wenn der Innenminister das nicht liefert, werden wir ihn mit Kleinen Anfragen und Ähnlichem bombardieren, dass wir endlich mal Zahlen und Fakten bekommen. Nicht dass der Kuschel solchen Mist erzählt in diesem Thüringer Landtag und das unwidersprochen bleibt.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben Sie in 20 Jahren nicht hinbekommen! Herr Fiedler, seien Sie doch seriös!)

Herr Adams, Sie brauchen jetzt nicht den Kuschel zu verteidigen, das ist unsinnig, das würde ich gar nicht machen. Ja, ich bin seriös, weil ich nämlich schon seit 28 Jahren in der kommunalen Familie jeden Tag erlebe, was dort los ist. Ich stehe seit 28 Jahren als Bürgermeister dort, ich kann Ihnen ein paar Dinge erzählen, da ist nicht nur Friede, Freude, was da vorgeht, das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: … Amtszeit eines Politikers …!)

Ja, die aus Gera sind besonders gut, sind besonders seriös und wichtig, das hat man gesehen beim letzten Wahlergebnis, Herr Kollege Huster. Das haben wir beim letzten Wahlergebnis gesehen, wo die Linke gelandet ist.

(Heiterkeit und Beifall CDU)

Sie haben das letzte Aufgebot hier noch gebracht, was vorhin hier herumsaß. Es hat alles nichts geholfen. Also, schön ruhig, Herr Kollege Huster. Sonst kommen wir ja gut zurande, aber nicht jetzt mit solchen Dingen schießen.

Ich will klar und deutlich für meine Fraktion rüberbringen: Wir brauchen seriöse Zahlen. Wir werden also den Minister – er wird sie ja hoffentlich freiwillig liefern, und auch damit seinem Koalitionär mal zeigen, wo seriöse Zahlen herkommen,

(Beifall CDU)

nämlich, wenn es nottut, von der Landesregierung. Ich hoffe jedenfalls, dass es so ist. Dann werden wir darüber reden. Dann werden wir sehen und wir werden uns eintakten. Aber wir werden nicht einfach etwas versprechen. Wir wollen erst die Kosten wissen, wir wollen wissen, wie es umsetzbar ist und dann werden wir uns auch dazu äußern. Wir wissen um das schwere Problem.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Fiedler. Nun hat Abgeordneter Kuschel für die Fraktion Die Linke das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Präsident bestimmt ja auch die Reihenfolge der Rede. Sicherlich hat er das jetzt so gemacht, damit die Dramaturgie erhalten bleibt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Lass mal den Präsidenten in Ruhe!)

Was würde wohl Herr Fiedler machen, wenn es mich nicht gebe? Da hätte er gar nichts gesagt, denn, was die CDU will, war nicht Bestandteil seiner Rede.

(Beifall DIE LINKE, AfD)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Da muss ich mal recht geben!)

Dem sind Sie ausgewichen. Aber ich kann es Ihnen sagen, was die CDU will. Es gibt erst mal einen offenen Brief eines Bundestagsabgeordneten, darauf wurde schon eingegangen. Ich war am 11. April mit Herrn Scherer in einer Besuchergruppe, Berufsschulzentrum Sondershausen. Da ging es um ländliche Räume und Herr Scherer – ich habe zwei Mal hingehört, aber er hat es noch mal bestätigt – hat dort verkündet, die CDU ist für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge,

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Gelogen! Das ist meine Meinung!)

um den ländlichen Raum nicht weiter zu schädigen. Das habe ich wohlwollend zur Kenntnis genommen. Was also stimmt, ist, dass auch in der CDU sicherlich Debatten geführt werden. Das ist in Ordnung.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber jetzt mal der Reihe nach. Die AfD hat heute hier einen Antrag eingebracht, der ist nicht von der AfD, sondern der ist von der CSU, nur mit ein paar anderen Zahlen. Wenn wir jetzt mal die Geschichte dieser Wahlperiode sehen, dann kann man mal nachvollziehen, die AfD hatte 2015 im November einen Antrag eingebracht, in dem die Landesregierung aufgefordert wurde, die rückwirkende Erhebung der Straßenausbaubeiträge zu begrenzen. Das war der Zeitpunkt, als die Koalition über dieses Modell diskutiert hat. Im Jahr 2017 hat dann eine Gesetzesänderung stattgefunden, darauf komme ich dann noch mal zurück, auch inwieweit wir dort Hinweise des Gemeinde- und Städtebundes berücksichtigt haben, da hat die AfD einen Gesetzentwurf vorge

legt, der das Ermessen der Gemeinden eröffnen sollte, also das, was die Koalition ohnehin gemacht hat.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist doch schön, dass Sie uns alles nachmachen!)

Auch dort war 2017 noch nicht von Abschaffung die Rede. Jetzt bringt die AfD die Abschaffung. Man sieht also, bei der AfD finden keine eigenen Überlegungen statt, sondern sie satteln einfach auf aktuelle Debatten drauf, und das in einer Form, die man durchaus als populistisch bezeichnen kann.

(Beifall DIE LINKE)

Mir fällt es ja nicht leicht, Herrn Fiedler zuzustimmen, aber in dem Punkt hat er natürlich recht, dass Sie beim Abschreiben des CSU-Antrags auch Probleme übernommen haben, die wir in Thüringen im vergangenen Jahr mit den kommunalen Spitzenverbänden intensiv diskutiert haben. Darauf bezog sich meine heutige Äußerung, die keine Presseinformation war, sondern die Journalistin hat mich angerufen, wobei ich gesagt habe, wir werden in dieser Frage wie im vergangenen Jahr keine Entscheidung gegen die Kommunen treffen. Wenn wir eine Lösung wollen, dann müssen wir gemeinsam mit den Kommunen nach einer Lösung ringen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das sind aber ganz neue Töne!)

Wo das dann hingeht, darauf möchte ich noch eingehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben im vergangenen Jahr das Gesetz angepasst. Ich darf noch mal – ausgehend vom Koalitionsvertrag – reflektieren, was sich Rot-Rot-Grün denn vorgenommen hatte, das waren drei Punkte: Erstens, den Dachverband der Bürgerinitiativen als Fachverband anzuerkennen. Das ist geschehen, die Bürgerinitiativen saßen bei den Straßenausbaubeitragsgipfeln immer gleichberechtigt mit am Tisch. Das hat die CDU nie fertiggebracht, über Jahre nicht, dass Betroffene selbst mit am Tisch sitzen können.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Aus gutem Grund!)

Dabei ist klar, nicht jeder Forderung der Betroffenen findet in der Politik dann Umsetzung. Aber dass sie mit am Tisch sitzen können, gleichberechtigt, das ist eine neue Qualität.

Das Zweite: Wir haben Modelle in den anderen Ländern geprüft, inwieweit sie auf Thüringen anwendbar sind. Da hat Herr Fiedler eine Übersicht gegeben – nicht ganz vollständig. Im Saarland gibt es noch das Ermessen. In Niedersachsen gibt es seit 2008 das Ermessen – dort hat ein Drittel der

(Abg. Fiedler)

Gemeinden das Ermessen ausgeübt –, in Schleswig-Holstein seit 01.01.2018 übrigens bedingungslos, hier in Thüringen mit zwei auflösenden Bedingungen, auf die ich dann auch noch mal eingehen will. Und in Sachsen hat das dortige Oberverwaltungsgericht in Bautzen 2007 den Kommunen das Ermessen eröffnet. Im Übrigen erheben nach Informationen des sächsischen Innenministeriums in Sachsen jetzt nur noch 5 Prozent der Gemeinden diese Beiträge; 95 Prozent haben von diesem Ermessen/dem Verzicht Gebrauch gemacht. Das nur noch zur Ergänzung dessen, was gesagt wurde.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Weil die wahrscheinlich mehr Geld haben als Thürin- gen!)

Wir haben uns in den zurückliegenden Jahren intensiv damit beschäftigt, eines der Hauptprobleme zu lösen, das die CDU verursacht hat, nämlich die rückwirkende Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. Sie müssen noch mal die Situation nachvollziehen. Da haben Gemeinden Straßen ausgebaut und oftmals ist erst nach 20/25 Jahren die Beitragspflicht durch Satzung geschaffen worden. Dass das juristisch keine Rückwirkung ist, interessiert die Bürger nicht. Aus Sicht des Bürgers ist es eine Rückwirkung. Wir dürfen hier eben nicht nur Politik aus Sicht der Verwaltung machen, sondern wir müssen auch Politik aus Sicht von Bürgerinnen und Bürgern machen und deswegen eine Abwägung vornehmen. Wir haben intensiv geprüft und hatten eine Stichtagsregelung – 01.01.2006 – vorgesehen, nicht willkürlich, sondern weil im Jahr 2005 das Oberverwaltungsgericht in Thüringen zum Fall Benshausen entschieden hat, dass das Wort „können“ kein Ermessenskönnen mehr ist. Bis dahin sind wir immer vom Ermessen – alle, bis zu dem Zeitpunkt hatte nämlich ein Drittel der Gemeinden noch gar keine Satzung – ausgegangen, sondern sie haben entschieden, das ist ein Ermächtigungskönnen und die Gemeinden sind unabhängig von ihrer Finanzlage verpflichtet, diese Beiträge zu erheben. Die Klarstellung war erst 2005. Deswegen hatten wir als Stichtag 01.01.2006 vorgeschlagen. In der Anhörung haben die Kommunen gesagt, auch der Gemeinde- und Städtebund, eine solche Stichtagsregelung ist verfassungsrechtlich immer schwierig, weil sie zweierlei Recht schafft, aber sie ist politisch vor Ort schwierig, weil sie die Gemeinden spaltet in die, die bezahlen müssen, und die, die dann unter die Neuregelung fallen. Das haben wir aufgegriffen. Und das meine ich damit, dass wir die Hinweise des Gemeinde- und Städtebundes dort aufgegriffen haben, nichts gegen den Willen gemacht haben. Wir haben deshalb dann angeboten, was im Koalitionsvertrag gar nicht vereinbart war, dass wir eine Lösung für die Zukunft schaffen, nämlich ein Ermessen. Im Übrigen haben viele Bürgerinitiativen und viele Kommunen darum gekämpft.

Ich will auf den aktuellen Fall in Zella-Mehlis eingehen. Bis zum Jahr 2012 hatte die Stadt Zella-Mehlis keine Satzung und hat immer wieder betont: Wir wollen keine Beiträge erheben, weil wir leistungsfähig sind; unsere Bürger bezahlen auf andere Art und Weise, Grundsteuer, Gewerbesteuer, deswegen keine Beiträge. Nur auf Druck des Landes über die örtliche Rechtsaufsichtsbehörde hat der Stadtrat 2012 eine Satzung erlassen und hat immer von uns verlangt: Gebt uns das Ermessen. Jetzt haben wir das Ermessen eingeräumt und die gleichen Akteure sagen: Jetzt wollen wir dieses Ermessen aber gar nicht mehr; Land, handle du. Selbstverwaltung zeichnet sich durch Ermessen aus. In vielen Fragen müssen Kommunen täglich dieses Ermessen ausüben. Ob das die Höhe der Hebesätze ist, ob das die Friedhofsgebühren sind, die Höhe der Kindertagesstätten, die Eintrittspreise im Schwimmbad, überall müssen Gemeinden ein Ermessen ausüben. Es ist differenziert, es ist nicht einheitlich. Und ausgerechnet bei Straßenausbaubeiträgen soll uns jetzt erzählt werden, dass da dieses Ermessen der Niedergang von kommunaler Selbstverwaltung wäre. Ich verstehe das nicht mehr. Ich sage deutlich: Kommunale Selbstverwaltung haben wir gestärkt, indem wir den Gemeinden ein Ermessen eingeräumt haben. Das hat die CDU 25 Jahre nicht gemacht. Wir haben es gemacht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und jetzt kann ich natürlich auch von Gemeinden erwarten, dass sie das Ermessen verantwortungsbewusst zumindest prüfen und ausüben.

(Unruhe CDU)

Da haben wir ihnen alle Optionen gegeben. Von null bis zur jetzigen Regelung können sie alles machen. Es gibt nur zwei auflösende Bedingungen: Es muss ein Haushalt da sein und drei Jahre rückwirkend keine Bedarfszuweisungen.

Jetzt komme ich zu den 90 Prozent: Im vergangenen Jahr haben 72 Gemeinden Bedarfszuweisungen erhalten und 61 Gemeinden hatten keinen Haushalt. Die sind nahezu deckungsgleich. Wir haben 849 Gemeinden. Jetzt muss man kein Mathematiker sein, sondern nur rechnen können, um daraus zu schlussfolgern, dass formal natürlich 90 Prozent der Gemeinden diese beiden Voraussetzungen zunächst erfüllen und nichts anderes habe ich gesagt. Alles andere muss vor Ort entschieden werden.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Verdum- mung en masse!)

Ich bitte nur um Verständnis, dass nach so kurzer Zeit – drei Gemeinden sind übergangen. Herr Thamm hat ja eine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Mir fällt da die Gemeinde Gossel ein – das ist die gleiche Verwaltungsgemeinschaft wie die

Stadt Plaue, wo Herr Thamm Bürgermeister ist –, die von diesem Ermessen Gebrauch gemacht hat. In allen drei Fällen hat die Rechtsaufsichtsbehörde dem auch zugestimmt. In anderen Gemeinden, in Pößneck, in Plaue oder in Zella-Mehlis, laufen gegenwärtig die Verfahren. Das heißt, die ersten Gemeinden haben sich auf den Weg gemacht, dieses Ermessen auszuüben, meine Damen und Herren.

Jetzt kommen wir zu der Sache der Abschaffung. Wir als Linke haben immer gesagt, es bleibt unser Ziel. Aber wir haben auch gesagt, wir brauchen eine Lösung mit den Gemeinden. Und das greift der Gesetzentwurf der AfD nicht auf. Deswegen halten wir ihn nicht für geeignet. Wir müssen erst den Dialog mit der kommunalen Seite führen, unter welchen Voraussetzungen sie der Abschaffung zustimmt. Der erste Satz vom Gemeinde- und Städtebund in der Anhörung vor einem Jahr war: Das jetzige Verfahren, das damalige, also die gesetzliche Pflicht, dass jede Gemeinde unabhängig von ihrer Leistungskraft diese Beiträge auch in einer vorgegebenen Höhe erheben muss, hat sich bewährt. Deshalb hat der Gemeinde- und Städtebund gesagt: keinerlei Veränderungen. Das ist die Lage. Der Gemeinde- und Städtebund will keine Veränderungen in der Frage. Deswegen müssen wir in den Dialog treten, ob möglicherweise aufgrund der Entwicklung in anderen Bundesländern der Gemeindeund Städtebund in Thüringen jetzt von seiner Auffassung abrückt, also unter welchen Voraussetzungen denn der Gemeinde- und Städtebund einer Abschaffung zustimmt. Diesen Dialog wird Rot-RotGrün jetzt beginnen.