Was wir brauchen, ist eine Politik, die sachgerecht und sektorübergreifend Versorgungsplanung macht, die die Primärversorgung aufwertet und die Kooperation der Gesundheitsberufe vor allen Dingen fördert und außerdem Anreize gegen die verbreiterte Über- und Fehlversorgung schafft.
Noch mal: Wir haben eine sehr heterogene Aufstellung in Thüringen. Das lässt sich sehr wohl - das wurde vorhin auch schon gesagt - nicht mit einem Patentrezept lösen, wohl aber mit guten, kreativen Ideen.
Zum Antrag und den einzelnen Punkten noch in aller Kürze vielleicht auch aus Erfahrung während der Gesundheitstour einfach ein, zwei Gespräche für Sie zum Nachvollziehen: Zum Thema Ausbau des Lehrstuhls für Allgemeinmedizin, das ist alles ganz toll, aber wenn Sie sich mal mit Ärzten, die in unterversorgten Gebieten arbeiten, unterhalten, dann sagen die, was bringt uns das, dass Sie jetzt diesen Lehrstuhl aufpeppen. Diejenigen, die da jetzt anfangen zu studieren, sind frühestens in zehn Jahren fertig - frühestens. Bis dahin müssen wir irgendwie kommen. Das heißt, wir brauchen auch Ideen, wie wir die Ärzte, die jetzt in unterversorgten Gebieten behandeln, befähigt werden, einfach viel mehr Menschen behandeln zu können mit kreativen Instrumenten von AGnES bis VERA usw. angefangen. Sie wissen, Sie kennen diese Konzepte zur Gemeindekrankenschwester.
Zur Frage der Verzahnung von stationärer und ambulanter Versorgung habe ich schon etwas gesagt. Ich will aber noch einen Satz sagen zur Frage der Hebammenarbeit. Ich weiß nicht, warum Sie das hier aufgenommen haben. Das scheint mir so ein bisschen willkürlicher Mischmasch, weil es mal dran war. Die Hebammen, denen es an vielen Stellen wirklich schlecht geht, vor allen Dingen deswegen, weil sie so schlecht bezahlt werden, dass sie echte Nachwuchsprobleme haben,
und die so eine wichtige und so eine unglaublich gute Arbeit leisten, denen ist nicht damit geholfen, dass Sie hier ganze zehn Worte für diese Berufsgruppe übrig haben. Der schöne Spruch, den fast jede Hebamme auf ihrem Köfferchen, den sie immer bei sich hat, drauf trägt, nämlich „Kinder tun gut, nur Mut“, der gewinnt dadurch jedenfalls nicht mehr Gewicht.
Lassen Sie sich da etwas Besseres einfallen. Sie sitzen am längeren Hebel, da nehmen wir auch ihren Antrag ernst. Sollten Sie nicht vorhaben, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen, werden wir dem nicht zustimmen können, weil er so ein Sammelsurium ist und weil er der Tatsache, dass wir da noch viel tiefgründiger arbeiten müssen - ich kann auch sagen, er ist unterkomplex, das trifft es am besten -, einfach nicht gerecht. Wir würden uns an dieser Stelle enthalten.
Danke, Frau Abgeordnete Siegesmund, war das jetzt von Ihrer Seite die Beantragung zur Überweisung an den Ausschuss?
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, ich bin der letzte Redner und das ist sehr gut, weil ich mich dann kurzfassen kann, denn das meiste wurde schon gesagt. Sehr viel Richtiges ist gesagt, wir sind uns alle überwiegend einig. Eine Sache, da möchte ich Herrn Gumprecht - mit dem wir zusammen den Antrag hier erarbeitet haben - trotzdem widersprechen. Ein Mehr an Studenten wird das Problem leider nicht lösen, weil wir schon während des Studiengangs 20 Prozent verlieren, aber zwischen Staatsexamen und Anmeldung bei der Landesärztekammer noch mal um die 20 Prozent verlieren.
Während der Facharztausbildung gehen dann 30 Prozent jedes Jahrgangs noch mal ins Ausland. Das heißt, wir verlieren vom Studienbeginn bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Leute Facharzt sind, sich niederlassen könnten, überwiegend 70 Prozent der Studenten an das Ausland - nicht alle, manche kommen wieder, manche gehen nur zeitweilig, aber man kann das nicht so 100-prozentig sagen. Wir müssen da also die Bemühungen intensiveren und nicht extensivieren. Wir müssen die Leute, die hier studieren, hier halten, dauerhaft hier halten.
Da ist gerade von der Ministerin ein ganzer Mix an Maßnahmen vorgestellt worden. Diese Maßnahmen werden uns sicher helfen. Aber in der Pflicht ist natürlich auch die Kassenärztliche Vereinigung, die Frau Feldmann ist ja ausdrücklich gelobt worden. Für mich ist die Nagelprobe bei der Kassenärztlichen Vereinigung erstens der Umgang mit den Regressforderungen an Ärzte, die zu viel gearbeitet haben, denn es ist ziemlich widersinnig, dass wir auf der einen Seite sagen, wir haben einen Ärztemangel. Auf der anderen Seite machen wir Praxen durch sechsstellige Regressforderungen platt, weil sie zu viele Patienten gehabt haben; das ist schizophren.
Das Zweite, bei dem ich die KV in die Pflicht nehme, wenn sie tatsächlich jetzt die Regelleistungsvolumina verändern. Das möchte ich bitte als Lenkungsfunktion verstanden wissen. Das heißt, sie werden dort verändert, wo wir einen Ärztemangel haben. Wo wir keinen Ärztemangel haben, muss man sie nicht zwingend verändern. Deswegen würde ich da sagen, ein bisschen Veränderung mit Augenmaß, das ist auch sehr wichtig.
Die Definition des Mangelgebiets gehört endlich auf den Prüfstand, denn auch in Gebieten in Regionen mit 110-prozentiger Ärzteauslastung - also die voll versorgt sind - gibt es Fachrichtungen, zu denen
man heute hingeht und sagt, ich brauche einen Termin. Da sagen die, kommen Sie nächsten Monat, da vergeben wir die Termine für das übernächste Quartal. Wir brauchen also die Neudefinition, wo ist ein Mangelgebiet, wie viele Ärzte brauchen wir von jeder Fachrichtung in entsprechender Altersstruktur. Da ist auch viel zu tun. Aber, ich denke, wir sind mit diesen Maßnahmen auf einem richtigen Weg. Da hat der Freistaat auf jeden Fall die Funktion, die Leute an einen Tisch zu bringen, auch die Marschrichtung vorzugeben. Ich persönlich finde es sehr wichtig, dass wir hier klargemacht haben, dass wir die Kommunen, die keinen anderen Weg mehr finden, einen Arzt in ihre kommunalen Grenzen zu bringen, in die Lage versetzt haben oder in die Lage versetzen können, das zu tun. Sie sind nicht der erste Ansprechpartner, sie sind nicht die Ersten in der Pflicht, aber sie sind diejenigen, die jetzt zumindest nicht mehr als Bittsteller von Pontius zu Pilatus laufen müssen, um da irgendwelche Ärzte aufzutreiben, sie können selber auch aktiv werden. Das ist ein Gewinn an Möglichkeiten, ein Gewinn an Qualität und deswegen ist das zu begrüßen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Hartung. Es hat sich noch einmal zu Wort gemeldet Frau Ministerin Taubert.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich will Sie auch nicht länger als die nächste halbe Stunde belästigen.
Aber es sind schon noch ein paar Fragen aufgeworfen worden, da möchte ich nicht, dass die so unbeantwortet stehen bleiben. Frau Siegesmund hat GKV-Versorgungsstrukturgesetz angesprochen; ich denke, wir haben uns oft in der Zeitung dazu geäußert, nicht nur die SPD auf Bundesebene, sondern wir auch als Ministerium, und das hat einen ganz nüchternen Grund. Wir haben zwei Jahre, bevor Herr Minister Bahr einige unserer Anregungen aller Landesgesundheitsminister aufgegriffen hat, darüber beraten, wirklich parteiübergreifend, A- und B-Seite zusammen, ist ein langes Papier erarbeitet worden, das wir auf der Gesundheitsministerkonferenz im Jahr 2009 dann auch einstimmig beschlossen haben. Das heißt, die Vorarbeit für dieses Gesetz, die ist auf jeden Fall in den Ländern geleistet worden. Deswegen haben auch wir gesagt, es ist ein unzureichendes Gesetz. Der Bund ist aber - das kann man zumindest nachvollziehen, wenn man es auch nicht toleriert - zuständig dafür. Der sagt na
türlich, ja, Freunde, wenn wir zuständig sind, dann wollen wir es auch regeln, und das in unserer Kompetenz. Alles mache ich dann auch nicht mit. Wir haben z.B. vorgestellt, weil das ein Nadelöhr ist, das wir identifiziert haben, dass wir nicht im G-BA sitzen. Jetzt sitzen wir im Unterausschuss des GBA, das heißt, wir können eigentlich wenig tun. Aber das ist vom Bundesgesundheitsministerium vollständig abgelehnt worden, da eine andere Kompetenz zu haben. Es ist begründet worden. Darüber muss man in der politischen Diskussion auf Bundesebene auch noch mal sprechen, dass er selber ja auch nur im G-BA wegen der Selbstverwaltung die Geschäftsstelle führt. Also auch der Bund hat im G-BA nichts zu sagen. Deswegen ist das ein Punkt, bei dem wir als Länderminister auch in Thüringen gefordert haben, wir müssen da sitzen. Das ist auf Bundesebene zu klären. Da sage ich schon auch noch einmal, Frau Andrea Fischer hat in ihrer Zeit als Bundesgesundheitsministerin an der Stelle auch nicht wirklich etwas bewirken können. Das ist gerade einmal zehn Jahre her, aber das Problem war damals auch schon so. Insofern sollten wir daran gemeinsam weiter arbeiten, das ist meine Botschaft an der Stelle.
Der Herr Kubitzki hat die Frage gestellt, ob es mit den akademischen Lehrkrankenhäusern reicht. Das reicht. Wir haben jetzt erst kürzlich auf Bundesebene zugestimmt - nach einer etwas schwierigeren Abstimmung -, dass eigentlich alle Krankenhäuser als Lehrkrankenhäuser dienen können. Insofern gibt es da keine Probleme. Das kann ich heute schon beantworten.
Das gemeinsame Gremium wird sich zusammensetzen aus der Ärzteschaft, Landeskrankenhausgesellschaft, die kommunalen Vertreter werden drinsitzen und wir finden, es ist wichtig, dass es das gibt. Wir haben in keinem anderen Bundesland ein momentan arbeitendes. Es ist auch gar nicht anders zu erwarten, weil der Bund zunächst Anfang des Jahres das Gesetz in Kraft treten lassen hat und wir jetzt die Landesgesetze machen müssen. Wir haben es in der Ressortabstimmung. Mittlerweile, denke ich, sind alle Ministerien für diesen Gesetzentwurf aufgeschlossen und das wird dieses Jahr gut auf den Weg kommen. Dann werden wir uns auch selber erarbeiten müssen, was wir bereden. Das ist unsere Kompetenz. Hier sind wir selber das lernende System.
Die Kleine Anfrage geht Ihnen zu, die ist mittlerweile beantwortet, also werden Sie sie in den nächsten Tagen bekommen.
Ich möchte auch meinen Kollegen Hartung korrigieren, das kann ich nicht stehen lassen. Nicht 70 Prozent der ausgebildeten Ärzte gehen ins Ausland ich habe 70 verstanden und ich denke, ich sitze nahe dran, aber die 70 verlieren wir … Keine Anfrage stellen.
Die 70 Prozent - das ist richtig, war ja auch gemeint - gehen nicht in den Arztberuf. Das ist tatsächlich so, daran müssen wir arbeiten, das wollen wir auch gern tun. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Jetzt kann auch der Letzte gehen.
Herzlichen Dank, Frau Ministerin. Jetzt stelle ich noch mal die Frage, gibt es noch Redebedarf? Das sehe ich nicht. Ich gehe davon aus, dass das Berichtsersuchen zu Nummer I des Antrags erfüllt ist oder regt sich hier Widerspruch? Nein. Außerdem gibt es den Antrag auf Überweisung der Nummer II des Antrags an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Gibt es Gegenstimmen? Die kommen aus den Fraktionen der SPD und der CDU. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisung abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung zu Nummer II des Antrags der Fraktionen der CDU und der SPD in Drucksache 5/4474. Wer für den Antrag stimmen möchte - die Nummer II des Antrags -, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE, SPD und CDU. Gibt es Gegenstimmen? Keine. Gibt es Stimmenthaltungen? Die sind von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der FDP. Damit ist der Antrag angenommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Die Plenarsitzung ist beendet.