Protocol of the Session on September 20, 2012

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Kanis das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat uns einen Gesetzentwurf zugeleitet, in dem zum dritten Mal das Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz geändert werden soll. Gleichzeitig beraten wir ja den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE, den wir gestern als Vorabdruck erhalten haben, aber auch noch den Antrag von DIE LINKE zur Erstattung der notwendigen und tatsächlich anfallenden Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen. Diese Kosten beziehen sich auf die Aufnahme, Unterbringung und Betreuung der Personen nach § 1 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes. Bei der Feststellung der Tagesordnung ist man ja übereingekommen, alle drei Drucksachen gemeinsam zu beraten. Im Gesetzentwurf der Landesregierung wird der Personenkreis in § 1 um die Gruppe an Personen ergänzt, die sich aus dem § 25 Abs. 4 b des Aufenthaltsgesetzes ergibt. Das ist schlicht nur eine Anpassung an europäisches und bundesdeutsches Recht. In § 5 Abs. 1 wird das Wort „Ausstattungsrichtlinie“, die es ja so in Thüringen unter anderem durch das Inkrafttreten der Thüringer Gemeinschaftsunterkunfts- und Sozialbetreuungsverordnung vom 20. Mai 2010 … ersetzt wurde. Und der dritte Punkt ist eigentlich nur die Entfristung des Gesetzes. Im Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE geht es um deutlich weitergehende Forderungen. Da soll der zu berücksichtigende Personenkreis aus § 1, den die Landkreise und kreisfreien Städte aufnehmen und unterbringen müssen, deutlich reduziert werden. Wo diese Personen dann Aufnahme, Unterkunft und Betreuung finden, hat sich mir so nicht ganz erschlossen. Sicher müssen sie nicht zwingend in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, aber gar keine Regelung ist für mich in dem Sinne auch keine Lösung.

In § 2 sollen die betroffenen Menschen aus § 1, die schon oder noch länger als 12 Monate ihren Aufenthalt in den Thüringer Landkreisen und Städten haben, in Einzelunterkünften untergebracht werden. Der Landkreis kann diese Aufgaben an Gemeinden

(Abg. Rothe-Beinlich)

und VGs übertragen. Da bin ich mir nicht ganz sicher, wie das geregelt wird. Es wurde von einer einvernehmlichen Vereinbarung gesprochen, aber es werden im Prinzip noch mal Aufgaben des Landkreises weitergereicht. Das ist eine ganz neue Sicht der Sache. Bis dahin können die Asylsuchenden in gemeinschaftlich und sozial betreuten Wohnformen untergebracht werden. Diese haben sich aber an Qualitätsstandards für das Wohnangebot auszurichten und diese beziehen sich nach meinen Recherchen auf Standards für betreutes Wohnen. Da denke ich, das hat vor allen Dingen auch bauliche Veränderungen zur Folge.

In § 3 des Vorschlags der LINKEN wird die Landesregierung ermächtigt, die Zuweisung an die Kommunen an weiteren Kriterien festzuschreiben und diese wie auch alle anderen diesen Gesetzentwurf betreffenden Rechtsverordnungen durch den Landtag zu beschließen. Durch den Landtag zu beschließende Rechtsverordnungen sind nicht die Regel, werden aber hier in diesem Gesetzesvorschlag bei allen Punkten mit eingefordert.

In § 5 soll ein Zugang von Organisationen, deren satzungsgemäße Aufgabe die Unterstützung von Flüchtlingen oder die Beratung in sozialen Angelegenheiten ist, zu deren Aufgabenerfüllung Zugang gewährt werden. Da fehlt mir zwar die Höflichkeit, sich anzumelden, wenn man eine entsprechende Einrichtung besuchen möchte, davon abgesehen hat meine Fraktion zu diesem Punkt ganz ähnliche Vorstellungen.

In § 6 geht es vorwiegend um die Zahlung der tatsächlich anfallenden Kosten in Form eines Nutzungsentgelts. Dort wird nicht mehr von Gebühren gesprochen und es geht um die Auszahlung von Geldleistungen als Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz mit wenigen Einschränkungen. Die Zahlung der Geldleistungen begrüßen wir als SPD-Fraktion ausdrücklich. Wir haben die Pressemitteilung des Ministers zur Kenntnis genommen und wir wissen natürlich auch, wie die Praxis in den Landkreisen ist und freuen uns darüber, dass es eine Veränderung gibt.

DIE LINKE fordert in ihrem Antrag bei § 7 die Erstattung der notwendigen und tatsächlich anfallenden Kosten für die Unterbringung. Sie unterstellt, dass so sichergestellt wird, dass durch die Rechtsund Fachaufsichtsbehörde so eine bessere Prüfung zur Einhaltung der Mindeststandards erfolgt. Ich sage, wenn man das nur an diesen Überweisungen der Kosten festmacht, ist uns das eigentlich zu wenig. Sicher kann so auf regionale Unterschiede und Kostenstrukturen eingegangen werden, was aber an Kosten notwendig ist, würde wieder nachzuweisen sein, was einen deutlichen Aufwuchs an Verwaltungsarbeit bedeutet. Entschieden würde dies wieder nicht vor Ort, sondern auch im Landesverwaltungsamt.

Welche Schwierigkeiten die Übernahme der notwendigen Kosten für die Landkreise bedeutet, haben wir sicher noch durch die Debatte über die medizinischen Kosten in Erinnerung. Frau Astrid Rothe-Beinlich hat es schon angesprochen, gerade hier hat sich ja gezeigt, dass den Landkreisen zu oft nur der Klageweg bleibt, um notwendige Kosten erstattet zu bekommen.

Die Übernahme der tatsächlichen Kosten wäre sehr wünschenswert, bedeutet aber eine Abkehr vom bisherigen Haushaltsrecht und ist auch verfassungsrechtlich kaum machbar, da für übertragene Aufgaben die Kommunen laut Artikel 93 Abs. 1 Satz 2 der Thüringer Verfassung einen angemessenen finanziellen Ausgleich erhalten sollen. So wird von einem Ersatz notwendiger Kosten ausgegangen, ohne dies im Einzelnen nachweisen zu müssen. Auch wenn eine Sonderregelung im Flüchtlingsaufnahmegesetz sicherlich wünschenswert wäre, wären damit doch ein haushaltsrechtlicher Systembruch oder zumindest eine verfassungsrechtlich heikle Normierung verbunden, so dass ich dies für nicht umsetzbar halte.

Wir als SPD-Fraktion haben uns sehr intensiv mit dem Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz beschäftigt. Wir hatten mehr Änderungsbedarf angemeldet, als der Gesetzentwurf der Landesregierung enthält, und sind mit ihm in der jetzigen Form und den marginalen Änderungen, die mit ihm verbunden sind, unzufrieden.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Aber entfristen wollen Sie es.)

Obwohl wir wissen, dass kommunale Selbstverwaltung ein hohes Gut ist und von Gesetzen aus dem Landtag nicht oder nur wenig eingeschränkt werden soll, besteht bei uns in der Fraktion der Wunsch, in § 2, der die Unterbringung regelt, eine Änderung vorzunehmen. Natürlich wissen wir, dass das Bundesrecht die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften als Regelfall vorsieht und dass die Länder hier wenig Bewegungsspielraum zugunsten einer Aufwertung der als Ausnahmefall definierten Einzelunterbringung haben. Um zu einer Umkehr zwischen Regel und Ausnahme zu kommen, bedarf es sicherlich einer Bundesratsinitiative. Wir Sozialdemokraten stehen dem aufgeschlossen gegenüber. Aber abgesehen von einer bundesrechtlichen Änderung, im Generellen sollte es unser Bestreben sein, die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften so weit wie irgend möglich zu limitieren und die Flüchtlinge nicht zu isolieren, zu diskriminieren und in ihrer Freiheit einzuschränken, was uns ja gestern durch den Protestmarsch noch einmal deutlich vor Augen geführt wurde.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das war vorgestern.)

Entschuldigung, vorgestern. Der Vorschlag der LINKEN, hier eine Zwölf-Monats-Frist einzuführen, ist daher als Soll einzuführen, denn er ist im Prinzip auch jetzt schon darin verankert. Änderungsbedarf sehen wir auch im Hinblick auf § 2 Abs. 1. Dort räumt das Gesetz den Landkreisen beim Betrieb der Gemeinschaftsunterkunft die Möglichkeit ein, sich Dritter zu bedienen, nicht „freie Träger“ steht darin. Immer weniger Landkreise machen von dieser Möglichkeit Gebrauch, wie erst die jüngsten Veränderungen in Schmalkalden-Meiningen zeigen. Wir hätten uns eine Regelung vorstellen können, die die Möglichkeit weiterbestehen lässt. Aber die Träger sollten der Gemeinnützigkeit verpflichtet sein, um so eine Gewinnerzielung auf Kosten der Flüchtlinge zu vermeiden. Allerdings zielt dies auf eine Einschränkung des Wettbewerbs hin, was wir gern in Kauf genommen hätten, wenn es die Bedingungen unter den Flüchtlingen, die aufgenommen, untergebracht und betreut werden müssen, verbessert hätte.

Nicht erfüllt hat sich die Vorstellung der SPD-Fraktion, Organisationen, deren satzungsgemäße Aufgabe die Unterstützung von Flüchtlingen und die Beratung in sozialen Angelegenheiten ist, einen Zugang, und zwar nach Anmeldung, zu Gemeinschaftsunterkünften zu gewähren. So hätten sich vor Ort unentgeltlich Angebote zur Unterstützung in sozialen Angelegenheiten und in Bildungsbelangen, wie Nachhilfe für die Schüler oder unentgeltliche Deutschkurse, besser ermöglichen lassen. In einigen Landkreisen geht es, aber nicht in allen. Damit steht uns hoffentlich eine interessante Debatte bevor. Lassen Sie uns im Innenausschuss die Gesetzentwürfe und den Antrag beraten.

(Beifall SPD)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beraten heute über eine Änderung des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes. Der Gesetzentwurf enthält nur ein paar wenige Änderungen, welche auf Änderungen im Aufenthaltsgesetz und im Asylbewerberleistungsgesetz beruhen.

Meine Damen und Herren, die Änderungen muss ich nicht noch mal erläutern, das ist schon reichlich geschehen.

(Beifall FDP)

Ich denke, der Gesetzentwurf ist so übersichtlich, dass es keiner weiteren Erläuterung bedarf. Es ist zwingend geboten, das Flüchtlingsaufnahmegesetz

im Interesse der Flüchtlinge, aber natürlich auch der kommunalen Gebietskörperschaften, die diese Aufgabe übertragen bekommen haben, um die Kostenerstattungspflicht des aufgenommenen Personenkreises nach § 25 Abs. 4 b Aufenthaltsgesetz zu erweitern. Aber es gibt auch Kritik unsererseits, und zwar die Entfristung des Gesetzes sehen wir deutlich anders.

(Beifall FDP)

Ich bin der Auffassung, dass das Gesetz kontinuierlich auf den Prüfstand gehört. Eine Entfristung würde dazu führen, dass das Gesetz erst einmal in einer Schublade landet und nicht mehr angefasst werden muss. Ich glaube, das ist nicht der richtige Ansatz. Wir haben auf der Tagesordnung noch vermehrt Gesprächsbedarf zu dieser Thematik, wie zum Beispiel über die Schaffung eines stichtagsunabhängigen Bleiberechts bis hin zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Auch die unsägliche Residenzpflicht - sie ist ja schon angesprochen worden - wird weiterhin Thema bleiben, worauf auch der Protestmarsch der Asylbewerberinnen und -bewerber nach Berlin noch einmal aufmerksam gemacht hat.

(Beifall FDP)

Ich will diese Punkte jetzt nicht alle hier diskutieren, aber es zeigt doch eines, nämlich dass erheblicher Diskussionsbedarf, erheblicher Änderungsbedarf besteht. Die Fraktion DIE LINKE hat im engen Zusammenhang mit dem Flüchtlingsaufnahmegesetz einen Antrag sowie kurzfristig noch ein eigenes Gesetz zur Änderung des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes eingebracht. In dem Antrag geht es um eine Änderung der Kostenerstattung für die Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen. Bisher erhalten die zuständigen Kommunen für die Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben durch das Land eine pauschale Kostenerstattung für ihre Aufwendungen. Wie wir aber im Juni aus den Medien erfahren konnten oder, besser gesagt, mussten, kommt es allerdings vor, dass zumindest manche Kommunen die Pauschale nicht für den eigentlichen Zweck, sondern zur Sanierung ihres Haushalts verwenden. Hierauf will ich aber gar nicht im Detail eingehen, sondern auf den Antragsinhalt.

Ich halte, meine Damen und Herren, den Ansatz des Antrags, von einer pauschalen Kostenerstattung zu einer tatsächlichen Kostenerstattung überzugehen, zumindest für grundsätzlich überlegensund diskussionswürdig. Aber wie so oft wird eine Forderung aufgemacht, ohne nach links und rechts zu schauen und ohne mögliche Konsequenzen zu beachten. Ich will nur ein paar Fragen in den Raum stellen, die meines Erachtens geklärt werden müssen, wie zum Beispiel die Fragen: Wie soll eine tatsächliche Kostenerstattung erfolgen, welcher Kosten- und Verwaltungsaufwand wird dadurch entste

(Abg. Kanis)

hen, wann sind die tatsächlichen Kosten notwendig und wer stellt diese Notwendigkeit fest?

(Beifall FDP)

Soll es eine allgemeine Kostenobergrenze geben oder kann man einfach daraufloswirtschaften ohne Rücksicht darauf, was nun wirklich angemessen ist?

(Beifall FDP)

Welche Probleme bestehen bei der bisherigen Kostenerstattung? Wie schon gesagt, meine Damen und Herren, es gibt ein paar Fragen, die geklärt werden müssen, bevor man über den Antrag ohne Weiteres abstimmen kann. Zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE ist nicht so viel zu sagen, da der Text, soweit ich es in der Kürze überblicken konnte, fast eins zu eins dem Gesetzentwurf aus dem Jahr 2010 entspricht.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das stimmt, Herr Bergner.)

Damals wurden schon erhebliche Zweifel am Gesetzentwurf aufgrund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes angemahnt. An der Gesetzgebungskompetenz hat sich bis heute nichts geändert. Deswegen ist mir die Intention des Einbringers nicht ganz ersichtlich; einer sachlichen Diskussion im Innenausschuss werden wir uns aber nicht verweigern.

Meine Damen und Herren, da der Antrag auch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Flüchtlingsaufnahmegesetz steht, beantrage ich namens meiner Fraktion die Überweisung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes und die Überweisung des Antrags der Fraktion DIE LINKE an den Innenausschuss. Einer Überweisung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE werden wir uns ebenfalls nicht verschließen. Ich beantrage bei Tagesordnungspunkt 6 die getrennte Abstimmung der Nummern 1, 2 und 3. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter Bergner, 1, 2 und 3 heißt 6 a, 6 b und 19 oder?

(Zwischenrufe aus dem Hause)

Gut, wir klären es. Ich rufe zunächst für die Fraktion DIE LINKE Frau Berninger auf.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass sich der Thüringer Landtag während dieser Plenarsitzung mit insgesamt fünf parlamentarischen Vorlagen - es steht ja noch ein Antrag auf der Tagesordnung zum Thema

Bleiberecht von der FDP-Fraktion und einer zum Thema Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -, dass wir uns also mit insgesamt fünf parlamentarischen Vorlagen über die Lebenssituation von Flüchtlingen, über ihre Aufnahmebedingungen und ihre Aufenthaltsperspektive beschäftigen, könnte ein gutes Signal auch für die Menschen sein, von denen Frau Rothe-Beinlich schon gesprochen hat, die sich gegenwärtig auf einem Protestmarsch von Würzburg nach Berlin befinden und die am Dienstag hier vor dem Thüringer Landtag demonstrierten.

Wie wichtig dieser Protest für bessere Lebensbedingungen von Flüchtlingen ist und wie berechtigt, will ich kurz skizzieren und damit auch belegen, wie offensichtlich es ist, meine Damen und Herren, dass beim Thema Flüchtlingsaufnahme die unverletzliche Menschenwürde nicht in jedem Fall Grundlage für politisches und behördliches Handeln ist.

Das Bundesverfassungsgericht kommt erstens für die Bundesregierung zu dem desaströsen Urteil, dass die Leistungen für Flüchtlinge evident unzureichend sind und ein menschenwürdiges Existenzminimum deutlich unterschreiten. Es ordnete am 18. Juli die sofortige und teilweise sogar rückwirkende deutliche Anhebung auf das Hartz-IV-Regelsatzniveau an und zeigte der Bundesregierung auf, dass sie sich spätestens nach dem Urteil vom Februar 2010 nicht mehr auf einen Vertrauensschutz berufen konnte. Dennoch hatte die Bundesregierung an den seit 1993 konstant gebliebenen und vollkommen unzureichenden Leistungshöhen festgehalten.

Zweitens hat das Bundesverfassungsgericht am 18. Juli 2012 eindeutig festgehalten, ich zitiere: „Die in Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ Dennoch schreibt am 28. August 2012 das Landesverwaltungsamt an einen Landkreis - ich zitiere: „Mit der Einführung des Sachleistungsvorrangs in dem Anfang der 90er-Jahre neu geschaffenen AsylbLG sollte zunächst der Zuwanderungsstrom reguliert werden, da darauf gesetzt wurde, dass Sachleistungen für Wirtschaftsflüchtlinge uninteressanter seien als Bargeld. Dieses Konzept ist aufgegangen.“ Dieser Mitarbeiter des Landesverwaltungsamtes schreibt in gegenüber Flüchtlingen denunziatorischer Art und Weise weiter: „Dass es sich bei den meisten Asylbewerbern entweder um Wirtschaftsflüchtlinge handelt oder um solche Flüchtlinge, denen jedenfalls kein Asylgrund zur Seite steht, zeigt bereits die Anerkennungsquote.“

Nicht nur, Herr Geibert, dass ein Mitarbeiter einer staatlichen, Ihrer Verwaltung ein rassistisches Stereotyp gebraucht, wird in diesem Schreiben begründet, dass das Festhalten an Sachleistungen und Gutscheinen migrationspolitischen Erwägungen folgt, und das mehr als einen Monat nach dem Ur

(Abg. Bergner)

teil des Bundesverfassungsgerichts, in dem das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, die Menschenwürde sei migrationspolitisch nicht zu relativieren. Vielleicht müssen sie die Mitarbeiter in Ihrem Landesverwaltungsamt mal zu einer Fortbildung schicken. Der Flüchtlingsrat bietet solche Fortbildungen, glaube ich, an. Im selben Schreiben wird mit Verweis auf eine seit 1997 im Bundesgesetz nicht mehr bestehende Nachrangigkeit von Bargeld gegenüber sogenannten Wertgutscheinen eingegangen und die Notwendigkeit der Einhaltung einer nicht mehr bestehenden gesetzlichen Regelung eingefordert. Zitat: „Vielmehr hat der Freistaat Thüringen das Rangverhältnis, das unter den Abweichungsmöglichkeiten vom Sachleistungsprinzip besteht, beachtet und folglich könne auch keine Gebietskörperschaft rechtswirksam ein Abweichen vom Sachleistungsprinzip beschließen.“ Das Schreiben war vom 28. August, ich habe das schon gesagt. Herr Innenminister, vielleicht warne ich Sie mal mit einem kleinen Augenzwinkern davor, wenn der Mitarbeiter aus dem Landesverwaltungsamt, der das noch vor knapp drei Wochen geschrieben hat, Ihre Entscheidungen jetzt rechtlich zu bewerten hat, nicht, dass er Sie noch anzeigt, weil Sie rechtswidrig gegen Bundesrecht handeln, Herr Minister. Dass Ihnen nämlich eine solche Auslegung des Asylbewerberleistungsgesetzes alles andere als akzeptabel erscheint, war der TLZ am 15.09. zu entnehmen, weil, meine Damen und Herren Abgeordneten, Herr Geibert hat angekündigt, dass künftig eine eigene Entscheidungskompetenz ohne Einflussnahme durch das Landesverwaltungsamt bei den Landkreisen und kreisfreien Städten liegt und Bargeld nicht mehr ausgeschlossen wird. Endlich, will ich sagen. Ob Sie, wie in der Zeitung stand, dabei tatsächlich, Herr Geibert, dieses Bundesverfassungsgerichtsurteil im Kopf hatten oder eher die Ankündigung mehrerer Landkreise, von dem diskriminierenden Wertgutscheinsystem abzurücken, vor Augen hatten und vielleicht Gesichtsverlust befürchteten, ist zweitrangig. Endlich können es die Kommunen entscheiden, ohne dass das Landesverwaltungsamt Steine in den Weg legt.