Inzwischen hat sich noch einiges getan. Als erster Staat haben die Niederlande am 8. Mai 2012 ein Gesetz zur Gewährleistung der Netzneutralität beschlossen. Es untersagt willkürliche Zugangsbeschränkungen durch Überwachungen durch die Provider und beschränkt invasive Ausforschungen der Nutzer. Dass ein freier Zugang zum Internet in unserer Echtzeitinformations- und Kommunikationsgesellschaft abgesichert werden muss, wird heute, denke ich, niemand mehr ernsthaft infrage stellen wollen. Ein unzensierter Zugang zur Echtzeitkommunikation und -information ist als Grundrecht einzustufen. Was allerdings Freiheit der Nutzung im Einzelnen bedeutet, ist stark umstritten. Denn die Netzneutralität - dazu muss man, denke ich, schon ein paar Ausführungen machen - wird gern mit einem vermeintlichen Anspruch auf kostenlose Nutzung von jeglichen Internetangeboten verwechselt. Es geht aber um zwei voneinander getrennte Ebenen. Der Zugang zur Internetnutzung und die Nutzung von im Web bereitgestellten Informationen und Diensten sind zwei verschiedene Dinge, die müssen oder können auch verschieden geregelt werden.
Gefördert wird der Irrtum der vermeintlichen Untrennbarkeit des Netzzugangs von der Angebotsnutzung durch die Kostenlosigkeit von Diensten wie Google oder der Kostenfreiheit vieler sozialer Netzwerke. Tatsächlich sind diese Dienste aber nicht kostenlos, sondern werden mit Nutzerdaten bezahlt, die für die Finanzierung dieser Dienste in
Form individuell zugeschnittener Werbung verarbeitet und ausgewertet werden. Aus dieser vermeintlichen Kostenlosigkeit ist bei manchen die Illusion entstanden, Netzneutralität müsste auch Produktpiraterie erlauben oder den Wegfall von Urheberrechten bedingen. Tatsächlich gibt es aber diesen Anspruch nicht und es darf ihn auch nicht geben, weil Autoren und Künstler damit um den Lohn für ihre Werke gebracht und sozusagen digital enteignet werden würden.
Das Internet hat die Möglichkeit der Teilhabe am kulturellen Leben vereinfacht, aber auch die Verletzung von Urheberrechten erleichtert. Nutzer können frei und ungehindert auf geschützte Inhalte im Internet zugreifen, legal und illegal. Das erfordert gleichermaßen Maßnahmen zur Aufklärung und die Vermittlung von Akzeptanz für den Wert geistigen Eigentums sowie effektive Maßnahmen zum Schutz. Zurückdrehen können und wollen wir das Rad der Internetnutzung für Kunst- und Urheberrechte nicht, aber es rund laufen zu lassen, sollte unser gemeinsames Ziel sein.
Viele von Ihnen waren ja gestern bei dem Empfang der Stiftung Weimarer Klassik und ich darf an der Stelle ein Zitat wiederholen, mit dem der Präsident der Stiftung Hellmut Seemann uns gestern beeindruckt und es uns auf den Weg gegeben hat, das war der schöne Ausspruch: „... Kunst... und... Wissenschaft... gehören wie alles Gute der ganzen Welt an und können nur durch allgemeine freie Wechselwirkung aller zugleich Lebenden, in steter Rücksicht auf das, was uns vom Vergangenen übrig und bekannt ist, gefördert werden.“ Dieser wunderschöne Satz, der sich ja so ein bisschen angehört hat wie eine Lobpreisung des World Wide Web, der stammt von Johann Wolfgang von Goethe, und zwar schon vom Jahr 1799, und das war sehr beeindruckend für uns alle. Aber dieser Satz enthält auch etwas, nämlich die freie Wechselwirkung aller zugleich Lebenden und das bedeutet, dass sowohl ein ersatzloser Wegfall von Urheberrechten als auch eine Ausforschung á la ACTA der falsche Weg wäre. Wir brauchen deswegen einen Interessenausgleich und dafür brauchen wir kein neues Spezialpolizeirecht á la ACTA, mit dem Provider zu schwarzen Sheriffs privater Interessen gemacht werden würden. Wir brauchen stattdessen ganz im Sinne von Goethes Vision einen Kreativpakt zur Absicherung einer nutzerfreundlichen Regelung von Urheberrechten im Internetzeitalter. Darüber müssen wir uns allerdings Gedanken machen, wie führen wir diesen Auftrag aus. Für einen solchen Kreativpakt hat die SPD-Bundestagsfraktion am 21.05.2012 als erste Partei im Deutschen Bundestag auch einige Vorschläge unterbreitet, die ich im Anschluss kurz skizziere. Es müssen Modelle entwickelt werden, die einfach und nutzerfreundlich eine legale Nutzung geschützter Inhalte ermöglichen und auch den Nutzern Rechtssicherheit bie
ten. Die Entwicklung legaler kommerzieller Geschäftsmodelle sollte daher unterstützt und nicht bekämpft werden. Wir haben das letzte Mal in der Aktuellen Stunde noch über eine möglicherweise pauschale Kulturflatrate gesprochen. Darüber haben wir inzwischen weiter nachgedacht und das erscheint dann doch weniger geeignet, denn eine solche Zwangsabgabe würde zwar dazu führen, dass man sozusagen unbeschränkt im Netz herumstöbern kann, würde aber zu einer erheblichen Belastung auch derjenigen führen, die das Internet nur im geringen Umfang nutzen und wäre am Ende auch nur, wenn man sich das genau überlegt, so eine Art Ablasszahlung für die Legalisierung einer massenhaften unerlaubten und nicht kommerziellen Nutzung digitaler Werke. Wenn das so wäre, wir würden die Flatrate machen, dann hätten die Urheber keine Befugnis mehr, über die Nutzung ihrer Werke selbst zu entscheiden und schwierig wäre schließlich auch, eine gerechte Verteilung des Aufkommens an die Künstler zu gewährleisten. Wie wollte man das machen? Da müsste man sich an Downloadzahlen orientieren oder wie wollte man das tun?
Demgegenüber können wir uns Modelle vorstellen, die die Lizenzierung von Musik als Vorbild nehmen. Sie passen auch für andere digitale Inhalte, aber vor allem - und das ist wichtig und deswegen sind wir nach wie vor gegen ACTA - müssen Maßnahmen zum Schutz geistigen Eigentums verhältnismäßig sein. Sie dürfen Bürgerinnen und Bürger nicht in ihren Grundrechten, insbesondere nicht im Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Recht vertraulicher elektronischer Kommunikation, beschränken. Eine flächendeckende Inhaltefilterung des Datenstroms oder eine Sperrung von Internetzugängen als Folge von Verstößen zum Beispiel gegen Urheberrecht lehnen wir ab. Wir sind auch gegen eine rein private Rechtsdurchsetzung bei Urheberrechtsverletzungen über die Provider. Wichtig ist, dass die Regeln darüber, wie die Freiheit des Netzes und der Schutz privater Rechte vereinbart werden kann, anders als im ACTA-Abkommen, nicht in geheim ausgehandelten Staatsverträgen dekretiert werden können. Solche Regeln müssen vielmehr in einem breiten demokratischen Diskurs, in einer Debatte von uns allen gemeinsam entwickelt werden.
Wir schlagen als Koalition die Überweisung an den Justiz- und Verfassungsausschuss vor. Sie haben jetzt gesagt, dass sei möglicherweise zu spät, Frau König. Das beherzigen wir, also ich habe kein Problem damit, dass wir das in der nächsten Sitzung des Justizund Verfassungsausschusses dann noch einmal vertieft diskutieren und uns vielleicht auch die Beschlussfassungen, die heute noch einmal im Europäischen Parlament in den Ausschüssen zustande gekommen sind, dazu ansehen. Aber ich denke, dass wir hier schon eine fundierte Ent
scheidung gegen das ACTA-Abkommen fällen werden, wie wir das ja auch in der Aktuellen Stunde schon von allen Parteien angekündigt bekommen haben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Marx. Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Meyer für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Das Thema ist deutlich zu wichtig, als dass es bei seiner Trockenheit dadurch zerredet werden sollte, dass ich alles das noch einmal wiederhole, was in der Aktuellen Stunde und übrigens auch jetzt schon Richtiges von meinen Vorrednerinnen gesagt worden ist. Ich will mich auf zwei Aspekte bei dem Thema konzentrieren und gleich vorweg sagen, dass wir selbstverständlich auch dem Antrag der FDP zustimmen werden und auch nicht der Meinung sind, dass es überwiesen werden müsste, aber der Überweisung insofern dann auch nicht entgegenstehen werden. Das ist selbstverständlich.
Ich will nur die beiden Aspekte betonen, dass, auch wenn Frau Marx zu Recht noch einmal auf den Inhalt eingegangen ist, eigentlich der Inhalt von ACTA gar keine Rolle mehr spielt, weil die Debatte längst hinweggegangen ist über die Frage, ob ACTA an sich überhaupt für Deutschland Relevanz hat oder nicht. Darüber gibt es ja deutlich unterschiedliche Meinungen. Die Debatte hat 2,5 Mio. Unterschriften weltweit gegen dieses Abkommen generiert und ich bin nicht der Fachmann, um entscheiden zu können, ob ACTA harmlos ist oder nicht. Aber es gibt deutliche Hinweise darauf, dass ACTA, auch wenn es für Deutschland vielleicht keine direkte Auswirkung hat, doch möglicherweise etwas ist, was Türen aufstößt. Das ist das eigentliche Thema, was uns immer bei dem Thema Internet, Internetzensur, Datenabgleiche etc. deutlich diskutieren lässt. Ich will nur an die Debatte zum Kinderund Jugendmedienschutz im Netz erinnern. Wir haben damit zu rechnen, egal was mit ACTA passiert, dass auch noch eine weitere in Vorbereitung befindliche EU-Richtlinie auf uns „wartet“ oder vielleicht auch „lauert“, nämlich Ipred, ausgesprochen Intellectual Property Rights Enforcement Directive. Da werden wir wahrscheinlich wirklich sehr in die Inhalte gehen müssen über diese Frage, was Europa sich eigentlich vorstellt, wenn es darum geht, die Rechte von geistigem Eigentum im Netz zu konkretisieren. Also ACTA, jemand hat das in der Süddeutschen Zeitung vom 23. Februar 2012 genannt, ACTA ist die Lokomotive, die den ganzen Zug ziehen soll. Allein das ist schon Grund genug, gegen
Der zweite Aspekt, den ich kurz ansprechen wollte, ist die Form der Vermittlung und auch das Ergebnis von ACTA. Also einerseits ACTA als Tatsache, dass da mehrere Jahre lang - in diesem Fall muss man wirklich sagen - Bürokraten miteinander gerungen haben und schlussendlich, weil man sich nicht einigen konnte, den Klassiker produziert haben, nämlich den kleinsten gemeinsamen Nenner. Ich erlaube mir auch dazu ein Zitat aus einem Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27. April 2012 mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin. Dort wird der Datenschutzbeauftragte der Europäischen Union Peter Hustinx zitiert mit Wortzitat: „Der Mangel an Präzision in der Formulierung der Maßnahmen gegenüber Urheberrechtsverletzung könnte inakzeptable Folgen für die fundamentalen Rechte des Individuums haben.“ Genau das, was ACTA wahrscheinlich gar nicht wollte, nämlich unkonkret zu bleiben, sorgt jetzt eben für die größte Problematik dabei. Was das Thema der Vermittlung angeht, merkt man jetzt landauf, landab, dass sich Absetzbewegungen in allen europäischen Ländern zeigen, was das Thema der Zustimmung zu diesem Vorhaben angeht. Auch dazu noch ein Zitat aus demselben Artikel, in diesem Fall von dem Koordinator der CDU im Außenhandelsausschuss Daniel Caspary, der dazu wörtlich gesagt hat, ich zitiere: „Ein Grund, weshalb ACTA von so wenigen Regierungen verteidigt wird, ist sicher, dass es eher symbolischen Wert hat.“ Genau diesen Wert sollten wir möglichst verhindern, denn diese Symbolik geht meiner Ansicht nach vollständig in die falsche Richtung. Mein Vorredner, Herr Bergner, und die Vorrednerinnen haben schon darauf hingewiesen, dass in Europa in den nächsten vier Wochen Entscheidungen anstehen. Die niederländische Regierung hat am Mittwoch abgelehnt, also gestern. Ich bin ziemlich hoffnungsfroh, dass auch unsere Bundesregierung dem nicht zustimmen wird. Ich bin auch der Hoffnung, dass Europa nicht zustimmen wird und ich bin auch dafür, dass wir hier einen breiten Konsens finden, um ebenfalls abzulehnen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer. Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Bergner für die FDPFraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich danke Ihnen für diese sehr sachliche Debatte. Das Urheberrecht, das das geistige Eigentum schützen soll, steht vor neuen Herausforderungen der soge
nannten digitalen Welt. Die Frage, die sich dahin gehend stellt: Bedarf es dazu der Umsetzung des ACTA-Abkommens und können wir damit den Herausforderungen gerecht werden, die Ansprüche der Urheber mit den Bürgerrechten in der digitalen Welt angemessen zu vereinbaren? Wir sind der Auffassung, dass uns das jetzige ACTA-Abkommen für diese Herausforderung nicht weiterhilft, sondern es wird ein Recht zementiert, welches für die jetzigen Probleme und die zukünftigen Entwicklungen keine Lösung bietet.
Den Status quo zu erhalten,bedeutet auch, dass man vor der zukünftigen Entwicklung die Augen verschließt und die Menschen weiterhin mit bizarren Schadenersatzforderungen und Abmahnkosten überzogen werden können. Die Politik trägt nicht allein die Verantwortung, sondern muss dafür sorgen, dass die aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung und des Fortschritts entstandenen Bedingungen einen gesetzlichen Rahmen erhalten. Dies geht aber nach meiner festen Überzeugung nicht allein hinter verschlossenen Türen, sondern es bedarf der Unterstützung und des Dialogs mit Urhebern, Verwertern, Nutzern und Konsumenten. Dass sich die Bedingungen durch das Zeitalter des Internets verändert haben, ist offensichtlich. Um hier ein Beispiel zu nennen: Vor wenigen Jahren war das Bestellen aus dem Katalog ein Fortschritt. Heute geht das schneller, einfacher und bequemer über das Medium Internet. Digitale Kopien anfertigen kann heute jeder und es ist zum selbstverständlichen Alltag geworden. Ich denke, eins muss uns aber allen klar sein - es wird keine einfache Lösung geben und gerade bei derart unterschiedlichen Interessen wahrscheinlich auch keine, die allen gefällt.
Die Zementierung des Status quo durch ACTA kann nach unserer Auffassung nicht die Lösung sein. Dies würde dazu führen, dass wir die heutige Generation kriminalisieren, weil sich die mediale Welt weiterentwickelt hat, das Urheberrecht aber nicht. Auch würde es dazu führen, dass die Kreativität eingeschränkt und somit der sich daraus ergebende Fortschritt verhindert wird. Die Justizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat zutreffend gesagt, die Geschichte des Urheberrechts ist die Geschichte seiner permanenten Anpassung an neue Technologien. Diese Anpassung, meine Damen und Herren, ist jetzt fällig.
ACTA ist aber noch aus anderen Gründen nicht ratifizierbar. Das Abkommen, meine Damen und Herren, ermöglicht zu viel Interpretationsspielraum. In der jetzigen Form wäre es möglich, dass die Internetprovider bald einschneidende Eingriffsrechte haben, um die Nutzer des Internets zu kontrollieren.
Je nachdem, wie man die Regelung auslegt, sind Eingriffe entsprechend intensiv möglich. Solche Eingriffsrechte in Bürgerrecht, etwa durch Internetprovider, soll und darf es mit uns nicht geben. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das ACTA-Abkommen unter solch intransparenten Verhandlungen zustande gekommen ist und dass jegliche Akzeptanz für die heutige teilnehmende Gesellschaft von vornherein ausgeschlossen war.
Ich will aber noch eines klarstellen: Uns geht es bei dem Antrag eben nicht um die sogenannte Freibiermentalität. ACTA soll auch vor Produkt- und Markenpiraterie schützen. Es geht nicht nur um das geistige Eigentum. Produkt- und Markenpiraterie ist eine der größten wirtschaftlichen Bedrohungen der westlichen Volkswirtschaft. Nach einer OECD-Studie soll sich allein der Schaden in Deutschland auf jährlich mehr als 50 Mrd. € belaufen. Natürlich muss man hier handeln, das ist für uns gar keine Frage. ACTA hat aber einen wesentlichen Makel, es will ein Urheberrecht, welches für ein anderes Zeitalter und eine andere Technologie als das Internet geschaffen wurde, zementieren. Das ist hier das Problem. Nach unserer Auffassung ist die zentrale Herausforderung, ein zukunftsfähiges Urheberrecht zu schaffen, um der Verantwortung gerecht zu werden, das geistige Eigentum zu schützen und gleichzeitig die Vereinbarkeit der Grundund Freiheitsrechte im Internet zu wahren.
Unsere Aufgabe muss es sein, ein angemessenes Verhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse an der Nutzung von Immaterialgütern und dem berechtigten Wunsch der Schaffenden an der Finanzierung ihrer Arbeit zu schaffen. Natürlich muss allen klar sein, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Deswegen brauchen wir auch in der digitalen Welt den Schutz von geistigem Eigentum, um auch in Zukunft Deutschland voranzubringen. Deutschland ist ein Land der Innovationen und kreativer Ideen. Die außenpolitische Anerkennung haben wir nicht zuletzt der Kreativwirtschaft zu verdanken.
Deutschland hat keine Rohstoffe. Wir leben zum großen Teil von der Vermarktung unserer Erfindungen und davon, dass wir geistiges Eigentum weltweit verkaufen. Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen auch heute noch keine befriedigende allumfassende Lösung präsentieren. Aber das ACTA-Abkommen in seiner derzeitigen Fassung ist keinesfalls die richtige Antwort auf die zukünftigen Herausforderungen.
einem fairen und zeitgemäßen Urheberrecht gearbeitet werden. Meine Damen und Herren, auch aus meiner Sicht ist es gerade mit Blick auf die Zeitschiene nicht notwendig, noch die Ausschüsse zu bemühen. Wir wären bereit und, ich glaube, auch in der Lage, heute sofort über diesen Antrag abzustimmen. Wir werden uns aber selbstverständlich einer Ausschussdebatte nicht verwehren. Ich habe nur eine Bitte dabei, Frau Kollegin König hat es vorhin schon von der Zeitschiene her dargestellt, wenn es diese Ausschussüberweisung und diese Ausschussdebatte geben sollte, dass wir das so hinbekommen, dass es zeitlich auch noch rechtzeitig passiert. Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bergner. Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Voigt für die CDUFraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen, die Kollegin König hat uns schon alle zitiert. Insofern fühle ich mich auch recht verstanden. ACTA unverändert zu ratifizieren, wäre in der Tat ein Fehler. Ich glaube, dass das, was aufseiten der Europäischen Union jetzt passiert, sicherlich ein sehr guter Weg ist. Industrieausschuss, Rechtsausschuss und Bürgerausschuss haben ACTA schon abgelehnt. Der federführende Ausschuss für Internationalen Handel hat noch darüber zu befinden. Das Plenum wird am 2. Juli darüber abstimmen. Insofern werden auch bestimmte Dinge innerhalb der Europäischen Union zu diskutieren sein. Ich will mich ausdrücklich dem Kollegen Meyer anschließen, weil ich in der Tat glaube, dass jegliche Diskussion über ACTA in der Substanz mittlerweile eigentlich nur noch einer Schimäre dient, denn ein solches Abkommen lebt davon, dass es eine breitestmögliche öffentliche Akzeptanz hat, um am Ende Wirkung zu erzielen. Da es die nachweislich öffentlich nicht hat und der größte Anteil dessen, was in Deutschland an Demonstrationen im letzten Jahr gelaufen ist, ACTADemonstrationen gewesen sind, ist meiner Meinung nach relativ offensichtlich, dass dieses Abkommen so nicht ratifiziert werden kann, unabhängig von dem Kernbestand dessen, worüber man sich unterhalten kann. Kollege Bergner hat darauf verwiesen, dass da nicht transparent diskutiert worden ist. Darüber kann man sich in der Tat streiten selbst innerhalb der Europäischen Union. Auch die Kommission hat insgesamt vier oder fünf Anhörungen mit den Fachverbänden gemacht, auch mit den Usergruppen usw., aber am Ende hat diese Debatte nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Das ist insofern schwierig.
Ich will auf ein, zwei Punkte eingehen, die heute in der Diskussion gelaufen sind, ohne von meiner Grundposition oder der Grundposition unserer Fraktion abzuweichen. Es stellt sich in der Tat, wenn man in die Inhalte einsteigt, die Frage, wie man geistiges Eigentum für die digitale Welt aufbereitet und gleichzeitig die Aspekte von Produktschutz gewährleistet. Ich möchte den Fakt hinzufügen, den der Kollege Bergner nach vorn gebracht hat. 103 Mio. gefälschte Produkte wurden an der Außengrenze der EU sichergestellt, der letzte Wert, den ich habe, ist von 2008. Es ist eigentlich ein relativ klares Indiz dafür, dass hier offensichtlich durch Produktfälschung auch reale Wertschöpfung im innereuropäischen Raum verloren geht und genau an diesem Punkt Lösungen gesucht sind. Die zentrale Frage, die ACTA bewegt, ist sicherlich: Was soll heute im Internet legal sein? Ich glaube, an dieser Stelle gibt es einiges zu diskutieren Neuformulierung von ACTA unter der Beteiligung der Community, der Politik und der Gesellschaft.
Das Zweite, und dafür werbe ich in diesem Rahmen hier: Wir müssen darüber nachdenken, wie es eine, sage ich mal, private digitale Kopie geben kann. Wenn ich mir anschaue, wie sich Nutzungsgewohnheiten verändert haben. Ein Buch lese ich heute parallel auf iPad, iPhone und auf meinem Laptop. Das kann ich alles machen, das kann ich alles in einem Bereich machen, weil iCloud mir mittlerweile Lösungen anbietet, so dass ich auf derselben Seite einsteige, wo ich bei der anderen Technologie aufgehört habe. Das ist meiner Meinung nach ein relativ klarer Beleg dafür, dass sich einerseits Nutzungsgewohnheiten verändern, uns aber gleichzeitig die Frage bewegen muss, wie wir das, was im digitalen Bereich passiert, auch in die analoge Welt überführen können. Deswegen glaube ich, dass es wichtig ist, ein Recht auf digitale Privatkopie einzuführen, die wir auch aus der analogen Welt - der eine oder andere ist mit Kassettenrekorder groß geworden - kennen. Insofern glaube ich, dass damit kein Eingriff in den Bereich des Urheberrechts stattfindet, denn letztlich geht es da nur um die Frage von Vertriebswegen. Wenn man sich anschaut, Apple iTunes oder Kindle zeigen, dass das Vertriebswege sind, die am Ende funktionieren. Ich finde, Politik sollte nicht dafür da sein, Vertriebswege von großen Unternehmen zu schützen, sondern letztlich den Nutzer in die Lage versetzen, die neuen Technologien so zu nutzen, dass er den besten Zugang hat. Wenn wir uns das alles anschauen und in aller Ruhe diskutieren, dann wird sicherlich klar werden, es geht um den Schutz des geistigen Eigentums von Künstlern, Musikern und Autoren und da haben wir noch an einer anderen Stelle großen Handlungsbedarf, der fernab von ACTA zu diskutieren ist. Ich war an mehreren Schulen, in mehreren Abiturklassen, auch Regelschulklassen, die sich mit der Frage des geistigen Eigentums beschäftigen. Die haben offen gestanden einen ziemlich, sage ich
mal, unverblümten Zugang, also all das, was ich an Songs herunterladen kann, was ich an Filmen vorfinden kann, solange es weitestgehend kostenfrei ist, so be it. Das ist natürlich eine gesellschaftliche Fragestellung, die damit einhergeht, wie können wir auch in der Bildung dafür Sorge tragen, dass Jugendliche sich diesem Aspekt des Schutzes des geistigen Eigentums, eigener Kreativität, letztlich auch stellen.
Ein dritter und letzter Punkt, den wir zu diskutieren haben, ist der Schutz urheberrechtlich geschützten Materials im Zusammenhang mit dem Urheberrechtsschutz als verwertbare Kreativität. Die Kollegin Marx hat auf das Thema Kulturflatrate abgehoben. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das der letzte Schluss sein kann. Meine Lieblingsband ist Pearl Jam, die verkaufen Millionen, dann gibt es auch kleinere Bands, die verkaufen nur wenige Hundert Records, aber wenn die alle mit der Kulturflatrate quasi erschlagen werden sollen, ich weiß nicht, ob das letztlich einem marktwirtschaftlichen Modell gerecht wird, was auch in einer digitalen Internetwelt heutzutage funktionieren kann. Insofern gibt es da offensichtlich noch einige Fragen, die es im Ausschuss zu diskutieren gibt, sicherlich unter dem Kontext einer zeitnahen Entscheidung. Im Namen meiner Fraktion beantrage ich die Ausschussüberweisung an den Justiz- und Verfassungsausschuss und wünsche Ihnen dabei eine gute Debatte und komme auch mal vorbei. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte für die Landesregierung zum Antrag der Fraktion der FDP wie folgt Stellung nehmen: Ich freue mich zunächst über die qualitätsvolle Debatte. Das Hohe Haus hatte sich bereits im Rahmen der Aktuellen Stunde in der Plenarsitzung am 23. Februar dieses Jahres mit ACTA beschäftigt. Wenn ich das Ergebnis der Aussprache noch mal in wesentlichen Punkten rekapitulieren darf, dann hatten wir, glaube ich, gemeinsam festgestellt, dass ACTA grundsätzlich ein notwendiges und legitimes Ziel verfolgt, wenn es die Produktpiraterie bekämpfen und Urheberrechte schützen will. Allerdings dürfen entsprechende Regelungen nicht dazu führen, dass Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt werden oder der Datenschutz aufgeweicht wird. Wir waren ebenfalls übereingekommen, dass bei aller Kritik und allem Diskussionsbedarf, den ACTA auch in Thüringen ausgelöst hat, die europäischen Institutionen der geeignete Ort sind, um eine Klärung herbeizuführen. Bekanntlich bedarf ACTA noch der Zu
stimmung des Europäischen Parlaments. Die Bundesregierung hat die Unterzeichnung des Abkommens ausgesetzt, bis das Europäische Parlament entschieden hat. Sie werden sich sicherlich daran erinnern, dass der zuständige Handelskommissar Karel de Gucht im Februar angekündigt hatte, ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit von ACTA mit den europäischen Verträgen und der Grundrechtecharta einzuholen. Das Europäische Parlament hatte zudem angekündigt, während des Entscheidungsprozesses öffentliche Anhörungen und Treffen mit Experten sowie Vertretern der Zivilgesellschaft durchzuführen, um möglichst viele Meinungen einzubeziehen. Für die Landesregierung hatte ich diese Schritte bereits ausdrücklich begrüßt und ich denke, die Mehrheit der Redner heute hat das auch nicht anders gesehen.
Sie haben zu Recht betont, dass der Diskussionsund Erörterungsprozess zwischenzeitlich sehr weit vorangeschritten ist. Das Europäische Parlament hat die Verhandlungen im federführenden Ausschuss für internationalen Handel aufgenommen, vier weitere Ausschüsse, die Ausschüsse für Entwicklung, Industrie und Recht sowie die Ausschüsse für Bürgerrechte, Justiz und Inneres werden eine Stellungnahme abgeben oder haben dies, wie wir gehört haben, bereits heute getan. Voraussichtlich im Juni wird dann der federführende Ausschuss für internationalen Handel über ACTA abstimmen. Der zuständige Berichterstatter, der britische Abgeordnete David Martin, hat in seiner Stellungnahme vom 12. April 2012 dem Europaparlament die Ablehnung des ACTA-Abkommens empfohlen. Nach seiner Einschätzung überwiegen die beabsichtigten Vorteile die potenziellen Gefahren für die bürgerlichen Freiheiten nicht. Ein adäquater Schutz der Rechte der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen von ACTA könne nicht garantiert werden. Auch die Europäische Datenschutzbeauftragte hat bereits Stellung genommen, ebenfalls im April. Nach seiner Stellungnahme können viele der Maßnahmen zur Verstärkung von geistigen Eigentumsrechten eine breit angelegte Überwachung des Verhaltens und der Kommunikation von Nutzern beinhalten und damit bedenklich tief in die Privatsphäre von Individuen eingreifen.
Das Europäische Parlament kann - daran will ich noch mal erinnern - das Abkommen nur annehmen oder ablehnen, nicht aber den Vertragstext inhaltlich verändern. Vor diesem Hintergrund haben sich bereits mehrere Fraktionen des Europäischen Parlaments ablehnend zu ACTA positioniert. Dabei handelt es sich um die Fraktionen der LINKEN, der GRÜNEN, der Sozialdemokraten und der Liberalen.