Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich denke, es macht an dieser Stelle Sinn zu erläutern, wie wir als Christliche Union den Begriff Heimat verstehen. Auf dem letzten Landesparteitag im November 2017 hat die Versammlung mit ganz großer Mehrheit einen Antrag des Landesvorstands beschlossen. Die Überschrift lautete: Heimat – mehr als ein Gefühl. Zunächst einmal denke ich, dass die meisten hier im Hohen Haus diesen Satz unterschreiben können, dass Heimat eben mehr ist, als ein Gefühl. Das Thema „Heimat“ bewegt uns alle, allerdings ist es gar nicht so einfach, sich dem Heimatbegriff zu nähern. Bis vor 200 Jahren war es so, dass dieser Begriff als juristischer Begriff verwendet wurde, sozusagen als ein Stück Land, das man bearbeiten durfte. Viele Menschen verbinden heute Heimat mit den Begriffen Geborgenheit, Sicherheit und Vertrautheit – auf Bundespräsident Steinmeier bin ich bereits eingegangen –, kurz: ein Ort, der optimal zu mir passt. Heimat, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist natürlich auch immer konkret. Sie lebt aus Besonderheiten der Dörfer, Städte, Stadtquartiere, aus Landschaften, aus Traditionen, aus Bräuchen, Mundarten, Denkmälern und natürlich nicht zuletzt aus der Mitwirkung der Bürgerinnen und
Bürger. Klar ist auch: Heimat ist immer individuell. In Jena empfindet man Heimat anders als in Eisenberg oder auch in Eisenach.
Warum ist uns das Thema so wichtig? Über 90 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer leben gern in unserem Freistaat; ich glaube, darauf können wir gemeinsam stolz sein, das ist doch ein toller Wert. Thüringen ist durch seine historisch gewachsene Kleinteiligkeit und durch eine hohe Verbundenheit der Menschen mit ihrer Umgebung geprägt und wir wollen, dass dies auch so bleibt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nach diesen eher allgemeinen Ausführungen will ich nun konkret zum Antrag der AfD kommen und will gleich vorwegschicken, dass dieser Antrag einen untauglichen Versuch darstellt, den vorhandenen komplexen Herausforderungen und Aufgabenstellungen gerecht zu werden. Heimatpolitik ist eben sehr viel mehr als das, was das von der AfD geforderte, aus meiner Sicht sehr dünne Landesprogramm zu beschreiben versucht. Wir sind der festen Überzeugung, dass Heimat als dauernde Aufgabe auf Landesebene verankert sein muss. Heimatpolitik muss daher insbesondere folgende Ziele in den Blick nehmen – wir haben das mal in unserem Thesenpapier zusammengefasst, insgesamt in neun Punkten, die ich Ihnen jetzt gern vortragen würde: Sicherheit als Kernaufgabe des Staats, kein Rückzug des Staats aus dem ländlichen Raum, weitere Förderung freiwilliger kommunaler Zusammenschlüsse, eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen, die Chancen der Digitalisierung gerade im ländlichen Raum nutzen, Mobilität gerade im ländlichen Raum stärken, medizinische Versorgung und Pflegeleistung gerade im ländlichen Raum erhalten und ausbauen, Erhaltung der Bildungs- und Betreuungsstruktur – Stichwort: kurze Beine, kurze Wege –, letzter Punkt: weitere Förderung des nicht zuletzt unverzichtbaren ehrenamtlichen Engagements. Das alles verstehen wir in umfassendem Sinne unter dem Begriff Heimat.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, genau diese Aufgabe wollen wir in einer künftigen Landesregierung in einem Heimatministerium bündeln. Ob das Ministerium dann auch tatsächlich so heißen muss, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Bayern, darauf wurde bereits hingewiesen, hat bereits seit fünf Jahren dieses Ressort Heimat dem Finanzministerium zugeschlagen, und NordrheinWestfalen hat inzwischen auch ein sogenanntes Heimatministerium gegründet. Auf Bundesebene ist die Entscheidung ebenfalls gefallen, diesen Bereich Heimat im Innenministerium anzusiedeln.
In diesem Zusammenhang will ich gern darauf hinweisen, dass wir als CDU-Fraktion schon vor vielen Jahren gleich zwei Veranstaltungsreihen ins Leben gerufen haben, die sich mit diesem Thema „Heimat“ befassen. Die Veranstaltungen heißen „Hei
mat vor Ort“ und „Vor Ort zu Hause“. Ziel ist es, mit Ehrenamtlern, lokalen Akteuren, Vereinen, der Kirche, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen und das zu ganz unterschiedlichen Themen, zu Themen, die die Menschen vor Ort auch bewegen; das kann der Kindergarten sein, der Sportplatz, Fragen der Sicherheit und Ordnung, aber auch der örtlichen Vereinsarbeit. Am 2. Mai sind wir beispielsweise bei Kollegin Gudrun Holbe in Heldrungen-Braunsroda im Kyffhäuserkreis unterwegs und dort haben wir eine spezielle Zielgruppe zu diesem Thema eingeladen, nämlich die Ortschronistin.
Zum Antrag im Einzelnen: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will nicht auf alle Punkte des Antrags eingehen, aber stichpunktartig aufzeigen, in welchen Punkten mehr Fragen als Antworten offenbleiben.
In I. sollen die vielfach beschriebenen, wenn auch aus meiner Sicht größtenteils unkonkreten und zum Teil auch unverständlichen Forderungen aus einem neuen Landesprogramm mit einem Budget von 2 Millionen Euro gedeckt werden. Da sage ich: Das ist unseriös und das ist schlichtweg viel zu niedrig angesetzt.
Zu den Schwerpunkten unter II., erstens schulischer Bereich: Hier will ich auf einige der Forderungen eingehen. Was bitte schön, sehr geehrte AfDFraktion, verbirgt sich in Buchstabe a) unter „regionalspezifische Unterrichtsmaterialien“? Hier fehlt es an Rahmen, Umfang und Inhalt. In der Grundschule ist meines Wissens bereits das Fach Heimat- und Sachkunde fest etabliert. In der 4. Klasse findet sich zudem im Lehrplan das Thema „Thüringen“ wieder. Welche Aktivitäten sind in Buchstabe b) gemeint, „die zur Verbundenheit der Schüler mit der Region und dem Freistaat beitragen“, und wer entscheidet das? Lernen an einem anderen Ort innerhalb Thüringens wird in Buchstabe c) aufgegriffen. Das ist grundsätzlich verständlich, doch in welchem Umfang soll dies stattfinden und zu welcher Thematik und wo soll das sein? Im Wald, auf einem Bauernhof oder auf der Wartburg?
In Buchstabe e) sollen qualitativ hochwertige regionale Produkte für die Schulspeisung bereitgestellt werden. Das ist ja zu begrüßen. Allerdings ist das eine Bevormundung und Einmischung in innere schulische Angelegenheiten. Meines Wissens gibt es hierzu auch schon eine entsprechende Initiative für gesündere und regionale Schulspeisung seitens des Bildungsministeriums. Sinnvoll erscheint mir auch das zu sein, was die Mensa an der Universität Erfurt jetzt schon anbietet, nämlich auf der einen Seite regionale Produkte, auf der anderen Seite gleichzeitig internationale Gerichte. Beides wird angeboten und der Konsument entscheidet, welches
der Gerichte er wählt. Letzter Punkt, Buchstabe g): In welchem Umfang, mit welchen Mitteln und worüber wollen Sie pädagogisches Personal fortbilden? Das sind alles offene Fragen.
Das ist auch die Überleitung zur Ziffer 2, zum außerschulischen Bereich. In Buchstabe a) greifen Sie die Förderung von identitätsstiftender Arbeit vor Ort auf. Hier erlaube ich mir zunächst den Hinweis auf die bereits seit über 20 Jahren bestehende volkskundliche Beratungs- und Dokumentationsstelle für Thüringen. Diese ist die Schnittstelle zwischen Volkskundeforschung und kultureller Praxis in Thüringen und berät an erster Stelle genau die, die Sie ja offensichtlich meinen, nämlich Vereine, Kommunen, Gruppen oder auch Einzelpersonen, namentlich benannt werden hier die Ortschronisten. Dann kommt bei Ihnen eine ganze Auflistung von Vereinen und Verbänden, die aus Ihrer Sicht gemeint sein könnten. Doch einen Bereich habe ich komplett vermisst: Ich vermisse hier die Rolle der Kirche, diese wird von Ihnen komplett außen vor gelassen. Und gerade die Bedeutung des Christenoder auch des Judentums ist doch unbestritten kulturell herausgehoben und prägend für Thüringen.
Dann wollen Sie in den Buchstaben b) und c) regionales Brauchtum unterstützen und das Dorfleben aktivieren. Das begrüßen wir, wenn auch hier die Frage nach dem Wie völlig unbeantwortet bleibt.
Zum Buchstaben f) will ich noch etwas sagen: Ein überraschender Vorschlag ist, einen Heimatpreis im Bereich der Heimatpflege zu etablieren. Auch das ist eine Idee, die längst schon in Thüringen in vielen Städten und Kommunen umgesetzt wird. Ich will nur an das Beispiel des Weimarer Lands erinnern, das das schon seit Jahren umsetzt.
Ich komme zur letzten von Ihnen angeführten Ziffer III, zum Landesprogramm. Sie wollen das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit beenden, heißt es in der Ziffer III. Wir wissen, dass derzeit vor allem die Auslegung und die Umsetzung dieses Landesprogramms in der Diskussion stehen. Klar ist auch: Meine Fraktion wird sich – wie in der Vergangenheit auch – ganz selbstverständlich konstruktiv in diese Diskussion einbringen, die auch notwendig ist, aber nicht heute, nicht hier und schon gar nicht beim Thema „Heimat“.
Ich will aber nochmals in Erinnerung rufen – dann bin ich wieder beim Landesprogramm –, dass das Programm, das als Konsequenz aus den Ergebnissen des NSU-Untersuchungsausschusses im Jahr 2016 überarbeitet und an die aktuellen Herausfor
derungen angepasst wurde, nach wie vor auf breitem Konsens hier im Haus baut und zumindest in unserer Fraktion niemand auf die Idee kommt, dieses Landesprogramm gänzlich aufzukündigen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vielmehr hat meine Fraktion stets betont, dass es notwendig ist, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen jegliche Feinde der Demokratie und Freiheit zu schützen und auch zu verteidigen. Das gilt für jede Form des Extremismus – ganz gleich, ob Rechts-, Links- oder Ausländerextremismus.
Dass die AfD-Fraktion dieses Landesprogramm jetzt gänzlich abschaffen will, sehr geehrte Damen und Herren hier im Hohen Haus, ist doch eine Offenbarung und zeigt dann doch die wirkliche Gesinnung der AfD-Fraktion.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Fazit: Ich denke deutlich gemacht zu haben, dass der Antrag der AfD in dieser Form nicht zustimmungsfähig ist. Der Antrag ist aus meiner Sicht handwerklich schlecht gemacht. Neben in Teilbereichen grundsätzlich zwar nachvollziehbaren Forderungen ist er aber vor allem ein Sammelsurium von Forderungen, die teilweise entweder hinfällig, unzureichend oder unkonkret sind oder andererseits unverständlich und in großen Teilen so gar nicht umsetzbar. Wir sagen: Zielführend und vernünftig ist doch, das zahlreiche ehrenamtliche Engagement vor Ort weiter zu fördern, unter anderem durch die seit 2002 eingerichtete und sehr erfolgreiche Thüringer Ehrenamtsstiftung.
Wir sagen aber auch: Die beste Ehrenamtsförderung ist, die Menschen vor Ort auch einfach mal machen zu lassen, ohne diese in ein wie auch immer geartetes Korsett zwingen zu wollen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bei mir verfestigt sich der Eindruck, dass die AfD-Fraktion versucht, sich mit diesem dünnen Antrag mit dem Thema „Heimat“ profilieren zu wollen. Sie will ganz offenbar dieses Thema parteipolitisch mit Alleinanspruch besetzen. Und da sagen wir: Dafür ist dieses Thema zu wichtig und da machen wir nicht mit.
Abschließend: Wir wollen, dass sich Heimat und Heimatpolitik als künftige Daueraufgaben – dann aber bitte seriös und konzeptionell untersetzt – in eigener Ressortzuständigkeit wiederfinden. Der AfD-Antrag ist bestenfalls Stückwerk, greift zu kurz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich denke, eine Offenbarung ist nicht nur der Punkt zur Abschaffung des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit in diesem Antrag, sondern der ganze Antrag ist eine Offenbarung, wie die AfD hier Politik machen will, denn der Antrag zeigt ganz genau, was die wahren Ziele der AfD sind. Es geht ihnen nämlich um eine Spaltung der Gesellschaft, es geht darum auszugrenzen, es geht um Verleumdung von Fakten und Lebenswirklichkeiten, es geht um Bagatellisierung und Verharmlosung von Rechtsextremismus und es geht im Ergebnis darum, diesem Land zu schaden.
Wer bereits in der Überschrift Politisierung anprangert, dokumentiert, dass ihm der Dialog und die Diskussion über die Art und Weise der Organisation des Zusammenlebens von Menschen zuwider ist, dass ihm Mitwirkung und Verantwortungsübernahme für Organisationen unseres Zusammenlebens zuwider sind. All das aber sind die wesentlichen Bestandteile demokratischer Politik. Es zeichnet eine demokratische Gesellschaft aus, wenn möglichst viele Menschen an der Gestaltung von Politik beteiligt sind, auf allen Ebenen und natürlich auch dort, wo sie gerade leben – in den Städten und Dörfern.
Es ist gut, wenn Bürger und Bürgerinnen über die Art und Weise des Zusammenlebens diskutieren, wenn sie beteiligt sind, wenn sie sich engagieren und schließlich, wenn sie Verantwortung für sich und andere übernehmen. Das beginnt in Familien, in Schulen, in Jugendverbänden, in Jugendklubs, in Nachbarschaften und Vereinen, beim Sport und der Feuerwehr und setzt sich fort in den Parlamenten – von der Kommune bis zur Europäischen Union.
All das beinhaltet Politisierung. All das ist Politik. Gemeinschaftsstrukturen in einer Demokratie sind politisch. Politisiert zu sein, heißt letztlich nichts anderes, als die Zusammenhänge dieses Zusammenlebens zu verstehen, heißt, aufgeklärt zu sein, dass das Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft gestaltet werden kann. Und wer das negativ belegt – und genau das tut die AfD mit diesem Antrag –, der will in Wirklichkeit eine andere, eine
entpolitisierte, eine unaufgeklärte Gesellschaft. Das aber wäre keine Alternative für unsere Gesellschaft, das wäre eine Katastrophe. Wir kennen und fürchten aus guten Gründen diese Art entpolitisierter Gesellschaftsmodelle nur zu gut.
Wer dann weiter ein Landesprogramm mit der Überschrift „Meine Heimat, mein Thüringen“ fordert, der dokumentiert damit nichts anderes, als Ausschluss und Ausgrenzung. Und an dieser Stelle sei an die AfD eines deutlich gesagt: Dieses Land ist eben nicht meine, und schon gar nicht die Heimat der AfD. Es ist unser aller Heimat. „Unser“ statt „meiner“ heißt das Zauberwort.
Das gilt auch für alle, die hier leben und ihren Beitrag zu unserem Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft leisten, unabhängig von Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Geschlecht oder davon, ob sie schon immer hier gelebt haben oder irgendwann hierhergezogen sind, so wie es unsere Verfassung und das Grundgesetz aus guten Gründen vorsehen.
Die Verfasser dieses Grundgesetzes haben diese Rechtsgrundlagen nicht zuletzt deshalb geschaffen, weil zuvor unter anderem durch den Missbrauch des Begriffs Heimat millionenfaches Leid verursacht wurde und die Heimat von Millionen von Menschen zerstört wurde. Weil wir wissen, wie groß diese Gefahr und eine Renaissance der ewigen Gestrigen, der Fremdenhasser, der Rechtsextremen für unser Land ist, weil wir seit Jahren die massiven Aktivitäten der rechtsextremen Szene in Thüringen kennen und weil spätestens mit den Ergebnissen des NSU-Untersuchungsausschusses jedem Demokraten und jeder Demokratin das Ausmaß dieser Bedrohung bekannt sein muss, gibt es bereits seit der vergangenen Legislaturperiode das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit.