(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Was ist denn das für eine Logik, das ist total bescheuert.)
Denn diese Überschüsse im System führen zu Ineffizienz und zu mangelndem Ideenwettbewerb. Insofern ist das Geld hier beim Beitragszahler gut angelegt, das gilt übrigens auch für die Krankenkassen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Aktuelle Stunde heute und hier ist deswegen richtig, weil wir den drittgrößten Anteil an älteren Menschen bundesweit haben, und sich in Thüringen damit auseinanderzusetzen, wie die Situation im Augenblick ist oder auch nach vorn gedacht sein wird, ist in jedem Falle richtig.
Ich habe mich nur - und das gehört zum Befund dazu, bei dem wir uns, glaube ich, alle einig sind, wenn man vom VDEK auch hört, dass 2008 fast 20 Prozent der Thüringer von Armut betroffen sind
und davon auch viele Ältere - gefragt, warum wir nur über die materielle und finanzielle Dimension von Altersarmut sprechen.
Schlimm genug, mag man meinen, aber Altersarmut ist eben mehr als die finanzielle Komponente, Herr Gumprecht, da sind wir, glaube ich, beieinander, weil es geht auch um soziale Vereinsamung, es geht um mangelhafte Wohnsituationen, es geht um eine schlechtere medizinische Versorgung, es geht auch um Beschränkung bei der Ernährung, bei Bekleidung, bei sehr, sehr, sehr konkreten Dingen, die natürlich auch am Ende auf der materiellen Ebene angesiedelt sind. Aber viele haben - das muss man an der Stelle deutlich machen - nicht mehr die Wahlmöglichkeit, wenn sie an einem bestimmten Ort sind, zu sagen, okay, dann ziehe ich eben um und wohne in einem Mehrgenerationenhaus oder in einer ganz besonders modernen Wohnform mit anderen zusammen. Das ist diese gefühlte und auch reale Machtlosigkeit, die diesen Menschen droht. Das ist sehr unmittelbar und man hat bei dieser Diskussion wirklich ein Problem - das sage ich Ihnen so ganz offen -, mit Durchschnittswerten zu arbeiten.
Herr Gumprecht, Sie sagten vorhin, eigentlich statistisch gesehen ist das Problem im Augenblick nicht so groß, aber die Zahlen des VDEK zeigen, rein quantitativ haben wir eine Situation, die eintreten wird, die uns besorgniserregend stimmen muss. Auf der anderen Seite ist es so, dass Altersarmut bereits jetzt in all den Dimensionen, die ich Ihnen gesagt habe, was die Wohnsituation angeht, die Ernährungssituation und auch den sozialen Aktionsradius, unfrei macht. Über diese Unfreiheit müsste man eigentlich diskutieren und man müsste auch darüber sprechen, wie man damit umgeht. Wie man z.B. damit umgeht - Herr Kemmerich hat zu Recht auf die Frage Kinder- und Jugendarmut hingewiesen -, dass im ersten und zweiten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Altersarmut im Wesentlichen überhaupt nicht vorkommt. Jetzt will ich das eine nicht gegen das andere stellen, aber der Punkt ist, dass man sich sehr genau Gedanken darüber machen muss, wo die politische Debatte ihren Fokus setzt und was das am Ende für diejenigen heißt, die es ummittelbar betrifft.
Ich sagte es am Anfang, in Thüringen sind wir in der Situation, dass wir bundesweit den drittgrößten Anteil an älteren Menschen hier haben, die in ihren Bedürfnissen auch erwarten, dass wir Antworten auf die Frage der medizinischen Versorgung insbesondere im ländlichen Raum und der Mobilität haben. Ich nehme das mal als Beispiel: Wenn wir uns den ländlichen Raum anschauen und sehen, dass der ÖPVN immer schlechter vertaktet ist, dass immer seltener der Bus vorbeikommt, wir über Schrumpfungsprozesse sprechen, dann machen
wir diesen Menschen an dieser Stelle auch nicht mehr Mut, sondern im Gegenteil, wir zeigen Ihnen, dass Lebensqualität unmittelbar für sie nicht erreichbar ist. Das ist eine wichtige Aufgabe, der sich Politik stellen muss, der wir uns stellen müssen.
Ich will aber auch, weil diese materielle und finanzielle Dimension heute hier im Raum stand und bei meinen Vorrednern immer im Mittelpunkt stand, dazu zwei oder drei Anmerkungen machen.
Zum einen sagen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass wir in jedem Fall eine Erhöhung des Niveaus der Grundsicherung im Alter brauchen, perspektivisch auf mindestens 420 €.
Dann zum Thema der Rentendebatte: Ich bin ursprünglich davon ausgegangen, Herr Lemb, dass der Anlass für die Aktuelle Stunde vor allen Dingen die Kritik an Frau von der Leyen wird, Sie haben das dankbarerweise zumindest nur am Rande erwähnt und ich glaube, da gehört es auch hin. Das Ding ist so umstritten innerhalb der Koalition auf Bundesebene, dass wir uns damit nicht auseinandersetzen müssen, was sie jetzt eigentlich unter der Zuschussrente versteht. Aber ich will sagen, dass die Garantierente, die das grüne Modell darstellt, sicherstellen soll - und das ist für uns auch wichtig -, dass Menschen, die dem Arbeitsmarkt mindestens 33 Jahre zur Verfügung standen, auch eine Rente oberhalb der Grundsicherung auf jeden Fall verdient haben, erhalten müssen. Das muss auch definitiv und festgeschrieben sein. Auch das ist nicht die Lösung, aber es ist unser Diskussionsvorschlag.
Wir müssen darüber reden, dass auch und gerade im Osten insbesondere Frauen betroffen sind. Das hat mit unsteten Erwerbsbiografien zu tun, das hat vielerlei Gründe. Gerade für Frauen brauchen wir Reformansätze, übrigens auch innerhalb der Rentenversicherung, damit wir eine bessere Absicherung für Frauen im Alter haben. Natürlich gehört für uns auch dazu, dass wir eine Bürgerversicherung wollen, eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle einzahlen können. Was die arbeitsmarktpolitische Komponente angeht, da stehen Leiharbeit und andere Dinge im Raum, die wir lösen müssen, die alle dazu beitragen, hoffentlich in Zukunft Altersarmut einzudämmen, aber noch einmal und abschließend …
Seitens der Abgeordneten habe ich keine weiteren Redeanmeldungen. Für die Landesregierung Herr Staatssekretär Dr. Schubert, bitte.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Thema Altersarmut gehört sicherlich zu den wichtigsten aktuellen sozialpolitischen Herausforderungen und deshalb begrüße ich es auch, dass wir heute hier im Plenum darüber sprechen, denn der Befund ist im Wesentlichen unstreitig. Die Zahl älterer Menschen, deren Altersversorgung so schlecht ist, dass sie auf staatliche Unterstützungen in Form von Grundsicherung nach dem SGB XII angewiesen sind, steigt auch in Thüringen kontinuierlich an. Während wir im Jahr 2003 in Thüringen 3.260 Grundsicherungsempfänger im Alter von 65 und mehr Jahren hatten, waren es im Jahr 2011 bereits 4.698. Das entspricht einer Zunahme von 1.438 Personen oder 44 Prozent. Das heißt, im Jahr sind das 180 Personen oder 5,5 Prozent. Diese Entwicklung wird sich, so wie wir das voraussehen, auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Deshalb kann man einfach nur konstatieren, dass es erschreckend ist, wenn in einem reichen Land wie Deutschland eine derartige Zunahme von Menschen zu verzeichnen ist, die ihren Ruhestand nicht ohne staatliche Unterstützung bestreiten können, auch wenn sich unter den Zahlen eine Vielzahl von Fällen verbirgt, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben.
Als Ursachen für die erwartete Zunahme von Altersarmut in Thüringen, aber auch bundesweit, gibt es aus unserer Sicht im Prinzip zwei Entwicklungen. Das sind zuallererst die Erwerbsbiografien, die gerade im Osten Deutschlands nach 1990 vielfach von Phasen der Arbeitslosigkeit unterbrochen sind. Zugleich steigt aber auch der Anteil von Beschäftigungsverhältnissen im Niedriglohnsektor erheblich an, was zwar jetzt kein spezifisches Problem der neuen Länder ist, aber auch hier in einem wesentlich größeren Umfang stattfindet. Sicher gibt es dafür auch gesamtwirtschaftliche Entwicklungen, die die Ursache sind, aber für uns ist erst einmal das Thema Altersarmut, das damit verbunden ist, die Ursachen, die damit zusammenhängen, eines der wichtigsten Probleme, die anzugehen sind.
Deshalb haben wir vier strategische Ansatzpunkte zum Kampf gegen Altersarmut. Zuallererst muss die Arbeitslosigkeit weiter bekämpft werden und ei
ne aktive Arbeitsmarktpolitik in allen möglichen Facetten betrieben werden. Ich denke, da sind wir in Thüringen auf einem guten Weg. Wir müssen flächendeckend gesetzliche Mindestlöhne in entsprechenden Höhen einführen. Wie Sie wissen - das ist auch heute schon mehrfach erwähnt worden - hat die Landesregierung eine entsprechende Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht. Wir brauchen aber darüber hinaus auch tarifgesicherte Einkommen, die weit oberhalb der diskutierten 8,50 € Mindestlohn liegen, anders werden die Vermeidung von Altersarmut und auch die Sicherung des Fachkräfteangebotes nicht möglich sein. Wir müssen uns weiterhin für eine verstärkte Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit in der Rentenversicherung stark machen und wir brauchen auch eine Mindestrente über das Niveau der Grundsicherung hinaus, unabhängig von der Höhe der erworbenen Leistungshöhe, aber ohne Durchbrechung des Äquivalenzprinzips.
Meine Damen und Herren, ich denke, es lässt sich zu den konkreten Dingen jetzt noch eine Menge sagen, aber im Rahmen der Aktuellen Stunde wäre das jetzt der falsche Punkt. Das muss man sicherlich an anderer Stelle noch weiter vertiefen. Natürlich verfolgen wir auch ganz gespannt die Diskussion auf Bundesebene, in die wir uns natürlich als Landesregierung auch einbringen werden. Hier gibt es einige Ansätze, die zu beobachten sind, die auch teilweise zu kritisieren sind. Ich denke, dass uns das Thema auch noch in den nächsten Wochen und Monaten stark beschäftigen wird, weil die Entwicklung, wie ich es am Anfang ausgeführt habe, dazu allen Anlass gibt. Herzlichen Dank.
Vielen Dank. Ich glaube, ich kann jetzt auch den dritten Teil der Aktuellen Stunde schließen und rufe auf den vierten Teil
d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum ESM und Fiskalpakt auf die deutschen Bundesländer“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/4933
dung des Bundesverfassungsgerichts zum ESM und zum Fiskalpakt auf die deutschen Bundesländer auf die Tagesordnung gesetzt, weil dieses Thema halt nicht nur den Bund angeht. Der ESM und der Fiskalpakt greifen tief in die Haushaltsautonomie der deutschen Länder ein, genauso wie es beim ESM unmittelbar beim Bund passiert. Wird Deutschland für die eingegangenen Haftungsrisiken in die Pflicht genommen, schwindet der haushaltspolitische Spielraum der Länder wie der des Bundes. Beim Fiskalpakt bedeutet das unmittelbar, er setzt Bund, Ländern und Kommunen haushaltsund finanzpolitische Grenzen. Anders als die Schuldenbremse im Grundgesetz sind die Grenzen auch mit verfassungsändernder Mehrheit nicht aufhebbar. Deshalb ist es auch sinnvoll, über das Urteil zu sprechen sowohl in fiskalpolitischer Sicht als auch in staatsrechtspolitischer Sicht. Wir finden - das sieht meine Fraktion geschlossen so -, dass das Bundesverfassungsgericht in der letzten Woche vor diesem Hintergrund ein äußerst kluges Urteil gefällt hat,
weil es zum einen grünes Licht für die beiden Verträge Fiskalpakt und ESM gegeben hat und zum anderen aber auch gleichzeitig sagt, mit der Maßgabe, dass eine grundgesetzkonforme Auslegung vorausgesetzt wird. Insofern hat Karlsruhe auch ein Stoppsignal gesetzt gegen die Entleerung der parlamentarischen Rechte und ein Stoppsignal gesetzt gegen die Auszehrung der deutschen Staatlichkeit, weil es insbesondere in seinem Urteilsspruch gesagt hat, es ist dem deutschen Gesetzgeber, also dem Bundestag, verwehrt - ich zitiere -, „dauerhafte völkervertragsrechtliche Vertragsmechanismen zu etablieren, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen.“ Dieser wichtige Satz heißt, selbst wenn im Deutschen Bundestag ein solches Gesetz vorgelegt würde, darf der Deutsche Bundestag aufgrund der grundgesetzrechtlichen Schranken nicht zustimmen. Das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil sagt zugleich, dass über jede weitere einzelne Haftungsübernahme in der Zukunft, über jede einzelne weitere geldliche Haftungsübernahme im Einzelfall immer wieder neu durch den Bundestag abgestimmt werden muss und keine Kompetenzübertragung auf Dauer durch einen Beschluss vorausgesetzt wird. Das stärkt die Budgetrechte unmittelbar und ist auch notwendig, weil damit auch die Kompetenzzuschreibung beim Grundgesetz auch da ist und auch die Grenzziehung der Kompetenzzuständigkeiten im Grundgesetz festgelegt ist, aber auch da, wo der Übergang zur Staatlichkeit bei Europa beginnen würde und andererseits wo sie durch das Grundgesetz verwehrt ist. Sie kennen vielleicht das Sorites Paradoxon, also sozusagen das Haufenparadoxon, wo es in der kurzen Erzählung darum geht, dass drei Sandkörner natürlich
noch kein Sandhaufen sind und drei weitere auch kein Sandhaufen sind, aber viele tausende Male wiederholt drei Sandkörner auf diesen Berg gelegt sind irgendwann ein Sandhaufen. Aber das Paradoxon ist, welches Sandkorn war das, das den Haufen zum Sandhaufen gemacht hat? Genauso ist es mit der Kompetenzübertragung an die Europäische Union. Wann ist der Punkt gekommen, durch welche einzelne Kompetenzübertragung wird aus dem Staatenbund ein Bundesstaat. Deshalb ist genau die Grenzziehung, die das Bundesverfassungsgericht festgelegt hat, dass jede einzelne Entscheidung immer durch den Bundestag abzustimmen ist, definiert genau das Paradoxon, dass man dann auch noch definieren kann, wo ist die letzte Schwelle erreicht. Wolfgang Schäuble hat in seinem Interview in dieser Woche im „Focus“ das auch noch einmal unterstrichen, der als Befürworter weiterer Souveränitätsrechtsübertragung gilt, aber auch sagt, derzeit verbietet das Grundgesetz eben diese dauerhafte Souveränitätsübertragung. Dazu braucht es eine Entscheidung durch das deutsche Staatsvolk, bevor es dazu kommt, sagen wir, dass man einen ehrlichen und fairen Diskussionsprozess darüber definieren muss, braucht es weitere Kompetenzübertragung und Souveränitätsrechtsübertragung oder ist nicht die Grenze ausgeschöpft, wo das nicht weitergeht? Darüber zu diskutieren, halten wir in besonderer Weise für wichtig. Ich mache keinen Hehl daraus und so auch unsere Fraktion, dass wir die Entwicklung insofern mit Skepsis betrachten, wenn man von vornherein unterstellt, es braucht für weitere europäische Stabilisierung mit Blick auf Bankenunion, mit Blick auf Fiskalunion diese weitere Souveränitätsrechtsübertragung. Wir sehen das nicht. Dem liegt oft die Urteilsempfindung zugrunde, dass man sagt, dass man die Europäische Union mit der Währungsunion gleichsetzt. Tatsächlich sind aber die 17 Mitgliedstaaten der Währungsunion nicht gleichzusetzen mit den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Diese Gleichsetzung schlechthin unterstellt, dass man die europäische Stabilisierung mit Blick auf Fiskalunion und Bankenunion nur hinbekommt, wenn man diese Harmonisierung bei den Souveränitätsrechten erreichen würde, ist eben genau nicht der Fall. Deshalb sagen wir, wir brauchen einen fairen, einen offenen Diskussionsprozess - wie stellen wir uns Europa weiter vor, wo sind die Grenzen der Staatlichkeit. Darüber zu definieren und zu diskutieren muss jetzt ein erster Schritt sein. Wenn wir am Ende zu der Entscheidung kommen, das neu zu definieren, dann muss man darüber reden, was passiert mit unserem deutschen Grundgesetz, und darüber muss dann am Ende das deutsche Staatsvolk entscheiden. Darauf hinzuweisen wollten wir in der kurzen Zeit der Aktuellen Stunde heute vornehmen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat als einzige im Bundestag vertretene Fraktion gegen ESM und den Fiskalpakt gestimmt und den Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt. Die Aktuelle Stunde fragt nach den Auswirkungen dieses Urteils auf die deutschen Bundesländer und somit auf Thüringen. Die Antwort zu geben, erscheint mir relativ einfach; ich will das in drei Punkten stichwortartig tun.
Zum einen steht zu befürchten - und Herr Mohring hat es angedeutet -, dass sich der Sparkurs in den Bundesländern und den Kommunen verschärfen könnte und verschärfen wird.
Zweitens, dass bei volkswirtschaftlichen Verwerfungen Gegenmaßnahmen, die flankiert werden können durch eine aktive Investitionspolitik aus Ländern und Kommunen, weiter erschwert werden, also dass wir ein zweites restriktives Instrument neben den Schuldenbremsen dazubekommen.
Drittens, dass - entgegen Ihrer Interpretation, Herr Mohring - die Parlamente auf der langen Linie nicht gestärkt sind durch das Urteil, sondern weiter geschwächt sind, trotz oder gerade wegen der Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts.
Man kann ESM und Fiskalpakt durchaus auch im Paket mit all den anderen Maßnahmen diskutieren und dabei kritisch prüfen, also durchaus auch nach Chancen suchen. Bezogen auf die Frage, ob eine der Hauptgefahren für die gemeinsame Währung, den Euro, nicht in der Spekulation besteht, und die Frage, wie kann diese Spekulation verringert werden und damit die Abhängigkeit der Staatsfinanzierung in Europa von den privaten Akteuren an den Finanzmärkten und von den Finanzakteuren generell. Das Modell Rettungsschirm und Fiskalpakt bedeutet ja, dass Anleihekäufe durch die EZB dann möglich sein sollen, wenn einzelne Staaten aber auch bereit sind, im Gegenzug unter diesen Rettungsschirm zu gehen und damit zu Sparmaßnahmen in ihrem nationalen Rahmen verpflichtet werden können. Insofern wäre abzuwägen, ob mit den beschlossenen Maßnahmen, also auch der Möglichkeit für die EZB, Anleihekäufe zu tätigen, die Spekulationen der privaten Akteure zurückzudrängen und damit die Gefahren der Zerschlagung des Euros insgesamt zu reduzieren. Danach müsste man das Gesamtpaket prüfen. Unserer Auffassung nach ist die Spekulation damit noch nicht gebannt und ebenso wenig die Sorge oder die Gefahr, dass der Euro als Ganzes zerschlagen wird.
Um diese Gefahr zu bannen, braucht es viele andere Maßnahmen, vor allen Dingen andere Maßnahmen. Ich will die nennen.
Erstens: Wir haben seit gestern wieder verschärft die Debatte um Reichtum und Armut. Die privaten Vermögen in diesem Land, in Deutschland, sind enorm gewachsen und sie werden nach wie vor nicht zur Finanzierung des Gemeinwesens, zum Abbau der Schulden herangezogen. Herr Mohring, das wäre ein Auftrag an die Bundesregierung, hier in diesem Bereich endlich tätig zu werden.
Zweitens: Die lange angekündigte Finanztransaktionssteuer - auch von Frau Lehmann hier im Haus als eine der Maßnahmen zur Bekämpfung von Spekulationen gewürdigt - bisher kein Ergebnis. Einen Marshallplan zum Wiederaufbau im ökonomischen Bereich weiter Teile Süd- und Südosteuropas gibt es auf europäischer Ebene nicht.
Handlungsaufforderung für die Bundesregierung das Schließen von Steuerschlupflöchern nach wie vor nicht vorhanden. Ein Steuerabkommen, welches Menschen, die Schwarzgeld in andere Länder geschafft haben Strafrechte, so etwas bringen Sie auf den Weg, aber wirkungsvolle Maßnahmen, um diese Steuerflucht zu verhindern, die haben Sie nach wie vor in der Bundesregierung nicht auf den Weg gebracht.
Meine Damen und Herren, das alles wären Maßnahmen, um letztlich auch die Frage der Krisenbekämpfung in den Mittelpunkt zu räumen, um die Frage der Gerechtigkeit zu stellen und letztlich auch, Herr Mohring, um die Steuerungsfähigkeit der nationalen Haushalte und der Haushalte der Länderparlamente wieder zu erlangen. In diesem Sinne sollten Sie tätig werden in der Bundesregierung. Insofern richtet sich die Kritik nicht nur an die CDUFraktion, sondern auch an die FDP-Fraktion hier im Haus. Vielen Dank.