Protocol of the Session on November 16, 2011

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich der Abgeordnete Meyer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, vielen Dank für die Debatte. Ich glaube trotz alledem, dass sie bisher an der Ebene, die eigentlich diskutiert werden sollte, ein wenig vorbeigeht. Ich wundere mich schon, dass die SPD diese Schicht nicht angesprochen hat. Ihr Wirtschaftsminister hat sie vor Monaten angesprochen, nämlich die Grundsatzfrage, ob die Helaba in das Beteiligungsportfolio von Thüringen noch hineingehört oder nicht. Es geht nicht um die Frage, ob man uns formal bei der Erhaltung der Einlagen der Hessen beteiligen muss und auch die allgemeine Formulierung der Aktuellen Stunde gibt das nicht unbedingt her. Die Auswirkungen der Änderungen in der Kapitalstruktur sind nämlich auch die Auswirkungen auf die Frage, ob wir mit der Beteiligung neu umgehen können oder nicht. Und bei der Einbeziehung des Thüringer Landtags geht es genau um diese Frage, jedenfalls meiner Meinung nach. Was ich vermisse, ist eine strategische Begründung, nicht die Frage, ob die Hessen jetzt mehr oder weniger Geld aus der Helaba ziehen. Das haben wir ja alles vom Finanzausschuss gehört. Sondern: Ist die strategische Begründung, die meines Wissens dieser Landtag hier vor 11 Jahren, am 30.11.2000, bekommen hat, noch aktuell? Da wurden zwei wesentliche Gründe genannt, warum Thüringen sich an der Helaba beteiligt. Man folgte einer bundesweiten Entwicklung zur unmittelbaren staatlichen Einflussnahme bei den Landesbanken. Schon diese Frage kann man infrage stellen. Man will von den LINKEN nicht immer gern hören, ob diese Frage noch aktuell ist. Aber die konkreten Fragen dahinter waren zwei: Man wollte ein Instrument für den Ausbau der Stellung im Wettbewerb der Regionen haben und man wollte die Unterstreichung der öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung der Landesbanken damit betonen. Die Welt hat sich seit 2000 ziemlich weitergedreht, gerade im Bereich der Banken und der Landesbanken. Wenn ich mir das Thema „Instrument für den Ausbau des Wettbewerbs der Regionen“ anschaue, möchte ich infrage stellen, ob Thüringen mit seiner Minibeteiligung, wenn die Helaba demnächst anfängt, 50 Prozent ihres Geschäftes in Westdeutschland, konkret in Nordrhein-Westfalen, abzuwickeln, dann noch in diesem Wettbewerb bestehen kann. Was das für eine strategische Aussage „Mit der Helaba sind wir stark im Wettbewerb der Regionen“ heute heißt! Jedenfalls können wir nicht mehr mit Nordrhein-Westfalen in den Wettbewerb treten, mit Hessen auch nicht mehr, da sind wir nämlich in einer Bank. Was die Frage der Unterstreichung der öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung angeht: Nach Aufgabe der Gewährsträgerschaft vor einigen Jahren ist die Bank meiner Ansicht nach eine Bank wie jede andere, mit - zugegeben - speziellen Aufgaben. Aber diesen öffentlichen Auftrag der Sicherung, beispielsweise der Einlagen

(Abg. Dr. Pidde)

der Sparkassen, hat sie nicht mehr. Das können wir beklagen, es ist aber trotzdem so. Das heißt, haben wir eigentlich Handlungsoptionen? Diese haben wir meiner Ansicht nach jetzt im konkreten Fall. Darum ist es auch richtig gewesen, diese Aktuelle Stunde zu beantragen. Ich beziehe mich immer noch auf diese Mitteilung von vor 11 Jahren, weil wir den Vertrag bisher noch nicht haben. Herr Finanzminister Voß hat ihn uns aber dankenswerterweise im letzten Haushalts- und Finanzausschuss zugesagt. Ich freue mich schon darauf, dass ich ihn bekomme. Darin steht: „Die Einflussrechte der Länder im Verwaltungsrat und in der Gewährsträgerversammlung sind unter anderem, dann nicht gegen die Länderwillen irgendwelche Entscheidungen zu treffen, wenn von vier Gründen her - nicht zwei - die grundlegende Richtungsänderung der Geschäftspolitik der Landesbank vorgenommen wird“. Das kann man im Wortsinn sehen, die dreht sich gerade in ihrer Wahrnehmung um 180° von Ost nach West, und viertens die Eingehung von Beteiligungen mit strategischer Bedeutung. Wer möchte das bestreiten? Die Helaba sorgt dafür, dass strategisch die WestLB völlig untergeht. Genau in diesem Punkt dürfen wir, wenn wir wollten, die Frage stellen: Wollen wir bei der Helaba noch Mitglied sein oder nicht? Diese Frage gehört hierher in dieses Parlament und nicht nur an die beiden in der Gewährsträgerversammlung und im Verwaltungsrat befindlichen Kolleginnen oder Kollegen.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Das sind die Fragen, die wir uns hier in der Aktuellen Stunde stellen müssen: Ist die Richtungsänderung der Geschäftspolitik sinnvoll? Das kann man möglicherweise bejahen. Aber ist sie auch sinnvoll für Thüringen? Ist die Beteilung an der WestLB nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch regionalpolitisch für uns sinnvoll? Auch da würde ich meine Zweifel haben. Welche Haltung hatten die Thüringer Vertreter zu diesen Fragestellungen, nicht nur zu der Frage, ob das Eigenkapital jetzt gefährdet ist? Die zentrale Frage ist und bleibt: Könnte man dieses Geld, was damals etwa 150 Mio. € betragen hat, also 300 Mio. DM, anders sinnvoller nutzen? Ich möchte nach den Zahlen, die ich von der Helaba kenne, davon ausgehen, dass die Beteiligung mittlerweile etwas mehr wert sein dürfte. Ich bewerte von hier nach dem Niederstwertprinzip. Man darf nicht mehr annehmen, aber der Kollege Voß lächelt leicht, er weiß schon, dass da eine gewisse stille Reserve in diesen Summen steht.

(Zwischenruf Dr. Voß, Finanzminister: Die wir irgendwann einmal haben.)

Ich behaupte, die Änderung der Geschäftspolitik, die Änderung der Strategie, wäre die Möglichkeit, auszusteigen. Da bin ich ganz bei Herrn Machnig. Diese Möglichkeit sollten wir hier in diesem Parla

ment diskutieren, und zwar nicht nur in der Aktuellen Stunde. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Landesregierung hat sich Minister Dr. Voß zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der Freistaat Thüringen ist seit 1. Januar 2001 an der Landesbank Hessen-Thüringen, Helaba, beteiligt. Ich stelle zunächst einmal fest, wir sind gut damit gefahren.

Herr Meyer, natürlich kann man immer wieder neue Fragen stellen, das ist vollkommen richtig. Insofern ist die Helaba eigentlich mit zwei Themen in der letzten Zeit an die Öffentlichkeit getreten oder war in den Medien zu lesen, einmal ist es die Härtung der stillen Einlagen des Landes Hessen und das andere ist in der Tat, steigt sie in das Verbundgeschäft der WestLB? Die WestLB muss ja aufgrund von Maßgaben der Europäischen Gemeinschaft zerschlagen werden und hier entsteht natürlich die Frage, ob man der Helaba es nicht gestattet, hier die Geschäftsfelder zu erweitern. Zu beiden Themen möchte ich knapp Stellung nehmen aus meiner Sicht. Ich gehe dann auch auf die Frage der Beteiligungen ein, also die Befassung des Parlaments.

Der Antrag der LINKEN fragt nach Änderungen der Kapitalstruktur. Insofern meine erste Feststellung: Eine Veränderung der Kapitalstruktur hat nicht stattgefunden. Die würde erst dann stattfinden, wenn das Verbundgeschäft der WestLB wirklich aufgenommen würde, aber das war nicht Gegenstand dieses Härtungsvertrags. Das ist etwas anderes. Es geht hier um die Anpassung von stillen Einlagen des Landes Hessen, und zwar um bankaufsichtsrechtlichen Kriterien zu genügen.

Was mein Informationsverhalten betrifft - Herr Kuschel, jetzt stehen Sie nicht auf - auf Ihre Kleine Anfrage haben wir Sie schon im Februar ganz gut über die Anpassungsnotwendigkeiten informiert. Dann haben wir im Haushalts- und Finanzausschuss am 14. April, am 12. Mai und noch einmal am 10. November über die aktuelle Entwicklung informiert.

Worum geht es bei dieser Härtung? Ja, man möchte Kriterien erfüllen, die erst im Jahre 2013 eigentlich erfüllt werden müssten. Die Trägerversammlung der Helaba hat sich mit dieser Frage der Härtung der stillen Einlagen des Öfteren befasst. Es handelt sich hier um 1,92 Mrd. Und jetzt kommt der erste Hinweis, warum der Freistaat Thüringen in

(Abg. Meyer)

diesem Geschäft kaum betroffen ist, kaum die Exekutive und schon gar nicht die Legislative. Es handelt sich hier um eine Einlage des Landes Hessen aus dem Jahre 1998 bzw. 2005. Es handelt sich hier um einen Vertrag zwischen dem Land Hessen und der Helaba. Der Freistaat Thüringen, aber auch der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen ist nicht Vertragspartner dieses Vertrags.

Warum haben wir uns überhaupt an den Verhandlungen und warum habe auch ich, warum hat sich das Land Thüringen an diesen Verhandlungen überhaupt beteiligt? Wir haben uns beteiligt, um letztendlich sicherzustellen, dass aus dieser Vertragsbeziehung zwischen dem Land Hessen und der Helaba kein Reflex, keine Sekundärwirkung vielleicht auf unsere Rechte ausgehen könnte. Da lag letztlich unser Fokus. Ganz abgesehen davon muss der Vertreter des Freistaats Thüringen in der Trägerversammlung jetzt im Dezember auch diesem - dann allerdings als Mitglied der Trägerversammlung - Vertragswerk zustimmen. Das war unser Fokus und so haben wir auch verhandelt.

Es ging vor allen Dingen darum, dass die Härtung nicht zur Veränderung der Stammkapitalanteile führt. Das wäre nämlich in der Tat ein Eingriff in die Rechte des Freistaats Thüringen gewesen. Dann wären wir allerdings bei der Veränderung des Gewährträgervertrags angekommen.

Herr Kuschel, spätestens dann hätte ich selbstverständlich das Parlament auch befasst. Damals, als es um die Einlage ging, um die 150 Mio. €, musste ein ÜPL-Antrag bewilligt werden, insofern wurde das Parlament auch befasst. Aber bei dem Vertragswerk, was hier in Rede stand, sind wir nicht Vertragspartei, sondern mehr beobachtende Partei, wie der SGVHT eben auch.

Was heißt nun Härtung? Die 1,9 Mrd. € bleiben in der Bank, aber sie ändern ihren Charakter, sie werden nämlich nicht mehr fest verzinst. Das Land Hessen hat hier auf 28 Mio. € feste Verzinsung verzichtet. Sie ist allerdings die Option eingegangen, demnächst wie Eigenkapital behandelt zu werden, nämlich im Falle eines Falles, Insolvenz usw., haften diese 1,9 Mrd. €. Allerdings nehmen diese 1,9 Mrd. € auch an Gewinnausschüttungen teil. Wir haben das jetzt einmal ausgerechnet, es gibt andere Gewinnausschüttungsquoten. Der Freistaat Thüringen ist nicht mehr mit 5 Prozent, sondern mit 3 Prozent beteiligt. Allerdings haben wir einmal ausgerechnet: Wie wären denn die Ausschüttungen der letzten Jahre gewesen, wenn es schon die neuen Quoten gegeben hätte? Der Freistaat Thüringen hätte in keinem einzigen Jahr schlechter gestanden als unter dem derzeitigen Regime der stillen Einlage.

Kurzum, das Land Hessen ist hier in der Tat in die Vorhand gegangen. Der Freistaat Thüringen wurde insofern auch davon befreit, eine Eigenkapitalauf

stockung selbst durchzuführen. Das hätten wir nämlich nicht gekonnt. Wenn jetzt diese 1,9 Mrd. € durch Anteilserhöhung, durch Stammkapitalerhöhung hätten aufgebracht werden müssen, dann wäre der Freistaat Thüringen mit 96 Mio. € dabei gewesen. Damit ist jedem klar, dass einmal natürlich das Parlament hätte beteiligt werden müssen, aber es ist jedem klar, dass wir das wohl nicht gekonnt hätten. Insofern ist der Sachverhalt, dass sich die Stammkapitalverhältnisse nicht verändern, sicherlich ein gutes Ergebnis für den Freistaat Thüringen, nämlich wir behalten auch unsere Vetorechte, wir behalten unsere Mitspracherechte bei der Geschäftsstrategie, bei Standortentscheidungen, die sind allesamt aufrechterhalten. Insofern, denke ich, ist das in Ordnung.

Wenn es um die Beteiligung des Landtags geht, dann habe ich gerade ausgeführt, dass eine formale Beteiligungsänderung nicht stattgefunden hat und insofern § 105 Abs. 1 der Thüringer Landeshaushaltsordnung nicht einschlägig ist. Insofern war auch keine Beteiligung so notwendig. Der Staatsvertrag und der Gewährträgervertrag sind ebenfalls nicht berührt. Insofern war das wohl eine Sache der Exekutive.

Ich komme jetzt zum zweiten Punkt: Wie wird es sein, wenn in der Tat die Helaba das Verbundgeschäft von Nordrhein-Westfalen, also der rheinischen Sparkassen und der westfälischen Sparkassen, übernimmt? Dann ist in meinen Augen eine andere Situation gegeben. Zunächst handelt es sich hier natürlich um eine Frage der Geschäftspolitik der Helaba. Aber sollte es zu einem Einstieg kommen und sich die Stammkapitalverhältnisse verändern, dann ist selbstverständlich der Gewährträgervertrag betroffen. Der muss ausgehandelt werden, natürlich Interessen wahrend, das ist selbstverständlich. Wir wollen auch bei einem geringeren Verhältnis unsere Einwirkungsrechte nicht verlieren. Wir wollen auch keine Kapitalien verlieren, das ist auch selbstverständlich. Aber kommt es zur Veränderung des Gewährträgervertrages, dann ist natürlich klar, dass dieses auch hier dem Hohen Haus vorgelegt werden muss.

Herr Meyer, zu Ihnen, zur abwägenden Frage, die natürlich politisch sehr interessant ist, wenn unser Anteil dann auf 3 Prozent geschrumpft ist oder vielleicht zweieinhalb, lohnt es sich dann? Das müssen wir diskutieren. 2 ½ Prozent heißt nicht Wertverlust, bitte nicht falsch verstehen. Ich teile auch Ihre Meinung, es geht nicht mehr um 150 Mio., sondern ich denke, wir haben da noch ein bisschen mehr zu erwarten. Wir müssen an unsere Sparkassen denken. Die Sparkassen sind ja mit 85 Prozent beteiligt. Im Freistaat Thüringen hat die Helaba zu unseren Sparkassen eine Aufteilung der Geschäftsfelder. Nur ab einem bestimmten Niveau des Kredits tritt die Helaba ein, um ihren eigenen Sparkassen keine Konkurrenz zu machen. Also, Herr Meyer, das wird

(Minister Dr. Voß)

eine spannende Diskussion, die wir hier führen müssen, aber ich denke, wir sind dann auch an einer Wachstumsbank beteiligt und da kann man sich auch schon wieder das eine oder das andere vorstellen, aber einfach so rausgehen, wir haben jetzt 150 Mio., wie es ja auch in der einen oder anderen Zeitung zu lesen war …

(Zwischenruf Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vor sieben Jahren haben das die Sachsen auch gedacht.)

Ja, also jetzt provozieren Sie mich natürlich. Herr Meyer, jetzt geht es um Äpfel und Birnen. Die Sachsen LB ist in die Kapitalmarktersatzgeschäfte im großen Stil eingestiegen mit 45 Mrd. Volumen, die Helaba fast nicht. Können Sie sich vorstellen, was ich mich gefreut habe, als ich das erste Mal deren Bilanz gesehen habe! Da können Sie sich darauf verlassen. Also schönen Dank.

(Beifall CDU)

Ich sehe keine weiteren Redeanmeldungen mehr und kann demzufolge diesen Teil der Aktuellen Stunde schließen.

Ich rufe auf den zweiten Teil

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Thüringer Position zur Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/3500

Ich rufe als Erstes auf für die FDP-Fraktion den Abgeordneten Barth.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 4. November hat im Bundesrat die Abstimmung über das Achte Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes stattgefunden. Ein Blick in die Vergangenheit sollte eigentlich zu der Vermutung Anlass gegeben haben, das sei eine reine Formsache, die Länder würden diesem Änderungsgesetz zustimmen. Es war in den vergangenen Jahren gute Übung, dass Union, SPD, FDP und GRÜNE in guter, eben nicht alltäglicher und deswegen umso bemerkenswerterer Einigkeit die entsprechenden Änderungen oder Regelungen zur Aufarbeitung des SED-Regimes gemeinsam verabschiedet haben.

Dieser Meinung war offenbar auch die Thüringer Landesregierung, die durch Frau Walsmann am Tag vor der Abstimmung über die TLZ noch verkün

den ließ: Thüringen wird zustimmen, alles andere sei ein falsches Signal.

(Beifall FDP)

Bei der Abstimmung war das dann plötzlich ganz anders und eben genau so, dass dieses falsche Signal dann gesendet wurde, Thüringen hat sich enthalten. Thüringen hat damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Ruf, den es sich in den vergangenen Jahren gerade bei der Aufarbeitung erarbeitet hat, durch das ausgleichende und auch pragmatische Herangehen, gerade auch unserer Landesbeauftragten Hildigund Neubert erarbeitet hat. Diesen Ruf hat die Landesregierung mit diesem Stimmverhalten verspielt. Die Frage ist: Warum, wofür hat sie dieses aufs Spiel gesetzt?

Es geht im Gesetz um zwei wesentliche Neuerungen. Es geht darum, dass der Personenkreis, der ohne konkreten Anlass, ohne konkreten Verdacht überprüft werden kann, erweitert wird, Beamte in leitenden Funktionen im gehobenen Dienst sind jetzt auch in diesem Personenkreis darin. Christoph Matschie hat danach in der TLZ die Ablehnung seiner Partei, denn die ist ursprünglich ursächlich gewesen für die Enthaltung Thüringens, damit begründet, man müsse den Menschen, die 20 Jahre nach der Wende nun auch in dem neuen System gelebt haben und etwas geleistet haben, auch ihre Leistung unter diesen neuen Bedingungen entsprechend anerkennen. Es wird von den Gegnern der Regelung angeführt, bei anderen Straftaten, außer bei Mord, ließe man ja schließlich auch Verjährung zu. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dieser Logik dürfte überhaupt keine Prüfung mehr stattfinden, das muss man deutlich sagen. Diese Amnestie greift gerade bei dem Verdachtsvorbehalt nur für die, die entweder Glück hatten oder die eben gelogen haben. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann nicht der Grundsatz sein, nach dem wir hier verfahren, dass die Ehrlichen und die, die das Pech hatten, dass in den letzten Jahren eben schon etwas rausgekommen ist, die Dummen gewesen sind, die von dieser Regelung dann nicht profitieren. Das kann nicht sein. Die Frage ist, warum Sie das wollen. Diejenigen, die dabei waren, können sich erinnern an die Rede, an die bemerkenswerte und ergreifende Rede von Roland Jahn, der hier von dieser Stelle aus sinngemäß gesagt hat: Die Täter sind unter uns und das ist auch gut so. Es ist gut so, dass die Demokratie für alle gilt, für Täter, für Opfer und auch für die Untätigen.

(Beifall FDP)

Eine neue Chance in einem neuen System zu bekommen, meine sehr verehrten Damen und Herren, heißt auch, eine Chance zu haben, sich zu bekennen, sich seiner Verantwortung, sich seiner Geschichte zu stellen. Es geht nicht um Abrechnung, es geht um Aufarbeitung und Aufklärung. Wer diese Chance in den letzten 20 Jahren nicht genutzt hat,

(Minister Dr. Voß)

meine sehr verehrten Damen und Herren, wer seinen Dienstherren, und es geht hier nur um den öffentlichen Dienst, 20 Jahre lang belogen hat, darf am Ende dafür nicht auch noch belohnt werden.

(Beifall FDP)

„Vergeben“, hat Roland Jahn gesagt, „kann man nur das, was man weiß und nur dem, den man kennt.“ Und meine Damen und Herren, meine Mutter hat sich wie viele andere Ostdeutsche in den Jahren unmittelbar nach der Wende auch in ihrer Lebensleistung missverstanden und ihre Lebensleistung missachtet gefühlt bei vielen Äußerungen, die von den sogenannten „Besserwessis“ gekommen sind. Aber diese, jetzt unter der Vokabel Umgang mit ostdeutschen Biographien insgesamt, mit den Täterbiographien auf eine Stufe zu stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist infam.

(Beifall FDP)

Ich muss ehrlich sagen und fordere, wenn Sie den Mantel des Schweigens ausbreiten wollen, dann sagen Sie das offen. Geben Sie ansonsten zu, dass Sie auf dem Holzweg sind und sich geirrt haben. Frau Präsidentin, noch zwei Sätze zur zweiten Regelung wenn ich darf, es geht um die 47 ehemaligen Hauptamtlichen, die in der Stasibehörde arbeiten. Vor zwanzig Jahren wäre diese Debatte undenkbar gewesen. Seilschaften in die Behörde zu holen, wäre ein undenkbarer Vorgang gewesen und dass es hier um eine Einzelfallregelung geht, ist dummes Zeug. Es gilt für alle, es sind im Moment eben zufällig 47, aber dass es nicht noch mehr werden. Deshalb ist die Regelung

Herr Abgeordneter Barth, als 5 Minuten Redezeit vorbei waren, haben Sie zwei Sätze angekündigt.