Protocol of the Session on December 14, 2011

dass ich da meinen Terminkalender völlig umstoße.

Bildungseinrichtungen werden von der Bertelsmann Stiftung prinzipiell als Unternehmen bewertet. Produkte möglichst effizient an eigene Kunden verkaufen und so ähnlich ist dann eben auch, wenn man genauer hinschaut, die Studie. Ich bringe Ihnen ein Beispiel daraus. Zum Beispiel der Lernatlas: Keiner der 38 Kennzahlen befragt soziale Unterschiede beim Zugang zu Bildung. Soziales Lernen bedeutet bei der Bertelsmann Stiftung soziales Engagement. Als Beispiel: Der Zugang zu Breitbandinternet wird gewichtet mit 5,4 Prozent und ist wichtiger als die Aussicht von Jugendlichen auf einen Ausbildungsplatz, da ist die Gewichtung nur 3,7 Prozent. Oder die Bereitschaft zur Knochenmarkspende mit 1,75 Prozent Gewichtung ist anscheinend wichtiger als die Einrichtung der Jugendarbeit mit 1,3 Prozent. Wenn das die Kennziffern sind und das Ihr Autoritätsbeweis, dann, muss ich sagen, ist echt, was Herr Primas heute schon gesagt hat, die Zeit zu schade dafür. Deswegen will ich mich auch nicht weiter darin vertiefen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Wir haben morgen - ich mag kein Politblabla, das habe ich Ihnen schon einmal gesagt - den langen Haushalt zu besprechen. Dort sieht man, was die Fraktionen für einzelne Ansätze finden. Die FDP

(Abg. Metz)

Fraktion hat ausschließlich gekürzt, bis auf eine einzige Tatsache, für die freien Schulen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nicht unser Ansatz. Deshalb, an den Taten wird man Sie erkennen. Demzufolge reden wir morgen über Haushalt, über Bildung und nicht über ein gegliedertes Schulsystem, was von vorgestern ist. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Seitens der Abgeordneten habe ich keine weiteren Redemeldungen. Für die Landesregierung Minister Matschie, bitte.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, man kann über den Wert von Studien lange streiten. Es gibt ganz unterschiedliche Studien zum Bildungssystem. Die Studien der Bertelsmann Stiftung gibt es seit vielen Jahren. Die haben sich auch einen Namen in der Bildungsforschung gemacht. Deshalb bin ich dafür - bei allen kritischen Punkten, ich werde auch noch einen ansprechen -, solche Studien nicht einfach vom Tisch zu wischen, sondern sie sich gründlich anzuschauen und zu sehen, was wir aus solchen Studien lernen können, wo Vergleiche sinnvoll gezogen sind. Was überhaupt keinen Sinn macht, Frau Hitzing, ist, einfach die Überschrift zu nehmen und dann das altbekannte, was Sie schon immer mal hier sagen wollen, einfach wieder vorzutragen, also dann war die Studie zumindest bei Ihnen völlig umsonst.

(Beifall SPD)

Wenn Sie hier sagen, es gibt keinen Bedarf für einen Umbau des Schulsystems, dann sage ich Ihnen eines auch ganz deutlich: Über den Bedarf entscheiden nach unserem Schulgesetz die Eltern und die Lehrer. Wenn Eltern und Lehrer sagen, wir wollen hier vor Ort eine Gemeinschaftsschule haben, dann entsteht die da vor Ort und dann ist der Bedarf auch da und da hat die FDP überhaupt nichts zu sagen in dieser Frage.

(Beifall CDU, SPD)

Wenn Sie hier sagen, die Gemeinschaftsschule verhindert die individuelle Förderung von Anfang an, sehr geehrte Frau Hitzing, Sie werden keine Studie finden, die Ihnen diese Aussage unterlegt bei all den vielen Bildungsstudien, die es gibt und wenn Sie jetzt die Bertelsmann Studie nehmen, die Sie ja hier zum Thema gemacht haben, und sich mal anschauen, wer in dieser Studie im Bereich Thüringen Hidden Champion ist, wer die besten Noten bekommt im Bildungssystem in dieser Stu

die, dann ist das Jena und dann schauen Sie sich bitte mal an, welches Schulsystem in Jena existiert und dann überlegen Sie sich mal,

(Beifall SPD)

ob sich Ihre These irgendwie noch in diesem Raum halten lässt. Ich glaube nicht. Also wenn wir solche Studien diskutieren, dann schon genau, dann wirklich die Studie lesen. Bei der FDP reicht es immer nur für die Überschrift, das weiß ich. Bei dem Wahlergebnis sind Sie auch entsprechend angekommen.

(Beifall SPD)

Es braucht etwas mehr als Überschriften, wenn man Bildungspolitik machen und den Menschen gerecht werden will.

Ich will ein paar Blicke werfen in die Studie der Bertelsmann Stiftung. Das Interessante an dieser Studie ist wirklich, dass Sie versuchen, Lernen sehr umfassend und komplex zu beschreiben und das ist auch ein gewisses Verdienst dieser Studie, zu sagen, wir schauen uns den schulischen Bereich, den beruflichen Bereich, aber auch soziale und persönliche Bereiche des Lernens an und das macht das eben deutlich. Es geht um mehr als Schule, wenn es um Lernen geht. Gelernt wird auch am Arbeitsplatz, gelernt wird in Vereinen, in Organisationen und auch beim Theaterbesuch oder beim Gang ins Museum. Ich bedaure auch ausdrücklich - Frau Rothe-Beinlich hat auch schon darauf hingewiesen -, dass die Frage frühkindliche Bildung und Erziehung überhaupt nicht im Blick gewesen ist in dieser Studie, weil gerade hier ganz entscheidende Weichenstellungen vorgenommen werden.

Wir haben auch andere Studien aus der letzten Zeit. Ich erinnere noch einmal an den Bildungsmonitor der Initiative freie soziale Marktwirtschaft, ganz aktuell kommt eine Studie der Vodafone-Stiftung. Da geht es um die Chancengleichheit im Bildungssystem. Übrigens ganz interessant, ich meine, die Vodafonestiftung ist jetzt kein SPD-nahes Institut, aber die sagt uns zum Beispiel, dass die Art und Weise der Benotungen in unseren Schulen und auch die Schulempfehlung die Chancenungleichheit fördert und zementiert, anstatt Chancenungleichheit auszugleichen. Also, ich glaube, man muss wirklich genau hinschauen, wenn man Schlüsse für das Bildungssystem ziehen möchte.

Zum schulischen Lernen sieht uns die Studie im vorderen Feld im Bundesvergleich. Hier sind zum Teil auch ältere Studien und Vergleiche ausgewertet worden wie PISA und IGLU. Das haben wir alles hier breit diskutiert, das möchte ich nicht noch einmal alles ansprechen.

Einen Punkt müssen wir allerdings noch einmal ansprechen, weil wir uns damit kritisch beschäftigen müssen, und das ist unser Platz 11 bei der Frage,

(Abg. Sojka)

wie viele Schüler verlassen die Schule überhaupt ohne Hauptschulabschluss? 9,4 Prozent der Schüler verlassen die Schule ohne einen Abschluss. Das, sage ich, ist kein Ruhmesblatt, das kann uns nicht befriedigen, das darf uns nicht befriedigen und deshalb hat die Koalition gemeinsam beschlossen, das Schulgesetz zu ändern und die Schulordnung haben wir geändert. Wir haben eine individuelle Abschlussphase eingeführt mit der neuen Schulordnung, die dazu beitragen soll, dass Schüler, die es nicht so einfach haben, etwas mehr Zeit bekommen, auch den Hauptschulabschluss noch zu schaffen. Wir haben das individuelle Lernen als Rechtsanspruch im Bildungsgesetz festgeschrieben, damit wir auch diejenigen besser fördern können, die sonst auf der Strecke bleiben, denn mein Ziel ist eines: Möglichst kein Kind ohne Abschluss, das muss unser Bildungssystem schaffen.

(Beifall Abg. Wetzel, CDU)

Zum beruflichen Lernen, da befinden wir uns im Mittelfeld. Ich denke, was uns gut gelungen ist, ist, dass inzwischen viel mehr junge Menschen eine gute Aussicht auf einen Ausbildungsplatz haben. Das ist weder allein das Verdienst der Unternehmen noch der Politik, sondern vor allem der demographischen Entwicklung, weil die Zahl der Schüler deutlich abgenommen hat und damit natürlich auch mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen.

Was mich an der Studie noch aufmerksam gemacht hat, ist die Frage Erfolg beim Abschluss der Berufsausbildung. Da stehen wir leider nur auf Platz 10 unter 16 Bundesländern. Das heißt, wir müssen darüber nachdenken, wie wir unser System der Berufsorientierung noch weiter verbessern. Denn dass viele die Berufsausbildung nicht abschließen, das hängt auch daran, dass sich viele für einen Beruf entscheiden, bei dem sie hinterher feststellen, es war doch nicht das Richtige für mich. Deshalb haben wir gemeinsam mit der Universität Erfurt Anfang dieses Jahres ein neues Berufsorientierungsmodell vorgestellt, was wir jetzt in die Schulen bringen wollen, um die Berufsorientierung noch weiter zu verbessern.

Hintere Plätze belegt Thüringen in der Frage

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Der Bildungs- politik.)

des lernförderlichen Umfelds. Da geht es insbesondere um das betriebliche Lernen, nämlich bei der Frage: Werden Beschäftigte vor neue Aufgaben gestellt? Können sie neue Verfahren ausprobieren? Nehmen sie am Coaching teil? Dort sind wir eher auf den hinteren Plätzen im Bundesvergleich. Das hat auch etwas mit unserer Betriebsstruktur zu tun, denn Voraussetzung für solche Angebote sind oft größere Betriebsstrukturen. Die haben wir in Thüringen kaum. Aber, ich glaube, wir müssen diese Herausforderung ernst nehmen und fragen: Wie

können wir auch kleinere Unternehmen in die Lage versetzen, mehr solcher Angebote zu machen und dazu beizutragen, dass Menschen sich lebenslang weiter qualifizieren können? Hier ist einerseits die Wirtschaft gefragt, aber wir wollen auch politisch Weichen stellen. Ich habe das schon in der letzten Landtagssitzung angekündigt, wir wollen ein Bildungsfreistellungsgesetz im nächsten Jahr auf den Weg bringen.

(Beifall Abg. Metz, SPD)

Die Fraktion der GRÜNEN hat schon ihren Vorschlag ins Parlament eingebracht und wir werden demnächst

(Zwischenruf Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Demnächst heißt in 1,5 Jahren, das kennen wir schon.)

auch mit einem Vorschlag kommen und dann beides hier miteinander diskutieren.

Ich glaube, wir dürfen nicht - und Volker Emde hat darauf hingewiesen, da liegt ein wesentlicher Punkt in den Unterschieden von Regionen - die Rolle des sozialen Lernens unterschätzen. Welche Bedingungen haben wir für soziales Lernen? Da gibt es unterschiedliche Entwicklungen in Ost und West, die wir erst zur Kenntnis nehmen müssen. Natürlich spielt in den alten Bundesländern zum Beispiel die Kirche für diese Frage des sozialen Engagements eine deutlich größere Rolle als in den neuen Bundesländern, weil die Kirchenmitgliedschaften sehr viel häufiger sind, die Gemeindestrukturen noch ganz andere sind als hier oder eben eine über Jahrzehnte gewachsene Vereinsstruktur.

Dafür sehe ich uns jetzt wieder ganz weit vorn bei den Dingen, die sich in den letzten 20 Jahren hier sehr stürmisch entwickelt haben. Zum Beispiel beim Engagement in der freiwilligen Feuerwehr liegt Thüringen auf Platz 2, beim Engagement in Sportvereinen liegt Thüringen auf Platz 1. Das zeigt, Menschen nutzen auch die Möglichkeiten für soziales Engagement dort, wo sie geboten werden. Das ist oft auch eine Stärke, die beiden Dinge, wo im ländlichen Raum Vorteile durch ein enges soziales Netz und die Einbindung in solche Netze bestehen. Was uns als demokratische Parteien Sorge machen muss, ist die Frage: Wo stehen wir beim Engagement in Parteien? Wo stehen wir bei der Wahlbeteiligung? Ich glaube, hier sollten wir noch mehr Arbeit investieren.

Ich möchte zum Schluss eines sagen: Die Auswertung der sogenannten Hidden Champions, der heimlichen Sieger dieser Studie, ist unter der Überschrift erfolgt Regionen oder Städte, die in ihren Bildungsangeboten sehr viel stärker abgeschnitten haben als ihre wirtschaftliche Leistungskraft das nahelegt. Da ist Jena beispielsweise dabei. Das zeigt aber, dass es solche Möglichkeiten, hervorragende Bildungslandschaften zu etablieren, gibt,

(Minister Matschie)

(Beifall Abg. Metz, SPD)

auch dort, wo die finanzielle Ausstattung vielleicht nicht so stark ist wie in anderen Regionen. Das zeigt uns, dass Bildung sehr stark daran hängt, welcher Wille vor Ort entwickelt wird, gute Bildungsangebote zu machen, welche Menschen engagieren sich dafür, welche Konzepte haben wir, Bildung auf den Weg zu bringen. Insofern ist diese Studie auch eine Ermutigung, dass es nicht nur - natürlich geht es bei Bildung auch immer um finanzielle Mittel um finanzielle Mittel, sondern auch um die richtigen Wege und Konzepte geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir über eines insbesondere nachdenken müssen. Das hat uns diese Studie noch einmal gezeigt, aber eben auch viele der Studien vorher. Wie steht es mit der Bildungsgerechtigkeit? Wie sorgen wir dafür, dass es nicht so viele Bildungsverlierer gibt, wie es sie heute gibt?

(Beifall Abg. Metz, SPD)

Die letzte Studie war eine Studie der Initiative neue soziale Marktwirtschaft, die sehr auf die Frage abgehoben hat: Welche Rolle spielt das Bildungssystem für die die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen? Die haben uns eins gesagt: Das Bildungssystem ist relativ gut im oberen Leistungsbereich, aber die größten Reserven für die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes liegen in der Bildungserschließung des Potenzials, wo Menschen einfach noch nicht mitkommen. Wir müssen uns um das schwächste Drittel intensiver kümmern. Dort liegen die größten Reserven. Deshalb haben wir gesagt, wir wollen neue Bildungsangebote auf den Weg bringen wie die Thüringer Gemeinschaftsschule, für die man sich vor Ort entscheidet. Wir diktieren es nicht von oben, die Entscheidung fällt vor Ort. Man muss sie wollen, und wir wollen das Festschreiben der individuellen Förderung und neuer Instrumente wie eine individuelle Abschlussphase, damit man auch wirklich einen Schulabschluss hat, um dann ins Berufsleben zu starten. Ich glaube, hier haben wir uns auf den richtigen Weg begeben.

Zum Schluss noch einmal einen Blick auf den Bereich, den die Studie hier nicht beleuchtet hat, weil das die wesentlichste Voraussetzung für Chancengleichheit im Bildungssystem ist, nämlich früh anzufangen mit der Förderung. Wir haben seit 2009 120 Mio. € mehr für die Kindergärten zur Verfügung gestellt und werden ab morgen den Haushalt 2012 diskutieren. Dort stehen noch einmal 50 Mio. € plus für die Kindergärten. Ich glaube, das ist richtig investiertes Geld und ich bedanke mich schon heute für die Unterstützung des Parlaments für diese Politik. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Es gibt noch eine Wortmeldung aus der FDP-Fraktion. Herr Abgeordneter Koppe, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. Dass Sie jetzt sagen, jeder hat seine eigene Wahrheit, das ist auch gut so. Ich glaube, ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn man sich inhaltlich mit verschiedenen Positionen auseinandersetzt. Ich habe auch gar kein Problem damit, wenn es ab und zu einmal hitzig wird nicht Hitzing, sondern hitzig. Aber, deswegen hat es mich jetzt noch einmal vorgetrieben. Wir haben zu Recht heute auch einmal die Worte der Präsidentin am Anfang der Plenarsitzung gehört. Wir haben uns in den vergangen Wochen zu Recht mit Geschehnissen hier in Thüringen in Richtung Rechtsradikalismus unterhalten. Daher, und ich glaube, wenn alle gehört hätten, was ich gehört habe, würde wahrscheinlich ein ganz anderer Aufschrei durch das Plenum gegangen sein. Herr Kollege Metz, ich schätze ja Ihre fachlichen Ansichten, gar keine Frage, aber eins geht wirklich nicht, und das will ich jetzt noch einmal bestätigt haben: Kollegin Hitzing sprach zur Aktuellen Stunde und Sie riefen das Wort „Goebbelssprache“. Ich will das nur noch einmal bestätigt haben. Vor dem Hintergrund, über den wir uns alle zu Recht Gedanken machen und das aus einem Mund eines Abgeordneten. Das ist ein No Go, das geht für mich überhaupt nicht. Vielen Dank.

(Beifall FDP)