Protocol of the Session on June 1, 2012

Aber was bietet das GKV-Versorgungsstrukturgesetz eigentlich? Nun, es ist das erste Gesetz, das sich überhaupt den verschärften Problemen des Ärztemangels annimmt. Die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung soll nun über die Weiterentwicklung der Bedarfsplanung der Länder erreicht werden. Hier trug die Bundesregierung auch dem lauten Ruf der Länder nach mehr Einfluss Rechnung. Es soll künftig zum Beispiel möglich sein, die Planungsbereiche zu flexibilisieren, die Möglichkeit der Berücksichtigung der Demographie und der damit erhöhten Mobilität und Arzt-Patienten-Kontakte bei der Anpassung der Verhältniszahlen auf Landesebene von den Vorgaben des gemeinsamen Bundesausschusses bei der Aufstellung des Bedarfsplans auf Länderebene abzuweichen, Krankenhausärzte in die Bedarfsplanung einzubeziehen, die Möglichkeit zur Erteilung von Sonderzulassungen sektorenübergreifend der Organisation des ärztlichen Notfalldienstes. Kassenärztliche Vereinigungen können Strukturfonds bilden und damit gezielt Niederlassungen fördern. Die Aufhebung der Residenzpflicht für Vertragsärzte, erleichterte Grundlagen zur Delegation von ärztlichen Leistungen und anderer Gesundheitsberufe, Unterstützung mobiler Versorgungskonzepte wie z.B. an weiteren Orten und Bildung von Zweitpraxen, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder im Ausnahmefall, dass Gemeinden selbst eigene Einrichtungen betreiben können usw. usf.

Sie sehen, auf die Akteure des Gesundheitswesens kommen große Herausforderungen zu, auch gerade für die Gesundheitsministerien der Länder. Wir sind schon sehr gespannt, welche Lösung uns die Landesregierung bis Jahresende 2012 präsentieren wird, denn eine weitere zentrale Neuerung ist es, dass die Akteure und damit auch die Länder mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben und damit in einen Wettbewerb der besten Lösungen eintreten.

(Beifall FDP)

Ich hoffe, wir werden Lösungen in Thüringen finden, von denen andere Länder lernen können und Thüringen profitiert.

(Beifall Abg. Mühlbauer, SPD)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Da hört doch mal hin.)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das war ein guter Satz, den kann man so stehen lassen.)

Ich bin gleich fertig.

Wenn ich mir aber die Arbeitsgeschwindigkeit bei der Hygieneverordnung ansehe, die viele Wochen über den bundesgesetzlich verankerten Termin hinausgeht, befallen uns als Liberale berechtigte Zweifel.

(Beifall FDP)

(Abg. Kubitzki)

Wir werden jedenfalls diesen Prozess kritisch, aber mit Wohlwollen begleiten. Ich freue mich dann auch schon oder mein Kollege Koppe wird sich auch freuen, wenn dies im zuständigen Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und im Haushalts- und Finanzausschuss beredet wird und darum bitte ich. Danke.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Mal sehen, was wir machen können.)

(Beifall FDP)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Untermann. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Gumprecht für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der heutige Antrag hat einen längeren Ursprung, der Start begann nämlich im vergangenen Jahr. Unsere Fraktion hatte einen runden Tisch mit zahlreichen Partnern, nämlich 18 wesentlichen Partnern aus Thüringen, eingerichtet, natürlich mit dem Ziel, Vorschläge zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung zu erarbeiten. Diese Methode hat sich als sehr konstruktiv erwiesen. Natürlich baut der runde Tisch auf einer Reihe schon vorhandener Maßnahmen auf. Ich möchte hier nur eine nennen. Frau Ministerin hat dies sehr ausführlich in ihrem Bericht getan. Ich möchte mich noch mal dafür bedanken.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die hört doch gar nicht zu.)

Dennoch hat eine Ministerin immer so viel Aufmerksamkeit, dass sie das auch noch hört.

Ich möchte nur eine nennen, und zwar die Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung. Diese hat gerade in diesem Jahr im Bundeswettbewerb eine Auszeichnung erhalten, und zwar in dem Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Ich denke, das ist etwas, was Thüringen hier ganz besonders hervorhebt. Die Arbeit fand neben der Tatsache, dass natürlich sehr viele Entscheidungen auf Bundesebene liegen oder in der Hand der KV der Selbstverwaltung, immerhin 200 Anregungen, die bedenkenswert waren, natürlich einstimmig. Die Methode des runden Tisches waren 50 konkrete Vorschläge, auf die wir uns verständigt haben. Sie können sie nachlesen auf den Internetseiten unserer Fraktion. Ich habe den Bericht hier mit, den will ich nicht vortragen.

Meine Damen und Herren, ich möchte nur kurz noch auf ein zweites Thema eingehen, das natürlich heute auch Basis war, die Diskussion auf Bundesebene, was hat sich dort getan. Mit dem GKV

Versorgungsgesetz sind natürlich eine Menge Möglichkeiten geschaffen worden, weil auch das Thema vorhin kam, dass ein Arzt nicht mehr die Präsenzpflicht hat. Mit der Öffnung der Präsenzpflicht kann ich nämlich den Wohnort vom Arbeitsort trennen. Ich halte es für schwierig, weil das gerade den Landarzt ausgemacht hat. Er war immer zu erreichen. Aber die Vorstellungen unserer jungen Leute sind heute andere. Wir müssen uns auf die Lebenswelt unserer jungen Leute einrichten und dem müssen wir Rechnung tragen. Deshalb gab es auch eine Reihe Ideen im Gesetzgebungsverfahren.

Ich möchte aus unserem Antrag nur auf fünf Themen eingehen, einmal die Möglichkeit, die wir hier versuchen zu initiieren und worauf die Ministerin schon eingegangen ist, dass dieses gemeinsame Gremium errichtet wird. Ich bin froh, dass sie es gesagt hat, die gesetzlichen Voraussetzungen werden jetzt dazu geschaffen. Entscheidend werden wir uns darüber sicher noch sehr umfangreich hier an dieser Stelle unterhalten können, wer wird mitwirken, was sind die Arbeitsaufgaben, wie groß ist das Gremium, wie konstruktiv kann das sein, was ist die Aufgabe des Landes? Ich denke, das ist sehr umfangreich.

Ein zweiter Themenschwerpunkt ist für mich der Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der FriedrichSchiller-Universität. Die FSU gehört zu den 16 deutschen medizinischen Fakultäten mit einem eigenen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine der besten.)

Es versteht sich, und sie ist gerade jetzt im Ranking der Universitäten als eine der besten mit aufgenommen worden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, das zeugt auch davon, dass auf der einen Seite die praktische Tätigkeit sehr wichtig ist, aber die Lehre genauso in der Weise. Das ist ja das, was wir brauchen. Wir brauchen in Zukunft Studenten, die auch eine große Begeisterung haben, damit sie in Thüringen bleiben.

Wenn wir den Bericht der Uni Trier lesen, der in der letzten Zeit entstanden ist, um die Frage, wie viele Studenten denn zum Beispiel in deutschen Hochschulen studieren, dann sagt dieser aus, dass Jena mit 360 Studenten immerhin eine Quote von 3,5 Prozent in Deutschland hat, die über dem Thüringendurchschnitt oder dem Bundesdurchschnitt liegt. Dennoch muss man feststellen, dass nach wie vor 70 Studenten außerhalb von Thüringen studieren. Das bleibt zum Beispiel auch Aufgabe dieser Einrichtung, die so im Klacks abgeklatscht wurde, gerade diese anzusprechen. Warum sollen die 70 nicht wieder zurück nach Thüringen kommen? Ich denke, das ist eine konkrete Maßnahme. Genauso wie man darüber nachdenken muss, kann ich im

(Abg. Untermann)

Rahmen der jetzigen Möglichkeiten auch über eine höhere Studentenzahl nachdenken? Ich denke, das sind eigentlich Fragen, die auch gestellt werden. Ich bin mir da sicher, dass man da nicht einfach so darüber hinweggeht. Es reicht doch aus. Ich denke, da gibt es genug Verantwortlichkeiten auf diesem Gebiet.

Ich möchte noch zwei Themen ansprechen. Das eine Thema wurde vor allem in der letzten Zeit sehr emotional diskutiert, und zwar bei der Tagung der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen: das Thema der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst. Das ist eine Herausforderung, der wir uns in den nächsten Jahren stellen müssen. Das hat mehrere Ursachen. Eine der Hauptursachen ist die ungleiche Honorierung. Dort ist gerade der Öffentliche Gesundheitsdienst gegenüber angestellten Ärzten in den letzten Jahren benachteiligt worden. Das ist ein Thema nicht des Landes, sondern der Tarifpartner. Aber dennoch wird das hier zur Problematik werden. Das wird ein Thema sein, dem wir uns stellen.

Das zweite Thema - das hat die Ministerin schon angesprochen - ist die Frage der Hebammen. Ich denke, dieses Problem muss dringend gelöst werden. Der Bundesminister Bahr, der vor vier Wochen hier war, hat sich dazu geäußert. Ich erwarte nun, dass er auch diese Zusage umsetzt.

Zur Verzahnung des ambulanten Sektors und ebenso auf die Frage der medizinischen Versorgungszentren möchte ich nicht eingehen.

(Beifall Abg. Mühlbauer, SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben sicherlich in diesem Jahr noch über weitere Themen - gerade im Gesundheitsbereich - zu diskutieren, über das Thema Pflegekräftebedarf. Wir werden uns auch noch konkret über die Frage unterhalten, wie das Errichtungsgesetz des gemeinsamen Ausschusses aussehen wird? Deshalb werbe ich heute um Zustimmung zu unserem Antrag, vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gumprecht. Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Siegesmund für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren. Frau Ministerin Taubert, vielen Dank auch von mir für den Sofortbericht. Ich habe mir ehrlich gesagt gewünscht, dass wir den Antrag im nächsten Plenum besprechen, aber nicht, weil es Freitag nach 18.00 Uhr ist, sondern weil meine Fraktion am 18. April eine Kleine Anfrage zu dem Thema eingereicht hat mit ganz vielen Detailfragen, deren Ant

worten Sie uns aber heute leider trotzdem noch schuldig geblieben sind. Ich nenne mal ein paar Beispiele; die Frage des gemeinsamen Landesgremiums, was eingerichtet werden soll nach § 90 a SGB V, wann das kommen soll? Das haben Sie zum Beispiel leider nicht gesagt. Wer da Mitglied sein soll, wie die Landesregierung die Verteilung der unterschiedlichen Interessengruppen in dem Gremium sieht, in welchen Bundesländern es das vielleicht gibt und wo man Anleihe nehmen kann und wer in den Landesausschuss entsendet wird und viele, viele andere Fragen, die hätte man einfach, wenn das im nächsten Plenum dran gewesen wäre, heute hier besser diskutieren können. Jetzt ist es eben so.

Ich habe Ihrem Bericht aber sehr aufmerksam zugehört und zumindest haben Sie ja gesagt, dass das Ganze in Planung ist. Zum Zweiten haben Sie ja auch deutlich gemacht, welches Maßnahmepaket jenseits davon geschnürt wird, also können wir auch heute darüber reden. Ich will aber gleich an dieser Stelle sagen, es macht eine Überweisung des Antrags trotz allem großen Sinn, weil wir das heute nicht abschließend beraten können, weil zentrale Fragen in Ihrem Antrag, den Sie berechtigterweise stellen, offen geblieben sind.

An vielen Stellen kann ich mich meinen Vorrednern anschließen. Gesundheitspolitiker diskutieren nicht so streithaft miteinander, weil wir eigentlich alle das Gleiche wollen, nämlich das Beste für Patientinnen und Patienten.

(Beifall Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das gilt für das, was Herr Gumprecht ausführte, ebenso wie für das, was Herr Kubitzki sagte. Noch breiter kann man sich politisch nicht aufstellen; an dieser Stelle sind wir uns, glaube ich, sehr, sehr einig. Wir sind uns auch einig, dass der demographische und soziale Wandel uns in Thüringen vor immense Herausforderungen stellt und dass infolge des Anstiegs des Anteils älterer Menschen viele Krankheiten, chronische Krankheiten, Mehrfacherkrankungen zunehmen und wir deswegen neue Konzepte und Ideen brauchen und pfiffige Ideen brauchen. Deswegen muss sich auch die Art der Versorgung ändern, weg von der reinen arztzentrierten Behandlung hin zu einer ganzheitlichen Versorgung.

Deswegen hat sich unsere Fraktion in den vergangenen Wochen und Monaten auch auf Tour, auf den Weg gemacht, in verschiedenen Städten in Thüringen eine Gesundheitstour veranstaltet, mit Expertinnen und Experten geredet. Wir haben viele Krankenhäuser und MVZs besucht und ich kann weitestgehend das, was Frau Ministerin dargestellt hat - übrigens auch die gute Aufstellung in Bad Salzungen - unterstreichen. Das ist völlig richtig, dass da in Teilen ein großes Stück Weg gegangen wur

(Abg. Gumprecht)

de. Nichtsdestotrotz stellt sich die Landschaft der medizinischen Versorgung als überaus heterogen dar. Das ist nun mal so, dass wir zum Teil ein Überangebot an Arztpraxen aller Arten und Fachrichtungen in Ballungsgebieten haben und an anderer Stelle jetzt schon einen deutlichen Mangel, das sagt ja auch die Kassenärztliche Vereinigung, die angibt, dass derzeit 234 Hausärzte und Hausärztinnen sowie 47 Fachärzte für die ambulante Versorgung im Freistaat benötigt werden und dass dieser Mangel bis 2020 um 12,5 Prozent steigt. Mit anderen Worten: Es ist immer begrüßenswert, dass die Fraktionen von SPD und CDU sich kreativ mit diesem Thema auseinandersetzen, da schließen wir uns gern an.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe eine Sache so ein bisschen vermisst in dem Bericht der Ministerin und das ist die grundsätzliche Bewertung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes. Ich nehme an, das hat auch einfach an der Stelle wirklich etwas damit zu tun, wie sich auf Bundesebene aufgestellt wird. Meine Bundestagsfraktion hat eine sehr umfassende Formulierung dazu gefunden, wie sie das Ganze bewertet, und spricht am Ende davon, dass es nichts anderes sei als ein Sammelsurium unterschiedlichster Regelungen, die aber auch nicht dahin führen, dass wir zufrieden sein können.

Ein Beispiel möchte ich an dieser Stelle anbringen, das ist auch im Antrag von CDU und SPD genannt, und zwar geht es da um die bessere Verzahnung von stationärer und ambulanter Versorgung. Da sind wir der festen Überzeugung, dass die Zusammenlegung des ambulanten und stationären Sektors für bestimmte Erkrankungen zwar vernünftig ist, nämlich so, dass sie Krankenhäusern und Ärzten nützt, aber nicht wirklich den Patientinnen und Patienten, weil die Instrumentarien fehlen, mit denen Krankenkassen die Versorgung steuern und gute Qualität belohnen können. Das ist nur ein Aspekt, bei dem man sieht, dass wir eigentlich noch eine deutlich weitergehende Diskussion führen müssten, deswegen auch mein Wunsch, das im Ausschuss mit Ihnen weiterzuberaten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)