Protocol of the Session on November 18, 2011

Die Zahlen, die Herr Meyer hier referiert hat, bezüglich des Förderanteils insgesamt, bezüglich der Förderhöhe, bezüglich der Diskrepanzen zwischen den Studierendenzahlen aus den sozial schwächeren Bereichen und denen aus Akademikerfamilien, diese Zahlen erschrecken mich genauso wie es Herrn Meyer und wahrscheinlich jeden hier im Raum erschrecken würde. Aber die Lösung darin zu sehen, dass Sie sagen, ich gebe den 71 Prozent Akademikern auch erst einmal ein bisschen Geld, damit sie ein gutes Beispiel geben an die sozial Schwachen, das ist doch nicht der Punkt. Damit kann ich doch das Problem nicht lösen.

(Beifall CDU, SPD)

Das Problem, dass sozial Schwache einen weniger freien Zugang zur Hochschulbildung haben, ist nicht dadurch zu lösen, dass ich ein generelles „Grundstipendium“ einführe. Deswegen möchte ich auch ganz klar sagen, es prallen eigentlich in diesem Zwei-Säulen-Modell zwei unterschiedliche Entwürfe aufeinander. Der eine Entwurf sagt, ich möchte jedem Studenten eine gewisse Sicherung auszahlen, damit er völlig unabhängig von seinem Elternhaus studieren kann. Da bekommt eben jeder ein Stipendium. Das andere Modell ist das BAföGModell, wo ich sage, Hochschulbildung ist prinzipiell etwas, was durchaus durch die Familien, so sie es können, finanziert werden sollte. In den Bereichen, wo die Familien das nicht leisten können, greift unsere Gesellschaft ein mit einem BAföG,

(Beifall CDU, SPD)

mit einer Möglichkeit, einer Finanzierung, dass jeder Mensch, auch wenn er aus schwächeren sozialen Verhältnissen kommt, die Möglichkeit hat, alles zu studieren, wofür er die Befähigung aufbringt. Was jetzt vorliegt, ist eine Chimäre zwischen beiden, also ein bisschen Grundförderung für alle. Ich weiß gar nicht, was es bringen soll, wenn der Akademikersohn oder der Sohn eines gut Verdienenden 300 €, 250 € oder 350 € im Monat bekommt, denn das macht ihn von seinem Elternhaus nicht unabhängig. Er braucht trotzdem immer noch die Förderung seiner Eltern. Es bringt ihm ein gewisses Zubrot von seinen Eltern unabhängig, aber es macht ihn ja nicht „frei“. Wenn wir sagen, aus einem begrenzten Topf schütten wir erst einmal prinzipiell an alle einen gleichmäßigen Anteil aus und verteilen den Rest nur an die sozial Schwachen, dann schädigen wir damit die Interessen derer, die tatsächlich unsere Förderung brauchen.

Lieber Carsten Meyer, du hast ja derzeit das 35jährige Jubiläum, ich habe das 20-jährige BAföGJubiläum. Ich habe 12,5 Semester Medizin mit Voll

(Abg. Dr. Voigt)

förderung studiert und bin in einer Position, wo ich der Überzeugung bin, wenn ich Kinder habe, die studieren wollen, die brauchen keine 250 € oder 300 € im Monat. Es ist meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dass ich denen dann diese Finanzierung zur Verfügung stelle.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Die Frage, wie mit dem Antrag umzugehen ist, ist ganz klar und es ist schon mehrfach gesagt worden, wir möchten diesen im Ausschuss diskutieren. Es gibt durchaus interessante Punkte, vor allem unter Punkt 1, zum Beispiel die soziale Dimension des Bologna-Prozesses auf den gesamten BolognaRaum ausweiten, finde ich spannend, auch, wie man so etwas finanzieren möchte. Ich finde es auch interessant, wenn ich jetzt sage, ich will die Förderhöhe und die Freibeträge um 5 Prozent anheben. Warum nicht besser eine kontinuierliche Überprüfung, zum Beispiel an die Inflationsrate angepasst? Solche Diskussionen finde ich sehr spannend. Ich freue mich auch schon auf die Vorschläge, wie die Mietkostenpauschale an den regionalen Durchschnitt angepasst werden soll. Muss ich dann in Thüringen unterschiedliches BAföG in Jena oder Nordhausen berechnen? Das finde ich insgesamt eine spannende Diskussion. Ich freue auf die Auseinandersetzung im Ausschuss. Insofern werde ich mich dieser Überweisung nicht verweigern. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Abgeordnete Hennig das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, ich finde, es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der ehemalige Links-Politiker Dr. Thomas Hartung vergessen hat, dass der Ansatzpunkt hier die Freiheit der Menschen ist und nicht ihre Abhängigkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Was mich durchaus nicht wundert, dass der Bildungsminister Matschie im letzten Jahr für die BAföG-Regelung gestimmt hat, Sie werden sich sicherlich erinnern. Die Bildungsstreikforderung im letzten Jahr bzw. auch die Jahre davor, zielten auch immer darauf ab, auch das BAföG zu verändern, zu reformieren. Was hat die Kultusministerkonferenz gemacht und was hat die Bundesregierung gemacht in ihrer Koalition? Sie haben einfach eine billige Pille verteilt, indem sie das BAföG um 2 Prozent erhöht haben und nicht die 12 Prozent, die es nach Jahrzehnten ohne Erhöhung aushalten musste, verdient gehabt hätte. Jetzt davon zu spre

chen, dass das BAföG in Deutschland tatsächlich einfach nur kritikfrei, toll und gut wäre, ist der falsche Weg.

BAföG-Sätze sagen bzw. 40 Prozent derjenigen, die studieren, sind BAföG-Empfänger und sagen noch lange nichts darüber aus, wie hoch der Satz ist. Wir haben es vorhin gehört, da schließe ich mich durchaus der Kritik von Carsten Meyer von den GRÜNEN an, nur die absoluten Zahlen hier zu benennen, wenn es darum geht, wie viele BAföGEmpfänger wir in Deutschland haben und dabei zu vergessen, dass wir natürlich auch gleichzeitig einen massiven Anstieg der Studierendenzahlen haben, macht das Ganze auch nicht richtiger. Was mich wundert, ich habe das Gefühl, dass es tatsächlich wenig Problembewusstsein für die finanzielle Lage von Studierenden in Thüringen gibt.

Um auch noch einmal auf den Minister einzugehen, ich glaube nicht, dass Thüringen in der letzten Woche an Attraktivität für Studierende gewonnen hat. Deswegen denke ich, dass es da besonderer Bemühungen bedarf. Die haben wir selbst in einer Anfrage beantwortet, dass die Zahl der Studierenden seit 2000 von 37.000 auf 52.000 gestiegen ist. Gleichzeitig hat das Land seine Überweisung an das Studentenwerk von 7,5 Mio. auf 5,6 Mio. € zurückgefahren. Der Durchschnittspreis einer Essensportion in der Mensa hat sich seit 2000 um etwa 25 Prozent erhöht. Die durchschnittliche Monatsmiete für ein Wohnheimzimmer ist um über 50 Prozent verteuert worden. Der Semesterbeitrag hat sich verdreifacht und auch die Kosten für den öffentlichen Nahverkehr sind in diesem Zeitraum um mehr als 30 Prozent angestiegen. Ich erinnere daran, das BAföG wurde zehn Jahre nicht erhöht und dann gab es eine Erhöhung um 2 Prozent. Sie können sich also vorstellen, dass das BAföG in keinem Fall ausreicht, um das abzufangen.

(Beifall DIE LINKE)

Werte Abgeordnete, wir sind uns einig, der individuelle Erfolg in unserem Bildungssystem hängt in hohem Maße vom Einkommen der Eltern ab. 15 Prozent der Studierendenkosten werden nur vom BAföG getragen, 48 Prozent leisten immer noch die Eltern. Wenn denn dann die jungen Menschen überhaupt erst einmal zur Uni kommen. Wir wissen, dass die soziale Schere schon in der Grundschule und in der Kita beginnt, und wesentlich mehr Kinder aus gutsituierten Haushalten in Hochschulen ankommen als das anders herum der Fall ist. Wie wichtig das BAföG ist, zeigt sich schon am Beginn bzw. an der Einführung des BAföG. 1971 wurden noch 44 Prozent aller Studierenden gefördert. Mit der Umstellung des Systems in den 80er-Jahren waren es gerade einmal noch 24 Prozent, die gefördert worden sind.

Was ich nicht verstehe, ist tatsächlich, wenn man einen Antrag zur Verbesserung des BAföG ein

(Abg. Dr. Hartung)

bringt, warum man ihn dann inkonsequent gestaltet. Wir sind uns einig darin, dass das BAföG grundsätzlich reformiert werden muss, aber dann muss man auch darüber reden, was Altersgrenzen betrifft. Dann muss man darüber reden, dass man BAföG auch ausbauen muss, auf Schüler, auf Auszubildende. Und, dass es keine Beschränkungen auf bestimmte Masterstudiengänge geben darf, weil das nicht berechtigt ist.

Deswegen, ganz klar, wir sind auch für eine Ausschussüberweisung, denn wir haben noch einige Punkte zu diskutieren, wenn wir eine Bundesratsinitiative tatsächlich einbringen wollen. Und für mich bedeutet das z.B., dass die Bedarfssätze am tatsächlichen Bedarf für den Lebensunterhalt und die Ausbildung der Studierenden und Auszubildenden angepasst sein müssen. Das bedeutet eben, dass wir keine 5-prozentige Steigerung haben, wie das DIE GRÜNEN fordern, sondern dass wir mindestens 10 Prozent Steigerung brauchen.

Zum Zweiten, ich bin gegen ein Zwei-Säulen-Modell. DIE LINKE streitet schon sehr lange, dass das BAföG zukünftig ohne Darlehensanteil auskommt und als Vollzuschuss gewährt wird.

Zum Dritten, dass der Kreis der Berechtigten ausgeweitet wird auf Schülerinnen und Schüler an weiterführenden allgemeinen Schulen in der Oberstufe, Berufsfachschulen, Fachoberschulen usw., dass die Altersgrenze von 30 bzw. 35 Jahren gekippt wird, weil es nämlich Studienwillige, die sich in Familienzeiten befinden und nicht den üblichen Weg in die Hochschule geschafft haben, daran hindert, zu studieren.

Viertens: Die Förderhöchstdauer sollte sich nicht nach administrativ festgesetzten Regelstudienzeiten bemessen werden, sondern daran, wie die tatsächliche durchschnittliche Studiendauer in einem Studiengang ist.

Als letzten Punkt in dieser Folge will ich nur darauf hinweisen, die einzig sozial gerechte Studienfinanzierung bzw. -förderung ist die nach individuellem Bedarf und die elternunabhängige Förderung für jeden Studierenden. Das kann man natürlich nur erreichen, wenn man in der Bundespolitik für Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuern in einer anderen Form eintritt, weil man dazu natürlich auch die Einnahmen des Staates erhöhen muss.

Zum Stipendienprogramm kann ich nur sagen, es war eine schlechte Idee und sie kommt auch nicht gut an, wie man merkt. Wenn man das Studentenwerk, liebe SPD und CDU, nicht fördert, wird man natürlich die Lebensbedingungen für Studierende immer mehr verteuern und das ist nicht der richtige Weg.

(Beifall DIE LINKE)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich der Abgeordnete Meyer noch einmal zu Wort gemeldet. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass sich das hier so anhört, als ob mehrere Gesprächszirkel den Redner übertönen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wirklich kurz. Vielen Dank für die allgemeine Bereitschaft, dieses Problem auch im Ausschuss zu beraten.

(Beifall SPD)

Vielen Dank auch für die Redebeiträge. Nur eine kurze Bemerkung an meinen Kollegen Hartung aus der SPD. Natürlich haben wir eine Gegenfinanzierung.

Herr Abgeordneter Meyer, ich muss Sie leider einmal unterbrechen. Also, meine Aufforderung, die Gesprächszirkel entweder nach draußen zu verlagern oder ganz abzuschließen, scheint darauf gestoßen zu sein, dass die noch lauter werden. Da warten wir jetzt noch eine Weile, wir haben noch Zeit und dann können Sie weitersprechen. Bitte, Herr Meyer.

Danke. Also, dann noch 30 Sekunden zu dem Thema, was hier gerade Tagesordnungspunkt ist. Wir sehen 200 € als Basis in unserem Zwei-Säulen-Modell vor und möchten dafür dann im Wesentlichen das Kindergeld, Steuerfreibeträge für Betreuung und Erziehung, den Kinderfreibetrag und die Verwaltungskosten, die da bei der Einziehung entstehen und da bei der Ausgabe, entfallen lassen. Das trifft dann nämlich genau wieder die Vermögenden und sorgt dann dafür, dass wir es erstens elternunabhängig haben und zweitens nicht darlehensfinanziert und drittens auch gerade für die, die z.B. jetzt keine Steuern zahlen, gerechter. Das einmal als Erklärung, ich freue mich auf die Debatte zwischen Frau Rothe-Beinlich und Ihnen im Ausschuss. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Jetzt liegen mir keine - doch, wollten Sie eine Frage stellen? Herr Abgeordneter Meyer, dann müssen Sie noch einmal ans Pult, weil der Abgeordnete Dr.

(Abg. Hennig)

Hartung Ihnen jetzt eine Frage stellen möchte. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Hartung.

Herr Meyer, würden Sie mir zustimmen, dass ich nur auf die Zahlen eingehen kann, die Sie hier nennen?

Ich blicke in die Runde. Herr Minister, Sie auch nicht noch einmal? Das heißt, ich kann die Aussprache zum dem Sofortbericht und zur Nummer II des Antrags abschließen. Ich gehe davon aus, dass sich das Berichtsersuchen erfüllt hat. Dagegen erhebt sich keinerlei Widerspruch. Nun möchte ich an Sie die Frage stellen, Sie haben alle von der Fortberatung des Themas im Ausschuss gesprochen. Bezieht sich das auf die Fortberatung des Berichts im Ausschuss und der Nummer II oder möchte man das getrennt wissen. Es ist egal, habe ich jetzt einmal so gehört. Ich werde das ganz einfach so machen.

Wer für die Fortberatung des Berichts im Ausschuss, also im Bildungsausschuss, stimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Ich frage nach den Gegenstimmen. Es gibt keine. Gibt es Stimmenthaltungen? Gibt es auch keine.

Dann frage ich nach der Überweisung der Ziffer II aus dem Antrag an den Bildungsausschuss. Wer diesem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? Es gibt keine. Gibt es Stimmenthaltungen? Es gibt keine Stimmenthaltungen. Damit wird auch die Nr. II im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur weiterberaten.

Ich schließe jetzt den Tagesordnungspunkt 30 und an diesen eine Anfrage an. Mir ist vorhin von den Parlamentarischen Geschäftsführern das Ansinnen angetragen worden, dass entgegen der ausgewiesenen Tagesordnung, die unter der Fußnote 1 sagt, dass der Tagesordnungspunkt 37 a, Bundeswehrstrukturreform, am Freitag gegen 13.00 Uhr aufgerufen wird, insofern korrigiert werden soll, dass die Fragestunde mit den noch verbleibenden sieben Fragen vorher abgearbeitet wird. Das heißt, das ist eine andere Entscheidung, als die, die wir zu Beginn der Tagesordnung getroffen haben. Ich verweise ausdrücklich darauf, dass auch in der ausgewiesenen Tagesordnung dieser Zeitpunkt 13.00 Uhr steht und demzufolge stelle ich diese Entscheidung zur Abstimmung. Ich bin jetzt nicht bereit, eine

bilaterale Diskussion über die Bänke hinweg zu führen.

(Unruhe CDU)

Herr Abgeordneter Fiedler, Sie haben das überhaupt nicht zu kommentieren.

(Beifall DIE LINKE)