Mit dem BTHG wird das Ziel verfolgt, auch im Hinblick auf die UN-BRK eine zeitgemäße Gestaltung der deutschen Eingliederungshilfe zu erreichen. Der Bundesgesetzgeber hat den Ländern als überörtlichen Trägern der Eingliederungshilfe die Möglichkeit verschiedener Handlungsoptionen hinsichtlich der Umsetzung des BTHG eingeräumt, die in Ausführungsgesetzen bzw. Rechtsverordnungen der Länder auszugestalten sind. Das Gesetz tritt in mehreren Reformstufen in Kraft. Erste Regelungen sind bereits zum 30. Dezember 2016 und 1. Januar 2017 in Kraft getreten. Die übrigen Vorschriften tre
ten zum 1. Januar 2018, zum 1. Januar 2020 und zum 1. Januar 2023 in Kraft. Insofern sind auch die Umsetzungstermine vorgegeben. Nachfolgend gebe ich Ihnen einen Überblick über wesentliche sich für die Länder ergebende Aufgaben und deren aktuellen Umsetzungsstand in Thüringen.
Punkt a): Nach § 94 SGB IX bestimmen die Länder die für die Durchführung zuständigen Träger der Eingliederungshilfe. Dies erfolgt im Rahmen eines Thüringer Ausführungsgesetzes zum SGB XII. Der Gesetzentwurf wurde erarbeitet, im August fand die erste Kabinettsbefassung statt, die zweite steht bevor. Das Gesetz soll vorbehaltlich des Beschlusses durch den Landtag rückwirkend zum 01.01.2018 in Kraft treten.
Nach § 118 SGB IX sind durch die Länder einheitliche Instrumente zur Ermittlung des individuellen Bedarfs der Leistungsberechtigten festzulegen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Instrument zur Bedarfsermittlung zu bestimmen. Die Umsetzung ist schnellstmöglich erforderlich, um eine einheitliche Leistungsgewährung für Menschen mit Behinderungen in Thüringen nach Inkrafttreten einer Leistung des BTHG zum 01.01.2020 sicherzustellen. Aus diesem Grunde wurde die Rechtsverordnung bereits erarbeitet, die Ressortabstimmung ist abgeschlossen, die Anhörung durchgeführt und die vorliegenden Stellungnahmen werden derzeit ausgewertet. Die Rechtsverordnung soll ebenfalls zum 01.01.2018 in Kraft treten.
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass dies nur möglich war, weil Thüringen das einzige Bundesland ist, das bereits ein einheitliches individuelles Bedarfsermittlungsverfahren, die sogenannte ITP, die Integrierte Teilhabeplanung, eingeführt hat. Diese wurde gemeinsam mit den Kommunen als Leistungsträger und den Leistungserbringern erarbeitet und mit Beginn einer Modellphase nunmehr bereits in 16 von 23 Kommunen erfolgreich eingeführt. In fünf weiteren Kommunen beginnt derzeit der Einführungsprozess. Eine Reihe von Bundesländern hat diesbezüglich übrigens um Unterstützung durch Thüringen gebeten, die wir natürlich gern gegeben haben und weiter geben werden.
Nach § 131 SGB IX haben die Träger der Eingliederungshilfe auf Landesebene mit den Vereinigungen der Leistungserbringer gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge zu den schriftlichen Vereinbarungen nach § 125 SGB IX abzuschließen. Der Abschluss eines Rahmenvertrags im Sinne des BTHG bedeutet eine völlige Abkehr von den bisher in Thüringen zwischen Land und LIGA vereinbarten Leistungstypen und Rahmenbedingungen. Zudem sind nunmehr auch die Kommunen Vereinbarungspartner und erstmalig schreibt der Gesetzgeber die Mitwirkung maßgeblicher Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen fest. Der Landesrah
menvertrag ist erforderlich, um die vertragsrechtlichen Grundlagen des BTHG, die zum 01.01.2020 in Kraft treten, umzusetzen. Die Verhandlungen werden insofern schnellstmöglich beginnen. Nur mal als Verweis: Der vorherige Landesrahmenvertrag wurde durch die divergierenden Interessen und die enormen finanziellen Auswirken immerhin fünf Jahre verhandelt. So viel Zeit haben wir nicht. Bei Scheitern der Verhandlungen sieht allerdings das BTHG die Option der Rechtsverordnung vor. Zur Vorbereitung der Verhandlungen wurde eine AG der Leistungsträger gebildet, die gegenwärtig die inhaltlichen Grundlagen und Abstimmungen in Vorbereitung der offiziellen Verhandlungen mit den Leistungserbringern erarbeitet.
Nach § 32 SGB IX ist zur Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen eine durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte, von Leistungsträgern und Leistungserbringern unabhängige ergänzende Beratung als niedrigschwelliges Angebot in den Ländern – ab dem 01.01.2018 – zu etablieren. Durch diese Förderung soll insbesondere Menschen mit Behinderungen im Vorfeld der Leistungsbeantragung eine von Leistungsträgern und Leistungserbringern unabhängige Orientierungs-, Planungs- und Entscheidungshilfe gegeben werden. Die geförderten Beratungsangebote treten dabei ergänzend zu dem gesetzlichen Anspruch auf Beratung durch die Rehabilitationsträger und anderen bereits bestehenden Beratungsstrukturen in Kraft.
Die Förderrichtlinie zur Durchführung der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung für Menschen mit Behinderungen ist am 1. Mai 2017 in Kraft getreten. Für Thüringen stehen voraussichtlich Mittel in Höhe von circa 1,56 Millionen Euro zur Verfügung. Am 13. September 2017 erfolgte in einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Beauftragten für Menschen mit Behinderungen und den kommunalen Behindertenbeauftragten ein Austausch zu den Antragstellungen auf Förderung unabhängiger Beratungsangebote.
Bis zum 16. Oktober 2017 hatten die Länder die ihnen vom Bund zugesandten Anträge zu bewerten und gegenüber dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Stellungnahme zu den Förderanträgen abzugeben. Die Priorisierung der Anträge erfolgte nach verschiedenen Kriterien, wie beispielsweise der Berücksichtigung des Peer-to-PeerAnsatzes, der Schließung von Lücken in der Beratungslandschaft, der Berücksichtigung verschiedener Teilhabebeeinträchtigungen sowie der Unabhängigkeit und Pluralität der Zuwendungsempfänger. Aus diesem Grunde wurde durch das Land eine Checkliste entwickelt. Sie ist zur Unterstützung bei der Sichtung und Systematisierung eingehender Anträge sowie bei der qualifizierten Stellungnahme gedacht.
Diese Checkliste enthält insgesamt 27 Kriterien, welche sich zum Teil direkt aus den Förderrichtlinien ableiten, zum Teil aus dem Leitfaden zur Förderrichtlinie ergeben oder die im Rahmen der Fachgespräche mit dem BMAS thematisiert wurden. Darüber hinaus werden kontinuierlich Anfragen seitens potenzieller Antragsteller der LIGA sowie des Landesbehindertenbeirats beantwortet. Wir haben auch eine entsprechende Liste von häufig gestellten Fragen und entsprechenden Antworten erstellt.
Zum Zeithorizont: Nach Abgabe der Stellungnahme des Landes erfolgte eine vertiefte Prüfung; bis zum 15. Dezember 2017 wird eine Bescheidung durch die Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung beim BMAS erfolgen. Die Laufzeit der ersten Bewilligung beträgt maximal 36 Monate, wobei nach erfolgreicher Evaluierung eine Verlängerung auf maximal 60 Monate angestrebt wird. Eine zweite Förderperiode mit einem Antragszeitraum bis 30. November 2017 und Förderbeginn ab 01.04.2018 wurde am 18.10.2017 eröffnet.
Ein weiterer Bereich, der auch von Frau Stange angesprochen wurde – lange gefordert, nunmehr im Gesetz in § 61 SGB IX verankert –, ist das Budget für Arbeit. Danach können Menschen mit Behinderung, die Anspruch auf Leistung in einer anerkannten Werkstatt haben und denen von einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einer tarifvertraglichen oder ortsüblichen Entlohnung angeboten wird, mit Abschluss dieses Arbeitsvertrags Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – ein Budget für Arbeit also – erhalten. Das Budget für Arbeit umfasst einen Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber zum Ausgleich für die Leistungsminderung des Beschäftigten und die Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz. Der Lohnkostenzuschuss beträgt bis zu 75 Prozent des vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts, höchstens jedoch 40 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV.
Dauer und Umfang der Leistungen bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Durch Landesrecht kann von dem Prozentsatz der Bezugsgröße nach Satz 2 2. Halbsatz nach oben abgewichen werden. Gegenwärtig wird geprüft, ob in Thüringen durch Landesrecht von diesem Prozentsatz nach oben abgewichen werden soll. Eine aktuelle Länderabfrage zu dieser Problematik hat ergeben, dass ein großer Teil der Länder vorerst von der Verordnungsermächtigung keinen Gebrauch machen will. Einige Länder haben noch keine Entscheidung getroffen.
Die Deckelung des Zuschusses zum Arbeitsentgelt bis zu einer Höhe von 40 Prozent der monatlichen Bezugsgröße wirkt sich in Thüringen mit Blick auf den Mindestlohn nicht negativ aus. Ohne Zugrun
delegung des Mindestlohns von 8,84 Euro errechnet sich bei einer Vollzeitbeschäftigung ein monatlicher Bruttoverdienst von circa 1.414 Euro. 75 Prozent hiervon ergeben 1.061 Euro, das entspricht etwa 40 Prozent der monatlichen Bezugsgröße. Wir werden in einer weiteren Diskussion schauen, wie wir damit umgehen werden.
Die Kommunen entscheiden über die Ausrechnung des Budgets für Arbeit im eigenen Wirkungskreis, das heißt in eigener Zuständigkeit und damit nach eigenem Ermessen. Sofern von den Kommunen gewünscht, wird ihnen das Land selbstverständlich Erfahrungen, Hinweise und Empfehlungen des Bundes, bzw. der anderen Bundesländer und entsprechender gemeinsamer Landesgremien kommunizieren.
Eine weitere wichtige Aufgabe, die ich noch nennen möchte, ist die Umsetzung des § 46 SGB IX, der Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder vorsieht, durch eine Regelung und den Abschluss einer Landesrahmenvereinbarung zwischen den beteiligten Rehabilitationsträgern und den Verbänden der Leistungserbringer. Die neue Landesrahmenvereinbarung ist bis Juni 2019 zu erarbeiten. Sofern dies nicht gelingt, ist auch hier von der Option des Instruments der Rechtsverordnung Gebrauch zu machen. Gegenwärtig beraten die Rehabilitationsträger, also kommunale Spitzenverbände und Verbände der Krankenkassen in Thüringen, in ihren Zuständigkeitsbereichen die Aufnahme der weiteren Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung bzw. zur Erbringung und Vergütung der Komplexleistungen. Parallel dazu werden in den Reihen der Leistungserbringer – LIGA der Freien Wohlfahrtspflege, Träger der Frühförderstellen, Berufsverbände, Kinder- und Jugendärzte in Thüringen – mögliche Umsetzungskriterien erarbeitet, die als Diskussionsgrundlage in die Neuverhandlungen der Landesrahmenvereinbarung eingebracht werden sollen.
Die Arbeitsstelle „Frühförderung“ beim Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie ist in den vorgenannten Diskussionsprozess beratend eingebunden und koordiniert diesen bis zum Beginn der entscheidenden gemeinsamen Verhandlungsgespräche, die im Januar 2018 beginnen sollen. Neben diesen Fachaufgaben sind die Länder und Kommunen aktuell umfassend in die Durchführung der Modellvorhaben zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes einbezogen. Insbesondere sind hier die Umsetzungsbegleitung und Wirkungsuntersuchung, die modellhafte Fallbearbeitung, die Untersuchung der finanziellen Auswirkungen, die Untersuchung der Wirkung der Neuregelung des leistungsberechtigten Perso
nenkreises, die Evidenzbeobachtung der Länder, die Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation und die Beteiligung der Träger der Eingliederungshilfe als Reha-Träger an der Erstellung eines Teilhabeverfahrensberichts zu nennen.
Kommen wir zum nächsten Punkt, zum Stand der Erarbeitung eines novellierten Thüringer Gesetzes zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen: Nachdem das Gesetzesvorhaben in der letzten Legislaturperiode nicht realisiert werden konnte, haben sich die regierungstragenden Fraktionen des Thüringer Landtags in ihrer Koalitionsvereinbarung die Überarbeitung des ThürGIG erneut als eine wichtige Aufgabe für die 6. Legislaturperiode vorgenommen. Es wurden inhaltliche Schwerpunkte festgeschrieben: die Stärkung der Aufgabenbefugnisse des Thüringer Beauftragten für Menschen mit Behinderungen, die Unterstützung der Kommunen bei der Einrichtung von hauptamtlichen kommunalen Behindertenbeauftragten, die Einführung kommunaler Aktionspläne sowie die Förderung der Umsetzung von Maßnahmen aus vorhandenen kommunalen Aktionsplänen.
Im Januar 2016 wurde der erste Arbeitsentwurf für ein Thüringer Gesetz zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen fertiggestellt. In einem breit angelegten Partizipationsprozess wurde der Arbeitsentwurf am 3. März 2016 in der Sitzung des Landesbehindertenbeirats ausgeteilt und mit Schreiben vom 8. März 21016 an insgesamt 72 Vereine, Verbände und Institutionen der Menschen mit Behinderungen und der Träger der öffentlichen Verwaltung mit der Bitte um Stellungnahme versandt. Insgesamt wurde diese Gelegenheit von 16 Beteiligten genutzt, um Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Darüber hinaus – das habe ich schon angesprochen – wurde im Jahr 2017 das Deutsche Institut für Menschenrechte beauftragt, den Arbeitsentwurf des Gesetzes hinsichtlich seiner Konformität mit den Regelungen der UN-BRK zu überprüfen.
Nach Bewertung der Anregungen und Vorschläge sowohl der Vereine und Verbände der Menschen mit Behinderungen als auch des Instituts für Menschenrechte wurde ein Referentenentwurf erarbeitet. Dabei wurden unter anderem Anregungen, betreffend die Stärkung des Amts des Beauftragten, die Stärkung der kommunalen Beauftragten, die Regelung zur weiteren Förderung der Schaffung von Barrierefreiheit sowie die Regelung zur Stärkung der Selbsthilfevertreter im Landesbehindertenbeirat, mit aufgenommen.
Der Referentenentwurf befindet sich gegenwärtig in der Ressortabstimmung. Die hierbei aufgetretenen Fragen und Anregungen werden in den nächsten Wochen sorgfältig zu prüfen und zu diskutieren sein. Dabei ist es wichtig, mit Augenmaß einen
Ausgleich zwischen den verschiedenen Sichtweisen herzustellen, um zu einem guten und auch umsetzbaren Gesetz im Sinne der Menschen mit Behinderungen zu gelangen. Wann dieser Prozess abgeschlossen sein wird und wann der Gesetzentwurf dem Thüringer Landtag vorgelegt werden kann, lässt sich vor diesem Hintergrund noch nicht abschätzen. Ich will aber, Frau Meißner, noch einmal explizit sagen, dass das ThürGIG ein regelmäßiger Tagesordnungspunkt im Landesbehindertenbeirat ist, das heißt die Menschen mit Behinderungen werden regelmäßig informiert, sie haben teil an dem Prozess. Insofern kann man nicht sagen, dass sie davon ausgeschlossen würden. Im Landesbehindertenbeirat ist auch ein Vertreter Ihrer Fraktion, der Ihnen das sicherlich auch immer wieder mitteilt, und ich habe auch im außerparlamentarischen Plenum regelmäßig dazu Bericht erstattet.
Ich glaube, dass die Menschen mit Behinderungen auch sehr froh darüber gewesen sind, dass wir das Deutsche Institut für Menschenrechte noch einmal auf den Gesetzentwurf haben schauen lassen. Dadurch sind noch mal sehr wichtige Anregungen zu dem Gesetz aufgenommen worden. Ich glaube, es geht hier nicht um Schnelligkeit. Es geht um Gründlichkeit, es geht darum, die Anregungen der Menschen mit Behinderungen auch mit aufzunehmen. Dem stellen wir uns, auch wenn das manchmal länger dauert. So ist das mit der Demokratie und mit der Beteiligung. Das ist keine Sache von Tagen oder Wochen.
Die nächste Frage, die gestellt wurde, ist die nach dem Stand der Barrierefreiheit von Thüringer Landesimmobilien und -liegenschaften sowie von landesgeförderten kommunalen und privaten Immobilien bzw. Bauvorhaben. Die Überprüfung und Auswertung der Bestandsituation aller Landesliegenschaften ist ein zeitaufwendiger Prozess. Die Erhebung von Daten zur Barrierefreiheit von landesgeförderten kommunalen und privaten Immobilien bzw. Bauvorhaben der letzten zehn Jahre setzt zudem eine umfangreiche Abfrage bei den Zuwendungsempfängern voraus, sodass eine Berichterstattung zu diesem Teil der Frage nicht erfolgen kann. Gemäß dem aktuellen Referentenentwurf zur Novellierung des ThürGIG sollen aber die obersten Landesbehörden bis zum 30. Juni 2022 Berichte über den Stand der Barrierefreiheit der landeseigenen Gebäude erstellen. Die landeseigenen Liegenschaften werden im Zuge von Neu-, Um- und Erweiterungsbaumaßnahmen kontinuierlich barrierefrei im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention wieder hergerichtet. Bis zum Jahr 2012 erfolgte dies auf der Grundlage der DIN 18024 – Barrierefreies Bauen –, nach Einführung der DIN zu barrierefreiem Bauen als technische Baubestimmung im Juni 2012 auf der Grundlage der DIN 18040. Darüber hinaus werden über den Haushaltstitel Kapitel 18 25 Titel 77 113 im Einzelplan 18 des Landes
haushalts weitere Maßnahmen zum barrierefreien Ausbau von Landesliegenschaften ermöglicht. In den von THÜLIMA angemieteten Liegenschaften wurde bisher im Benehmen mit den nutzenden Dienststellen, soweit erforderlich, der barrierefreie Zugang der Dienststellen sichergestellt. Dies bezog sich weitgehend auf den Zugang für Personen im Rollstuhl bzw. mit Gehbehinderungen. Seit Juli 2017 wird in Verhandlungen mit den Vermietern – nach den Anforderungen der nutzenden Dienststelle im Rahmen der zu Verfügung stehenden Haushaltsmittel – versucht, die Liegenschaften barrierefrei nachzurüsten, zum Beispiel durch die Ausstattung des Eingangsbereichs mit Hinweisen in Blindenschrift. In künftige Markterkundungsverfahren wird die Barrierefreiheit als ein Anforderungskriterium für die Anmietung aufgenommen.
Zum fünften Punkt – Maßnahmen und Förderprogramme zur Herstellung von Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen bezüglich Mobilität, Zugang zu Informationen und Kommunikation in Thüringen –: Sie haben auf eine EU-Richtlinie verwiesen. Das Thema „Barrierefreiheit“ ist in den Förderrichtlinien des Thüringer Tourismus verankert. So werden im Rahmen der „Richtlinie des Freistaates Thüringen für die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ (GRW) “ ebenso wie im Rahmen der „Richtlinie zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Thüringer Tourismus“ Zuwendungen für bauliche Anlagen grundsätzlich nur gewährt, wenn die Belange von Menschen mit Behinderungen und von Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen sowie die Anforderungen an Barrierefreiheit beachtet wurden. Darüber hinaus sind bei baulichen Anlagen in Bezug auf die Anforderungen an die Barrierefreiheit grundsätzlich auch die Regelungen der Thüringer Bauordnung zu beachten. So wird unter § 50 Abs. 2 – Barrierefreies Bauen – geregelt, dass bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, barrierefrei sein müssen. Neben Einrichtungen des Kultur- und Bildungswesens, Sport- und Freizeitstätten werden insbesondere auch Gast- und Beherbergungsstätten benannt. Darüber hinaus hat die Landesregierung das Thüringer Gesetz für kommunale Investitionen zur Förderung der Bildung, Digitalisierung, Kultur, Umwelt sowie der sozialen Infrastruktur vom 14. Juni 2017 verabschiedet. Im Rahmen dieses Gesetzes stehen den kommunalen Trägern im Jahr 2017 zusätzlich 500.000 Euro und im Jahr 2018 weitere 500.000 Euro für Investitionen zur Förderung von Barrierefreiheit zur Verfügung.
Sehr geehrte Damen und Herren, im Teil II des Antrags der CDU-Fraktion wird die Landesregierung aufgefordert, „die schon längst angekündigte Novelle des Thüringer Gesetzes zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen dem Thüringer Landtag unverzüg
lich vorzulegen und dabei die Ergebnisse des Thüringer Inklusions-Monitors vom 1. Dezember 2016 einzubeziehen“. Folgende Punkte sollten im Gesetz Beachtung finden: die Stärkung des Amts des Thüringer Beauftragten für Menschen mit Behinderungen, die Stärkung der kommunalen Behindertenbeauftragten, die Festlegung weiterer Möglichkeiten der Unterstützung des barrierefreien Bauens in Thüringen.
Zum Bearbeitungsstand des ThürGIG habe ich bereits Stellung genommen und die weitere Verfahrensweise beschrieben. Die angesprochenen Punkte a), b) und c) sind alle im vom TMASGFF erarbeiteten Referentenentwurf enthalten. Ihr Antrag gibt mir die Gelegenheit, an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen, dass Ihre Gesetzesnovelle zum ThürGIG aus der letzten Legislatur weit weniger Leistungen zur gleichberechtigten Teilhabe für Menschen mit Behinderungen beinhaltete. Aber selbst diese Novelle wurde von den CDU-geführten Ressorts, in dem Fall von dem Finanzministerium, dem Innenministerium und dem Ministerium für Bau, Landwirtschaft und Verkehr, leider abgelehnt.
In diesem Kontext ist auch der Umgang mit Leistungen für Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen, insbesondere blinden Menschen, zu sehen. Der finanzielle Ausgleich für behinderungsbedingte Mehraufwendungen für blinde Menschen wurde in Thüringen im Jahr 1992 eingeführt. Damals betrug das Blindengeld 600 DM monatlich. Ende 2005 beschloss die damalige CDU-Landesregierung die Abschaffung des Blindengelds, mit der Folge, dass in den Jahren 2006 und 2007 blinde Menschen in Thüringen, anders als in allen anderen Bundesländern, den blindheitsbedingten Mehraufwand ohne staatliche Unterstützung tragen mussten. Zum 1. Januar 2008 wurde das Blindengeld – nicht zuletzt aufgrund des Engagements von Selbsthilfeorganisationen, -verbänden und Betroffenen – wieder eingeführt. Zum Zeitpunkt der Wiedereinführung belief es sich mit einem Betrag von 220 Euro auf rund die Hälfte des vor der Einstellung gezahlten Betrags; damit war Thüringen zu diesem Zeitpunkt das Bundesland mit dem niedrigsten Blindengeld bundesweit. Im Jahr 2010 wurde es um 50 Euro auf 270 Euro erhöht.
Erst die von den Linken, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen geführte Landesregierung konnte die Versäumnisse der Vergangenheit nachholen. Sie beschloss 2016 die längst fällige Erhöhung des Blindengelds in drei Stufen. Nach Inkrafttreten der dritten Stufe wird das Blindengeld ab dem 1. Juli 2018 400 Euro monatlich betragen und damit dem auf alle Bundesländer bezogenen Durchschnittsbetrag entsprechen. Darüber hinaus wurde gleichzeitig für taubblinde Menschen eine Zusatzleistung in Höhe von 100 Euro monatlich eingeführt.
Die Landesregierung sieht es als einen wichtigen Beitrag zur gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen mit einer schweren Sinnesbehinderung an, diesen Menschen einen finanziellen Ausgleich ihrer Mehraufwendungen zukommen zu lassen. Deshalb hat sie einen Gesetzentwurf erarbeitet, der auch – das wurde entsprechend hier eingebracht – die Einführung eines Nachteilsausgleichs in Höhe von 100 Euro für gehörlose Menschen vorsieht. Der Gesetzentwurf wurde gestern im Hohen Haus in erster Lesung behandelt und soll vorbehaltlich der Beschlussfassung durch das Parlament rückwirkend zum 1. Juli 2017 in Kraft treten.
An dieser Stelle, meine sehr geehrten Damen und Herren, lässt sich besonders deutlich machen, dass der Alternativantrag der AfD-Fraktion rückwärtsgewandt und im Sinne der aktuellen Entwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen weder sinnvoll noch zielführend ist. Die von der AfD angemahnten finanziellen monatlichen Beihilfen waren bereits eine Forderung der Länder im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Bundesteilhabegesetz. Insbesondere Thüringen hat dazu eine Bundesratsinitiative eingebracht. Nachdem aber das sogenannte Bundesteilhabegeld nicht durchsetzbar war, hat Thüringen auf Landesebene mit dem Sinnesbehindertengeld – wie bereits ausgeführt – reagiert.
Dass sich diese Landesregierung in besonderer Weise für Menschen mit Behinderungen einsetzt, spiegelt sich auch im Landesprogramm „Arbeit für Thüringen“ wider. Danach erhalten Unternehmen Lohnkostenzuschüsse, wenn sie „Menschen mit einem anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 50 oder ihnen Gleichgestellte in einer Teilzeitbeschäftigung unter 15 Stunden pro Woche einstellen bzw. beschäftigen“. Diese Menschen haben nach SGB IX keinen Anspruch auf Minderleistungsausgleich für Schwerbehinderte, da dieser nach § 185 Abs. 2 nur gezahlt werden kann, wenn der Arbeitnehmer mindestens 15 Wochenstunden tätig ist. Wir haben reagiert, und mit der Aufnahme in das Förderprogramm wurde unverzüglich auf Problemlagen und Härtefälle eingegangen, die sich für diese Menschen im Zusammenhang mit der oben genannten gesetzlichen Regelung ergeben haben.
Sehr geehrte Damen und Herren, der CDU-Antrag sieht weiter vor, „mit einer Änderung der Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums den Selbsthilfevertretern im Landesbehindertenbeirat schon jetzt mehr Mitsprache einzuräumen“. Auch diesbezüglich möchte ich noch einmal auf die Novellierung des ThürGIG und den bereits unter Punkt 1.3 erläuterten Bearbeitungsstand des Gesetzgebungsprozesses verweisen. Im Rahmen der Novellierung ist unter anderem eine Neugliederung der Besetzung des Landesbehindertenbeirats vorgesehen. Vor diesem Hintergrund wird eine Änderung der
Die CDU-Fraktion fordert zudem, „sicherzustellen, dass die ‚Richtlinie EU 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates (…) über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen‘ bis zum 23. September 2018 durch erforderliche Rechtsund Verwaltungsvorschriften in das Thüringer Landesrecht umgesetzt werden kann.“ Der barrierefreie Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen ist ein Thema der Arbeitsgruppe „Kommunikation und Information“ im Rahmen der Fortschreibung des Thüringer Maßnahmeplans zur Umsetzung der UNBRK. Die Arbeitsgruppe wird durch die Thüringer Staatskanzlei geleitet. Für unterstützende Dienstleistungen zur Sicherstellung und Prüfung barrierefreier Zugänge besteht ein Rahmen- und Kooperationsvertrag zwischen der TSK und der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig. Derzeit wird der Internetauftritt der Thüringer Landesregierung neu gestaltet. Der Entwurf wird barrierefrei gestaltet und entspricht den Anforderungen mobiler Endgeräte.
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich betonen, dass Politik für Menschen mit Behinderungen für die Thüringer Landesregierung einen hohen Stellenwert hat. Ich denke, das kann man anhand der erreichten Dinge gut feststellen. Inklusion bildet eine wichtige Querschnittsaufgabe aller Ressorts. Wenn man in den Haushaltsentwurf schaut, wird man sehen, dass wir uns auch da noch einiges vorgenommen haben. Ich bedanke mich vor allem bei meinen Ressortchefinnen und -chefs für die gute Zusammenarbeit in diesem Bereich und bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. Ich gehe davon aus, dass ich auf Antrag aller Fraktionen die Aussprache eröffnen kann. Ich eröffne gleichzeitig die Aussprache zu Nummer II des Antrags, zum Alternativantrag der Koalitionsfraktionen und zum Alternativantrag der AfD-Fraktion. Als Erste hat Frau Abgeordnete Pfefferlein, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Herzlichen Dank, Frau Ministerin, für den umfangreichen Bericht.