Protocol of the Session on September 21, 2012

Ich will noch mal versuchen, zum ÖPNV ein paar Dinge zu sagen: Natürlich ist der ÖPNV ein ganz wichtiger Punkt, wenn es darum geht, Klimaziele zu erreichen. Bei einem ganz normalen Bus - das haben wir uns von den Erfurter Verkehrsbetrieben und von der Fachhochschule mal ausrechnen lassen ist der Energieverbrauch, die kcal pro Personenkilometer 30-mal weniger als beim individuellen Autoverkehr.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Wenn er voll ist.)

Wenn er voll ist, natürlich. Deshalb soll doch auch die Zielstellung sein, Herr Heym, dass wir den ÖPNV voll bekommen. Das muss doch die Frage sein.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das funktio- niert nicht.)

Lassen Sie mich doch ausreden, dann können wir darüber diskutieren. Die kollektiven Verkehrssysteme haben große Vorteile, sind energieeffizienter einzusetzen, sie haben weniger CO2-Ausstoß und das sind doch Ansätze, an denen wir arbeiten müssen. Aber der ÖPNV hat ja nicht nur eine gute Auswirkung auf die Klimapolitik, auf die Abgase und den Energieverbrauch, sondern der ÖPNV hat auch ganz viel mit Nachhaltigkeit zu tun. Er hat ganz viel mit Umverteilung zu tun. Das, was wir hier haben in Thüringen, ist auch ein ganz großes Problem. Wenn man durch die Landschaft fährt, hat man in jedem Dorf irgendwelche Bürgerbewegungen, die irgendwelche Umgehungsstraßen gebaut haben wollen. Ich halte es unter den Gesichtspunkten des Klimawandels, der Nachhaltigkeit, zurückgehender Finanzen, des demographischen Wandels und vieler verschiedener Punkte auch nicht für sinnvoll, dass wir jetzt jedem Dorf eine Umgehungsstraße bauen und damit eigentlich nicht den Verkehr reduzieren, sondern eigentlich noch damit anleiten und Verkehr induzieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das ist ein grundsätzlich falscher Weg.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ein Erfurter erkennt das nicht.)

Herr Fiedler, ich kenne auch Menschen, die nicht in Erfurt wohnen, ich kenne Menschen, die auf kleinen 500-, 300-, 200-Seelendörfern wohnen. Das werden Sie mir vielleicht nicht zutrauen. Ja, aber auch ich kenne tumbe Dörper und auch ich kenne Menschen, die im abgehängten ländlichen Raum unterwegs sind. Sie werden es nicht glauben, ich versuche ab und zu sogar mit dem ÖPNV diese Menschen zu erreichen. Da ist es natürlich schon so, das können Sie ja gern mal machen, versuchen Sie mal Ihr Auto stehen zu lassen, versuchen Sie mit dem ÖPNV in kleine Dörfer zu kommen, Sie werden sehen, wie anstrengend das ist.

(Unruhe CDU)

Ich glaube, hier brauchen wir einen Paradigmenwechsel, auch eine Prioritätensetzung. Wir brauchen nicht viel mehr Geld für Straßenbau und Straßenunterhalt, wir brauchen viel mehr Geld für öffentliche Verkehrssysteme und da muss man auch sagen, die ganze Frage Umstellung Klimawandel, das ist nicht nur etwas, was von Freiwilligkeit geprägt sein kann. Wir alle wissen, dass der Klimawandel kommt, und wenn wir uns mit dem Klimawandel auseinandersetzen, dann heißt es immer, wir müssen verzichten, wir müssen auf Luxus verzichten, wir müssen auf Konsum verzichten, aber ich glaube, die Chancen einer nachhaltigen Gesellschaft liegen nicht so sehr im Verzicht, sondern liegen in einem Gewinn an Lebensqualität, beispielsweise auch an einem Gewinn von Möglichkeiten, an einem Gewinn von Stressfreiheit, von Zeitfreiheit und auch beispielsweise an Gesundheitszielen und Gesundheitsindikatoren. Beispielsweise gibt es in Mecklenburg-Vorpommern spannende Programme, wo man versucht, ältere Leute auf das Fahrradfahren umsteigen oder umsatteln zu lassen, damit sie die Distanzen im Rahmen von 1 bis 5 Kilometer überwinden können. Das Ergebnis dieser Modellprojekte ist, dass die alten Leute wesentlich fitter sind, dass sie weniger anfällig für Demenz und Alzheimer sind und dass sie auch wesentlich stärkere Integrations- und Teilhabemöglichkeiten haben. Ich glaube, das ist ein Punkt, den wir auch noch einmal betrachten müssen, wenn es um den ÖPNV geht, Frau Hitzing. Es steht im Thüringer ÖPNV-Gesetz ganz klar drin, gleich in den ersten Paragraphen, der öffentliche Personennahverkehr ist eine Leistung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Da geht es also nicht nur darum zu gewährleisten, dass der eine von A nach B kommt, sondern da geht es auch um soziale Aspekte des Miteinanders. Da geht es nicht nur darum, dass die Schüler früh in die Schule kommen, sondern da geht es auch darum, dass diejenigen, die vielleicht nicht mehr im Erwerbsleben sind, beispielsweise auch nach Nordhausen kommen in die Volkshochschule, um dort Angebote wahrnehmen zu können. In diesem Sinne glaube ich schon, dass es sinnvoll ist, den öffentlichen Personennahverkehr auszubauen. Es gibt ja auch nicht

nur Menschen, die sich zwei oder drei Autos leisten können oder müssen, sondern es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die kein Geld haben, sich Autos zu leisten und für die auch der öffentliche Personennahverkehr kein adäquates Angebot ist, weil sie die Möglichkeiten, ihn zu nutzen,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

einfach nicht aufbringen; sie haben dafür kein Geld. Der ÖPNV ist also ein Schlüssel zur Teilhabe, und ich glaube, unter diesem Aspekt sollte man auch die Strategien von Nachhaltigkeit betrachten.

Des Weiteren will ich vielleicht Ihnen noch einmal, weil, Sie hatten das ja so kontradiktorisch entgegengesetzt, wir haben in Erfurt beispielsweise in der Bergstraße ein supertolles Sanierungsprogramm gemacht. Da haben wir die Bergstraße saniert, haben Brücken saniert und so weiter und so fort, und zwar, weil dort eine Umweltmessbox steht. Da haben wir das ganze Areal saniert, aber der Verkehr, der eigentlich ursächlich dafür ist, dass wir in Erfurt eine Umweltzone bekommen, den haben wir nicht reduziert. Wenn wir den öffentlichen Personennahverkehr stärken würden und den individuellen Autoverkehr reduzieren können, dann hätten wir auch wesentlich mehr …

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP)

Ganz einfach. Wir haben jetzt die Straßen saniert, Herr Barth, wir haben das Umfeld saniert, aber der ursächliche Verkehr, der für die Werte der Umweltmessbox ausschlaggebend ist, den haben wir nicht reduzieren können. Hätten wir diese Mittel in den Ausbau des ÖPNV gesteckt, hätten wir dort wesentlich mehr erreicht, dann hätten wir den Verkehr reduziert, wir hätten Klimaziele erreicht und wir hätten auch Gelder umverteilt. Sie können sich gern an der Diskussion zum fahrscheinfreien ÖPNV beteiligen. Wir wollen damit in Erfurt anfangen. Natürlich wollen wir auch die ländlichen Räume wesentlich stärker mit einbeziehen. Ich bin ganz gespannt und wir hoffen, dass wir bis zur BUGA 2021 in Erfurt den fahrscheinfreien ÖPNV umgesetzt haben. Dann werden Sie sehen, dass es klimapolitisch sinnvoll ist, dass es ökologisch sinnvoll ist und dass es auch eine riesengroße Umverteilungsmaschine von Geld ist weg vom privaten Konsum hin zu öffentlichen Investitionen. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir beim Klimawandel endlich mal anfangen können.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Primas. Nur zur Orientierung, Sie haben noch 35 Minuten.

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

Ja, Herr Präsident, die werde ich wahrscheinlich nicht nutzen.

Herr Bärwolff, Gott gebe, dass Sie niemals in Regierungsverantwortung kommen, denn was Sie hier ablassen,

(Beifall CDU, SPD, FDP)

das ist so etwas von weltfremd. Mein Gott, wo sind Sie nur aufgewachsen? Was haben Sie für eine Erziehung genossen, dass Sie so etwas hier ablassen? Also das ist ernsthaft nicht mehr nachzuvollziehen. Glauben Sie mir, geht nicht.

Herr Dr. Augsten, es wäre schön gewesen, wenn Sie schon hier Beschlüsse zitieren, dass Sie diese auch ganz zitieren. Was ich nämlich gesagt habe, ist, wir sollten bitte alle, wenn wir einen Vergleich haben, die gleichen Zahlen haben und da haben wir uns in dem Beschluss verständigt, dass wir ’95 nehmen wollen als Vergleichszahl. Da steht auch drin, dass wir die Landesregierung auffordern, oder „bitten“ steht sogar drin, dass es alle Länder machen, darauf hinzuwirken, dass es alle machen. Etwas anderes habe ich vorhin nicht gesagt. Sie haben gesagt, wir sollten das allein tun. Ich habe Ihnen widersprochen, wir sollten es nicht alleine tun. Also wenn Sie einen Vergleich haben wollen, müssen alle diesen Vergleich machen, denn dann erst wird es real. Wenn wir nur ein Land nehmen und ’95 und die anderen nehmen ’90, dann stehen wir immer da wie die Deppen und das geht nicht. Das habe ich gesagt. Dann sind Sie doch einer Meinung, denn wir haben gemeinsam den Beschluss hier gefasst. Danke schön.

(Beifall CDU)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Barth. Auch da die Richtzahl 8 Minuten 40 Sekunden.

Vielen Dank, Herr Präsident, auch die 8 Minuten werde ich nicht brauchen, aber ich will mich dem Kollegen Primas noch einmal anschließen. Herr Bärwolff, ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben. Wir stellen die Sanierung öffentlicher Straßen und Plätze ein und bauen dafür den ÖPNV aus. Wo der dann langfährt, wo die ganzen Busse langfahren sollen, die Frage bleibt genauso unbeantwortet

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wie die Frage - also ich sehe Heerscharen von Rentnern mit dem Fahrrad im Winter einkaufen fahren, die Sie mit dem Fahrrad losschicken wollen.

(Abg. Bärwolff)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben es nicht verstanden.)

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Ich frage mich wirklich, in welcher Welt Sie wohnen. Ich pendle jetzt insgesamt 15 Jahre zwischen Jena und Erfurt. Das sind nun zwei Städte, die auch gerade mit dem ÖPNV tatsächlich nicht schlecht miteinander verbunden sind.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Frau Schubert, dass da von Ihnen ein Zwischenruf kommt, das verstehe ich, weil Jena und Erfurt sind die zwei Sachen, die Sie kennen, vom restlichen Land verstehen Sie überhaupt nichts, das merkt man an Ihren Ausführungen genauso wie an Ihren Anträgen.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Deshalb, Herr Adams, das hat auch keinen Wert.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch Ihr Bürgerbüro in Nordhausen ändert daran nichts. Ich pendle seit 15 Jahren zwischen Jena und Erfurt. Ich habe das auch ein paar Jahre mit dem Zug gemacht. Ich habe das dann eingestellt, das mit dem Zug zu machen, weil selbst der eine Takt zwischen Jena und Erfurt bei einer flexiblen Arbeitszeit am Ende dazu führt, dass ich einen Zug verpasse und eine Dreiviertelstunde auf dem Bahnsteig stehe und auf den nächsten Zug warte. Darauf habe ich keinen Bock. Deswegen mache ich das nicht, weil ich nach Hause will.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen nehme ich am Ende das Auto. Das gebe ich zu, das ist ein für Sie gar nicht erträgliches und dann wahrscheinlich auch nicht nachvollziehbares Maß an Egoismus und an Individualität, aber ich glaube, dass es viele Menschen gibt, die dieses Maß an Individualität leben wollen, die nach der Arbeit schnell nach Hause zu ihren Familien wollen. Das kriegen Sie mit Ihrem Traum vom ÖPNV nie gebacken,

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht.)

deswegen ist das vielleicht eine schöne grün-rote Welt, die Sie hier malen, hat aber nichts mit der Realität zu tun. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter Barth, es gibt den Wunsch auf eine Nachfrage.

Nein, Herr Adams, ist nicht zugelassen. Frau Rothe-Beinlich, war das eine Wortmeldung von Ihrer Seite? Nein. Dann schaue ich mal auf die Rednerliste. Herr Bärwolff, ist das eine Wortmeldung? Gut.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jetzt kom- men die Trabant-Fahrer.)

Ja, Herr Fiedler, jetzt kommt der Trabantfahrer, wenn Sie wissen …