Im schriftlichen Anhörungsverfahren wurden außerdem unter anderem der Deutsche Tierschutzbund und das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein angehört. Die Zuschriften sind unter der Vorlagennummer 6/3547 zusammengefasst. Der Gesetzentwurf war außerdem Gegenstand einer Onlinediskussion gemäß § 96 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags. Die Auswertung ist unter der Vorlage 6/2909 auffindbar.
In der Anhörung zeigte sich, dass es einen breiten Konsens gegen die Rasseliste gibt. Deshalb brachten sowohl die Fraktion der CDU unter der Vorlagennummer 6/3032 als auch die Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen unter der Vorlagennummer 6/3337 Änderungsanträge zum Gesetzentwurf der Landesregierung in den Ausschuss ein, die die Abschaffung der Rasseliste vorsahen. Zu diesen Änderungsanträgen führte der Ausschuss ein ergänzendes schriftliches Anhörungsverfahren durch. Es wurden neun Zuschriften eingereicht, unter anderem vom Deutschen Tierschutzbund – Landesverband Thüringen, der Stadt Gera und dem Gemeinde- und Städtebund. Diese Zuschriften sind ebenfalls unter der Vorlagennummer 6/3547 auffindbar. Die Anzuhörenden äußerten sich grundsätzlich positiv zu der Abschaffung der Rasseliste und den damit einhergehenden Änderungen. Eine Ausnahme bildete der Gemeinde- und Städtebund. Deshalb beschloss der Innenund Kommunalausschuss in seiner 51. Sitzung am 18. Januar 2018 mehrheitlich, dem Landtag zu empfehlen, den Gesetzentwurf der Landesregierung mit den Änderungen, die aus dem Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen erfolgen, anzunehmen. Die Beschlussempfehlung hat die Drucksachennummer 6/5131.
Mit diesen Änderungen wird die Rasseliste in § 3 durch Bestimmungen, die die Gefährlichkeit eines Hundes von seinem Verhalten, nicht aber von seiner Rasse herleiten, ersetzt. Die Gefährlichkeit wird nach Durchführung eines Wesenstests festgestellt. Nach frühestens neun Monaten kann der Halter erneut einen Wesenstest durchführen lassen, um die festgestellte Gefährlichkeit zu widerlegen. Außerdem wird in § 5 – Sachkundenachweis – die Möglichkeit für die zuständigen Behörden eingeführt, einen Sachkundenachweis anzuordnen, wenn tatsächlich Anhaltspunkte bestehen, dass die Art der Haltung geeignet ist, eine Gefährlichkeit des Hundes zu fördern. Mit diesen Änderungen werden der präventive Ansatz des Gesetzes ausgebaut und die Gefährlichkeit eines Hundes nicht mehr vom Kriterium der Rasse abhängig gemacht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte allen Beteiligten, besonders den Anzuhörenden, für ihre konstruktive Arbeit an diesem Gesetzentwurf danken und empfehle die Annahme – das muss ich nachher in der Rede sagen – des Gesetzentwurfs.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste, wir befassen uns heute in zweiter Lesung mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren. Auch wenn Herr Adams hier bereits sehr tiefgründig und sehr intensiv als Berichterstatter den Werdegang des Gesetzes im Innenausschuss skizziert hat,
will ich gleichwohl den Fokus noch einmal insgesamt auf den Ablauf richten und will Ihnen auch begründen, warum.
Im März 2017 legte die rot-rot-grüne Landesregierung unter Federführung des inzwischen entlassenen Innenministers Dr. Poppenhäger dessen Gesetzentwurf dem Landtag vor. Entgegen den früheren Forderungen aus dem Kreis der Linksfraktion hielt der Gesetzentwurf an der sogenannten Rasseliste fest, obwohl Rot-Rot-Grün in ihrem Koalitionsvertrag die Prüfung der Abschaffung der Rasseliste auf der Agenda hatte. Die wesentliche Neuerung des Gesetzentwurfs bestand lediglich darin, dass dem Halter eines in der Rasseliste aufgeführten Kampfhundes die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, die gesetzliche Feststellung über die Gefährlichkeit des Hundes auf der Grundlage eines Wesenstests widerlegen zu können. Es wunderte einen nicht, dass der Gesetzentwurf im August 2017 in einer ganztägigen mündlichen Anhörung fast ausnahmslos auf Kritik stieß und quasi unisono abgelehnt wurde.
Es dürfte inzwischen hinreichend bekannt sein, dass meine Fraktion bereits bei der Verabschiedung der Rasseliste 2011 – wie es Herr Adams geschildert hat – Vorbehalte gegen diese Regelung hatte, sich aber letztlich dem Willen, dem Wunsch des damaligen Koalitionspartners SPD fügte.
Ungeachtet dessen war die mündliche Anhörung aus meiner Sicht insgesamt wirklich sachlich und konstruktiv geführt. Der deutliche Beleg dafür, dass die Rasseliste sowohl aus Sicht der Halter als auch
der Behörden keine Zukunft haben kann bzw. geeignetes Instrument dafür darstellt. Daher hat meine Fraktion nach intensiver interner Beratung mit Datum vom 20. September 2017 in Vorlage 6/3032 einen Änderungsantrag vorgelegt, welcher dem Modell von Schleswig-Holstein folgt und die Rasseliste streicht. Der Grund dafür ist zusammengefasst darin zu sehen, dass die bestehenden Regelungen uneffektiv und ungerecht sind und überdies bestimmte Rassen unter Generalverdacht stellen.
Ich möchte hier nur eine Stellungnahme aus der Anhörung zitieren, die klar macht, dass die Rasseliste nicht das richtige Mittel ist. Herr Dierbach als berufene sachkundige Person des TLVwA sagte in seiner Zuschrift zur Anhörung – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis: „Denn es gibt keine ‚gefährlichen Hunderassen‘, es gibt aber ‚gefährliche Hundeindividuen und Halter‘. Der Begriff ‚gefährlicher Hund‘ ist unabhängig von Rassezugehörigkeit zu benennen. Aktuelle Statistiken auch in Thüringen sowie vergleichende Untersuchungen unter definierten Umweltbedingungen wie zum Entstehen sozialer Beziehungen an über 20 Hunderassen (darunter auch American Staffordshire Terrier, der Bullterrier u.a.) entbehren der Daten für eine generell höher anzusetzende Gefährlichkeit der Haltung einer bestimmten Rasse. Hund und Mensch bilden stets ein ‚Beziehungsgespann‘. Jede Hundezucht wie Hundeentwicklung, jedes Hundeverhalten wird vom Menschen entscheidend beeinflusst, der überwiegend ursächlich verantwortlich ist für eine gestörte Beziehung zum Tier und eventuelle spätere negative Folgeerscheinungen. Es sind die Züchter […] und Besitzer bzw. das gesamte soziale Umfeld, das Hunde gefährlich werden lässt.“
Dementsprechend sollte künftig nicht mehr eine Rasse, sondern das individuelle Verhalten eines Hundes entscheidend dafür sein, ob ein Tier als gefährlich eingestuft wird. Ein Hund sollte erst dann als gefährlich eingestuft werden, wenn er auffällig oder gefährlich geworden ist, etwa durch Beißattacken. Im Ergebnis wurde eine grundlegende Neuregelung angestrebt – weg von Pauschalurteilen, hin zur Bewertung des tatsächlichen Verhaltens von Hund und Halter.
Nun ist es in der Politik keine Seltenheit, dass gute Ideen vom politischen Gegner übernommen werden, meine Damen und Herren.
Deshalb begrüßen wir es vom Grundsatz auch, dass die Linksfraktion – Frau Berninger erfreut sich schon dran – unseren Änderungsantrag aufgegriffen hat und dies am 6. Dezember 2017 überwiegend inhaltsgleich übernommen und als eigenen Antrag eingereicht hat.
(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das haben wir nicht! Sie können ja nicht mal richtig lesen!)
Trotz der inhaltlichen Identität beider Anträge, insbesondere der Abschaffung der Rasseliste, der Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes aufgrund seines individuellen Verhaltens sowie der Einführung eines Sachkundenachweises für Halter von gefährlichen Tieren, bestehen gleichwohl noch Unterschiede, die meine Fraktion als nicht zielführend erachtet. Exemplarisch möchte ich hier nur die neun Monate als viel zu kurze Zeit für den frühesten Zeitpunkt der Widerlegung der Gefährlichkeit eines Hundes nennen. Hier erachten wir unsere deutlich längere Frist von zwei Jahren als zielführend.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Ergebnis werden wir uns daher zu dem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses vom 18.01.2018 enthalten, begrüßen aber noch einmal ausdrücklich, dass Rot-Rot-Grün unserem Vorschlag gefolgt ist und die Rasseliste nunmehr abschaffen will. Vielen Dank.
Ja, Herr Emde, bis zur nächsten Beißattacke. Kein Mensch will – und das braucht man dann auch hier niemandem unterstellen –, dass ein Hund beißt. Dagegen haben wir uns alle positioniert. Nur ist die Frage, ob ein Hund beißt, meistens abhängig von der Haltung des Hundes; das heißt, es ist das Problem am anderen Ende der Leine und es ist unabhängig von Rassen. Das sollten Sie eigentlich mittlerweile wissen.
Herr Thamm, ganz herzlichen Dank auch für Ihre Einführungen. Ja, in der letzten Legislatur hat meine Fraktion mehrheitlich eine andere Position eingenommen. Ich gehörte zu denen, die sich seinerzeit in der SPD-Fraktion in der Minderheit befunden haben und sich in der Fraktion gegen die Rasseliste ausgesprochen haben. Ich stand da eher auf der Seite von Herrn Fiedler und anderen. Aber das ist nun mal so, dass man dann Mehrheiten akzeptieren muss. Umso mehr freue ich mich natürlich, dass in unserem Koalitionsvertrag der Regierungskoalition Rot-Rot-Grün festgehalten worden ist, dass es um die Abschaffung der Rasseliste geht, dass dieses Gesetz evaluiert und geändert werden
soll. Ich bin allen sehr dankbar, die dazu beigetragen haben, dass es jetzt zu dieser Vorlage kommt.
Ich bedanke mich auch bei allen, die sich in der Anhörung oder in den zwei Anhörungen sehr intensiv mit beteiligt haben. Ich muss sagen, das war eine sehr sachgerechte Diskussion und Auseinandersetzung. Es hat keiner mit dem Finger auf den jeweils anderen gezeigt und es wurden die Argumente ausgetauscht. Trotz alledem wurde mehrheitlich deutlich, dass die Anzuhörenden auch für das Streichen der Rasseliste gewesen sind. Insofern kommen wir heute dazu, dass wir einer Beschlussempfehlung jetzt folgen können und ein neues Gesetz, ein geändertes Gesetz verabschieden können. Es ist ja schon immer so, dass es den alten Spruch gibt: Kein Gesetz verlässt den Landtag so, wie es reingekommen ist. Demzufolge gibt es auch entsprechende Änderungen.
Wir haben jetzt die Rasseliste gestrichen. Das heißt also im Klartext, die sogenannte Rasseliste, nach der die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen per Gesetz vermutet wurde, wird gestrichen. Das betrifft auch die daraus resultierenden Folgen wie zum Beispiel die Pflicht zur Unfruchtbarmachung. Weiterhin bleibt die Möglichkeit, dass Hunde aufgrund ihres Verhaltens, zum Beispiel einer Beißattacke, von Amts wegen als gefährlich einzustufen sind, selbstverständlich erhalten. Zum Führen eines solchen gefährlichen Tiers unabhängig von der Rasse ist die Erbringung eines Sachkundenachweises durch den Halter obligatorisch. Und, was ich auch für ganz besonders wichtig halte und was auch ein Anliegen des Gemeinde- und Städtebundes in erster Linie gewesen ist, künftig können die Ordnungsbehörden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Hund in einer Weise gehalten wird, die geeignet ist, dessen Gefährlichkeit zu steigern, das Ablegen eines Sachkundenachweises anordnen. Außerdem kann die Ordnungsbehörde die Durchführung eines Wesenstests anordnen, wenn sie Anhaltspunkte dafür hat, dass der Hund aggressives Verhalten zeigt, aber noch niemand dadurch zu Schaden gekommen ist. Das heißt, die Behörden können entsprechend nach Hinweisen im Vorfeld handeln. Das ist für mich präventives Handeln. Ich glaube, damit sind wir mit unserem Gesetzentwurf dem Gemeinde- und Städtebund sehr entgegengekommen. Deswegen hat es mich schon verwundert, warum die Stellungnahme in der schriftlichen Anhörung, also in der zweiten Anhörung, sehr distanziert gewesen ist, aber nichtsdestotrotz.
Ich bin sehr dankbar, dass wir in einer langen Diskussion uns jetzt orientiert haben an dem, wie man tatsächlich handeln sollte, nämlich die Probleme als solche erkennen unabhängig davon, welcher Rasse ein Hund angehört. Wenn ein Hund beißt, ist das
nicht in Ordnung. Dann muss gehandelt werden, das ist selbstverständlich. Die Kommunen haben die Möglichkeit, präventiv tätig zu werden, und die Rasseliste, die aus meiner Sicht überhaupt keinen Sinn gemacht hatte, ist mittlerweile nicht mehr Bestandteil des Gesetzes.
Ich darf mich noch mal abschließend bei allen ganz herzlich bedanken, im Übrigen auch bei meiner Fraktion, die nunmehr auch diese Position übernommen hat.
Vielen Dank, Frau Vorsitzende. Werte Abgeordnete, werte Gäste, ich bedanke mich bei Herrn Adams für seinen sachlichen Vortrag.
Über den vorliegenden Gesetzentwurf wurde bereits ausführlich im Innen- und Kommunalausschuss debattiert. Es folgte eine Vielzahl von Anhörungen und es wurden sogar zwei Änderungsanträge gestellt. Nichtsdestotrotz kann ich nicht behaupten, dass ich mit dem Ergebnis endgültig zufrieden wäre, da es neben einigen positiven Punkten immer noch viele Kritikpunkte gibt.
Positiv hervorheben möchte ich an dieser Stelle zunächst einmal ausdrücklich den Umstand, dass die breite Kritik aus der Bevölkerung an der Rasseliste erhört wurde. Als Hundebesitzer freue ich mich daher, dass mittlerweile parteiübergreifend Konsens hinsichtlich der Abschaffung dieser Liste besteht. Diese Rasseliste ist nämlich zuallererst einmal völlig ineffektiv, da der Großteil der registrierten Beißvorfälle in Thüringen nicht auf Hunde zurückzuführen ist, die auf dieser Liste stehen. Zudem existieren weder statistische Erhebungen noch wissenschaftliche Studien, die eine solche pauschale Sonderbehandlung und damit zugleich Vorverurteilung und letztlich Diskriminierung ganzer Hunderassen rechtfertigen könnten. Nach unserem Dafürhalten kann die Gefährlichkeit eines Hundes nämlich nicht einfach nach seiner Rasse bestimmt werden. Stattdessen muss man die Gefährlichkeit eines Hundes an seinem individuellen Verhalten festmachen. Wie sich ein Tier aber letzten Endes entwickelt und verhält, hängt wiederum von den jeweiligen Tierhaltern ab
und unter welchen Umständen man dieses Tier erzieht. Da die Bedeutung von unsachgemäßem Umgang für die Auslösung von Aggressivität bei Hunden bereits wissenschaftlich nachgewiesen ist, sollte stets gewährleistet sein, dass der Hundebesitzer auch über die notwendige Erfahrung und Sachkunde verfügt, um einen Hund artgerecht zu halten und zu erziehen. In dem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass die Haltung in zu engen Wohnungen wahrscheinlich nicht dazu führt, dass der Hund ordentlich erzogen ist. Aus diesem Grund ist es auch absolut begrüßenswert, dass eine Ausweitung der Regelungen zum Sachkundenachweis des Halters nun beabsichtigt ist, denn nur durch einen sachkundigen Halter kann gewährleistet werden, dass unerwünschtes Verhalten beim Hund frühzeitig erkannt und durch ein entsprechendes Training abgestellt wird.
Ferner ist ein sachkundiger Halter aufgrund seiner Erfahrung auch in der Lage, das Verhalten seines Tieres richtig zu deuten und bei eskalierenden Situationen präventiv einzugreifen. Somit wird offensichtlich, dass gerade hierdurch der Gesetzeszweck, nämlich die Vorbeugung und Abwehr von Gefahren, welche sich aus dem Halten und Führen von gefährlichen Tieren ergeben, am Besten verwirklicht wird.