Protocol of the Session on March 22, 2018

Parteivorsitzende hat das auch gerade gemacht. Wir haben – ich glaube – schon 2007 – da gab es Ihre Partei zum Glück noch gar nicht; schöne Zeiten waren das – einen großen Heimatkongress gemacht, weil die Auseinandersetzung mit dem, was uns verbindet, was die Grundlage unseres gemeinsamen Lebens ist, immer wichtig ist. Insofern ist das Diskutieren über den Heimatbegriff immer richtig, immer gut, immer fruchtbar. Das ist außer Frage. Aber nur, dass das auf keinen Fall falsch verstanden wird: Meine Rede, jeder Satz ist eine Ablehnung des Politisierens des Heimatbegriffs und des Schaffens eines exklusiven Heimatbegriffs. Jeder hat seinen Heimatbegriff

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und Sie, Herr Höcke, werden niemandem absprechen, sich hier oder an einem anderen Ort heimisch zu fühlen, nur weil Sie das nicht wollen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Antrag der AfD hat drei Punkte. Einmal geht es um Schule, dann geht es um Außerschulisches und am Ende geht es gegen die Weltoffenheit, es geht gegen Demokratie und es geht gegen Toleranz. Das sind die Punkte, die die AfD ausmachen, vor allen Dingen gegen Demokratie, vor allen Dingen gegen Weltoffenheit und vor allen Dingen gegen Toleranz.

(Unruhe AfD)

Ich frage Sie ganz ehrlich – Sie haben noch ein bisschen Redezeit –, die Erklärung hätte ich gerne mal: Bei Ihrer Aussage, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, treffen Sie unsere Verfassung. Und ich will von Ihnen wissen, ob Sie auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland stehen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Dann schauen Sie mal ins Grundgesetz hinein!)

Stehen Sie zu dem freien Recht eines jeden Menschen, seine Religion – egal, welche es ist – hier ausüben zu dürfen? Das ist meine Frage an Sie. Da glaube ich, müssen Sie mal die Hose runter lassen und Farbe bekennen. Da müssen Sie mal Farbe bekennen. Stehen Sie zu dem Recht, dass eine Jede und ein Jeder seine Religion ausüben darf?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das will ich von Ihnen wissen. Dann werden wir Sie beurteilen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die AfD fordert, dass es Heimatschulen gibt. Ich habe mir mal die Rahmenstundentafel für die Grundschule – da, wo es losgeht – genommen und angeschaut: Heimat- und Sachkunde, Werken, Schulgarten,

Kunsterziehung und Musik – acht bis sieben Stunden in den ersten zwei Klassen und dann in der Klasse vier noch einmal verstärkt …

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Acht Stunden in zwei Jahren?)

Was? Immer, immer wieder.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie müssen sich mal richtig mit dem Schulpro- gramm befassen!)

Wie lange wollen Sie denn die Grundschulkinder in der Schule annageln? Sie sollen auch noch Schreiben, Lesen, Rechnen und möglicherweise auch noch eine Sprache lernen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt – ich erkläre es jetzt auch noch einmal für die AfD – Rahmenstundentafeln, da kann man sehen, was die Kinder in der Grundschule, in der ersten Klasse, zweiten Klasse, dritten Klasse, vierten Klasse an Stundenanzahlen haben sollen, wie viele Stunden sie sich damit befassen sollen – und zwar nicht innerhalb des Jahres, sondern innerhalb der Woche. Das ist einfach nur ganz großer Unfug, Herr Möller. Auch Ihr Zwischenruf ist schon Unfug. Die Schülerinnen und Schüler werden in den ersten drei Klassenstufen sieben bis acht Stunden damit befasst und dann gibt es nochmal extra drei Stunden zu Heimat- und Sachkunde, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dafür gibt es natürlich auch einen Plan: Was soll man dann am Ende gelernt haben? Am Ende der vierten Klasse geht es um Heimat als regionaler Lebensraum, da gibt es einen extra Abschnitt dazu, dass man den Ort einordnen kann, auch die eigene Religion – mit der Sie ja so viele Probleme haben, wie wir es auch gestern sehen konnten, und die Sie uns allen ja verbieten wollen, im Prinzip egal welche Religion. Was gestern an Verächtlichkeit über religiöse Menschen hier ausgesprochen wurde, spottet jeder Beschreibung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch da kann man sich informieren – wenn man denn will – und sehen, worum es da geht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie fordern in Punkt II.2. dann außerschulisch noch etwas. Da habe ich Ihnen den Haushaltsplan des Einzelplans der Thüringer Staatskanzlei mitgebracht und kann Ihnen nur mal die Seiten 100 ff. bis ca. 140 empfehlen. Dort finden Sie auf jeder Seite, wie viel Geld im Freistaat Thüringen sehr in Brauchtumspflege, sehr in Jubiläen, die unsere Geschichte und unsere Vergangenheit angehen, investiert wird. Und jeder Euro ist gut investiertes Geld und niemand braucht die Belehrungen aus der AfD, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heimat – und das will ich ganz deutlich sagen – lasse ich mir von Ihnen nicht vorschreiben. Heimat, das ist natürlich immer das, was wir kennen, was wir erleben. Dazu gehört immer Essen, mit dem wir uns identifizieren. Bei mir ist das natürlich die preußische Bockwurst genauso wie die Thüringer Bratwurst – und es ist natürlich Badis Gemüsedöner, den man in Erfurt kaufen kann. Es wird Ihnen nicht gelingen, davon auch nur einen Abstrich zu machen. Ich glaube, für das gesamte Parlament sprechen zu können: Wir alle stehen gemeinsam gegen die AfD, die versucht, Menschen aus unserem Heimatbegriff auszuschließen, die einen exklusiven Heimatbegriff hat.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Höcke hat viele antiquierte und ausgrenzende Zitate zum Thema „Heimat“ gefunden und hier auch vorgetragen. Ich habe eines bei Kurt Tucholsky gefunden. Ich glaube, auch das gehört in eine solche Debatte. Kurt Tucholsky hat in einem Aufsatz mal geschrieben, ich nehme nur einen Absatz raus: „Im Patriotismus lassen wir uns von jedem übertreffen – wir fühlen international. In der Heimatliebe von niemand – nicht einmal von jenen, auf deren Namen das Land grundbuchlich eingetragen ist. Unser ist es.“ Und das gilt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Diese Heimat ist unsere, diese Heimat ist immer ganz persönlich. Eine Jede, ein Jeder von uns hat seinen Heimatbegriff und kann in dieser Heimat glücklich werden. Und mein Heimatbegriff umschließt auch, all jenen herzlich willkommen zu sagen, die hier Heimat finden wollen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann meine Heimat, die so schön ist, gerne mit anderen teilen und ich will denen, die andere Menschen ausschließen wollen, keinen politischen Raum lassen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Die Linke hat sich die Abgeordnete Mitteldorf zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, es ist schon ein Stück weit rausgekommen, dass es der AfD mit ihrem Antrag eigentlich nur um eine Sache geht: uns heute noch mal mitzuteilen und uns aufzufordern, das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit zu beenden, weil sie es für nicht nötig erachtet. Und sie windet sich – das hat der große

(Abg. Adams)

AfD-Führer Höcke heute auch noch mal bewiesen – an diesem Rednerpult mit großen theatralischen Gesten in der typischen Phrasenbildung hin und her,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

um dann immer wieder zu sagen: Das Landesprogramm wäre natürlich ein reines und einziges Ideologieprojekt und die einzigen ideologiefreien Menschen auf dieser ganzen Welt und schon überhaupt in unserem Bundesland Thüringen sind natürlich die der AfD-Fraktion, weil alles das, was sie vorhaben, hat überhaupt gar nichts mit Ideologie zu tun. Das hat der Kollege Höcke heute hier wieder versucht mitzuteilen,

(Beifall AfD)

was allerdings – wie er gleichzeitig auch bewiesen hat – nicht stimmt. Das Einzige, was Sie hier gemacht haben, Herr Höcke, ist ideologisch verbohrt,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Jetzt wird es aber falsch!)

ideologisch engstirnig, eine große Marktrede zu halten. Sie verwechseln nach wie vor dieses Parlament mit Ihren Großveranstaltungen, wo Sie Ihre Jünger und Anhänger suchen. Hier in diesem Parlament geht es um Substanz, hier geht es um Inhalt

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und hier geht es um die Frage: Wie entwickeln wir dieses Bundesland? Und wie machen wir das für alle Menschen in Thüringen – und zwar egal, ob die hier leben, ob die hierherkommen, ob die hier geboren sind oder nicht hier geboren sind? Darum geht es hier und darum geht es auch bei genau dieser Frage.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur Ihnen natürlich nicht. Das passt – weil Sie immer sagen, das ist ein Ideologieprojekt – natürlich auch deshalb zu Ihrer Sichtweise, weil Sie erst neulich großspurig verkündet haben, dass 16- und 17-Jährige so derart leicht zu manipulieren seien, dass sie lieber nicht wählen können sollen,

(Heiterkeit Abg. Gentele, fraktionslos)

und – das steckt ja hier drin – dass dieses Landesprogramm auch dazu beiträgt, dass diese „so manipulierbaren“ jungen Menschen – es geht um Sie und euch da oben – durch dieses Landesprogramm und überhaupt natürlich durch die Politik im Land Thüringen verdorben werden. Die Denkweise sagt im Übrigen mehr über die AfD aus, als über die 16und 17-jährigen Menschen in diesem Land,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die ja – Gott sei Dank – am 15. April wählen dürfen. Lustigerweise kommen Sie dann aber – „verehrte AfD“ hätte ich beinahe gesagt – mit einem eigenen Landesprogramm um die Ecke, welches Sie selbst als ideologiefrei bewerten. Und siehe da, ein entscheidender Punkt – weil Sie ja, wie wir schon etabliert haben, abschreiben – Ihres Landesprogramms – was Sie im Übrigen nicht aufgelegt haben, Herr Höcke, sondern was Sie irgendwie hier fordern – ist im schulischen Bereich. Ergo sind dort also auch all jene Menschen zugegen, die Sie als manipulierbar beschreiben, denen Sie gleichzeitig mit Ihren Äußerungen eine Teilnahme an der Demokratie aberkennen. Da müssen Sie mir jetzt mal den Zusammenhang erklären, wenn Sie sagen, alles, was sozusagen auch an schulischen Programmen passiert, wäre ideologisch verbohrt, wie dann das, was Sie da vorhaben, nicht ideologisch verbohrt sein soll, aus Ihrer eigenen Argumentation. Das ist wenig zielführend und macht auch wenig Sinn. Dieser Umstand allein ist also wenig konsistent, was natürlich nicht überraschend ist, denn Ihnen geht es ja ganz offensichtlich um die Implementierung Ihrer eigenen engstirnigen Weltsicht.

(Beifall DIE LINKE)

Überhaupt musste ich mir beim Lesen Ihres Antrags außerdem die Frage stellen, ob Sie einen Heimatbegriff und eine Heimatverbundenheit nur dörflichen Strukturen zugrundelegen und den vielen kleinen und mittleren Städten in Thüringen eine solche Beziehung aberkennen. Das finde ich zumindest höchst spannend. Aber genau das ist wahrscheinlich auch Ihr eigenes, grundsätzliches Problem, das in Ihrem Antrag im Übrigen auch offenbar wird. Denn scheinbar wissen Sie nicht wirklich selbst, was Sie mit Heimat und Tradition gerade im Bezug auf Thüringen meinen. Wahrscheinlich verlangen Sie deshalb Heimatforschung an den Thüringer Hochschulen, wobei Sie nicht mal benennen, was denn da erforscht werden soll, und natürlich auch nicht die Frage beantworten, ob das, was Thüringer Hochschulen erforschen, auch im geschichtlichen, im kulturellen Sinne, nicht genauso heimatfördernd und heimatforschend ist – wenn das Ihre Begrifflichkeiten sein sollen –, wie das, was längst passiert.

Es ist schon gesagt worden: Heimat hat in gewisser Weise auch etwas mit einem Gefühl zu tun. Demnach ist Heimat sogar ein wichtiger und essenzieller Teil des kulturellen Selbstverständnisses einer Gesellschaft – ob man das Heimat nennt oder nicht –, aber dieses Gefühl ist Teil eines kulturellen Selbstverständnisses. Ich glaube – bei Ihnen in der Fraktion wahrscheinlich nicht, da gibt es die Order, das ist der Begriff Heimat und das habt ihr alle so zu sehen –, wenn wir in allen anderen Fraktionen unsere Kollegen fragen, dass jeder Einzelne die Frage: Was ist für dich Heimat? völlig anders beantwortet. Ich behaupte, egal, welche Antwort von

Ihnen aus Richtung der AfD kommt, dass sich das mit meinem Gefühl und meinem Verständnis, was Heimat ist, auf gar keinen Fall decken wird. Denn ich – ich glaube, viele andere Kollegen im Hohen Haus auch – betrachte diese Begriffe nicht starr und allgemeingültig. Sondern in einer sich naturgemäß verändernden Gesellschaft wird ganz selbstverständlich auch immer wieder die Sinnfrage neu gestellt und natürlich wird auch ganz selbstverständlich immer wieder das Verhältnis zu seiner Umgebung und auch zu den Fragen von Geschichte und – na klar – auch Tradition gestellt. Aber ein Heimatgefühl ist kein zu verordnendes Gefühl. Es ist auch nicht zu verordnen, wem oder was man sich verbunden fühlt, denn auch dies sind gesellschaftliche Prozesse, die immer auch einer Neubewertung unterliegen.