Es gab in unserem Land schon Banker, die angesichts von dreistelligen Millionenbeträgen, die sie versenkt haben, von „Peanuts“ gesprochen haben. Angesichts von 0,07 Prozent der Jahresbruttolohnsumme für Weiterbildung, für Zukunftsinvestitionen, sollte die CDU-Fraktion noch einmal innehalten und redlich eingestehen, dass das sicherlich keinen einzigen Betrieb in eine wirtschaftliche Schieflage bringen wird.
stellungsgesetz“ – wie immer wieder zu hören ist – die Fachkräfte entzogen werden würden. Nimmt man dieselbe Statistik und sieht sich an, was für ein Anteil an Jahreswochenarbeitszeit dort entfällt, stelle ich fest, dass bei sieben Mitarbeitern ein Anteil von 0,27 Prozent Jahreswochenarbeitszeit anfällt, bei 15 Mitarbeitern 0,12 Prozent Jahreswochenarbeitszeit, bei 30 Mitarbeitern 0,06 Prozent bei 60 Mitarbeitern genauso und bei 100 Mitarbeitern noch ein Anteil der Jahreswochenarbeitszeit des Unternehmens von 0,056 Prozent. Oder anders gesagt: In einem Unternehmen mit 15 Beschäftigten wären von 3.975 Arbeitstagen gerade einmal fünf Arbeitstage für Bildungsfreistellung vorgesehen.
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Er hat- te einen Fußballplaner im Wahlkampf, also Zurückhaltung!)
(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Deswe- gen haben Sie die Fußball-WM jetzt auf Weihnachten gelegt!)
Ich denke, es ist deutlich geworden, dass kein halbwegs vernünftig denkender Mensch anhand dieser Zahlen weiterhin sagen kann, durch den individuellen Rechtsanspruch auf Weiterbildung wäre die Wettbewerbsfähigkeit der Thüringer Unternehmen in Gefahr. Wir legen hier heute einen Gesetzesvorschlag vor, welcher ausgewogen, vernünftig und zeitgemäß ist. Indem wir uns bei der Auswahl der Betriebsgröße
am Betriebsverfassungsgesetz orientieren, greifen wir auf ein bewährtes Gesetz zurück. Kleinstunternehmen wie der Zeitungsladen an der Ecke, der inhabergeführte Getränkehandel oder die Gaststätte mit einem Koch, einer Kellnerin oder einem Kellner und dem Inhaber haben die Möglichkeit, den Betrieb auch in Hochzeiten natürlich weiterzuführen. Das hat uns nicht überall Beifall eingebracht, das muss man auch deutlich sagen. Wir legen Wert darauf, dass Auszubildende durch die Inanspruchnahme von jährlich drei Tagen, kumuliert über zwei Jahre sechs Tage, sich als ernst genommene
Viele junge Menschen hätten natürlich auch gern fünf Tage Bildungsfreistellung, aber wir haben uns zu diesem Kompromiss entschieden und wir tragen ihn mit. Wir haben
Danke schön, Herr Präsident. Herr Tischner, auch das haben Sie leider nicht ganz korrekt wiedergegeben. Wir haben in einem Unternehmen oder in einem Betrieb mit 5 bis 25 Mitarbeitern einen Gesamtanspruch für das Unternehmen von fünf Tagen. Wir halten das für machbar für Betriebe dieser Größe, wie eben ausgeführt, auf ein bis zwei Mitarbeiter im Jahr kurzzeitig für Weiterbildung zu verzichten. In Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeitern, so sagt uns eine Anfrage der Grünen im Bundestag von 2011, liegt die Inanspruchnahme zwischen 1 und 3 Prozent, bundesweit, über lange Jahre. Dort ist bis 50 Mitarbeiter, also für 25 bis 50 Mitarbeiter, eine Höchstgrenze von 10 Prozent der Mitarbeiter vorgesehen und ab 50 Mitarbeiter eine Höchstgrenze von 20 Prozent. Wir wollen ausdrücklich, Herr Wirtschaftsminister, dass die Betriebsparteien, Unternehmer und Betriebsrat, das Gesetz durch Betriebsvereinbarungen auf den Betrieb passend machen und auch darüber hinaus gehen. Letztlich wollen wir, dass im unbegrenzten Umfang betriebliche Weiterbildung angerechnet werden kann, wenn dies gänzlich, ohne das direkte oder indirekte Direktionsrecht des Arbeitgebers, durch die Mitarbeiter so gewollt ist. Grundlage ist und bleibt der individuelle Rechtsanspruch auf Bildungsfreistellung der Beschäftigten. Wir werden mit dem Bildungsfreistellungsgesetz den Thüringer Arbeitsmarkt modernisieren. Wir werden mit diesem Gesetz 92 Prozent der Beschäftigten in Thüringen ermöglichen, ihre Bildungsinteressen wahrzunehmen. Wir sind uns sicher, dass all diejenigen Arbeitgeber, welche in ihren Mitarbeitern und Mitarbeite
rinnen weniger Kosten- als vielmehr Erfolgsfaktoren sehen, sich schnell überzeugen lassen, dass dieses Bildungsfreistellungsgesetz auch zu ihrem Nutzen ist.
Lassen Sie mich schließen mit der Erklärung des Weltbildungsforums von Dakar aus dem Jahr 2000, ein Zitat: „Bildung ist ein menschliches Grundrecht. Sie ist ein Schlüssel zu nachhaltiger inner- und zwischenstaatlicher Entwicklung, Frieden und Stabilität und somit ein unverzichtbares Mittel zur erfolgreichen Beteiligung an den Gesellschaften und Ökonomien des 21. Jahrhunderts.“
Wir beantragen die Überweisung des Gesetzes an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft. Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wolf. Das Wort hat nun die Abgeordnete Marion Rosin für die SPDFraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verankerung eines Rechtsanspruchs auf Bildungsfreistellung ist seit mehr als zwei Jahrzehnten eines der zentralen bildungspolitischen Anliegen der Thüringer SPD. Bereits 1992 brachte meine Fraktion den Entwurf eines Bildungsfreistellungsgesetzes in den Landtag ein. Er wurde seinerzeit von der CDU-geführten Regierungsmehrheit mit dem Argument abgelehnt, die Thüringer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen dieses Gesetz nicht.
Das war quasi der Einstieg in einen bildungspolitischen Dauerkonflikt, dessen Lösung sich die Union seitdem beharrlich verweigert.
Egal, ob wir in einem Koalitionsvertrag mit der CDU die Schaffung eines Bildungsfreistellungsgesetzes vereinbart hatten, wie das 1994 und 2009 erneut der Fall war, oder ob wir in den Legislaturperioden zwischen unseren Regierungsbeteiligungen eigene Gesetzentwürfe vorlegten, die Antwort der Union lautete stets: In Thüringen brauchen wir so etwas
und malten Untergangsszenarien in den düstersten Farben für den Fall, dass unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Bildungsfreistellung bekämen. Bei dieser Fundamentalverweigerung von Teilen der Landespolitik und der Wirtschaftsvertreter wurde jedoch absichtlich übersehen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland bereits seit 1974 mit der Unterzeichnung des Übereinkommens über den zentralen Bildungsurlaub gegenüber der Internationalen Arbeitsorganisation, also einem UNO-Gremium, dazu verpflichtet hatte, die Gewährung von bezahltem Bildungsurlaub zu ermöglichen. Hier besteht also für Deutschland als Ganzes ein internationaler Vertrag mit einer entsprechenden Rechtspflicht, dem alle Bundesländer nachkommen müssen. Und genau das haben inzwischen 13 Bundesländer, BadenWürttemberg als letztes von ihnen vor wenigen Wochen, auch getan, und zwar ohne dass dort die Wirtschaft erkennbare Einbußen erlitten oder sich für die einheimischen Unternehmen Standortnachteile ergeben hätten. Die Verweigerungshaltung der Union und der Unternehmerlobby lässt sich also mit der juristischen und der ökonomischen Faktenlage überhaupt nicht in Deckung bringen.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin daher froh, dass wir bei der Realisierung eines Bildungsfreistellungsgesetzes nicht länger auf die Positionierung der CDU angewiesen sind.
Mit Linken und Bündnisgrünen haben wir nun Partner, denen die Bildungsfreistellung genauso am Herzen liegt wie uns Sozialdemokraten.
Es kommt daher nicht von ungefähr, dass die Einbringung eines Bildungsfreistellungsgesetzes in den Landtag in unserem Koalitionsvertrag als eines der prioritären bildungspolitischen Projekte festgehalten wurde. Mit der heute erfolgenden ersten Lesung des Koalitionsgesetzentwurfs zeigen wir, dass wir Wort halten und unsere Vereinbarung an dieser Stelle so rasch wie möglich in konkrete Politik umsetzen. Das, was die Landesregierung dem Parlament als Gesetzentwurf vorgelegt hat, kann sich aus Sicht meiner Fraktion sehen lassen. Es bewegt sich im Rahmen der bereits bestehenden Regelungen in den anderen Bundesländern und steht insbesondere auch in Kontinuität zu den bisherigen
Initiativen der Thüringer SPD zum Thema Bildungsfreistellung. Wie wir das von Anfang an gewollt haben, wird es einen Rechtsanspruch auf bezahlte Bildungsfreistellung für alle Thüringer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, also auch für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und die Landesbeamten, geben, und zwar grundsätzlich im Umfang von fünf Tagen im Jahr, in denen sie Bildungsveranstaltungen in Bereichen der gesellschaftspolitischen und arbeitsweltbezogenen Bildung sowie zur Qualifizierung für die Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten wahrnehmen können. Das geht naturgemäß über eine bloße Förderung der innerbetrieblichen Weiterbildung hinaus. Denn diese wird in Thüringen ohnehin schon angeboten und auch nachgefragt, wie Sie immer bestätigen. Was allerdings bislang fehlt und was die Beschäftigten im Freistaat nachweislich auch vermissen, sind Möglichkeiten, sich über den engen Bereich des eigenen Betriebs und des eigenen Arbeitseinsatzes hinaus zu qualifizieren, bei einer Weiterbildung größere Zusammenhänge der Berufs- und Arbeitswelt in den Blick zu nehmen, sich tiefgehendes Wissen über das Funktionieren und die Entwicklung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft anzueignen oder sich fit zu machen für eigenes ehrenamtliches Engagement zugunsten eben unserer Gesellschaft.