Protocol of the Session on November 17, 2011

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Aber Sie wollen es doch nicht einmal versuchen.)

Ich möchte auch noch auf die Tatsache hinweisen, dass 10 Prozent aller Bürger mehr als 50 Prozent des Steueraufkommens im Bereich der Einkommenssteuer bzw. Lohnsteuer aufbringen. Erst kürzlich wurde auf Bundesebene über die weitere Anhebung des Steuergrundfreibetrags gesprochen bzw. sollen solche Beschlüsse dazu in der Koalition auf den Weg gebracht werden. Ich weise auch dazu nochmals darauf hin, die Steuergesetzgebungskompetenz liegt auf der Bundesebene und nicht bei uns im Landtag und, ich denke, Ihre Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE im Bundestag können das Thema dort noch einmal zur Sprache bringen.

Frau Abgeordnete Lehmann, der Abgeordnete Bärwolff möchte Ihnen gern eine Frage stellen.

(Abg. Lehmann)

Ja, bitte.

Sie gestattet das.

Frau Lehmann, Sie hatten gerade gesagt, dass 10 Prozent der Bevölkerung ungefähr 50 Prozent der Einkommenssteuerlast tragen, also dazu beitragen. Die Frage ist, ist Ihnen denn auch bekannt, dass die obersten 10 Prozent über 70 Prozent der Vermögenswerte in Deutschland besitzen? Wäre es dann nicht angemessen, diese 10 Prozent, die über 70 Prozent der Vermögenswerte besitzen, auch angemessen an der Finanzierung unseres Staatssystems zu beteiligen?

Herr Bärwolff, mir ist das bekannt. Wenn Sie regelmäßig die einschlägigen Fernsehberichte anschauen, im September, ich meine, es war bei Panorama, ist genau diese Frage erörtert worden. Da sind genau diese Dinge erläutert worden. Natürlich gibt es da auch verschiedene Meinungen. Die einen der vermögenden Menschen sagen, ich würde gern mehr für den Staat tun und geben und abgeben. Dazu kommen wir heute sicher auch noch zu dem von der FDP gestellten Antrag des Landesspendenkontos.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Ich höre, es gibt da auch einen Antrag von Ihnen.)

(Zwischenruf Abg. Keller, DIE LINKE: 20.000 sind bisher eingegangen!)

Wir haben einen eigenen Antrag, Herr Kollege. Dann gibt es natürlich auch diejenigen, die sagen, ich trage mit meiner Steuer zu unserem Gemeinwesen, zu unserem Staat bei und das sei ausreichend. Wir wollen als CDU-Fraktion ein einfaches und gerechteres, für jeden nachvollziehbares Steuerrecht, da verweise ich noch einmal auf unseren Herrn Prof. Kirchhoff, der vor nicht allzu langer Zeit einen entsprechenden neuen Vorschlag dazu gemacht hat. Sicherlich kann man darüber nachdenken, ob es auch angemessen ist, die vielen Ausnahmetatbestände auch in Zukunft noch zu haben, die viele Leute natürlich für sich nutzen, sicher auch der eine oder andere hier, kann er steuerlich manches noch absetzen, oder ob das nicht doch alles abgeschafft und gleichgestellt werden soll. Wir plädieren für ein einfacheres, gerechteres Steuerrecht als Union und dabei bleibt es auch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie ich schon sagte, im Bundesrat wurde zu diesen Themen zumindest zur Finanztransaktionssteuer erst kürzlich beraten und ich gehe davon aus, unsere

Landesregierung wird ihr Stimmverhalten dort stets gut abwägen und auch im Interesse und im Blick auf unseren Landeshaushalt sich entsprechend zum Thema Steuern dort positionieren. Wir lehnen aus den vorgenannten Gründen Ihren Antrag heute ab.

(Beifall CDU)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Barth das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, in dem Titel des Antrags, über den wir reden, heißt es, es geht um eine an den Zielen Gerechtigkeit und Leistungsfähigkeit orientierte Steuerpolitik. Die Richtung stimmt, habe ich mir gedacht, als ich das gelesen habe. Aber ich war in Wahrheit nicht allzu hoffnungsfroh und kann Sie insofern auch beruhigen, als man dann in die einzelnen Punkte gekommen ist, ist genauso erwartungsgemäß wie schnell klar geworden, dass genau diese beiden Ansprüche mit den Forderungen, die im Einzelnen erhoben werden, überhaupt nicht erreicht werden können und überhaupt nicht vereinbar sind, meine sehr geehrten Damen und Herren. Denn Bürokratieaufbau, mehr Bürokratie und Steuererhöhungen, das sind beides Schritte, die zu mehr Gerechtigkeit und Leistungsfähigkeit ganz bestimmt nicht führen werden.

(Beifall FDP)

Fangen wir mit der Bürokratie an. Das deutsche Steuerrecht umfasst ungefähr - vielleicht weiß es der Finanzminister genauer - 30.000 Paragraphen

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das sind mehr.)

und man sagt, es gibt 70 bis 75 Prozent der Steuerliteratur, die weltweit aufgelegt werden, hier in Deutschland, die werden hier in Deutschland aufgelegt. Das sind nicht die vielen Bücher, die über die verschiedenen Komplikationen und Untiefen des Körperschafts- und Gewerbesteuerrechts auf den Cayman Islands berichten, sondern das sind alles Bücher, die über die Untiefen des deutschen Steuerrechts und die vielfältigen Möglichkeiten, die es da so gibt, berichten. Das Ganze ist Irrsinn, so kann man das bezeichnen, anders kann man das gar nicht bezeichnen, weil nämlich kein Mensch mehr durchblickt. Was daran gerecht ist, das ist eine Frage, die sich mir, ehrlich gesagt, nach wie vor überhaupt nicht erschließt. Keiner von uns, keiner, der hier im Saal ist, kann in Wahrheit sagen, wie viele Steuern er in diesem Jahr bezahlen wird oder vielleicht auch schon bezahlt hat.

(Beifall FDP)

Bei der Einkommenssteuer, nur allein bei dem einen Tatbestand Einkommenssteuer ist das aufgrund des komplizierten Tarifverlaufs und, Kollegin Lehmann hat es angesprochen, der ungefähr 500 Ausnahmetatbestände, die es da gibt, manche sagen auch Gestaltungsmöglichkeiten dazu, vollkommen unmöglich. Dann haben wir natürlich noch eine ganze Reihe weiterer Steuerarten, von denen wir am Ende auch betroffen sind, ob das die Mehrwertsteuern sind, Tabaksteuer, Mineralölsteuer, Kfz-Steuer. Es ist schlicht und ergreifend nicht möglich, am Ende eines Jahres zu sagen, wie viel Steuern ich bezahlt habe, wie viel Steuern jeder von uns bezahlt hat und damit ist es nicht möglich zu sagen, in welchem Umfang sich jeder Einzelne, denn dazu sind Steuern da, sich in Wahrheit an den Kosten der Allgemeinheit, an den Kosten des Staates, an den Kosten des Gemeinwesens beteiligt hat.

(Beifall FDP)

Das ist Betrug durch Verschleierung, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nämlich Betrug an denen, die das bezahlen. Um zu sagen, was mir etwas wert ist, um das auch zu dokumentieren, muss ich erst einmal wissen, zum einen was es kostet und zum anderen, was mir da, ohne dass ich mich in irgendeiner Form dagegen wehren kann, weggenommen wird. Deshalb ist es ungerecht. Es ist in einem zweiten Punkt ungerecht, weil zu den finanziellen Leistungen, die jeder da so beiträgt, kommt als Beipack, als Zugabe, die Bürokratie noch dazu. Jeder von uns sitzt dann tagelang zu Hause und macht seine Steuererklärung und hat den Kopf voll. Und wenn man sich dann für das Wochenende verabreden will, dann heißt es, dieses Wochenende kann ich nicht, ich muss endlich einmal meine Steuererklärung machen.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Sie haben den Kopf wahrscheinlich sehr voll.)

Dazu kommt, dass man, wenn man das macht, auch noch ständig mit einem Bein im Gefängnis steht und das nicht, weil man diese 500 Ausnahmetatbestände vielleicht ein bisschen kreativ gestalten will, weil man, wenn man es ganz hart sagt, vielleicht versucht zu betrügen. Das wäre noch ein nachvollziehbarer Grund, weshalb man sich mit einem Bein im Gefängnis befindet. Man befindet sich mit einem Bein im Gefängnis, weil das Recht so kompliziert ist, dass man in Wahrheit selbst gar nicht mehr durchblickt und dadurch die Gefahr eines Gesetzesverstoßes enorm groß ist. Spätestens am Ende mit der Unterschrift unter seiner Steuererklärung sagt man nämlich inhaltlich: „Ich versichere, dass ich alle rechtlichen Regelungen eingehalten habe.“ Diese Versicherung kann guten Gewissens kein Mensch abgeben. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren ist alles andere als gerecht.

Noch etwas dazuzufügen, kann demzufolge auch kein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit sein.

(Beifall FDP)

Das Kirchhoff-Modell hat Frau Lehmann schon angesprochen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich muss Ihnen ganz offen sagen, ich bin bekennend Lobbyist für Freiberufler, auch für kleine und mittelständische Unternehmer, zu denen Steuerberater ja durchaus gehören. Aber dass wir das Steuerrecht kompliziert machen, um daraus eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für diesen Teil der Freiberufler, für Steuerberater nämlich, zu generieren, das, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann nicht unsere Absicht sein, das ist nicht richtig.

(Beifall FDP)

Der zweite Punkt, den die Kollegen von den LINKEN erwartungsgemäß vorschlagen, sind Steuererhöhungen. Auch das hat Kollegin Lehmann schon zu Recht gesagt, hier im Hohen Hause haben Sie mit diesem Ansinnen durchaus auch eine Mehrheit, auch Erfolg. Anfang des Jahres hat dieses Haus auf Antrag der Linksfraktion mit den Stimmen aller anderen Fraktionen CDU, SPD und GRÜNE gegen die Stimmen der FDP die Grunderwerbssteuer erhöht. Das ist nun keine Millionärssteuer, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Erhöhung dieser Steuer trifft jede Familie in diesem Land, trifft jedes kleine Unternehmen, jeden Handwerker, der sich ein Grundstück kaufen will, der sich eine Wohnung kaufen will. Die kleine Familie, die sich das Häuschen bauen will und ein Grundstück dazu kaufen will, mit dem Haus drauf, weil das zusammenhängt als Steuertatbestand,

(Zwischenruf Abg. Keller, DIE LINKE: Das machen die zehnmal im Jahr.)

die werden davon belastet. Wie man das als Beitrag zu mehr Gerechtigkeit verstehen kann und das unter dem Mantel Millionärssteuer sozusagen subsumiert, das wird Ihr Geheimnis bleiben, und warum man dem zustimmt, das kann ich auch nicht verstehen. Diese Erklärung sind Sie nach wie vor schuldig, sehr verehrte Frau Lehmann, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU

(Unruhe DIE LINKE)

gerade wenn ich an den letzten Teil Ihrer Rede denke, war dieser Beschluss ganz bestimmt kein Beitrag zu den Zielen, die Sie da genannt haben. Wir brauchen keine Steuererhöhungen. Der Staat, das sagt die November-Steuerschätzung, nimmt im Jahr 2012 sagenhafte 592 Mrd. € Steuern ein.

Herr Abgeordneter, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage durch den Abgeordneten Kummer.

(Abg. Barth)

Sehr gern.

Herr Kummer, bitte.

Das freut mich. Bei dem, was Sie eben beschrieben haben, was die Ungerechtigkeiten dieser hohen Grunderwerbssteuer von 5 Prozent angeht, können Sie mir einmal erklären, wo dann die Gerechtigkeit einer Steuer auf Nahrungsmittel von 7 Prozent ist, die immer noch deutlich über dieser Grunderwerbssteuer liegt? Bei dem einen erwirbt man Grund und Boden, bei dem anderen etwas zu Essen. Ich glaube, das Erwerben von Essen müsste dann nach Ihrer Logik steuerfrei gestellt werden.

Herr Kollege Kummer, ich habe über das System gesprochen und das ist eine ähnliche Argumentation, wie sie der Bildungsminister im Zusammenhang mit dem Abitur macht. Wenn ich ein kompliziertes und in Teilen unverständliches und auch ungerechtes System habe, heile ich die existierenden Ungerechtigkeiten ganz bestimmt nicht damit, indem ich noch eine neue hinzufüge. Er sagt, wenn wir drei Abiture zusammenfügen, haben wir am Ende 17 und nicht mehr 16. Das ist eine ähnliche Argumentation. Ich habe über die Grunderwerbssteuer geredet und die Erhöhung dieser Grunderwerbssteuer trifft kleine Familien, sie trifft Existenzgründer in diesem Land und deswegen ist sie ungerecht.

(Beifall FDP)

592 Mrd. € Steuereinnahmen prognostiziert für 2012.

Herr Abgeordneter, es tut mir leid …

Jetzt würde ich den Gedanken aber gern erst zu Ende führen.

Gut. Können wir uns generell verständigen, alle Zwischenfragen am Ende Ihrer Rede?

Ich würde nur, Herr Präsident, wenn ich darf, den Gedanken erst zu Ende führen, und wenn das in Ordnung ist, dann können wir das gleich machen.

Danke.

Ich danke. 592 Mrd. € Steuereinnahmen prognostiziert für 2012, das sind 104 Mrd. € mehr als 2006. Zwischen 2006 und 2012 lag, wie Sie sich erinnern, die Wirtschafts- und Finanzkrise - gelegentlich auch als die größte seit 1929 bezeichnet. In dieser Zeit sind die Einnahmen des Staates um über 100 Mrd. € - fast ein Viertel - gestiegen. Und dann kommt jemand her und behauptet ernsthaft, der Staat greift den Bürgern nicht tief genug in die Tasche. Das ist eine Logik, die sich mir völlig verschließt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das kann man nur machen, wenn man die Fakten ignoriert.

(Beifall FDP)

Wahr ist auf der anderen Seite natürlich auch, dass in derselben Zeit die Staatsschulden angestiegen sind - das ist überhaupt keine Frage. Aber das lag nicht an den Bürgern, die Steuern bezahlen, sondern das lag an den Politikern,