Dann, meine Damen und Herren, noch vertraue ich dem Rechtsstaat, aber er ist bei mir heftigst angegriffen, heftigst. Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, wenn uns das schon umtreibt, die wir täglich mit den Dingen von Amts wegen zu tun haben, wie soll es denn dem normalen Bürger draußen gehen, der das nur durch die Zeitung mit den großen Buchstaben und durch andere Medien mitbekommt. Wie soll es dem erst noch gehen? Der sagt doch: „Ich glaube nichts mehr. Mir nehmen sie wegen 1 Euro und noch was, da verliere ich den Arbeitsplatz und hier können ganze Mordtruppen durch das Land gehen und keiner bekommt sie.“ Das kann man niemandem erklären, egal, wer das von uns hier ist im Hause.
Deswegen, denke ich, werden wir heute, was wir leisten können - und da sind alle gefordert, aber wir sind die Parlamentarische Kontrollkommission -, wir werden dort alles genau unter die Lupe nehmen. Ich bitte auch noch einmal die Landesregierung, ihre Möglichkeiten insbesondere neben dem Sonderermittler, dass der Generalbundesanwalt von allen Dingen unterrichtet wird, die wir für notwendig erachten, ihm mitzuteilen. Das können wir nicht machen, wir sind in einer geheimen Kommission, wo wir schon Mühe haben, uns nach außen zu artikulieren. Das werden wir zwar in Kürze ändern, Geheimnisverrat machen wir nicht, aber auch die Information, die Landesregierung kann Informationen an den Generalbundesanwalt geben. Deswegen bitte alles genau anschauen, dass wir hier nicht etwa irgendwann gesagt bekommen: „Ihr habt hier nicht aufgepasst und habt uns nichts genannt.“
Meine Damen und Herren, ich will an der Stelle aufhören, weil ich glaube, wir haben die Dinge heute auf dem Tisch. Alle im Hause - und ich nehme kei
nen aus - werden in etwa dasselbe Aufklärungsbedürfnis haben. Wir sollten unsere Rechte wahrnehmen, die wir haben, mit allem Ernst, mit aller Schnelligkeit, nicht erst warten, bis irgendwann ein Ausschuss ist, der im Dezember ist, wir sollten unsere Möglichkeiten nutzen. Gehen wir es gemeinsam an, damit in unserem Lande jedenfalls so etwas nicht mehr passieren kann.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, ich glaube, es ist richtig, zu einem solchen Thema eine Regierungserklärung zu geben. Es ist richtig, zu einem solchen Thema und zu den ungeheuerlichen Vorwürfen, die auch im Raum stehen, durch eine Regierungserklärung ein Zeichen in Thüringen zu setzen, aber auch ein Zeichen für Thüringen zu setzen. Aufklärung der Vorgänge und der Vorwürfe ist nötig. Das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen, denen Sie vorhin unter dem Beifall des gesamten Hauses Ihr Mitgefühl ausgesprochen haben, schuldig, das sind wir aber auch unseren Bürgern schuldig, die ein Recht darauf haben, in Sicherheit in unserem Land leben zu können, ohne Angst leben zu können. Das sind wir dem Ruf unseres Freistaats schuldig und das sind wir im Übrigen auch dem Ruf der Bundesrepublik Deutschland insgesamt schuldig, denn das sind Vorgänge, die weit über Thüringen hinaus wirken.
Der Ruf nach Aufklärung ist eine berechtigte Forderung und der berechtigte Anspruch auch der Bürgerinnen und Bürger, das ist ganz klar, aller Menschen in unserem Land, die für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einstehen. All diesen Menschen muss daran gelegen sein, dass es Aufklärung gibt. Aber Aufklärung ist nur das eine. Die Schlussfolgerungen, die wir ziehen, sind natürlich das Zweite. Ich will für meine Fraktion ganz klar sagen, damit einher geht das Bekenntnis zur wehrhaften Demokratie. Das heißt natürlich auch im Grundsatz das Bekenntnis zu den Diensten, denn die gehören dazu, die sind Bestandteil dieser wehrhaften Demokratie. Aber gerade, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil das so ist, deshalb sind Fragen nach dem Selbstverständnis zwingend und müssen vielleicht sogar auch zusammen mit Fragen über die Organisation der Dienste überdacht werden.
Die Abschaffung der Dienste - das will ich ganz klar sagen - ist nicht unser Ziel. Verlässlichkeit in die Ar
beitsweise und in die Arbeitsrichtung ist aber Voraussetzung dafür, dass dieses Bekenntnis auch so klar bleiben kann, wie ich das hier formuliert habe.
Ich will das ganz ehrlich sagen. Wolfgang Fiedler hat gesagt, er steht hier mit Trauer und mit Scham. Das geht mir genauso, aber ich will es ergänzen, ich stehe auch mit Wut hier. Es ist schlimm genug und, ich will sagen, es macht mich geradezu irre, dass Demokraten die selbstgeschaffenen Instrumente zur Verteidigung der Demokratie hier in dieser Weise hinterfragen müssen. Dass wir gezwungen sind, solche Fragen zu stellen, das macht mich schier wahnsinnig, das will ich ganz offen so sagen. Da fehlen mir die Worte für das, was wir teilweise hier in den letzten Tagen hören und erfahren mussten.
Die Fragen sind hier gestellt worden: Welche Rolle haben bei diesen ganzen Vorkommnissen der Staat und seine Institutionen, wie die Verfassungsschutzämter, welche Rolle haben wir hier in Thüringen gespielt? Welche Rolle haben wir auch in anderen Ländern gespielt? Lieber Kollege Wolfgang Fiedler, natürlich ist es auch ein Bild, was wir als Thüringer bieten, wenn die Kontrollkommission im Bundestag tagt, der Verfassungsschutz aus Thüringen eingeladen ist und dann nicht kommt. Das ist ein Bild, von dem ich glaube, dass wir uns das nicht leisten sollten und von dem ich glaube, dass wir es uns auch nicht leisten dürfen.
Welche Rolle haben auch V-Männer in dem ganzen Geschehen gespielt? Wie ist das Verschwinden zu erklären? Alle Fragen, die hier schon gestellt worden sind, müssen geklärt werden und zwar zunächst von denen, die dafür zuständig sind, das ist originär zunächst erst einmal deren Aufgabe.
Demokratie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, hat sicherlich viele Feinde. Manche von ihnen sind äußerlich durchaus attraktiv, manche weniger, manche erkennt man, manche zeigen sich, manche verstecken sich. Genau weil die so unterschiedlich sind, gibt es einen Verfassungsschutz, dessen Auftrag in § 2 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes wie folgt formuliert ist, ich zitiere: „Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist es, den zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitlich-demokratische Ordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu treffen.“
Es ist deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr als bedenklich, wenn Banküberfälle, Rohrbomben und Mordanschläge auf das Konto einer kriminellen, einer terroristischen Vereinigung gehen
und niemand weiß, wie die sich 14 Jahre lang verstecken konnte und nicht einmal auszuschließen ist, dass ein Präsident eines Landesamtes oder der Verfassungsschutz selbst seine Finger bei diesen Vorgehen mit im Spiel hat.
Die Ministerpräsidentin hat in ihrer Regierungserklärung die Reaktion des norwegischen Ministerpräsidenten nach den Ereignissen des 22. Juli - das Datum geht mir deshalb ein, weil es einen Tag vor meinem Geburtstag ist und mir das den natürlich dieses Jahr entsprechend gestaltet hat - hier vorgetragen. Er hat gesagt, wir reagieren darauf mit mehr Offenheit und mit mehr Demokratie. Ich will das ausdrücklich unterstreichen, indem ich sage, für jegliche Institution des demokratischen Rechtsstaates muss der Grundsatz gelten, ob der Zweck die Mittel heiligt, hängt von den Mitteln ab und nicht vom Zweck, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ein Weiteres sollte uns aus dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren von 2003 eigentlich klar geworden sein, dass es nämlich überhaupt nichts mit rechtsstaatlichen Grundsätzen und der Verteidigung des Rechtsstaates zu tun hat, wenn 15 Prozent der Funktionäre der NPD V-Männer des Verfassungsschutzes sind. Wenn ich die aktuellen Vorgänge sehe, dann frage ich mich, ob der Verfassungsschutz überhaupt irgendwelche Konsequenzen aus diesen Vorgängen gezogen hat und ob er überhaupt etwas gelernt hat. Wenn ich sie mir anschaue, fürchte ich, kenne ich auch schon einen Teil der Antwort. Man ahnt nämlich, was man auf jeden Fall nicht gelernt hat, nämlich die Finger dort herauszuhalten.
Mit Blick auf das Verbotsverfahren muss man sich natürlich auch die Frage stellen, welchen Anteil man selbst dabei hat. Verfassungsschutz ist Ländersache. Wenn wir uns an 2003 zurückerinnern, dann war es eben so, dass der damalige Bundesinnenminister Otto Schily von der SPD, der das federführend betrieben hat, auch deshalb gescheitert ist, weil er gar nicht wusste, dass es aus vielen Verfassungsschutzämtern V-Leute an der Spitze der Strukturen der NPD gegeben hat. Deshalb ist es auch wenig hilfreich, wenn wir mit dem Finger aufeinander zeigen und wenn eine Kollegin von den GRÜNEN aus dem Bundestag jetzt auf den Innenminister zeigt und sagt, die ganzen Fragen zur Einführung dieses Registers kämen viel zu spät. Wir haben fast alle schon einmal regiert, es wäre immer schon Zeit gewesen, das zu machen. Diese gegenseitigen Schuldzuweisungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, helfen uns an dieser Stelle nicht weiter.
Natürlich kann es hilfreich sein, Spitzel, V-Leute in Vereinigungen zu haben, die verfassungsfeindlich agieren, das ist überhaupt nicht die Frage. Aber es kann nicht sein, dass solche Vereinigungen durch
V-Männer geführt werden und am Ende dann auch mit Steuermitteln finanziert werden. Der Verfassungsschutz, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll aufklären, er soll aber nicht anleiten und er soll schon gar nicht anführen, das ist ein grobes Missverständnis seiner Aufgabe.
Ich will das klar sagen, ich glaube, dass gerade dort, wo so die Grenzen des Rechts scheinbar verschwimmen, wo die Grenzen des Rechts vielleicht auch unsichtbar werden, dass es gerade an diesen Stellen um so wichtiger ist, dass man sich der Existenz und auch der Lage dieser Grenzen umso bewusster ist. Ob ein erfolgreiches NPD-Verfahren die ganzen Vorgänge, die Taten dieser Gruppe verhindert hätte, das weiß ich nicht, ich weiß aber, dass wir bestimmt nichts erreichen, wenn wir auf dem Wege eines erfolgreichen Verbotsverfahrens der NPD die Mittel aus der Parteienfinanzierung entziehen und sie ihr über den Verfassungsschutz und die V-Leute dann wieder zukommen lassen.
Damit erreichen wir ganz bestimmt nichts, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deshalb muss die lückenlose Aufklärung dieser Vorgänge und auch möglicher Fehler in der Durchführung und der Organisation sowohl der Vorgänge, aber vielleicht auch in der Organisation der entsprechenden Behörden oberste Priorität haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die gesamte Bundesrepublik schaut derzeit auf Thüringen und schüttelt über uns den Kopf. Deswegen muss es unser Interesse sein, schnell aufzuklären, aber deshalb muss es auch unser Interesse sein, nicht das gesamte Feuer, das gesamte Licht allein auf uns zu richten und so zu tun, als wären wir gerade die Deppen der Nation, das haben manche Vorredner schon gesagt, auch das entspricht nämlich nicht der Realität, sondern auch hier ist es die Frage, wie konnte es dazu kommen, was ist in der Organisation, in der Zusammenarbeit entsprechend falsch gelaufen. Deswegen glaube ich, Herr Innenminister, dass die Idee, diese Kommission einzurichten, die diese ganzen Vorkommnisse noch einmal aufarbeiten soll, eine gute Idee ist. Ich glaube, dass Sie mit der Besetzung der Spitze auch eine gute Wahl getroffen haben. Herr Schäfer hat ausweislich Erfahrungen bei solchen unerfreulichen Vorgängen, das muss man ja bedauerlicherweise so sagen, aber auch da hilft es natürlich nicht, nur die Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern auch hier ist die Frage, Aufklärung ist das eine und die Frage der Schlussfolgerungen ist das Zweite. Die Schlussfolgerungen muss man aus den Fragen ziehen, die lauten: Welche Probleme gibt es bei der Zusammenarbeit der Geheimdienste untereinander im Zusammenspiel mit der Polizei, im Zusammenspiel auch mit den Staatsanwaltschaften? Wie kann
man auch Verzahnungen, die sich vielleicht aus unterschiedlichen terroristischen Strömungen ergeben, besser wahrnehmen und möglicherweise entsprechend besser auch die Behördenarbeit miteinander vernetzen, denn es scheint ja auch durchaus ein Punkt zu sein, dass nach dem 11. September 2001 sich schon auch die Schwerpunktausrichtung der Behörden durchaus geändert hat? Welche Auswirkungen haben auch solche Dinge? Wir sind ja auch nicht sicher davor, dass so etwas wieder passiert. Gibt es auch hier möglicherweise Verschiebungen in der Priorität, die sich am langen Ende im Nachhinein als fatal erweisen? Wie stellen wir sicher, dass Art und Richtung der Arbeit der Dienste keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie ihrem Auftrag, nämlich die Verteidigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auch wirklich gerecht werden? Das ist die Frage, die am Ende beantwortet werden muss, wenn wir weiterhin Vertrauen in die Institutionen, die unsere Rechtsordnung verteidigen sollen und vor Schaden beschützen sollen, haben können, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will zum Schluss, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, noch einen Aspekt ansprechen, der zu dem Themenbereich „Umgang mit politischem Extremismus“ gehört, denn dieser ganze Themenbereich gehört dazu, das haben meine Vorredner auch schon angesprochen.
Angst ist kein Gefühl, über das man sich lustig macht. Angst ist kein lächerliches Gefühl; jeder der Angst empfindet, so wie das einer der Vorredner hier aus seiner Familie beschrieben hat, ist ein Gefühl, das man ernst nehmen muss. Daraus aber die Schlussfolgerung zu ziehen, es müssten jetzt alle Angst haben, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen und so zu tun, als müsse man jetzt allen Angst machen, kann natürlich auch nicht in unserem Sinne sein. Ich will an der Stelle nur noch einmal darauf hinweisen, Herr Bildungsminister, wir haben über 4.000 ausländische Studenten in Thüringen. Der Wirtschaftsminister ist nicht mehr da, weil die Kameras nicht mehr da sind, aber wir haben auch 7.000 ausländische Arbeitnehmer in Thüringen. Wir haben je nach Rechnungsweise, da gibt es zwischen der Ausländerbeauftragten und dem Innenministerium offenbar unterschiedliche Berechnungsgrundlagen, 35.000 bis knapp 50.000 Ausländer im Land, die zeigen doch, dass Thüringen ein Ort ist, an dem man auch mit anderer Herkunft leben kann und offenkundig auch leben will.
Deswegen ist auch noch einmal der Appell, nicht so zu tun, als sei Thüringen der Hort des Bösen. Wir sind die, die jetzt alle Spitzen auf sich ziehen. Das ganze Licht scheint nur über Thüringen. Das ist auch nicht das Richtige, aber wir können schon
auch hier und da etwas tun. Wir haben gerade im Zusammenhang mit dem Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit, zu dessen Titel ich mich ausdrücklich bekenne, zu dessen Titel ich mich ausdrücklich für meine Fraktion bekenne,
weil es nämlich vor allem nicht darum geht, gegen etwas zu sein, sondern wir müssen hier demonstrieren, wofür wir sind, für welche Werte wir stehen und um die Verteidigung welcher Werte es uns geht. Wir haben im Zusammenhang mit den Diskussionen um dieses Programm einen Antrag eingebracht mit dem Titel „Demokratieerklärung als Vertrauenstatbestand“. Dieser Antrag sollte bewirken, dass bei Förderungen aus diesem Landesprogramm von dem Empfänger eine sogenannte Antiextremismuserklärung unterschrieben werden musste. Soweit ich mich erinnere, ist der Antrag im Hohen Haus mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es nicht nur um Symbolpolitik geht, dann muss das, was ich vorhin sagte, für alle gelten. Geld vom demokratischen Rechtsstaat, Geld, insbesondere zur Verteidigung des demokratischen Rechtsstaats, kann nur der bekommen, der sich klar zu seinen Zielen bekennt. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst auch von meiner Seite vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin, für die Regierungserklärung. Der Zeitpunkt war richtig gewählt und dass sich die SPD-Landtagsfraktion hinter vielen Ihrer Aussagen versammeln kann, haben Sie sicherlich auch an dem Applaus gemerkt.
Meine Damen und Herren, wir sind entsetzt und voller Trauer über die in den letzten Tagen bekannt gewordenen Verbrechen einer rechtsextremen Terrorgruppe, die ihren Ursprung in Thüringen hat. Es ist beschämend, dass in Deutschland Menschen Opfer eines systematischen Terrors fanatischer Rechtsextremer werden können. Die bekannt gewordene Gewaltserie ist der Höhepunkt einer Entwicklung, die wir seit Jahren mit großer Sorge verfolgen. Rechtsextreme Gewalt ist in Deutschland schon lange kein Randphänomen mehr. Die Gewaltbereitschaft hat in den letzten Jahren ständig zugenommen. Der Terroranschlag vor 30 Jahren auf das Münchner Oktoberfest, angeblich die Tat eines Einzeltäters, der nur zufällig Kontakte zur Wehrsportgruppe Hoffmann hatte, die Brandan
schläge auf Asylbewerberheime Anfang der 90erJahre und die alarmierenden Waffen- und Sprengstofffunde haben doch eines deutlich werden lassen: Wir haben es schon lange mit einer Ideologie und mit Tätern zu tun, die vor nichts mehr zurückschrecken. Den traurigen Höhepunkt dieser Entwicklung bilden nun die bekannt gewordenen Taten rechtsextremer Terroristen. Sie machen die Kontinuität und das Ausmaß der rassistischen Gewalt in unserem Lande nun wirklich für jedermann offensichtlich. Alle demokratischen Parteien müssen die Gefahr von Rechts nun ernst nehmen und den Tatsachen ins Auge blicken. Ich will da ausdrücklich anfügen, über den Tag hinaus.
Für Thüringen kann das seit Kurzem in der Umsetzung befindliche Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit dazu nur ein erster Schritt sein.
Meine Damen und Herren, die drängenden Fragen richten sich heute aber nicht an die Politik im Allgemeinen. Sie richten sich vor allem an die verantwortlichen Sicherheitsbehörden in unserem Land, an Verfassungsschutz, Polizei und Justiz. Ich will dann einmal zitieren aus dem aktuellen Jahresbericht des Bundesamts für Verfassungsschutz. Unter der Überschrift II „Gewaltbereitschaft in der rechtsextremistischen Szene“ ist dort zu lesen: „Auch 2010 waren in Deutschland keine rechtsterroristischen Strukturen feststellbar; rechtsextremistische Gewalt wird überwiegend spontan begangen.“
Meine Damen und Herren, diese Feststellung steht im krassen Widerspruch zum bekannt gewordenen Ausmaß rechtsextremer Gewalt. Das ist ja der Extrakt des Wissens aller Landesämter für Verfassungsschutz in Deutschland. Wenn ich dann einmal die Terminologie von Herrn Barth übernehmen möchte, heißt das nichts anderes als „Die Deppen sitzen überall“. Natürlich haben wir in Thüringen jetzt unseren Job zu machen. Bedingungslose Aufklärung, darüber haben wir alle gesprochen, aber ich halte das für den ersten Schritt der Verharmlosung, dass andere Bundesländer auf Thüringen zeigen und sagen, die müssen aufklären, dann ist unser Problem geregelt, mitnichten, meine Damen und Herren.