Es ist ein schlechtes Gesetz, weil es voraussehbare Vollzugsprobleme mit sich bringt. Ich höre gern von Herrn Hey, dass das Innenministerium das jetzt auch anerkannt hat und hier Abhilfe schaffen will. Es hat ein Rechtsproblem, weil es möglicherweise mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar ist. Das alles ist im Vorfeld nicht ordnungsgemäß diskutiert
worden - schnell, schnell sollte es durch den Landtag gebracht werden. Es hat vor allen Dingen auch ein inhaltliches Problem: Es wirkt nicht. Das ist, glaube ich, das verheerendste Urteil für ein Gesetz, das man aussprechen kann. Dieses Gesetz wirkt nicht. Deshalb ist es hier auf den Prüfstand zu stellen.
Wir begrüßen darum als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das ganz außerordentlich, dass DIE LINKE diese Debatte mit ihrem Gesetzesantrag wieder einfordert, und wünschen uns so, wie die FDP es schon beantragt hat, dass diese Debatte auch im Ausschuss fortgeführt werden kann. Wenn ich Herrn Hey richtig verstanden habe, wird auch die Koalition dafür stimmen, im Ausschuss weiterzudebattieren, um es zu verbessern. Ja, Sie wollen es wieder mit einer Regierungskommission machen. Das ist schon mal schiefgegangen. Wir wissen ja, dass das nicht gut gegangen ist, deshalb sollte man die Sachkompetenz, die außerhalb des Landtags ist, noch mal mit einbeziehen in einem parlamentarischen Verfahren.
Aber wir sind hier nicht in einer Aktuellen Stunde zum Thema der Wirksamkeit des Gesetzes aus dem letzten Jahr, sondern wir sind in einer Gesetzesdebatte um einen Gesetzesänderungsantrag der LINKEN. Auch da ist schon aufgezeigt worden, dass es einige Fragen gibt. Es wird dann immer so versucht, zu sagen, es ist handwerklich falsch. Ich will einen Aspekt herausnehmen, den Frau Berninger eben nicht als handwerklich falsch darstellt, sondern als gewollt, nämlich die Frage, ob ein Tier, nachdem es gebissen hat, widerlegen kann, dass es beißen wird. Da will ich ganz deutlich sagen, das wird mit uns nicht zu machen sein. Wir GRÜNE stehen an der Stelle ganz deutlich zur Rasseliste, und zwar so, wie das Bundesverfassungsgericht sie beschrieben hat,
nämlich als Ausdruck einer abstrakten Gefährlichkeit. Wir sind auch der Meinung, dass diese abstrakte Gefährlichkeit nicht ausreichend ist oder nicht ausreichend sein kann oder ausreichend sein muss, um Eingriffe hier zu rechtfertigen. Deshalb haben wir immer gefordert, dass diese auf der Rasseliste benannten Tiere durch einen Wesenstest belegen können, dass sie eben nicht gefährlich sind. Aber DIE LINKE dreht dieses von den Füßen auf den Kopf und sagt, ein Tier, das schon gebissen hat
- nein, ein Tier, das schon gebissen hat, hat bewiesen, dass es beißt. Es kann gar nicht die Argumentation sein, ob das aus Versehen gebissen hat oder ob es mutmaßlich beißen wollte.
Da können wir nicht in die Psyche des Tieres eindringen, sondern wir müssen einen klaren Strich ziehen, um der Sicherheit der Bevölkerung Gutes zu tun, und sagen, ein Tier, das beißt, muss unter besonderen Auflagen geführt werden. Da können wir nicht mitgehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein abschließender Aspekt ist für uns auch noch wichtig: Tiere sind Geschöpfe, auch wenn das BGB daraus eine Sache macht. Es ist uns wichtig, deutlich zu machen, jede Anschaffung eines Tieres, sei es ein Goldhamster, ein Goldfisch, eine Katze oder ein Hund, verpflichtet den Halter zu einer großen Verantwortung. Uns ist es wichtig, den Leuten im Land zu sagen, seien Sie sich dieser Verantwortung bewusst, die Sie übernehmen, wenn Sie ein Tier halten, besonders wenn es ein großer Hund ist. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich will es nicht verlängern, aber da ich mehrfach angesprochen wurde - Kollege Kellner hat ja die Dinge hier schon dargelegt. Frau Berninger, ich hörte von der Ferne öfters meinen Namen. Wir waren ja auch diejenigen, die Ihnen geantwortet haben. Immerhin, das wollen wir mal festhalten.
Das wollen wir einmal festhalten, dass das schon einmal ein Vorteil ist. Ich will Ihnen das ausdrücklich noch einmal sagen, Kollege Adams, das war jetzt alles sehr abstrakt, wer beißt zuerst oder - ich lasse das einfach beiseite. Fakt ist eins, wir haben ein Gesetz auf den Weg gebracht, über das es auch bei uns in der Fraktion, in der Koalition heftigen Streit gab mit dem Innenministerium, mit der Landesregierung, mit allem, was dazu gehört, denn hier spielen ja auch Tierschutzbelange mit hinein und rechtliche Dinge spielen mit hinein und kommunale Dinge spielen hinein. Wir haben uns wirklich sehr, sehr ausgiebig damit befasst. Es gibt auch hier keine einheitliche Meinung, dass nun alle sagen, das ist richtig und das ist richtig, sondern man muss auch mal Erfahrungen sammeln. Ich will ein
fach noch einmal deutlich machen, wir hatten vor dem Gesetz eine Verordnung und diese Verordnung lief nicht schlecht. Da wir aber eines der Länder waren - ich glaube, zwei waren es noch -, die noch kein Gesetz hatten, wenn ich mich recht entsinne, war es auch an der Zeit, ein Gesetz zu machen.
Wir haben uns auf den Weg gemacht, haben das hier eingebracht mit einem Streitpunkt; der eine hat Akila, der nächste hat eine Dogge und der nächste hat... Ich will nur sagen, es gibt hier sehr viele Hundebesitzer, Liebhaber, aber, meine Damen und Herren, auch das ist mehrfach gesagt worden, wir dürfen auch nicht vergessen den Schutz vor gefährlichen Tieren. Das ist gesagt worden und ich will es noch einmal unterstreichen. Wir wissen eigentlich, der am Ende der Leine ist, der muss erzogen werden und der muss weiter hier noch vorangebracht werden.
Wir hacken hier auf den Tieren herum, das sind Tiere und bleiben Tiere. Natürlich sind es Geschöpfe, das ist klar. Nicht umsonst steht in der Thüringer Verfassung, dass wir den Tierschutz verankert haben. Ich will nur noch einmal daran erinnern. Das haben wir vor langer Zeit hier gemacht, da hatte leider DIE LINKE nicht zugestimmt damals, aber wir haben zugestimmt.
(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Nicht dem Tierschutz, wir haben einer ande- ren Sache nicht zugestimmt.)
Ja, hinterher kann man alles sagen. Doch, ihr habt nicht zugestimmt, DIE LINKE. Aber ich will es nur festhalten, wir haben es trotzdem reingeschrieben. Man braucht ja nicht jeden, der mitmacht. Deswegen ist es wichtig und ich will es nur noch einmal unterstreichen. Es ist noch nicht einmal ein Jahr vorbei. Jetzt müssen wir auch erst einmal die Wirksamkeit abwarten und was wirklich passiert ist.
Frau Berninger, ich achte sehr, dass Sie sich sehr dafür einsetzen, aber bleiben Sie ruhig, Sie sind jetzt Vorsitzende von einem wichtigen Ausschuss, da muss man ein bisschen staatstragend sein. Ich will ausdrücklich unterstreichen, der Gemeindeund Städtebund, was Kollege Hey gesagt hat, wir sind ja in intensiven Gesprächen mit dem Gemeinde- und Städtebund, mit dem Innenministerium, wo wir uns gemeinsam die Wirksamkeit anschauen, wie die Ordnungsbehörden zurande kommen, wie das funktioniert. Es wird sich an dem Ergebnis durch den Gesetzentwurf oder die Weitentwicklung nichts Neues ergeben, deswegen werden wir das ablehnen. Aber nichtsdestotrotz werden wir unseren Gesetzentwurf, der noch nicht einmal ein Jahr lang wirkt, gemeinsam betrachten mit dem Innenmi
nisterium und gegebenenfalls werden wir auch nicht davor zurückschrecken, Änderungen im Gesetz vorzunehmen, die dort nicht gewirkt haben. Vielen Dank.
Vielen Dank. Ich sehe seitens der Abgeordneten eine Wortmeldung. Frau Berninger von der Fraktion DIE LINKE, bitte schön. Zwei Minuten Redezeit gibt es noch.
Danke, Frau Präsidentin. Herr Fiedler, staatstragend muss man nicht sein, bloß weil man Vorsitzende eines Ausschusses ist.
Herr Fiedler, quantitative Gründe sind eben keine Argumente, um ein solches Gesetz zu rechtfertigen. Dass Thüringen eines von nur zwei oder drei Ländern war, die noch nicht ein Rasselistengesetz hatte, heißt nicht zwingend, dass Thüringen eine Rasseliste hätte einführen müssen, und heißt erst recht nicht, dass eine Rasseliste sachlich gerechtfertigt ist.
Uns sind möglicherweise, und bei § 11 Abs. 1, Herr Hey, gestehe ich das zu, handwerkliche Fehler unterlaufen. Das ist uns jetzt aufgefallen, als Sie es gesagt haben, das ändern wir auch. Aber uns sind keine Fehler unterlaufen, was die Frage des Wesenstests angeht oder was die Rechtfertigung einer Rasseliste angeht. Da muss ich Ihnen einfach Populismus vorwerfen, Herr Hey. Wenn die Rasseliste tatsächlich ein vernünftiger Grund ist, wenn die Rasseliste tatsächlich zum Schutz von Menschen führte und die Landesregierung oder Sie oder Herr Kellner dies nachweisen könnten, dann tun Sie das bitte. Dann überweisen Sie unseren Gesetzentwurf an den Ausschuss, dann können Sie Zahlen vorlegen, die Ihre Rasseliste rechtfertigen, aber ich glaube, solche Zahlen gibt es nicht.
Vielen Dank. Es gibt keine Wortmeldungen bei den Abgeordneten mehr. Für die Landesregierung spricht Herr Innenminister. Bitte schön, Herr Minister.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, für die Landesregierung nehme ich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE wie folgt Stellung:
Der Gesetzentwurf greift ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren erneut die sogenannte Kampfhundeproblematik auf. Der Entwurf sieht als Kernbestandteil die Streichung der Rasseliste aus dem Gesetz vor, stattdessen soll geregelt werden, dass als - und ich zitiere - „gefährliche Hunde im Sinne dieses Gesetzes gelten … Hunde, die auf Angriffslust oder über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft oder Schärfe oder auf andere in der Wirkung gleichstehende Merkmale gezüchtet, ausgebildet oder abgerichtet sind“ oder „die sich als bissig erwiesen haben“ oder „die wiederholt in Gefahr drohender Weise Menschen angesprungen haben …“
Dieser Gesetzentwurf ist bemerkenswert, denn er zielt im Wesentlichen darauf ab, die alte Rechtslage vor Inkrafttreten des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren letztlich zum Nachteil von Leben und Gesundheit gerade von älteren Mitbürgern und von Kindern, die oftmals die Opfer von Hundeattacken sind, wiederherzustellen.
Lassen Sie mich mit Letzterem beginnen: Der Gesetzentwurf ist ein Rückschritt. Durch eine Regelung, die vorsieht, dass ein Hund sich erst als bissig erwiesen hat, bevor er als gefährlich im Sinne des Gesetzes gilt, wird das Recht auf den ersten Biss wieder eingeführt. Dies war die alte Rechtsanlage der Thüringer Gefahren-Hundeverordnung, die sich so in der Praxis nicht bewährt hat. Dies zeigen die zahlreichen teilweise tödlichen Beißvorfälle in Thüringen, die letztlich zu dem Tiergefahrengesetz geführt haben.
Auch mit der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 wird die alte Rechtslage wieder aufgegriffen. Dort ist vorgesehen, dass auch ein Hund, der sich als bissig erwiesen hat, im Nachgang durch einen Wesenstest doch noch widerlegen kann, dass er gefährlich ist. Pointiert ausgedrückt: Der Hund bzw. der Halter kann nachweisen, dass der Hund lediglich einen schlechten Tag hatte, als er zugebissen hat. Hier wurde die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Thematik „Wesenstest für gefährliche Hunde“ völlig außer Acht gelassen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2004 bereits ausgeführt, dass ein Wesenstest als milderes Mittel im Vergleich zu einer Rasseliste nicht in Betracht kommt. Ich zitiere: „Vor allem können die Einfuhr und das Verbringen von Hunden in das Inland nicht im Einzelfall vom Nachweis der Ungefährlichkeit des konkret betroffenen einzelnen Hundes abhängig gemacht werden. Wesenstests, tierärztliche Be
gutachtungen und ähnliche Maßnahmen bieten, selbst wenn sie von sachkundigen Personen durchgeführt werden, keine vollkommen verlässliche Grundlage für eine hinreichend sichere Gefährlichkeitsprognose. Wesenstests ermöglichen nur eine Momentaufnahme vom Verhalten des überprüften Tieres in einer bestimmten Krisensituation.“
Danke schön, Herr Minister. Können Sie mir bitte erklären, was die Hundeverbringungsverordnung, zu der ja das Bundesverfassungsgericht gesprochen hat und was Sie gerade zitiert haben, und die dort aufgeführten Hunderassen mit der Rasseliste im Zusammenhang mit dem Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren zu tun haben?