Protocol of the Session on June 22, 2012

nicht infrage, soll zumindest eine Duldung ausgesprochen werden. Aber auch hier haben wir noch einmal die Kriterien ganz klar festgeschrieben, die den Ausländerbehörden bei ihrer Entscheidung einen klaren Rahmen vorgeben sollen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Den gibt es schon.)

Dazu zählen die Möglichkeiten, eine Schul- und Berufsausbildung abzuschließen, die medizinische Behandlung in Deutschland zu ermöglichen, aber auch die medizinische Versorgung zu gewährleisten, wenn sie im Kosovo nicht sichergestellt wird. Dazu zählen wir insbesondere die Therapien für Traumata, denn psychologische und psychotherapeutische Behandlungen sind im Kosovo nicht wirklich möglich. Im dritten Teil schreiben wir die Unterstützung bei freiwilligen Rückkehrern fest. Damit geben wir den Ausländerbehörden eine klare Richtlinie für ihr Handeln. Wir fordern die Nutzung dieses Spielraums. Ich hoffe auf eine breite Unterstützung unseres Alternativantrags.

(Beifall CDU, SPD)

Für die FDP-Fraktion hat Abgeordneter Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beraten heute über den Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Abschiebungen in den Kosovo aussetzen“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war ein sehr vielfältiges Bild, das wir während der Delegationsreise im Kosovo vorgefunden haben. Das ging von absoluter Armut bis hin zu durchaus nicht immer nur bescheidenem Wohlstand - Frau Kollegin Kanis hat das gerade formuliert -, von teilweiser Verzweiflung bis Optimismus, von Stagnation bis hin zu Wachstum und von demotivierten bis hin zu hochmotivierten und engagierten Personen. Natürlich kann man die Dinge unterschiedlich sehen und das haben wir ja auch gerade in der Debatte mehr als deutlich gesehen. Der Bericht, den Frau Kollegin Rothe-Beinlich verfasst hat, diskreditiert aus meiner Sicht die Arbeit der Menschen, die sich im Kosovo sehr stark für Rückkehrer einsetzen.

(Beifall CDU, FDP)

Alles niederzureden, was Regierungs- und vor allem auch Nichtregierungsorganisationen leisten, um den Menschen zu helfen, nur weil es nicht in das vorgefertigte Bild passt, ist aus meiner Sicht einfach nur traurig und wird dem Ansinnen und den Menschen, die im Kosovo wirklich etwas tun, nicht gerecht, meine Damen und Herren.

(Abg. Kanis)

(Beifall FDP)

Wir können ja dann dazu etwas sagen, sobald...

Ich wollte Sie fragen, ob Sie die Anfrage von Frau Berninger gestatten?

Frau Präsidentin, am Ende gern.

Dann machen wir es am Ende.

Sobald sich einer nicht mit Ihren Vorstellungen identifizieren kann, wird erklärt, ihm seien die Menschen, die von einer Abschiebung betroffen sind oder betroffen sein könnten, egal. Das, meine Damen und Herren, ist nun wirklich nicht der Fall. Ich glaube, da sollten wir auch fairer miteinander umgehen.

(Beifall FDP)

Ich halte es für unangemessen, wenn Frau Kollegin Berninger davon spricht, dass es sich hier um einen Vorwand gehandelt habe. Dann stellt sich mir die Frage, wer hier was, wann, wofür als Vorwand verwendet.

(Beifall CDU, FDP)

Ich denke, bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen, die hier deutlich werden, hat diese Reise wohl zu Erkenntniszugewinnen von allen Beteiligten geführt. Das ist, glaube ich, bei jeder Reise der Fall, dass man mit einer ganz konkreten Anschauung natürlich auch andere Einblicke erhält. Ich denke, deswegen sollten wir auch hier sachlich miteinander diskutieren und nicht versuchen, die Probleme, die dort ganz offensichtlich auf dem Tisch liegen, zu instrumentalisieren.

Ich möchte auch eins sagen, was auf den Spendenaufruf des Vorsitzenden des Innenausschusses hier gesagt worden ist, ich finde das nicht fair und ich finde das nicht in Ordnung. Man kann hier nicht davon reden, dass es sich um einen Aufruf handelt, um das Gewissen zu beruhigen, sondern ich glaube schon, dass wir gerade bei der Diakonie in Kosovska Mitrovica ein Engagement vorgefunden haben, das es wert ist, unterstützt zu werden, und das ist deswegen auch richtig.

(Beifall CDU, FDP)

Auch die Worte, die wir hier gehört haben über das Loyola-Gymnasium bei Prizren - sicher ist das Loyola-Gymnasium mit seiner Ausrichtung keine Lösung für die breite Masse. Da brauchen wir gar

nicht drum herum zu diskutieren. Und sicher ist es auch so, dass es in dem Loyola-Gymnasium das eine oder andere gibt, was man nicht gut finden muss. Ich selber als Bauingenieur hatte ein bisschen den Eindruck, der Planer muss vorher in seinem Leben Festungsbaumeister gewesen sein. Aber eines, meine Damen und Herren, ist auch richtig und das darf man an dieser Stelle nicht unter den Tisch kehren - das, was dort in dieser privat ausgerichteten Schule geleistet wird, ist auf alle Fälle ein Beitrag zur Bildung im Kosovo. Wir haben es gehört, im Kosovo ist Bildung auch kriegsbedingt am Boden. Es ist auf jeden Fall ein richtiger Beitrag, wenn man dabei helfen kann, dass Menschen in dem Land Zugang zu Bildung erhalten.

(Beifall FDP)

Diejenigen, die dort Zugang zu Bildung erhalten an diesem Gymnasium, sind nicht nur die Wohlhabenden, die es sich leisten können, sondern auch diejenigen, die Zuschüsse erhalten. Durch den Rost fallen - wie in anderen Gesellschaften auch - diejenigen, die zwischen beiden Grenzen liegen, auf Deutsch gesagt, die Mitte. Aber, meine Damen und Herren, es gibt eben nicht nur schwarz und weiß, sondern eine breite Palette an Ansichten, Lösungsansätzen und ganz persönlichem Einsatz. Letztendlich soll und muss der beste Weg gefunden werden, Menschen zu helfen. Deswegen stellen wir in Tagesordnungspunkt 11 auch einen eigenen Antrag vor. Dieser setzt aber beim Aufenthaltsgesetz an, und dazu sage ich dann dort selbstverständlich mehr.

Meine Damen und Herren, in Thüringen haben wir im Jahr 2011 - da sollte man sich auch die Zahlen ansehen - 116 abgeschobene Asylbewerber gehabt, davon keinen in den Kosovo. Das heißt, ein pauschaler Abschiebestopp für Menschen aus dem Kosovo bietet nach unserer Auffassung keine nachhaltige Lösung, weil er sich eben nur auf eine Gruppe bezieht.

(Beifall FDP)

Der Alternativantrag von CDU und SPD verdeutlicht, dass die Delegationsreise tiefgreifende Eindrücke hinterlassen hat. Sicher wird den Kollegen von LINKEN und GRÜNEN, das war hier auch schon zu hören, der Antrag nicht ausreichen. Aber er greift zumindest teilweise das auf, was wir im Kosovo wirklich vorgefunden haben. Hilfe zur Selbsthilfe, meine Damen und Herren, ist aus meiner Sicht eine ganz wichtige Formel, um dem perfiden Handwerk jener nicht Vorschub zu leisten, die ethnische Vertreibungen betrieben haben.

(Beifall FDP)

Wir brauchen deshalb eine bessere Unterstützung der Rückkehrer, damit der Zugang zu berufsqualifizierenden Bildungseinrichtungen und medizinischer Versorgung sichergestellt wird. Auch muss dafür

gesorgt werden, dass Rückkehrern eine angemessene Unterbringung zur Verfügung steht. Wir haben in der Debatte auch schon gehört, die Frage der Netzwerke, die für diejenigen, die lange Zeit nicht zu Hause gewesen sind, ist abgebrochen. Es ist in dem Land viel stärker als in anderen Ländern so, dass man eben diese Netzwerke braucht, um wieder Fuß zu fassen, um Arbeit zu finden und so weiter und so fort. Also auch dort ist Unterstützung notwendig.

Wir haben aber, meine Damen und Herren - auch das gehört zur Fairness und zur Ehrlichkeit und zu der Buntheit dieses Bildes dazu -, auch beeindruckende Beispiele erfahren dürfen, wo diese Hilfe zur Selbsthilfe Gutes leistet. Ich denke etwa an einen Maler, der als Geselle in Baden-Württemberg ausgebildet worden ist und zurück in die alte Heimat gegangen ist und mit einem Zuschuss, ich weiß jetzt die Zahl aus dem Kopf nicht mehr so ganz genau, auf jeden Fall von unter 1.000 €, eine Firma aufgebaut hat - erst als Einzelkämpfer und nach zwei Jahren mit knapp 100 Mitarbeitern.

(Beifall FDP)

Das ist Hilfe zur Selbsthilfe und das bringt das Land und die Menschen vor Ort nach vorne. Das muss auch unterstützt werden. Wir haben auch gesehen, wie mit diesen vielen kleinen Projekten, übrigens auch bei den NGOs, kleine Existenzgründer unterstützt werden, die sich mit einer Kuh und landwirtschaftlichem Gerät mit einem landwirtschaftlichen Betrieb selbstständig machen. Das wird natürlich nicht dazu führen, dass die große wirtschaftliche Blüte auf einmal hereinbricht, aber es sichert einer Familie die Existenz

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Nur für freiwillige Rückkehrer.)

und deswegen ist es richtig.

(Beifall FDP)

Wir haben, ohne jetzt vollzählig alles aufführen zu wollen, die Ausbildung gesehen in der Diakonie in Kosovska Mitrovica, gerade an dem Brennpunkt zwischen dem Norden des Landes und der Mitte und dem Süden. Wir haben gesehen, was dort geleistet wird, damit Leute durch eine für örtliche Verhältnisse solide Ausbildung eine Chance haben, sich eine Existenz zu erarbeiten. Wir haben ebenfalls dort gesehen, wie eine Roma Mahalla, also eine Siedlung für Roma, aufgebaut worden ist, wo man den Menschen die Chance geboten hat, aus menschenunwürdigen Bedingungen herauszukommen. Auch das gehört zu der Wahrheit des Krieges, dass Roma, Ashkali und Ägypter gerade dort, an diesen Brennpunkten zwischen den Hauptnationalitäten, wenn ich das mal so etwas vereinfacht nennen darf, zwischen den größeren Nationalitäten, zerrieben worden sind und von beiden Seiten verdächtigt worden sind und dann bei Kosovska Mitro

vica auf das verseuchte Gelände einer Bleimine getrieben worden sind. Mit dieser Siedlung ist dafür gesorgt worden, dass es bessere Lebensbedingungen geben kann.

All das, meine Damen und Herren, darf man nicht einfach unter den Tisch kehren, das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Es braucht eine bessere Einzelfallprüfung, bevor eine Abschiebung vorgenommen werden darf. Ich will nur einige Punkte nehmen, da alles im Antrag zu lesen ist und auch die Zeit etwas voranschreitet. Die Belange gut integrierter Jugendlicher sind zu beachten. Gerade der Schulbesuch

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das steht im Gesetz.)

und die Berufsausbildung sind wichtige Grundlagen für den weiteren Werdegang eines Menschen und sollten nicht durch eine Abschiebung unterbrochen werden. Das zerstört Lebensgeschichten und das können wir nicht wollen, wir haben von einem entsprechenden Beispiel auch vorhin im Petitionsbericht gehört. Weitere Punkte, meine Damen und Herren, sind im Antrag beschrieben, ich will deswegen nicht einzeln darauf eingehen, aber sie sind richtig und wichtig.

Einen Punkt aber möchte ich noch benennen, nämlich die Aufforderung, das URA-2-Projekt, URABrücke, Sie haben es vorhin richtig gesagt, das kann ich nur ausdrücklich begrüßen, denn das gehört einfach dazu, dass man den Menschen, die auch wieder zurückkehren, die Chance bietet, ihr Leben zu gestalten. Die Leute sind engagiert, bemühen sich und sind jederzeit Ansprechpartner für freiwillige und zwangsweise Rückkehrer, auch wenn die schlechtergestellt sind. Viele Projekte im Kosovo sind nur für freiwillige Rückkehrer zuständig, URA 2 ist das ausdrücklich nicht und das ist auch gut so. Damit will ich ausdrücklich die Arbeit jener nicht diskreditieren, die sich ausschließlich freiwilligen Rückkehrern widmen oder auch jenen, die im Land geblieben sind, ich habe schon einige genannt.

Ich möchte eines auch noch mit sagen: Es gehört bei dieser Einzelfallbetrachtung auch immer dazu, sich Gedanken zu machen, wo sollen denn diese Menschen hin. Es ist ein Unterschied, ob jemand nach Prizren zurückkehrt, nach Ferizaj oder eben nach Kosovska Mitrovica oder nach Zubin Potok, auch das gehört zu einer vernünftigen Gestaltung dazu.

Meine Damen und Herren, ich möchte, was die vielen Engagements anbelangt, weil wir vorhin über das Loyola-Gymnasium gesprochen haben, noch eins sagen: Besonders beeindruckt hat mich das Engagement der Menschen an der staatlichen Schule in Prizren, weil dort die Herzlichkeit, die wir erlebt haben, bei den meisten zumindest von Her

zen kam, auch wenn sie mit verflucht einfachen Bedingungen zu kämpfen haben.

(Beifall CDU, FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden mit Blick auf den Tagesordnungspunkt 11 den Antrag der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnen und dem Alternativantrag von CDU und SPD zustimmen. Ich danke Ihnen und stehe jetzt für die Frage zur Verfügung.

(Beifall CDU, FDP)

Frau Abgeordnete Berninger.