Aber wenn wir dann in die einzelnen Bereiche gehen, wird es schon etwas schwieriger. Denn ich finde, Herr Bergemann, dass hier doch mehr Fragen als Antworten in der sogenannten Strategie stehen. Das will ich einmal versuchen an einigen Beispielen
Das geht los mit dem Thema unserer partnerschaftlichen Beziehungen. Abgesehen von der Aufzählung, was alles passiert, müssen wir, wenn wir seriös sind, doch feststellen, dass die Behandlung der Partnerschaften mit Malopolska oder der Picardie in diesem Haus bislang doch sehr marginal eine Rolle spielt. Wenn wir ehrlich sind, hat das auch seine Gründe darin, dass wir nicht so richtig wissen, was diese Partnerschaft eigentlich für unser Haus hier bedeutet. Es gibt einige Partnerschaften, die mit uns hier nicht viel zu tun haben - Universitäten, Schulen, Kindereinrichtungen etc. - das wissen wir alle. Worauf ich hinaus will, ist, ich bin der Meinung, wir sollten viel deutlicher machen, welche Strategie bei den Außenbeziehungen wir haben, also sprich welche Kriterien wir bei der Partnerwahl beispielsweise anlegen. Die können auch etwas damit zu tun haben, dass begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. Aber ich fühlte mich etwas unwohl - muss ich ganz ehrlich sagen - nach Südtirol zu fahren nach fünf Jahren Funkstille und dann wieder mit den schönen Worten dort zu sein, wir möchten aber die Partnerschaft verstetigen. Ich frage mich, in welcher Beziehung möchten wir sie verstetigen. Wir möchten ganz bestimmt nicht die parlamentarische Arbeit dort kopieren, sondern - wenn überhaupt dann sollen die von uns lernen. Das haben wir dort diskutiert, das ist genau richtig. Aber das ist nicht hier eingeflossen, und das muss im Europaausschuss - darauf will ich ja nur hinaus, ich wollte ja gar kein Dissens aufbauen, Frau Pelke - genau dieses Thema muss noch besprochen werden. Ich hasse diese Partnerschaften, von denen es immer Dutzende gibt, die nur auf dem Papier stehen. Das wäre hier in diesem konkreten Fall sehr schade.
Ein zweiter Bereich betrifft das Problem der Umsetzung der Strategie 2020, was die Innovationsunion angeht. Ich will nur einmal auf ein Problem hinweisen dabei. Einige von den genannten Kriterien haben wir schon längst erfüllt. Unsere Schulabbrecherquote - Gott sei Dank - auch in Thüringen liegt schon unter den 8 Prozent, hat lange genug gedauert.
Aber jetzt ist niemand mehr vom Finanzministerium da. Man muss schon mal den Mut haben, zu fragen: Wenn wir bislang 0,48 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für staatsnahe Forschungsaufgaben ausgeben, wie der Bericht ausweist, und wir damit über dem Durchschnitt liegen in Deutschland, ob wir uns das weiterhin leisten können - nicht leisten wollen, Herr Bergemann, darüber sind wir uns hier, glaube ich, einig, aber leisten können - in der Situation, die wir in den nächsten Haushalten haben werden. Hier eine Strategie vorzulegen, die das nicht mit bedenkt, ist meiner Ansicht nach nicht vollständig. Deshalb müssen wir darüber im Ausschuss sprechen, genau an diesem Punkt zum Bei
spiel. In dem Bereich, der ‚Jugend in Bewegung’ heißt, gibt es das Problem der Bildungsabschlüsse. Dort werden dann Bemerkungen gemacht, wie die wissenschafts- und hochschulpolitischen Ziele des Landes dem unter anderem entsprechen - ich zitiere jetzt, Frau Präsidentin: „Die Erhöhung der Attraktivität des Studienangebots auch für Studierwillige aus sogenannten bildungsfernen Schichten unter anderem durch Einrichtung neuer und berufsbegleitender Ausbildungsgänge“. Ja, wie denn? Vor allem, wenn wir wissen, dass die Berufsbildung Bundesangelegenheit ist. Da hätte ich schon ein bisschen mehr erwartet als nur diese Behauptung. Oder ich zitiere wieder: „Ein verstärktes Engagement in der Weiterbildung“. Dafür sprechen nicht unbedingt die Gelder, die wir für die Erwachsenenbildung freigeschaufelt haben, und das Bildungsfreistellungsgesetz gibt es auch noch nicht. Schreiben Sie es doch hinein, wenn Sie das damit meinen, dann haben wir etwas Konkretes zum Diskutieren. Oder ich zitiere wieder: „Die weitere Internationalisierung des Lehrangebots“. Haben wir vor, hier in Thüringen englischsprachige Hochschulunterrichtungen und -abschlüsse anzubieten oder meinetwegen auch französischsprachige, das spielt jetzt gar keine Rolle, oder polnische? Das wäre mal ein Beispiel zusammen mit Malopolska. Kein Wort dazu, darüber müssen wir im Ausschuss sprechen.
Auf den Bereich ressourcenschonende Energie wird hingewiesen in der Bewertung, auch dort wieder ein Zitat: „inhaltlich werden die Themenfelder nachhaltige Bildung, regionales und nachhaltiges Wirtschaften, Flächenverbrauch sowie Klima und Energie im Mittelpunkt der Strategie stehen“. Da nehme ich an, unter Flächenverbrauch ist Reduzierung des Flächenverbrauchs gemeint. Das ist nur eine grammatikalische Situation, aber wenn man dann genau hineinsieht, was dann in den Handlungsempfehlungen steht, dann gibt es dazu eben keine weiteren Worte - außer: „Wir erwarten ‚leider’“ - in Anführungszeichen, das habe ich jetzt dazugesetzt -, „dass die Europäische Union uns dazu zwingt, dort tätig zu werden.“ Das ist genau die Kritik, die Herr Koppe zu Recht gebracht hat, dass man dort abwartend ist und nicht aktiv. Dort ist keine Strategie erkennbar, sondern da ist erkennbar, dass wir eine Strategie brauchen. Die Themen sind richtig gesetzt, aber die Strategie ist noch nicht vorhanden.
Bei dem Thema Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten gibt es dann zum Beispiel Schlagworte wie Berufsschulnetzplanung. Das Schlagwort höre ich wohl, ich kann mir auch etwas darunter vorstellen. Wahrscheinlich geht es darum, Koordinierung von Berufsschulnetzen zu machen, die bislang aber kommunale Angelegenheit sind. Wie möchte das Land das tun? Auch dazu muss es doch mehr geben als dieses Schlagwort, was ich im Übrigen, wie gesagt,
richtig finde. Und, das ist auch ein Schlagwort, für alternde Belegschaften sind spezifische Weiterbildungsangebote zu entwickeln - sehr richtig. Aber durch wen und mit welchem Geld?
Das hilft nicht, diese Strategie vollmundig hineinzuschreiben und dann nicht zu sagen, wie wir es vorhaben. Den Mut sollten wir als Europäer haben und sagen, wir wollen dafür Geld. Keine Ahnung, wie viel. Das sollten wir dann ruhig im Ausschuss diskutieren, da bin ich dann auch dabei.
Ich finde, dass es ein Fehler ist, wenn es darum geht, die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen, diesen Kampf unter das Thema Armutsbekämpfung zu bringen. Nein, meiner Ansicht nach geht es darum, Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten zu entwickeln. Da kommt es auf den Duktus an. Das Thema aktive Arbeitsmarktpolitik für Langzeitarbeitslose gehört nicht in den Bereich der Armutsbekämpfung, sondern in den Bereich der neuen Kompetenzen und neuer Beschäftigungsmöglichkeiten bei unserem Fachkräfte- und sonstigem Mangel an Beschäftigung. Nur mal so als eine Bemerkung zu dem Thema. Und was natürlich dort vollständig fehlt, ist eine Aussage dazu, die den Mut hat und sagt, wir möchten auch bei der Anwerbung von Arbeitskräften aktiv sein. Wir wollen Europa auch positiv nutzen, wir wollen Europa nach Thüringen holen. Wir wollen mit Menschen aus Europa in Thüringen arbeiten und leben. Dazu kein Wort. Auch das möchte ich gern im Ausschuss mit Ihnen diskutieren.
Ein letzter inhaltlicher Punkt. In der Verkehrspolitik möchte ich die Frau Ministerin ausdrücklich loben. Es ist der erste Bereich, den ich kenne, wo die Verkehrspolitik über Europa mit einer Bewertung am Handlungsbedarf auskommt und nicht ein einziges Mal Straßen genannt sind. Es geht ausschließlich um Schienenverkehr und öffentlichen Personennahverkehr. Danke dafür, dass Sie endlich festgestellt haben, dass wir keine neuen Straßen mehr brauchen, sondern wenn es darum geht, Europa weiterzuentwickeln, bei der Verkehrspolitik reden wir von Schiene und öffentlichem Personennahverkehr, zu Fuß gehen und Fahrrad fahren. Das ist wirklich eine positive Seite. Sie lächeln. Ich vermute, Sie haben es nur vergessen, das kann ja auch mal passieren. Aber es steht nicht drin.
Zum Schluss: Wir werden auch bei der Verteilung der Gelder, Herr Bergemann, das ist eines der Hauptthemen, das uns im nächsten Jahr beschäftigen wird, natürlich nicht drumherum kommen, auch Kriterien festzulegen und uns dann hier zu streiten.
Sie haben gemerkt, das weiß auch Frau Ministerin Walsmann, ich klopfe immer, wenn sie davon redet, dass für den ESF 40 Prozent vorgesehen sind. Sie wissen natürlich auch, dass Prozente immer ganz heikel sind. Aktuell hat der ESF 30 Prozent der Förderquoten bekommen in den Kohäsionsfonds. Das ist auch gut so, denn wir alle kennen die Beispiele, die daraus finanziert werden. Die 40 Prozent, die jetzt in Rede stehen, sollen von den jetzt noch angenommenen zwei Dritteln kommen. Die Aussage heißt, die Mittel für den ESF sollen nicht sinken. Dazu darf man sich schon bekennen, ohne deshalb infrage zu stellen, dass wir vor Ort sehr gut wissen, wie wir arbeiten wollen. Aber ich wiederhole mich hier gern bei dem Thema. Die Sozialpolitik verliert regelmäßig gegen die Regionalpolitik, wenn sie nicht diesen Zaun um sich herum gezogen bekommt. Deshalb stehe ich dazu, dass dieser Zaun in diesem Fall richtig ist, plädiere aber ansonsten auch wie Herr Bergemann und alle anderen, die hier zu dem Thema sprechen, dafür, dass wir vor Ort am besten wissen, was wir wollen. Gerade im ELER-Bereich kann ich Ihnen nur sagen, diese Sorte von Gängelung, die wir dort zum Teil haben, ist eine Katastrophe für Thüringen gewesen. Wir haben richtig Geld von Europa - nennen wir es einmal freundlich - suboptimal eingesetzt.
Übrigens bei dem Thema des ESF, des ELER und des EFRE ganz eindeutig noch einmal - es gab bisher noch kein Wort über die Einbindung in die Haushaltskonsolidierung. Wenn wir das nicht dort hineinschreiben, ist das ganze Papier schlussendlich nicht wert, es auch nur zu bedrucken. Denn wir wissen ganz genau, welchen Abbaupfad wir bei den staatlichen Einnahmen und bei den Ausgabemöglichkeiten haben. Die Kofinanzierung, egal wie viel wir kofinanzieren müssen, wir wissen alle, es wird davon ausgegangen, dass wir eigentlich höhere Kofinanzierungsquoten einsetzen müssen als bislang. Wie wir das stemmen wollen, weiß hier noch keiner seriös. Das jetzt nicht zu diskutieren, heißt, in zwei Jahren wieder in Hektik zu kommen und dann keine Strategie zu haben. Ich werbe nachdrücklich dafür, dass auch die anderen Fachpolitiker, die nicht im Europaausschuss sind, mit dazukommen. Oder ziehen Sie sich das Ding bitte in Ihre Ausschüsse hinein. Wir können heute beschließen, dass es an fast alle Ausschüsse geht und dass wir dann sehr ausführlich über diese Strategie diskutieren. Wir werden es nämlich brauchen. Es ist eine der wenigen Köpfe, wo wir noch mitgestalten können. Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Carsten Meyer. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dorothea Marx für die Fraktion der SPD.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann eine erfreuliche Mitteilung machen, dass ich jetzt ganz viel streichen konnte, weil schon sehr viel zu den Details gesagt worden ist. Man kann natürlich sagen, das eine oder andere fehlt da vielleicht noch oder es kann präzisiert werden. Aber die Europaministerin kann natürlich jetzt nicht für die einzelnen Ressorts eine Detailplanung vorwegnehmen. Ich finde, dass die europapolitische Strategie sehr gelungen ist, weil sie sich sehr umfassend und trotzdem detailliert bemüht, die 2020Strategie in landespolitisches Handeln umzusetzen.
Europa droht derzeit in eine Legitimationskrise und Identitätskrise zu geraten. Die Angst der Bürgerinnen und Bürger, über Bankbürgschaften für überschuldete Länder übermäßig zur Kasse gebeten zu werden und dadurch die nationale Wirtschaftsentwicklung zu gefährden, verstellt den Blick auf die längst zur Selbstverständlichkeit gewordene Stabilisierungsfunktion der Europäischen Union. Diese Stabilisierungsfunktion hat gerade Deutschland als Exportland seine heutige wirtschaftliche Stärke überhaupt erst ermöglicht. Ich sehe mich jetzt schon veranlasst, auch aufgrund des unterirdischen Beitrags des Kollegen Koppe, noch einmal auf ein paar allgemeine Prinzipien hinzuweisen, von denen ich eigentlich dachte, wir teilen sie hier im Haus. Wir sollten es dann wieder sagen.
Wir unterhalten uns aber heute in unserer Debatte, auf welche Weise wir weiter Fördermittel zur Wirtschaftsentwicklung unseres Landes erhalten können, wenn im Jahr 2013 die Zielgebiet-1-Förderung auslaufen wird. Wir müssen uns auch darüber unterhalten. Damit wird die Europäische Union als Geldautomat, um es mal etwas witzig zu formulieren, wenn wir ehrlich sind, nicht nur in Ländern mit Finanzkrisen zum gefragten Ansprechpartner. Es fehlt in diesen Tagen oftmals die politische und wirtschaftliche Einsicht, dass wir tatsächlich aber nicht mehr bekommen können und werden, wenn wir andere hängenlassen und glauben, uns in nationale Rückzugsgebiete oder Politik flüchten zu können.
Das Projekt Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen, erschwert nicht den Weg aus Finanzkrisen, nur das Projekt Europa ermöglicht überhaupt erst diesen Weg. Die Finanzkrise hat ihre eigentliche Wurzel im Wirtschaftsgefälle. Dieses Gefälle fordert einen dringend notwendigen Paradigmenwechsel in der Finanzpolitik. Spekulationen zugunsten kurzfristiger Profite müssen von nachhaltiger Wachstumspolitik zur Steigerung von Produktivität und Wachstum, Arbeit und Einkommen zurückgedrängt und abgelöst werden. Währungsstabilität allein ist dafür kein ausreichender Maßstab. Investitionen in Forschung, Bildung, Umwelt und Infrastruktur sind hierfür der richtige Weg, das sagen Ihnen alle
Fachleute. In diese vollkommen richtige Richtung weist die 2020-Strategie, die in nationaler Politik und auch Landespolitik gespiegelt werden muss, um erfolgreich sein zu können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage gespiegelt statt umgesetzt, weil es mich immer stört und es gar nicht darum geht, ein vermeintliches Diktat von oben als Handlungsmaxime in unsere Politik durchzustellen. Wir haben hier ein gemeinsames Projekt mit der 2020-Strategie, das die EU-Länder zum gemeinsamen Wohl gemeinsam beschlossen und auf den Weg gebracht haben. Es ist also nichts, was aus einer Wort- oder Programmmaschine irgendwo anonym ausgeworfen worden ist, sondern das Ergebnis von langen Verhandlungen der beteiligten Staaten. Deswegen spiegeln wir etwas, was auch von uns mit auf den Weg gebracht worden ist.
Es wurde schon mehrfach gesagt, deswegen brauche ich darauf nicht näher einzugehen, dass wir in Thüringen organisatorisch recht gut aufgestellt sind im Vergleich zu anderen Bundesländern.
Die 2020-Strategie beinhaltet intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. Was heißt das im Einzelnen? Intelligentes Wachstum soll heißen, wir generieren Wissen, Innovation, Bildung und wir kümmern uns mal um die digitale Gesellschaft, was gern vergessen wird. Nachhaltiges Wachstum bedeutet rohstoffeffizientere, ökologischere Produktion und wettbewerbsfähigere Wirtschaft und schließlich integratives Wachstum, hohe Beschäftigung, Erwerb neuer Fähigkeiten und Kampf gegen Armut. Kollege Bergemann hat schon einige der Messdaten benannt, die dann die Zieldaten sein sollen, an denen sich der Erfolg messen lassen muss auch bei uns in Thüringen. 75 Prozent der Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren sollen in Arbeit sein dürfen, 3 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts sollen Investitionen für Forschung und Bildung sein. Die Klima-/Energie-Ziele 20-20-20 muss ich auch nicht nochmals erklären. Die Bildungsabschlüsse sollen verbessert werden, mindestens 40 Prozent der jüngeren Generation sollen einen Hochschulabschluss haben. Letztendlich ganz, ganz wichtig und nicht das Letzte, sondern ein wichtiger Punkt, 20 Mio. weniger Menschen in der EU sollen von Armut bedroht und betroffen sein.
Wenn man sich diese ganzen Ziele vor Augen führt, dann weiß eigentlich jeder und hätte auch Herr Koppe merken können, wenn er nicht nur etwas abgelesen, sondern selber nachgedacht hätte, dass hieraus zwangsläufig ein Gewinn für alle entstehen muss statt eines Verlustes: ein stärker grünes, wissenschaftsbasiertes und solidarisches Europa. Die Frage ist, ob wir das allein besser könnten. Das könnten wir auf keinen Fall. Deswegen, dieses nationalistische Gerede hat mich auch aufgeregt vorhin wie Sie alle mehrheitlich in diesem Haus.
Die Population in Europa schrumpft von 7,7 Prozent der Weltbevölkerung derzeit auf 4 Prozent im Jahr 2050, nur dass wir einmal wissen, über welchen Anteil an der Weltbevölkerung wir eigentlich hier reden. Wenn wir uns also als Deutsche allein wieder auf den Elfenbeinturm setzen wollten, würden wir gar nicht mehr gesehen werden. Wir haben es mit transnationalen und transkontinentalen Wettbewerbsszenarien zu tun, auf die wir uns nur gemeinsam vorbereiten können. Wir haben nicht nur eine gute Chance, die 2020-Ziele im eigenen Land zu verwirklichen, wir haben auch die lohnende und verantwortungsvolle Aufgabe vor uns, die Ziele auch für unsere europäischen Nachbarn und Partner erreichbar zu machen. Natürlich, die einzelnen Punkte, die jetzt anstehen, darüber ist auch schon viel gesagt worden; bei der Reform des Finanzrahmens war die Frage, ob wir eine spezielle Fördergebietsübergangsregelung brauchen. Jetzt gibt es neue Fördergebietskriterien. Ich halte das nicht unbedingt für schlecht, weil wir da vielleicht sogar langfristiger wieder in Fördermittel hineinkommen, aber die regionale Verteilung, das ist ein elementarer Anspruch, muss vor Ort auch beeinflussbar sein. Also es kann nicht sein, dass von der EU bestimmt wird, hier ist der Subsidiaritätsgedanke richtig, welche Mittel dann im Einzelnen zum Einsatz kommen.
Zum Bereich Landwirtschaft ist einiges schon gesagt worden, wir müssen hier spezielle strukturelle Gegebenheiten auch stärker zur Geltung bringen. Da hat die Ministerin, der ich für ihren guten Bericht danke, sehr ausführlich schon Stellung genommen.
Der Ausschuss der Regionen, der unser regionaler Arm in Europa ist, hat bereits auf seiner Tagung vor einem Jahr die Kohäsionspolitik und die 2020-Strategie in einen ganz richtigen Zusammenhang gestellt. Auch im EU-Vertrag ist der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt als Ziel der europäischen Einigung vorgegeben und diese Ziele - das hat der AdR auch schon vor einem Jahr richtig erkannt - werden durch Verringerung der Unterschiede der verschiedenen Regionen und des Rückstands der am stärksten benachteiligten Gebiete erreicht. Wettbewerbsfähigkeit - so auch der Ausschuss der Regionen - baut auf Nachhaltigkeit und verstärkten sozialen und territorialen Zusammenhalt auf. Deswegen kann man sagen, eigentlich, liebe Kollegen, ist es doch ganz einfach: Was wir in Deutschland untereinander für richtig halten, ist auch für Europa das richtige Rezept.
Eine Kohäsionsforderung, die sich künftig an den Zielen der 2020-Strategie orientieren wird, passt sehr gut in unser Thüringen und zu unserer Politik. Darauf ist auch im Bericht hingewiesen. Wir erreichen damit ein zukunftsfestes, solidarisches Europa der Bürger statt eines Europa der Finanzjongleure, von dem haben wir nämlich mittlerweile genug. In einer europäischen Politik für Nachhaltig
keit, Bildung und eine solidarische Entwicklung werden wir deswegen in Thüringen nicht zu Getriebenen werden, sondern können Antreiber sein. Mit den Schwerpunkten einer Nachhaltigkeitsstrategie für Thüringen, wie wir sie in der Landesregierung festlegen, treffen wir den Nerv dieser Strategie und empfehlen uns dadurch auch für eine künftige zielgerichtete Förderung durch die EU. Es ist unsere Chance, dass die künftige finanzielle Förderung sich an diesen Zielen orientiert und nicht nur an Benachteiligung von Regionen.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir uns nicht unter irgendeiner Decke strecken, sondern stehen mit beiden Beinen mitten in der europäischen Zukunftsperspektive. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die europäischen Chancen für unsere Bürgerinnen und Bürger zu ergreifen und nationalen Kleingeistern, die das Geschäft der Spaltung der europäischen Bürgergesellschaft betreiben wollen, nicht auf den Leim zu gehen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Marx. Frau Ministerin Walsmann hat noch einmal um das Wort gebeten.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wollte eigentlich jetzt nicht den Feierabend noch weiter hinauszögern, aber es treibt mich einfach um,
Aber eins, Ihre Bibelfestigkeit, die können Sie in schöner Regelmäßigkeit jeden Donnerstag vor der Plenarsitzung unter Beweis stellen, aber da habe ich Sie bisher irgendwie genauso oft gesehen wie bei den europapolitischen Diskussionen oder Veranstaltungen zur Europapolitik,
nämlich schlicht noch gar nicht. Die Herren Bergemann und Kubitzki sind regelmäßig Gäste meines europapolitischen Dialogs und die fragen auch. Die mischen sich ein in die Diskussion mit dem polnischen Botschafter zur polnischen Ratspräsidentschaft zum Beispiel. Die haben auch eine Meinung,
die anderen haben auch eine Meinung, aber ehrlich gesagt, Mannomann! Sie haben jetzt eine Karenzzeit, bis zur Ausschussbefassung mal die 46 Seiten zu lesen. Das ist nicht zu viel verlangt, dass man die liest. Die herzliche Bitte, tun Sie es, dann können wir vielleicht auf einer ordentlichen Grundlage weiterreden. Auf dem Niveau, Herr Koppe, bitte nicht noch mal. Sie müssen sich jetzt auch gar nicht vor Ihren Bundesvorsitzenden Rösler stellen, der sich europapolitisch total vergaloppiert hat, das war total daneben.