Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie herzlich zu unserer heutigen Plenarsitzung begrüßen, auch die zahlreichen Besucher auf der Besuchertribüne – immerhin einer.
Herzlich willkommen! Es freut uns, dass Sie uns regelmäßig verfolgen. – Zwei Dauergäste, beide haben einen Applaus verdient. Bitte, es wäre schön.
Für die Plenarsitzung hat als Schriftführerin Frau Abgeordnete Floßmann neben mir Platz genommen und aus der Abgeordneten Müller ist der Abgeordnete Kräuter geworden, der jetzt die Redeliste führt.
Für die heutige Sitzung haben sich einige Kollegen entschuldigt: Herr Abgeordneter Krumpe, Frau Abgeordnete Annette Lehmann, Herr Abgeordneter Malsch, Frau Abgeordnete Dr. Martin-Gehl, Frau Abgeordnete Marx. Von der Landesregierung sind entschuldigt: Frau Ministerin Keller und Herr Minister Lauinger.
Ich darf zur Tagesordnung darauf hinweisen, dass wir uns gestern darauf verständigt haben, Tagesordnungspunkt 8 in dieser Plenarsitzung auch in zweiter Beratung zu beraten. Ich gehe davon aus, dass niemand widerspricht, die zweite Beratung in der heutigen Plenarsitzung nach dem TOP 4 aufzurufen. Das sehe ich nicht, entsprach auch der gestrigen Einigung.
Gesetz zur Weiterentwicklung der Thüringer Gemeinden Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/4811 dazu: Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses - Drucksache 6/5438
Das Wort hat zur Berichterstattung aus dem Innenund Kommunalausschuss Herr Abgeordneter Adams. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, guten Morgen allen Besuchern hier im Thüringer Landtag! Am 13. Dezember 2017 beriet der Thüringer Landtag in seiner 103. Sitzung den Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Gesetz zur Weiterentwicklung der Thüringer Gemeinden, in erster Lesung. Der Gesetzentwurf wurde in dieser Sitzung federführend in den Innen- und Kommunalausschuss sowie in den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen. Gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung wurde außerdem der Haushalts- und Finanzausschuss aufgrund der haushaltsrelevanten Änderungen in Artikel 2 des Gesetzentwurfs beteiligt. Der Innenund Kommunalausschuss hat den Gesetzentwurf in seinen Sitzungen am 15. Dezember 2017, 15. Februar 2018 und am 15. März 2018 beraten. In seiner 50. Sitzung am 15. Dezember 2017 beschloss der Ausschuss, den Gemeinde- und Städtebund Thüringen und den Thüringischen Landkreistag mündlich anzuhören. Schriftlich wurden die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU Thüringen, Selbstverwaltung für Thüringen e. V. sowie Dr. Richard Dewes angehört. Die mündliche Anhörung fand in der 52. Sitzung des Ausschusses am 15. Februar 2018 in öffentlicher Sitzung statt.
Ein ergänzendes Anhörungsverfahren zu den Änderungsanträgen der regierungstragenden Fraktionen – unter den Vorlagennummern 6/3632 und 6/ 3775 auffindbar – wurde schriftlich durchgeführt.
In der Anhörung erfuhr vor allem die vorgesehene Aufhebung des § 46 Abs. 1 Satz 2 ThürKO unter Artikel 1 Nr. 5 des vorliegenden Gesetzentwurfs die meiste Kritik. Mit dieser Streichung würde die notwendige doppelte Mehrheit für die Antragstellung auf Bildung, Veränderung, Erweiterung und Auflösung aufgehoben. Der Gemeinde- und Städtebund Thüringen konnte auf Nachfrage in der Anhörung aber nicht bestätigen, dass dies nach seiner Auffassung offensichtlich verfassungskonform wäre. Die Stellungnahmen sind unter der Vorlagennummer 6/3798 zusammengefasst.
Die Auswertung und Beschlussfassung fand in der 54. Sitzung des Innen- und Kommunalausschusses am 15. März 2018 statt. Die Beschlussempfehlung trägt die Drucksachennummer 6/5438. Mit der Beschlussempfehlung empfiehlt der Innen- und Kommunalausschuss einige Änderungen am vorliegenden Gesetz. Unter anderem wird in § 46 ThürKO ein Anhörungsrecht für die betroffenen Landkreise, Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften bei einer Änderung, Auflösung, Erweiterung oder Bildung eingeführt.
schlussfassung im Innenund Kommunalausschuss in seiner 59. Sitzung am 16. März 2018 beraten, der Haushalts- und Finanzausschuss in seiner 55. Sitzung ebenfalls am 16. März 2018. Hierzu liegen Ihnen die Vorlagen 6/3795 und 6/3794 vor.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte allen Beteiligten, insbesondere den Anzuhörenden, für die konstruktive Arbeit an diesem Gesetzentwurf danken. Vielen Dank.
Danke schön. Damit eröffne ich die Beratung und als Erster hat Abgeordneter Henke für die AfDFraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, werte Gäste, über den Gesetzentwurf ist reichlich gestritten worden. Es wurde informiert, der Städteund Gemeindebund hat seine Stellungnahme abgegeben und ich nehme an, er wird auch heute mit den Stimmen der Koalition verabschiedet werden. Obwohl der vorliegende Gesetzentwurf bereits hier im Plenum sowie im Innen- und Kommunalausschuss ausführlich behandelt wurde und zudem mehrere Änderungen erfahren hat, muss ich sagen, dass man schon beim ersten Lesen dieses Entwurfs merkt, dass er mit einer ganz heißen Nadel gestrickt worden ist.
So fällt zunächst einmal auf, dass nunmehr die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 der Thüringer Kommunalordnung gestrichen werden soll. Der Wegfall des Erfordernisses der sogenannten doppelten Mehrheit, der in der Vorschrift verankert ist, wird aber letztlich dazu führen, dass zukünftige Gemeinden aus einer Verwaltungsgemeinschaft austreten können, ohne dass die Gemeinschaft der in einer Verwaltungsgemeinschaft vertretenen Gemeinden hierauf nur irgendeinen Einfluss hat. Im Ergebnis wird dies eine erhebliche Schwächung der kommunalen Selbstverwaltung nach sich ziehen und bei künftigen Neugliederungsmaßnahmen ein erhebliches Chaos zur Folge haben.
Wie man also sieht, wurden bestimmte Punkte einfach nicht vollständig durchdacht. Der Grund für eine solche offensichtliche Schwäche dieses Gesetzentwurfs liegt für mich dabei aber auf der Hand. Die rot-rot-grüne Landesregierung versucht nämlich mit diesem Entwurf eigentlich nur, die vollends gescheiterte Gebietsreform durch die Hintertür einzuführen. Mithilfe der drei Finanzinstrumente, die in diesem Gesetz geregelt sind, will sich die rot-rotgrüne Landesregierung die Kreisgebietsreform von
den klammen Gemeinden erkaufen, denn bereits über Jahre hinweg hat die Landesregierung den Gemeinden unentwegt neue Aufgaben übertragen, ohne dass sie gleichzeitig für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Gemeinden gesorgt hätte.
Aufgrund der gesamten Mehrbelastung, die auf die Gemeinden übertragen wurde, pfeifen diese mittlerweile auf dem letzten finanziellen Loch. Auf diese Weise wurden die Gemeinden finanziell an die totale Erschöpfungsgrenze getrieben. Die Landesregierung will sich mit den erwähnten Finanzhilfsinstrumenten jetzt auch noch als strahlender Retter in der Not aufspielen, da sie Geld für angeblich freiwillige Gemeindezusammenschlüsse verteilt. In Wahrheit hat aber die Landesregierung die Gemeinden nahezu systematisch in diese finanzielle Notsituation gebracht und will die Zwangslage nur gezielt dazu ausnutzen, um die Gemeinden zu einer angeblichen freiwilligen Zusammenarbeit zu nötigen. Da muss ich sagen: Die Fusionsprämien werden nur einmal gezahlt. Was kommt danach, wenn die Gemeinden die Prämien bekommen haben? Dann ist man auf Gedeih und Verderb aneinander gebunden und es wird natürlich schwierig werden. Wir werden mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Für mich hat das aber mit Freiwilligkeit nichts mehr zu tun, sondern das ist ganz einfach Erpressung der Kommunen.
Ich muss schon sagen: Hier wird ein ganz schön mieses Spiel gespielt. Die Leidtragenden dieser verfehlten Politik sind letzten Endes die Gemeinden und ihre Bürger, die die Folgen Ihrer verfehlten Politik ausbaden müssen. Damit beweist die Landesregierung eigentlich nur, dass sie im Ganzen einfach nicht in der Lage ist, eine anständige Politik für Thüringen und seine Bürger zu betreiben. Denn eine Kreisgebietsreform, die die Kommunen und Gemeinden gestärkt hätte und auf wirklich freiwillige Neugliederung ausgerichtet wäre, hätte man nach meinem Dafürhalten ganz anders aufziehen müssen.
Am Anfang aller Bemühungen hätte man nämlich zuerst einmal eine Aufgabenkritik durchführen müssen. Hierbei hätte man zunächst einmal feststellen müssen, welche Aufgaben durch welche Gebietskörperschaft überhaupt wahrgenommen werden können. Dies hätte zugleich auch zu einer fairen Aufgabenverteilung zwischen dem Land und den Kommunen geführt.
In einem zweiten Schritt hätte man sodann eine Verwaltungsreform durchführen müssen. Das hätte man auch heute noch machen müssen. Erst im dritten und letzten Schritt hätte man die Gebietsreform umsetzen können.
Auf diese Weise hätte man es geschafft, die Kommunen auf zukünftige Aufgaben sowie auf die bevorstehenden demografischen Umwälzungen angemessen vorzubereiten. All das hat die Landesregierung jedoch gerade nicht gemacht, sondern sie versucht, ihre misslungene Kreisgebietsreform auf Biegen und Brechen doch noch irgendwie zu retten, indem sie die Neugliederung von klammen Gemeinden in Wirklichkeit nur erkauft. Nach unserem Dafürhalten ist den Kommunen und Gemeinden damit auf Dauer jedoch nicht gedient. Wir als AfD lehnen diesen Gesetzentwurf ab. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Gäste, auch am Livestream, zunächst muss ich meinen Vorredner korrigieren, es ist nicht der § 48, es ist der § 46. So viel dazu.
Es zeichnet sich bereits zum heutigen Zeitpunkt ab, dass sich sehr viele Gemeinden freiwillig zusammenschließen und neugliedern wollen. Viele Gemeinderäte und Bürgermeister haben diese Notwendigkeit einer Gebietsreform erkannt und gehen diesen Weg. Diese Gemeinden dürfen wir nicht im Stich lassen und deshalb schaffen wir mit dem heute hier eingebrachten Gesetzentwurf Klarheit über die finanziellen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen für diese Gemeinden. Wir begrüßen es auch ausdrücklich, dass sich bereits beim ersten Neugliederungsgesetz ein parteiübergreifender Konsens abzeichnet.
Zur finanziellen Förderung wurde bereits an anderer Stelle schon genügend ausgeführt und gesagt – die 200 Euro Fusionsprämie pro Einwohner. Warum gibt es Strukturbegleithilfen und besondere Entschuldungshilfen? Weil es eben nicht – wie so oft gesagt – Rosinenpickerei sein soll, dass man sich nur die finanziell und strukturell gut aufgestellten Kommunen rauspickt. Nein, es soll allen die Möglichkeit gegeben werden, auch den Strukturschwachen. Deswegen gibt es diese Strukturbegleithilfen und besondere Entschuldungshilfen.
Zur schon zitieren doppelten Mehrheit: Die doppelte Mehrheit zum Verlassen einer Verwaltungsgemeinschaft war nie mehr als ein Formerfordernis. Ein
Antrag mit Zweidrittelmehrheit war nicht die Gewähr für das Verlassen einer Verwaltungsgemeinschaft. Nur der Gesetzgeber ist ermächtigt, aus Gründen des öffentlichen Wohls Neugliederungen und Änderungen einer VG-zugehörigen Gemeinde zuzustimmen. Es muss doch auch Gemeinden, die den Neugliederungswunsch haben, die wechselwillig sind, die Möglichkeit eingeräumt werden, dies zu dürfen.
Selbstverständlich werden die Belange der verbleibenden Gemeinden berücksichtigt, dafür hat der Gesetzgeber Sorge zu tragen und das tut er auch. Deswegen wurde auch noch mal die Anhörung dieser Gemeinden ins Gesetz aufgenommen. Aber es ist doch geradezu absurd, die Möglichkeit zum Verlassen einer VG per Gesetz zu unterbinden. Wo ist denn da die kommunale Selbstverwaltung?
Richtig, und es kann doch nicht sein, dass auf der einen Seite eine Zwangsfusion abgelehnt wird und man auf der anderen Seite eine Zwangsverwaltung in einer bestehenden Verwaltungsgemeinschaft aufrechterhalten will. Das geht nicht.