Ich eröffne die Beratung und erteile dem Abgeordneten Kobelt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir debattieren nunmehr im Landtag und in den Ausschüssen seit 2015 das Thema „Wolf und dessen Ausbreitung“. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn die AfD zu dem Thema in den Fachausschüssen so aktiv gewesen wäre, wie sie hier im Plenum Anträge schreibt, und an konkreten Lösungssituationen mitgearbeitet hätte. Aber da ist leider in dem Bereich in den Ausschüssen nicht viel zu hören. Deswegen beschäftigen wir uns wieder mit einem Antrag, der in dem Titel und natürlich auch in den Inhalten darauf setzt, Angst zu schüren, für Verwirrung zu sorgen und nicht für die konkreten Probleme Lösungen aufzuzeigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sprechen heute über ein Lebewesen, eine streng geschützte Art, den Wolf. Der Antrag der AfD liest sich allerdings so wie ein zu Papier gebrachtes Hornblasen zum Abschuss des Wolfes. Sie reden über An
passung, über Einschränken des Schutzstatus des Wolfs, über Maßnahmen von Abschüssen, über Schutzjagden, über Vergrämung. Wir als Grüne dagegen wollen den Wolf als geschützte Art in Thüringen erhalten und wollen, dass Maßnahmen ergriffen werden, um das Zusammenleben zwischen Wolf und Mensch zu verbessern. Sie wissen doch auch ganz genau, sehr geehrte Damen und Herren, dass das Jagen des Wolfs durch das Bundesnaturschutzgesetz, durch die FFH-Richtlinien, durch die EU-Artenschutzverordnung und das Washingtoner Artenschutzabkommen nicht gestattet ist. Trotzdem wollen Sie immer wieder und sagen es hier: Der Wolf soll abgeschossen werden. Man kann ja in Thüringen im Grunde auch nur von einer Wölfin sprechen. Aber Sie wiederholen es immer wieder: Der Wolf soll nicht als geschützte Art erhalten bleiben, sondern in seinem Lebensraum eingeschränkt und abgeschossen werden. Da haben wir als Grüne eine gänzlich andere Auffassung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag suggeriert auch, und es ist natürlich auch eine wichtige Frage: Müssen wir uns als Menschen vor dem Wolf fürchten? Das stellt der Antrag der AfD letztendlich in den Mittelpunkt. Sie sprechen von wachsender Sorge, gravierenden Akzeptanzproblemen bei den Bürgern. Dazu sage ich ganz eindeutig: Wir müssen es nicht. Ich denke, wir brauchen den Wolf, Wölfe erfüllen als großer Beutegreifer eine wichtige Funktion im Ökosystem. Beute und Beutegreifer haben sich abhängig voneinander in der Evolution entwickelt. Durch die Ausrottung des Wolfs entstand eine Lücke, die eingespielte Wechselbeziehungen innerhalb des Ökosystems beeinträchtigt hat. Nicht zu Unrecht wird der Wolf als Gesundheitspolizei des Waldes bezeichnet, da er auch häufig kranke und schwache Tiere frisst und somit den Bestand seiner Beutetiere gesund hält. Es ist vollkommen klar, wenn der Wolf wieder auftaucht, muss man natürlich erst mal damit umgehen lernen und dort zum Beispiel nicht, wie es in Einzelfällen in anderen Bundesländern wie in Niedersachsen passiert ist, den Wolf anfüttern. Der Wolf ist ein scheues Tier und hat überhaupt kein Interesse daran, dem Menschen nahezukommen. Nur wenn er angefüttert wird, dann getraut er sich überhaupt in die Nähe von Siedlungen. Dort ist es in Niedersachsen dann – mit bestehendem Naturschutzgesetz übrigens – dazu gekommen, als das vermehrt aufgetreten ist, dass dann auch ein Wolf im Einzelfall mal entnommen wird. Aber dazu brauchen wir kein Jagdgesetz, dafür ist das Naturschutzgesetz vollkommen ausreichend. Ich bin mir sicher, dass wir auch mit einem besseren Verständnis für die Lebensweisen des Wolfs eine bessere Anpassung, eine friedliche Koexistenz hinbekommen.
Allerdings sind als Grundlage für die Akzeptanz des Wolfs eine gute Zusammenarbeit von Politik und Verwaltung mit den Schäfern und den Weidetierhal
tern und deren Unterstützung notwendig. Zum Schutz der Wildtiere stellen die noch einmal verbesserten Maßnahmen des Umweltministeriums die richtigen Schritte dar. Dies sind mittlerweile: Ausweisung des Wolfschutzgebiets als Förderkulisse für die Nutztierhalter, Finanzierung eines besseren Herdenschutzes mit immer weitgehenderen Maßnahmen – zum Beispiel flexible Zäune, aber auch schon Herdenschutzhunden –, ein umfassendes Wolfsmonitoring und natürlich auch – wenn es in Einzelfällen mal zu einem Riss kommt, das ist ja gar nicht ausgeschlossen, wenn zum Beispiel die Zäune noch nicht fachgerecht aufgebaut worden sind oder sich da auch Lücken bilden – eine unbürokratische und schnelle Hilfe. In allen Fällen, wo das in Thüringen aufgekommen ist, ist das durch das Umweltministerium erfolgt und das ist auch bei den Schäferinnen und Schäfern gut angekommen. Denn wir brauchen unsere Tierhalter und ganz besonders unsere Schäfer. Die Schaf- und Ziegenhaltung gehört zu den naturnahen und umweltverträglichsten Formen moderner Nutztierhaltung. Die Erhaltung naturschutzfachlich bedeutender Offenlandflächen und damit eines Teils der biologischen Vielfalt ist von der Haltung von Schafen und Ziegen abhängig; das wollen wir als Grüne natürlich auch verstärken.
Dagegen spricht, dass die Wirtschaftlichkeit gerade dieser wichtigen Tierhaltungsform der Schaf- und Ziegenhaltung am unteren Limit aller landwirtschaftlichen Betriebszweige ist. Dieser grundsätzliche Missstand ist das Ergebnis einer verfehlten Agrarpolitik der letzten Jahre, welche die besonderen Leistungen der Schaf- und Ziegenhaltung nicht ausreichend honoriert hat. Die eigentlichen Probleme sind die geringe wirtschaftliche Attraktivität des Schäferberufs und fehlende landwirtschaftliche Flächen. Dem kann nur zum einen mit einer verbesserten Vermarktung entgegengewirkt werden, aber auch mit veränderten Förderbedingungen.
Ich bin sehr stolz darauf, dass wir es zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen von SPD, Linken und Grünen im Haushalt geschafft haben, ein neues Förderprogramm aufzulegen. Das Förderprogramm wird vom Umweltministerium ab Anfang 2019 ausgezahlt, die sogenannte SchaZie-Prämie, also Schaf- und Ziegenförderung. Das ist ein unbürokratischer Weg, mit dem die Schäferinnen und Schäfer Mittel beantragen können und dies gefördert wird. Bei Demonstrationen in Berlin haben die Schäferinnen und Schäfer genau so etwas von der Bundesregierung gefordert. Ich bin recht stolz darauf, dass wir aus dem kleinen Thüringen zusammen mit dem Umweltministerium vorbildlich diese Prämie im Haushalt unterstützt haben.
Zum anderen gibt es zusätzliche Förderungen. Gestern konnten Sie es in der Zeitung lesen: Frau Keller hat mit dem Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft die Förderung für
schwer zugängliche Weideflächen erhöht. Da sage ich auch noch mal ganz deutlich: Danke an die Landwirtschafts- und Forstministerin, auch wenn Sie jetzt gerade nicht da sind. Das ist natürlich auch ein wichtiger Schritt, um die Schäferinnen und Schäfer sowie die Ziegenhalter zu unterstützen.
Diese konkreten Maßnahmen, die wir sowohl im Haushalt unterstützt haben, als auch die Ministerien umsetzen, werden den Schäfern und den Ziegenhaltern konkrete Hilfe bieten – und dies schneller, unbürokratischer als Ihre populistische Angstmache, die Sie hier mit diesem Antrag verbreiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen Realismus um den Wolf und seine Rückkehr nach Mitteleuropa in die Diskussion einbringen. Wir wollen die Akzeptanzprobleme nicht herbeireden, sondern auflösen – das passiert bereits –, wir wollen den Wolf als bedrohte Tierart erhalten und gleichzeitig mehr für die Schäfer im Freistaat tun. Die Maßnahmen in Ihrem Antrag stellen dagegen den Schutzstatus der bedrohten Art Wolf infrage. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. Ich freue mich auf die Kolleginnen und Kollegen, die so hoffentlich auch argumentieren. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich weiß nicht, was es soll. Es ist verschenkte Lebenszeit. Wir reden seit Monaten im Ausschuss über den Wolf, über die Wölfin in Ohrdruf, über die Hybriden. Wir kriegen im Ausschuss alles erklärt, jedes Mal. Wir können da alle Fragen stellen und können das miterleben, ob wir die Hybriden nun fangen oder nicht. Wir haben sie noch nicht gefangen – das ist schlimm genug. Aber, dass Sie hier einen Antrag stellen, den Wolf in das Jagdrecht zu überführen, ist doch so ein – Entschuldigung –, das ist nicht gerade im Sinne dessen, was wir hier diskutieren, will ich mal vorsichtig sagen.
Zweitens wissen Sie auch – das hat die Öffentlichkeit, glaube ich, wahrgenommen –, dass im Kabinett gerade ein neues Jagdgesetz in Arbeit ist. Die Anhörungen laufen, dann kommt der zweite Kabinettsdurchlauf, dann kommt das Jagdgesetz in den Landtag, dann gibt es eine Anhörung im Landtag dazu und dann hätten Sie einen Antrag zu dem Jagdgesetz stellen können. Ich halte das für rechts
widrig, aber ist egal. Aber dann hätten Sie den Antrag stellen können und alles wäre harmonisch in einem Verlauf. Wir hätten Sie weggestimmt, das ist ja klar.
Aber hier einen Antrag zu stellen, eine Wölfin, die wir im Moment in Thüringen festgestellt haben, ins Jagdrecht aufzunehmen, das halte ich eigentlich für überflüssig und für nicht gerecht. Das muss ich Ihnen so sagen. Sie hatten schon ein bisschen intelligentere Anträge als diesen. Es fällt einem wirklich schwer, dazu überhaupt etwas zu sagen. Ich weiß nicht, alles das, was Sie hier aufgeschrieben haben, manches geht nicht, aber das, was geht, wird wirklich behandelt. Wir hatten es im Umweltausschuss. Herr Rudy, da müssen Sie mal in den Umweltausschuss kommen, müssen sich von Herrn Kießling abwechseln lassen. Oder Sie können auch dazukommen, wir sind Demokraten, da kriegen fast alle das Rederecht im Umweltausschuss, da sind wir auch immer ganz fair miteinander. Das ist so. Da können Sie Ihre Fragen stellen.
Es ist doch wirklich so, dass wir in jeder Sitzung in den letzten Wochen und Monaten den Wolf auf der Tagesordnung hatten, weil es ein Problem gab, weil die Ziegen- und Schafzüchterinnen und -züchter Probleme hatten. Das ist vollkommen richtig, das nehmen wir doch auch alles ernst. Wir haben doch auch Geld eingestellt, Herr Kobelt ist schon darauf eingegangen. Aber jetzt so zu tun, als ob wir mit dem Wolf im Jagdrecht alles von uns geben und dann alles in dieser Welt geklärt ist, ich weiß nicht. Ich habe extra Zahlen und Statistiken wegen Tötungsdelikten und so, aber das will ich in fortgeschrittener Zeit jetzt nicht mehr vorführen. Ich halte diesen Antrag für vollkommen überflüssig. Wir werden dem nicht zustimmen.
Werter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucherinnen und Besucher, vielleicht auch am Livestream, zum Thema „Wolf“ – eigentlich wollte ich mit der AfD anfangen. Aber dass wir jetzt auch noch eine zusätzliche Passage zu dem Märchen „Rotkäppchen und der Wolf“ durch Herrn Kobelt gekriegt haben, macht den Antrag jetzt wirklich nicht besser.
Werte Kolleginnen und Kollegen, es ist schon ungeheuerlich, wie dreist die selbst ernannte Alternative hier jetzt eins zu eins unseren Antrag als neu verkauft. Der Antrag ist eine unverschämte Kopie un
seres Antrags vom November 2017, der in erster Lesung im Plenum selbst, in mehreren Sitzungen im Umweltausschuss sowie im Agrarausschuss beraten wurde. Es scheint, als habe die AfD an keiner dieser Sitzungen teilgenommen.
Das gehört nicht zum Inhalt der Berichterstattung. Wenn ich weiß, wie aktiv das Mitglied der AfD im Ausschuss ist, dann ist es egal, ob er teilnimmt oder nicht. Das ist dann das Ergebnis, dass so ein Antrag herauskommt, der von uns abgeschrieben wird.
Stattdessen besitzen Sie die Frechheit, die Arbeit anderer als Ihre zu verkaufen. Sie geben sich ja noch nicht einmal Mühe, von unserem Antrag unterscheidbar zu sein. Teilweise wort-, aber immer inhaltsgleich wird gefordert, das Wolfsmonitoring so zu intensivieren, dass unverzüglich valide Bestandszahlen für den Wolfsbestand ermittelt, praxistaugliche Regelungen im Wolfsmanagement getroffen werden, der Wolfsmanagementplan evaluiert und fortgeschrieben wird sowie eine Wolfsverordnung erarbeitet wird, die analog zur Kormoranverordnung Ausnahmen von den Schutzvorschriften für den Wolf im Hinblick auf Maßnahmen zur Vergrämung, zum Fang und zur Entnahme von Wölfen mit problematischem Verhalten regelt. Hierfür soll, ebenfalls korrespondierend mit unserer Forderung, das Instrument der sogenannten Schutzjagd etabliert werden.
Werte Kollegen der AfD, glauben Sie denn, die Menschen beeindrucken zu können, wenn Sie einfach wiederholen, was hier seit Monaten vorliegt und beraten wird? Ich kann Ihnen sagen, was das ist. Das ist Trittbrettfahrerei!
Werte Kollegen, im Umweltausschuss steht demnächst eine große Anhörung zu den Forderungen unseres Antrags an. Vielleicht kann einer Ihrer Trittbrettfahrer auf diesen Zug mit aufspringen und die nötige Zeit erübrigen, um dort mal zuzuhören. Oder schicken Sie wenigstens einen Referenten hin, falls der nicht mit Kopieren von fremden Anträgen beschäftigt ist.
Werte Kolleginnen und Kollegen, der einzige Unterschied zu unserem Antrag ist die Forderung, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Bislang ist das lediglich in Sachsen mit ganzjähriger Schonzeit entsprechend geregelt. Wir sehen diese isolierte Forderung und Übereinstimmung mit dem Landesjagdverband derzeit skeptisch. Zunächst muss bundeseinheitlich geklärt werden, wie künftig mit dem Wolf umzugehen ist. Der Koalitionsvertrag regelt dazu –
ich zitiere –: „Wir werden die EU-Kommission auffordern, den Schutzstatus des Wolfs abhängig von seinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu können. Unabhängig davon wird der Bund mit den Ländern einen geeigneten Kriterien- und Maßnahmenkatalog zur Entnahme von Wölfen entwickeln.“ Nun wäre es natürlich vermessen, zu sagen, CDU und SPD im Bund haben da auch von unserem Antrag im November abgeschrieben, aber genau das haben wir seinerzeit auch gefordert.
Werte Kolleginnen und Kollegen, die einzige, die sich aber um gar nichts schert – sorry –, ist unsere Umweltministerin. Anja Siegesmunds Plan, die lieben Wölfchen einzufangen und dann ins Ferienlager nach Worbis zu schicken, hat sich als Schnapsidee erwiesen.
Der Wolfsnachwuchs befindet sich nach wie vor in Freiheit und hat sich wohl längst in aller Ruhe auf die Suche nach einem neuen Revier begeben – Tatsache, Stand heute. Es ist ja auch nicht so, dass Frau Siegesmund Monate gebraucht hätte, die nötigen Genehmigungen für Fang oder Abschuss zu erwirken. Das ging ja auch superschnell, oder? So ist es aber eben, wenn über oberen und obersten Behörden noch der NABU als höchstes Entscheidungsgremium sitzt. Aber dieses Versagen will ich jetzt gar nicht weiter thematisieren, das weiß unsere Umweltministerin selbst am besten.
Was mich aber schockiert, ist diese grüne Schizophrenie beim Umgang mit den Schäfern. Da stellt sich das Umweltministerium doch tatsächlich hin und erklärt sich zum Retter der Schäferei in Thüringen. Da bekommt das Wort „Schäferstündchen“ eine ganz neue Bedeutung.
„Schäferei retten – Weidetierprämien jetzt“ ist der Slogan des Ministeriums, das mit seiner Wolfspolitik erst dazu beigetragen hat, dass sich die wirtschaftlich schwierigen Bedingungen in der Schafhalterei bis hin zur Existenzbedrohung verschlechtert haben. Die Wiederkehr des Wolfs ist ein riesiger Feldversuch auf Kosten unserer Schafhalter, die es ohnehin schon schwer haben, wirtschaftlich zu arbeiten.
Nur mal so: Für die Einfangaktionen hat das Umweltministerium inzwischen über 100.000 Euro ausgegeben. Die Schäfer haben bisher nur 14.500 Euro an Ausgleichszahlungen erhalten. Da verbietet es doch schon der Anstand, sich als Retter der Weidetierhaltung hinzustellen.
auch für die AfD, die kann das dann wieder als eigenen Antrag einbringen –: Der Wolf passt nicht zu der für die Thüringer Kulturlandschaft so wichtigen Weidetierhaltung. Die Existenz des Wolfs muss sich nach unserer Kulturlandschaft und dem Sicherheitsgefühl der ländlichen Bevölkerung richten