Protocol of the Session on March 21, 2018

Ich muss dennoch widersprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht macht dieser Exkurs einfach deutlich, worüber wir hier reden und was Sprache tatsächlich ausmacht. Sprache prägt Bewusstsein, das ist uns hier auch sehr deutlich geworden. Sprache ist eben nicht egal. Wenn es dann so oft, beispielsweise bei Geschäftsordnungen oder Gesetzen, heißt, dass aus Praktikabilitätsgründen ausschließlich die männliche Form verwendet wird, macht man es sich eben zu einfach. Ich sage es ganz deutlich: Ich fühle mich dann nicht per se mitgemeint. Ich glaube, es geht sehr vielen Frauen so.

Sprache ist aber auch verräterisch. Warum sage ich das? Weil ich dem Redebeitrag von Frau Herold natürlich sehr genau zugehört habe.

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Donnerwet- ter!)

Frau Herold hat von „Vergewaltigung von Kultur“ gesprochen, wenn es um geschlechtergerechte Sprache geht. Ich weiß nicht, ob Ihnen von der AfD bewusst ist, was der Begriff „Vergewaltigung“ eigentlich bedeutet. Vergewaltigung ist eine Straftat, Vergewaltigung ist ein Eingriff in die Integrität von Menschen, der niemals hinzunehmen ist. – Jetzt haben Sie endlich mal einen Versprecher gefunden und freuen sich Ihres Lebens. So ist das Niveau bei Ihnen in der AfD. Es tut mir leid, Sie sind ja frei von Fehlern.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen alle, dass der Begriff „Integrität“ gemeint war.

Wenn Frau Herold dann auch noch hier vorn behauptet, Frauen würden nicht dort arbeiten, wo es besonders schmutzig oder dreckig sei, dann weiß ich nicht, wo sich ihre Lebensrealität abspielt. Wer sind denn die überwiegenden Reinigungskräfte – ich sage es mal so deutlich –, wer sind denn diejenigen, die im wahrsten Sinne des Wortes die Drecksarbeit erledigen? Es sind überwiegend Frauen, werte Frau Herold.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ganz genau!)

Vielleicht nicht Sie, das mag sein. Aber es sind Frauen, die sehr schwer, auch körperlich sehr schwer arbeiten, die sich durch den Dreck kämpfen,

(Unruhe AfD)

die in der Altenpflege beispielsweise Menschen heben müssen, die oftmals sehr viel schwerer zu heben sind als beispielsweise ein Sack Zement, den ein Maurer hebt. Deswegen hinkt der Vergleich an

(Abg. Stange)

dieser Stelle und zeigt, dass es Ihnen ganz offenkundig nur um das Ideologische geht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann auch noch ein Letztes: Frau Herold, wenn Sie sagen, das Bild von der Frau als Opfer sei ein Schwindel, weiß ich nicht, wie Sie den Frauen gegenübertreten wollen, die regelmäßig Opfer von Gewalt – überwiegend übrigens von Männergewalt – werden.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Von welchen Männern vor allem?)

Ja, von welchen Männern? Schauen Sie es sich doch mal genau an. Wir nennen es im Deutschen so verniedlichend „Familiendrama“, wenn ein deutscher Mann seine deutsche Frau und seine deutschen Kinder umbringt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie haben ei- ne sehr selektive Wahrnehmung!)

Wir finden aber ganz andere Begriffe dafür, wenn es Menschen aus anderen Kulturkreisen sind. Warum nennen wir es nicht immer einfach „Mord“, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ein Mann eine Frau tötet oder umgekehrt?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist kein Unterschied, es wird eine Frau, es wird eine Familie getötet. Da spielt der Hintergrund überhaupt keine Rolle, sondern es ist eine abscheuliche Tat, die es immer – und zwar immer – selbstverständlich abzuweisen gilt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Blenden Sie es ruhig weiter aus, damit Sie in Ruhe leben können!)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Blenden Sie es ruhig weiter aus, damit Sie in Frieden le- ben können mit Ihren ganzen Widersprü- chen!)

Mit meinen ganzen Widersprüchen leben? Ja, die Redezeit ist wahrscheinlich wirklich zu schade, um darauf genauer einzugehen. Blenden Sie die Lebensrealität nicht auch aus?

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das machen Sie aber!)

Schauen Sie sich an, welche Frauen beispielsweise in unseren Frauenhäusern Zuflucht suchen und vor wem Sie geflohen sind. Es sind leider überwiegend ihre Partner, die ganz oft, und zwar überwiegend, auch von hier stammen. Aber wie gesagt, der ethnische Hintergrund sagt nichts darüber aus, dass eine Tat verabscheuungswürdig ist. Das ist sie immer und sie muss verfolgt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer dann mal leichtfertig von „Vergewaltigung von Kultur“ spricht, der verniedlicht Vergewaltigung und hat offenkundig überhaupt nicht verstanden, worum es hier eigentlich geht.

Sprache ist lebendig und ständig in Bewegung und auch in Veränderung. Das gefällt ewig Gestrigen natürlich naturgemäß niemals. Wir sprechen eben heute auch nicht mehr wie Hildegard von Bingen im Mittelalter, übrigens auch nicht wie Martin Luther und Katharina von Bora zu Beginn der Neuzeit. Selbst die Gespräche des Geheimrats Goethe mit seiner Frau Christiane Vulpius wären uns heute vermutlich fremd, auch wenn es heute übrigens einen sehr lesenswerten Beitrag in der „Thüringischen Landeszeitung“ über Goethe und sein Agieren im Umgang mit sexualisierter Gewalt am Theater gibt. Den kann ich nur zum Nachzulesen empfehlen.

Dies wissen wir eigentlich auch alle und darum ist mir unverständlich, warum Teile unserer Gesellschaft, hier maßgeblich vertreten durch die AfD, sich so vehement gegen eine Veränderung von Sprache, die Frauen sichtbar macht, wehrt. Ich sage bewusst „Teile der Gesellschaft“, denn es gibt sehr wohl Bereiche, in denen die geschlechtergerechte Sprache bereits selbstverständlich ist. Ich denke hier zum Beispiel an die Landeskirche und an die Mehrheit der Schulen.

Nun hat der Bundesgerichtshof – ich will mich darum nicht herumdrücken – in einem Urteil aus diesem Monat die Auffassung vertreten, es gebe keinen Anspruch auf weibliche Personenbezeichnungen in Vordrucken und Formularen. Meine Kollegin Frau Stange ist schon darauf eingegangen. Zur Begründung zieht er sich auf das sogenannte generische Maskulinum zurück, welches angeblich nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun hat und welches Frauen mitmeinen soll. Übersetzt kann man also sagen, der Bundesgerichtshof kommt zu der etwas dünnen Meinung: Das war halt schon immer so.

Es gibt tatsächlich das Argument, diese Form des Maskulinums sei seit Jahrhunderten gewachsen. Dem ist aber gar nicht so. Lange existierte gar keine feminine Form, die von einer männlichen abgeleitet werden konnte. Bis dahin wurden meist wirklich nur Männer angesprochen, etwa bei Wahlen. Wir können erst seit 100 Jahren über das Frauenwahlrecht sprechen. Als dann auch Frauen wählen durften, hieß es, ab jetzt sind mit „Wähler“ auch sie mitgemeint. Insofern ist diese vermeintliche Tradition erst entstanden, als Frauen mehr Rechte erhielten. Nicht das generische Maskulinum ist Jahrhunderte alt, sondern das Patriarchat. Daraus folgt, dass die Bezeichnungen für Männer einfach identisch sind mit Bezeichnungen für Menschen. Ein großer Teil unserer Gesellschaft hat jedoch verstanden, dass Männern nicht der Anspruch zu

kommt, das Allgemeine zu repräsentieren. Leider gibt es jedoch auch Menschen, die diese Erkenntnisse überhaupt nicht hören wollen und die sie auch gar nicht verstehen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Die Grünen vor allen Dingen!)

Zu dieser Gruppe gehört offenbar die AfD-Fraktion, die mit ihrem absurden Antrag völlig aus der Zeit gefallen ist und der für eine diskriminierungsfreie Sprache schlicht die Übung fehlt.

Sprache ist – wie ich schon eingangs ausführte – immer in Bewegung. Vielleicht werden sich die Menschen in 100 Jahren über die Anwendung der Fälle wie Genitiv, Dativ oder Akkustativ wundern und über Artikel vor den Substantiven.

Der Freistaat Thüringen bringt jedenfalls mit der Anwendung geschlechtergerechter Sprache zeitgemäße Bewegung in die Sprache und nimmt den Auftrag aus Artikel 2 Abs. 2 der Thüringer Verfassung zur Gleichstellung von Frauen und Männern ernst. Den Gesetzentwurf der AfD lehnen wir selbstverständlich auch heute ab. Ich habe Ihnen das letzte Mal schon viele Handreichungen aus Verwaltungen und aus öffentlichen Institutionen zitiert, die gute Wege für geschlechtergerechte Sprache gefunden haben. Ich möchte auch noch einmal die Universität Leipzig benennen, die sich schon 2013 für die grundsätzliche Anwendung des generischen Femininum ausgesprochen hat. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Weitere Wortmeldungen sehe ich jetzt nicht, vonseiten der Regierung auch nicht, sodass ich die Aussprache schließe.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD in der Drucksache 6/4916 in zweiter Beratung. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Damit ist dieser Gesetzentwurf mit Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den neuen Tagesordnungspunkt 5

a) Gesetz über die Regulierungskammer des Freistaats Thüringen

Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/4816 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Naturschutz - Drucksache 6/5440

ZWEITE BERATUNG

Das Wort hat zunächst Frau Abgeordnete Skibbe zur Berichterstattung aus dem Ausschuss.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen über die Regulierungskammer des Freistaats Thüringen wurde durch Beschluss des Landtags in seiner 103. Sitzung am 13. Dezember 2017 an den Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz – federführend – und an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen.

Der federführende Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz hat den Gesetzentwurf in seiner 37. Sitzung am 17. Januar 2018, in seiner 38. Sitzung am 14. Februar 2018 und in seiner 39. Sitzung am 14. März 2018 beraten und eine schriftliche Anhörung durchgeführt. Diese Anhörung wurde in der 39. Sitzung ausgewertet, also in der vergangenen Woche.

Der Gesetzentwurf wurde mit vier Änderungen einstimmig angenommen. Ich möchte nur auf die erste eingehen, denn die ist wohl die grundlegende. Hier wurde sich von der Mindestzahl der Mitglieder der Regulierungskammer verabschiedet. Diese Änderung findet sich in § 3 Abs. 1 Satz 1 wieder. Die anderen Änderungen finden wir in § 5 und in § 9 und es wurde ein § 10 angefügt.

Die Beschlussempfehlung lautet, dass mit den vorliegenden Änderungen der Gesetzentwurf angenommen wird. Das ist übrigens in der 39. Sitzung einstimmig und in der Sitzung des mitberatenden Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz am 16. März ebenfalls ohne Gegenstimme erfolgt. Ich danke für die Aufmerksamkeit.