Protocol of the Session on December 15, 2017

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe nun auf den Tagesordnungspunkt 25

Kein Verfallsdatum für die Rehabilitierung von politischer Verfolgung in der DDR Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/4818

Das Wort zur Begründung wünscht Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich wirklich sehr, dass es uns gelungen ist, heute diesen Antrag gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen hier im Thüringer

(Staatssekretär Götze)

Landtag zu beraten. Dieser Antrag ist überschrieben mit „Kein Verfallsdatum für die Rehabilitierung von politischer Verfolgung in der DDR“. Viele von Ihnen wissen es: Die Rehabilitierungsgesetze enden im Jahr 2019, 30 Jahre nach der friedlichen Revolution. Für uns ist es zum einen wichtig, dass diese Fristen eben nicht greifen, sondern dass wir eine Fristverlängerung zunächst einmal um zehn Jahre vornehmen, weil wir alle wissen, dass es Betroffenen oft schwerfällt, die Anträge zu stellen, dass sie lange dafür brauchen und dass ihre Anerkennung nicht an solchen Fristen scheitern darf. Und zum Zweiten ist uns sehr wohl bewusst, dass sich viele Betroffene, Opfer von staatlicher Verfolgung in der ehemaligen DDR auch heute in einer prekären Situation befinden. Auch für sie wollen wir die Zugänge zu Unterstützungssystemen verbessern, wollen wir die Zugänge erleichtern und insbesondere auch denen Gehör verleihen, die bislang noch nicht „in den Genuss einer Anerkennung“ gekommen sind, wie beispielsweise Menschen, die von Zersetzung bedroht waren, oder den verfolgten Schülern. Ich freue mich auf eine gute Debatte.

Ich glaube, heute ist auch ein guter Tag, weil nämlich der Bundesrat ein Ansinnen, eine Initiative mehrerer Ostbundesländer heute schon an einen Ausschuss überwiesen hat, wo es zunächst um die Fristen geht. Uns geht es auch um die soziale Situation. Noch einmal danke an die vier Fraktionen, dass wir diesen Antrag heute hier gemeinsam beraten und hoffentlich gemeinsam verabschieden können. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Damit eröffne ich die Beratung. Als Erste hat Frau Abgeordnete Mitteldorf das Wort für die Fraktion Die Linke.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie so oft haben wir gerade bei diesem Thema immer so ein bisschen das Pech, es ist sozusagen am Schluss, diesmal sogar in einer viertägigen Plenardebatte. In diesem Fall steht Weihnachten kurz vor der Tür. Alle sind müde.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ich nicht!)

Das freut mich. Nichtsdestotrotz bin ich sehr froh, dass wir dazu kommen, gerade an dem Tag, an dem – meine Kollegin Astrid Rothe-Beinlich hat es gerade genannt – der Bundesrat eine Initiative, die auch auf dem Freistaat Thüringen beruht, zur Entfristung der betreffenden Gesetze an den Ausschuss überwiesen hat, dass wir als Koalitionsfrak

tionen hier im Landtag gemeinsam mit der CDUFraktion dokumentieren können, dass wir hinter dieser Entscheidung stehen und dass wir uns darüber hinaus weitergehend auch für die sozialen Belange der betroffenen Menschen einsetzen wollen. Auch aufgrund der fortgeschrittenen Zeit will ich meine Ausführungen nicht allzu weit ausdehnen. Zum Glück, muss man sagen, es war leider nicht immer so, sind wir wirklich – da danke ich auch noch einmal ganz herzlich Astrid Rothe-Beinlich, die sich den Hut sozusagen aufgesetzt hat – dieses Mal den Antrag auch unter den Fraktionen zu einen. Zum Glück sind wir uns in diesem Bereich einig, sodass wir uns sozusagen nicht gegenseitig dieselben Argumente erzählen müssen.

Eine Sache, die mir ganz besonders wichtig ist, will ich noch einmal betonen, weil sie hier auch benannt worden ist. Es geht auch um ganz spezielle Opfergruppen, die in der Vergangenheit noch nicht die Aufmerksamkeit erfahren haben, die sie haben sollten bzw. – das ist im Fall der Zwangsausgesiedelten so – die ein doppeltes Unrecht erfahren haben, weil sie nämlich auch nach der Wende durch die jetzt bestehenden Gesetze und durch die Art und Weise, wie Ihnen auch Bescheide erstellt worden sind, noch einmal Unrecht erlebt haben, die noch immer sehr viele Fragen haben und wo das Problem ganz tatsächlich vorherrscht, dass noch nicht klar ist, auf welchen Grundlagen ihnen im Moment geholfen werden kann. Nur zur Erinnerung: Die Zwangsausgesiedelten haben auch nach der Wende, nachdem sie quasi rehabilitiert worden sind, als Opfer anerkannt worden sind und ihre Vermögensstände auch klären wollten, ganz oft das Problem gehabt, dass sie Null-Bescheide erteilt bekommen haben. Ihnen ist ausgerechnet worden: Ihnen steht – sozusagen rein rechtlich – finanzieller Art, was die Entschädigung für ihre Grundstücke, für ihre Häuser, für ihre Wirtschaft und auch für die landwirtschaftlichen Grundstücke angeht, nichts mehr zu, weil sich der Wert im Laufe der Zeit verringert hat. Deswegen müssten sie eigentlich sogar draufzahlen, deswegen machen wir Null-Bescheide. – Das ist ein Vorgang, der für mich immer noch undurchdringbar ist, wie das passieren kann. Dazu kommt, dass gerade die Zwangsausgesiedelten auch in diesem Zusammenhang in einen Entschädigungsfonds auf Bundesebene eingezahlt haben und immer noch einzahlen, wenn sie – auch das hat die Kollegin Astrid Rothe-Beinlich bereits benannt – erst viel später den Mut und auch die Kraft haben, ihre Ansprüche geltend zu machen. Schon aus diesem Grund, weil es auf die Frage, was eigentlich mit dem Geld aus diesem Entschädigungsfonds ist, das die Zwangsausgesiedelten dort eingezahlt haben, immer noch keine befriedigenden Antworten gibt, ist es umso wichtiger, dass die Gesetze entfristet bzw. – wie wir es hier in diesem Antrag formuliert haben – zumindest um die nächsten zehn Jahre verlängert werden. Denn wenn diese

(Abg. Rothe-Beinlich)

Gesetze einmal auslaufen, dann ist nicht nur, dass man mit Auslaufen des Gesetzes de facto staatenseitig mitteilt, so, ihr habt jetzt im Übrigen keine Ansprüche mehr auf irgendwas, und wenn ihr euch bis jetzt nicht gemeldet habt, dann ist das euer Pech. Ich glaube, da sind wir uns alle einig, das darf so nicht sein und das darf nicht passieren. Deswegen plädieren wir dafür, gemeinsam diese Gesetze zu verlängern bzw. eigentlich sogar ganz zu entfristen.

Deswegen gilt mein Dank in diesem Zusammenhang auch ganz besonders der Landesregierung, dass sie sich bereits auf den Weg gemacht hat – federführend im Sozialministerium –, diese Bundesratsinitiative einzubringen. Ich bin wirklich sehr dankbar dafür, dass wir in diesem Zusammenhang diese Einigkeit haben und dass wir gemeinsam den Weg gehen wollen, auch was die Frage der Zwangsausgesiedelten betrifft. Ich weiß, dass Bodo Ramelow und Babette Winter da auch sehr, sehr engen Kontakt zum Bund der Zwangsausgesiedelten haben – ich selbst treffe mich mit Frau Tröbs auch sehr regelmäßig – und dass wir da noch sehr viel zu tun haben und dass das aber auch eine Grundlage ist – und die Zwangsausgesiedelten sind nur ein Beispiel, das will ich betonen –, mit diesem Antrag, wie wir da an der Situation weiterarbeiten können. Deswegen werbe ich – auch wenn ich das hoffentlich nicht muss – um Zustimmung. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete Pelke für die SPD-Fraktion zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, die Rehabilitierung politischer Verfolgung darf kein Verfallsdatum haben. Es wäre ein fatales Zeichen, 30 Jahre nach der friedlichen Revolution die Hilfe für die Opfer der Diktatur zu beenden. Unrecht darf nicht verjähren. Ich bin sehr dankbar, dass sich die demokratischen Fraktionen hier zusammengefunden und einen gemeinsamen Antrag gestellt haben und dass wir diesen Antrag heute beraten.

Lassen Sie mich das eine oder andere noch mal aus der Begründung zitieren – meine Vorrednerin, Kollegin Mitteldorf, hat schon das eine oder andere angesprochen, aber ich denke, aus dieser gut untersetzten Begründung geht noch mal vieles hervor, worum es hier geht –: „Das geltende Bundesrecht bedarf […] der Änderung. Politisch Verfolgte der [...] SBZ [...] [und] der DDR haben auf Grundlage der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze die Möglichkeit, für erlittenes Unrecht rehabilitiert zu werden sowie

einen finanziellen Ausgleich bzw. eine Entschädigung zu erhalten. Entsprechend unterschiedlicher Repressionsmethoden wurden hierfür zu Beginn der 90er-Jahre vom Bundestag drei Gesetze erlassen.

Für Betroffene rechtsstaatswidriger Freiheitsentziehung: Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet […]. Für politisch bedingte Nachteile bei Ausbildung und Beruf: Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet […]. Für Zersetzungsopfer, Zwangsumgesiedelte und ähnliche: Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz […]. Die Antragstellung gemäß dieser drei Gesetze ist befristet auf den 31. Dezember 2019. Zweifelsohne gibt es jedoch auch noch über das Jahr 2019 hinaus die Notwendigkeit, Betroffenen die Rehabilitierung zu ermöglichen. Die Auseinandersetzung mit dem SED-Unrecht braucht [eben] Zeit. Für viele Betroffene ist erst der Eintritt ins Rentenalter Anlass, ihre nach den Rehabilitierungsgesetzen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Durch die Beratungstätigkeit bei den Landesbeauftragten ist bekannt, dass vor allem traumatisierte Menschen oft lange Zeit brauchen, um über ihre Unrechtserfahrung sprechen zu können. Deshalb“ – und das hat die Kollegin vorher auch schon gesagt, vielen Dank dafür – „müssen die in den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen enthaltenen Antragsfristen entweder entfristet oder verlängert werden.“

Auch ich würde mich eher für eine Entfristung aussprechen. Ich glaube, das wäre der Situation sehr angemessen, um Menschen wieder Recht zu gewähren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern bleibt mir jetzt eigentlich, was diesen Antrag angeht, nur noch mal, ein ganz herzliches Dankeschön zu sagen. Danke an die demokratischen Fraktionen in diesem Landtag, die den gemeinsamen Antrag eingebracht haben. Danke an all die Bundesländer wie Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Natürlich danke ich auch der Landesregierung, die dafür Sorge getragen hat, dass heute in der Bundesratssitzung die Entschließung des Bundesrats zur Entfristung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze vorliegt. Ich hoffe und wünsche, dass dieses entsprechend beschlossen wird, dass dieses entsprechend weitergeleitet wird, und ich hoffe und wünsche, dass auch der Bundestag entsprechend handelt. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Aspekt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Mitteldorf)

Wir alle haben die Möglichkeit, mit unseren gewählten Abgeordneten im Bundestag zu sprechen. Wir alle gemeinsam sollten ein Auge darauf haben, dass in den nächsten Monaten entsprechend gehandelt wird. Ich glaube, das sind wir alle denen schuldig, die Unrecht erlitten haben. Wiedergutmachen kann man es nicht, aber wir können eine gewisse Form von Gerechtigkeit und Begleitung ableisten. In diesem Sinne wünsche ich eine große Zustimmung für diesen Antrag und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächster erhält Abgeordneter Rudy für die AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Zuhörer, die Verlängerung der Antragsfrist für die Opfer politischer Verfolgung in der DDR und in der sowjetischen Besatzungszone ist ein Vorhaben, das die AfD-Fraktion vorbehaltlos unterstützt. Es bedarf keiner ausufernden Begründung dafür, warum dies notwendig und geboten ist. Das Leid der Verfolgten ist Anlass und Begründung genug. Die Schwierigkeiten, sich teilweise Jahrzehnte nach den Ereignissen erstmals wieder mit der Vergangenheit auseinandersetzen zu müssen, sind in vielen Fällen traumatisch. Wir hoffen sehr, dass die Landesregierung den Auftrag, auf eine Bundesratsinitiative hinzuwirken, wirklich mit allem Nachdruck verfolgen wird. Denn es gibt Anlass, auch zu diesem sensiblen Thema Kritik zu äußern. Im Bericht der Landesregierung zu ihren Aktivitäten auf dem Gebiet der Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen für den Zeitraum März 2016 bis Februar 2017 ist zu lesen, dass im Rahmen der Lehrerausbildung ein Tag der Gesellschaftswissenschaften mit dem Titel „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und den Tagungsinhalten „Lernen über Migration und Menschenrechte – Wie schützen Menschenrechte Flüchtlinge und Migranten“ stattfand. Was hat das mit der Aufarbeitung des SED-Unrechts zu tun? Ich sage es Ihnen: Nichts!

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Weil du keine Ahnung hast!)

Entsprechendes gilt– bitte, jetzt lass mich weiterreden – für die Symposien der Stiftung Ettersberg. Wenn man die vergleichende Betrachtung der Diktaturen in Spanien, Portugal und Griechenland und die dortige Gestaltung des erinnerungskulturellen Umgangs in den postdiktatorischen Gesellschaften noch unter die Aufgabe fassen kann, hat die Ratlosigkeit der etablierten Politik angesichts des Auftre

tens neuer politischer Gruppierungen und deren Ablehnung des Brüsseler Zentralismus rein gar nichts mehr mit der Aufarbeitung des SED-Unrechts zu tun.

(Beifall AfD)

Sie ist auch vom Stiftungszweck nicht mehr gedeckt. Die Landesregierung missbraucht die Opfer der SED für ihre Agenda.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt reicht es aber lang- sam! Wir haben anderes zu tun!)

Ich fordere Sie auf, zum eigentlichen Zweck der SED-Aufbereitung zurückzukehren. Nehmen Sie sich selbst beim Wort und erfüllen Sie Ihren eigenen Koalitionsvertrag. An uns wird der Einsatz für die Opfer des SED-Unrechts und der kommunistischen Diktatur nicht scheitern. Wir stimmen dem Antrag zu. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. Jetzt kommt Frau Abgeordnete RotheBeinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Kolleginnen Birgit Pelke und auch Katinka Mitteldorf haben hier ja schon einiges zu diesem Thema ausgeführt. Auch unser Dank gilt der Landesregierung, die sich heute im Bundesrat mit etlichen anderen ostdeutschen Bundesländern dafür starkgemacht hat, dass ein Antrag auf Entfristung zumindest erst mal in die Ausschüsse verwiesen wurde, was die Rehabilitierungsgesetze anbelangt.

In dem Antrag, den wir hier heute vorgelegt haben, steht eine Zahl, die 2029. Birgit Pelke hat es in ihren Ausführungen gesagt; sie wirbt eigentlich für eine gänzliche Entfristung. Das war auch unser ursprüngliches Anliegen. Mit diesem Anliegen bin ich auf alle Fraktionen im September zugegangen, als ich sie gefragt habe, ob sie an diesem Antrag mitwirken wollen. Die CDU hat dann die Zahl 2029 vorgeschlagen, und das durchaus mit einem guten Grund. Die strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetze im Bund sind immer in Zehnjahresscheiben quasi gedacht; sie enden 2019. Insofern ist das sicherlich ein erster richtiger Schritt, auf 2029 zu gehen. Deshalb haben wir uns auch auf diesen Kompromiss eingelassen. Ich glaube aber, unser aller Ziel sollte es sein, eine dauerhafte Entfristung zu erreichen, zumal wir alle wissen, dass die Anzahl der Betroffenen endlich ist, denn sie werden auch von Jahr zu Jahr – das ist ja naturgemäß so – schlichtweg älter.

(Abg. Pelke)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aufarbeitung ist eines der ganz zentralen Themen für uns als Koalitionsfraktionen. Es war und ist uns immer wieder ein Anliegen, in solch wichtigen Fragen auch die weitere demokratische Fraktion hier im Haus, nämlich die CDU, für dieses Anliegen zu gewinnen. Hier ist es gelungen, darüber bin ich froh.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will aber auch sagen, dass die Bundesratsinitiative, die es jetzt schon gibt, bislang nur einen Aspekt berücksichtigt, nämlich den Aspekt des Zeitpunkts, sprich der Entfristung der Rehabilitierungsgesetze, nicht aber einen anderen wichtigen Aspekt, den unser Antrag beinhaltet. Er hat nämlich zum Ziel, die soziale Lage ehemals politisch Verfolgter durch die Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze tatsächlich nachhaltig zu verbessern. Dazu fordern wir mit diesem Antrag unsere Landesregierung auf, im Bundesrat zusätzlich initiativ und aktiv zu werden, um eben auch bundesgesetzliche Änderungen vorzuschlagen, die den Zugang von bereits Rehabilitierten zu Unterstützungsleistungen verbessern, auch den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitern, die Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden erleichtern und letztlich auch die Frist für die Rehabilitierungsgesetze aufheben.

Die Frage ist ja: Weshalb sind eigentlich die bisher in den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen verankerten Leistungen nicht ausreichend? Die Antwort auf diese Frage erhält man, wenn man sich mit den Betroffenen unterhält. Sie berichten nämlich immer wieder Folgendes, und das übereinstimmend: Sie haben oftmals ein verringertes Einkommen aus Arbeit und Rente aufgrund ihrer Verfolgungssituation. Sie leiden unter gesundheitlichen Verfolgungsschäden, insbesondere auch unter dauerhaften psychischen Schäden. Sie haben oftmals auch heute noch geringere Chancen auf gesellschaftliche Integration und Teilhabe.

Viele Menschen, die sich in der ehemaligen DDR für gesellschaftliche Veränderungen eingesetzt haben, die Widerstand geleistet haben, die Unrecht erleben mussten, leben heute oftmals an der Armutsgefährdungsgrenze. Sie erlitten damals politische Verfolgung. Heute sind viele von ihnen arm und krank.

Gestatten Sie mir, dass ich zu diesem Thema die Aufarbeitungsbeauftragte aus Brandenburg, Maria Nooke, zitiere, denn auch in Brandenburg fand eine Diskussion um diesen Antrag statt. Der Antrag wurde von uns Grünen nämlich in allen ostdeutschen Bundesländern angeregt. Brandenburg, SachsenAnhalt, Berlin haben ihn übrigens bereits beschlossen. Maria Nooke hat in der Debatte in Brandenburg gesagt – ich zitiere –: „Es ist eine widersprüchliche Botschaft, wenn einerseits an Gedenktagen regelmäßig an diejenigen erinnert wird, die sich mu

tig für demokratische Veränderungen eingesetzt haben, manche gar ihr Leben riskierten, es andererseits aber an Verständnis und ausreichender Unterstützung fehlt, um ihnen ein würdiges Leben im Hier und Jetzt und im Alter zu ermöglichen. Wie wollen wir junge Menschen zu Zivilcourage ermutigen und befähigen, wenn sie gleichzeitig erleben müssen, dass Opfer von Gewaltregimen lebenslang an den Folgen schwer zu tragen haben und nur unzureichende Hilfe erhalten.“ Deswegen hat dieser Antrag beide Seiten, auf der einen Seite die Frage der Entfristung, auf der anderen Seite tatsächlich auch die Verbesserung der sozialen Situation.