Aber eine Sucht, Herr Mohring, würden Sie auch nicht damit bekämpfen wollen, wenn sie ihm eine Wagenladung Bier vor die Suchtklinik stellen.
Des Weiteren bin ich auch erstaunt ob Ihres Solidaritätsbegriffes. Ich weiß nicht, ob Ihnen aufgefallen ist, dass Deutschland seit Anbeginn und trotz der Herausforderung der deutschen Einheit Nettozahler ist. Länder wie Italien, Griechenland, Portugal, Spanien, Irland bis hin zu den neuen Mitgliedstaaten in Osteuropa haben massiv von der Solidarität des deutschen Steuerzahlers profitiert. Wenn sich aber dann auch noch Griechenland in die EU-Zone mogelt, ist es eine Ungeheuerlichkeit, in dieser Frage das Wort Solidarität in den Mund zu nehmen.
(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist Rechtspopulismus. Darüber sprachen wir heute Morgen.)
Vielmehr ist im Fall Griechenland eine Resozialisierung notwendig. Diese Resozialisierung besteht in einem Schuldenschnitt und damit in der Resolvenz Griechenlands. Ich sage Ihnen bereits jetzt voraus, dass genau das kommen wird. Ich sage Ihnen weiterhin voraus, dass die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands nicht mehr zu verhindern sein wird, sondern wir mit jeder Milliarde, die wir noch hineingeben, unsere Zukunft aufs Spiel setzen, bloß damit der Zusammenbruch etwas später kommt. Die Politik lässt sich erpressen von denjenigen, die mit billigem Geld der Notenbanken - im Übrigen staatliche Monopole - einem Siechenden weiter Geld verleihen in der berechtigten Hoffnung, die EU-Staaten würden eine Insolvenz eines Pleitelandes abwenden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau das passiert gerade. Wir geben Milliarden über Milliarden nach Griechenland, damit sie ihre Kredite bei den Großbanken bedienen können. Das ist keine vernünftige Politik, Frau Ministerpräsidentin. Eine vernünftige Politik wäre, endlich wieder das Maß von Freiheit und Verantwortung ins Lot zu bringen. Es hat keiner etwas dagegen, die Kreditabgabe durch Banken, wenn man Banken, die bekanntlich ihre Zinshöhe nach der Risikohöhe festlegen, endlich gebührend in die Verantwortung nehmen würde. Wenn ich Geld an jemanden verleihe, muss ich prüfen. Wenn ich prüfe und feststelle, dass derjenige diesen Kredit niemals wird zurückzahlen müssen und ich das dann trotzdem tue, muss ich auch die Verantwortung dafür tragen, die heißt Isolvenz des Kreditnehmers und wenn die Kredithöhe groß genug war, auch eventuell eine Insolvenz meiner Bank. Glauben Sie denn wirklich, dass eine Großbank tatsächlich so groß sein kann, dass sie Systemrelevanz besitzt? Wenn das so wäre, wenn solche Institute tatsächlich so wären, wenn eine Bank back to fail ist, dann muss diese zerschlagen werden, denn sonst ist Politik erpressbar und die zentralen Prinzipien der Marktwirtschaft sind ausgehebelt. Ich frage ganz einfach einmal in die Runde: Was sagen wir denn dem einfachen Handwerker, wenn sein Unternehmen vor der Pleite steht, weil er sich mit einem Projekt überhoben hat? Werden wir die jetzt auch alle retten oder ist es halt das normale Geschäftsrisiko, dass Millionen von Unternehmern tagtäglich treu und solide händeln?
Was wir hier mit der ständigen Ausweitung der Rettung machen, ist ein eklatanter Bruch des grundlegenden Prinzips der Marktwirtschaft. Dieses lautet:
Mit dem ESM, und das sage ich auch ganz deutlich, schaffen wir einen Freifahrtschein für risikofreies Handeln. Dies wird uns noch sehr teuer - und ich spreche nicht nur vom Geld allein - zu stehen kommen. So viel zur angeblichen Solidarität, welche die Frau Ministerpräsidentin einfordert. Aber es geht weiter im Interview. Frau Lieberknecht sagte dort, dass sowieso niemand die technischen Debatten verstehen könne. Sie disqualifizieren hier mehr als 2 Mio. Thüringer bzw., da es ja das Deutschlandradio war, mehr als 80 Mio. Menschen. Ich kann Ihnen aus zahlreichen Gesprächen mit Bürgern auf der Straße, Unternehmern, Juristen, Finanzwissenschaftlern und auch Politikern zumindest aus meiner Partei versichern, dass es genügend Menschen gibt, die aus guten Gründen die aktuelle Rettungsrhetorik ablehnen. Da war Ihre Äußerung wohl eher eine persönliche Meinung. Wenn Ihnen angesichts der Kritik, die Ihnen entgegenschlägt, wie Sie sagten, die Hutschnur geplatzt ist, so ist es mittlerweile wahrscheinlich ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Kritik zumindest sachlich richtig war. Ich sage Ihnen deshalb, warum man aus rein formalen Gründen den ESF ablehnen kann. In Artikel 125 des EUVertrags ist genau das, was der ESM etablieren soll, verboten. Die sogenannte No-bail-out-Klausel verbietet Hilfen für ein durch fiskalpolitische Verfehlungen vom Staatsbankrott bedrohtes Land. Was wir hier schaffen, ist ein Schlaraffenland für Steuersünder. Eine Transferunion entblößt auch den größten Sünder seiner Verantwortung, weil damit klar ist, dass ihm stets das Geld derjenigen zur Verfügung steht, die nicht über ihre Verhältnisse gelebt haben. Wie man hier auch noch von Gerechtigkeit reden kann, ist mir schleierhaft. Ich bin gespannt, wie oft Sie Ihrem Nachbarn aus der Patsche helfen würden, wenn der sich ständig neue und teure Autos kauft, Sie sich aber nur ein Fahrrad leisten können, weil Sie halt ordentlich gewirtschaftet haben. Selbst im besten Fall wäre wahrscheinlich nach dem zweiten Mal Schluss. Genauso sollten und müssen wir auch in der aktuellen Euro-Krise handeln. Da sich Frau Lieberknecht am Ende noch dazu hinreißen lässt - und jetzt zitiere ich wörtlich: „dass sich die politische Klasse in Deutschland zu Europa bekennt“, ist für mich an Merkwürdigkeit kaum noch zu überbieten. Ich frage mich langsam, liebe CDU, was haben wir denn hier für eine Landesregierung, wenn die Chefin in eine Rhetorik verfällt, die viele noch aus dem Staatsbürgerkundeunterricht in der DDR kennen? Leider.
Ich sage es hier noch einmal mit Nachdruck, ich gehöre keiner politischen Klasse an und ich bin ein Bürger, der sich für das Gemeinwohl engagiert, dem die Wähler das Vertrauen ausgesprochen haben. Genau dieses nehme ich wahr. Ich bleibe ein wacher und kritischer Geist, da kann der Regierung noch so oft die Hutschnur platzen. Ich bin ein glühender Europäer und mich treibt die Sorge um das Scheitern die Ideale um, die ich mit der Europäischen Union verbinde.
In diesem Sinne hoffe ich, dass die Landesregierung etwas Substanzielleres zu Europa zu sagen hat als hier in dem vorliegenden aktuellen Papier. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich war ja schon ein bisschen traurig, dass das Thema heute als letzter Tagesordnungspunkt dran ist und ich dachte, wir können dann mit dem Thema, weil es ein wichtiges Thema ist, trotzdem angenehm in den Abend gehen. Also, dass der Adrenalinspiegel
mir jetzt so hochgetrieben wurde durch Kollegen Koppe, das ist schon eine reife Leistung, das muss ich an dieser Stelle sagen.
Ich will mich auch verhältnismäßig vornehm ausdrücken. Das war das bisher Europaindiskutabelste, was ich hier in diesem Landtag gehört habe.
Eigentlich ist es jetzt nicht weiter wert, darauf einzugehen, sondern ich werde den Standpunkt unserer Fraktion zur europapolitischen Strategie der Landesregierung kundtun. Beginnen möchte ich mit dem Sprichwort: „Was lange währt, wird gut.“ Im Dezember 2009 hatte unsere Fraktion einen Selbstbefassungsantrag eingebracht in den Europaausschuss - in den damaligen Ausschuss muss ich sagen - „Zukünftige europapolitische Schwerpunkte der Landesregierung“. Wir mahnten damals an, die europapolitische Strategie, die damals gültig war, der Landesregierung zu überarbeiten. Das hat jetzt zwei Jahre gedauert, aber wenn ich sage, was lange währt, wird gut, sage ich nicht kritisch, sondern ich möchte die Betonung auf „gut“ legen, weil ich/ wir der Meinung bin/sind, dass die vorgelegte Strategie sich wohltuend von der bisher gültigen Strategie hervortut und unterscheidet. Sie ist konkret, sie betrifft alle Ressorts. Da muss ich sagen - da fällt mir wieder schwer -, da ist die Kritik von Herrn Koppe ein bisschen berechtigt, weil ich sage, es betrifft alle Ressorts, da hätte ich mir von den Ressortvertretern der Landesregierung mehr Aufmerksamkeit gewünscht an dieser Stelle. Ich will mal sagen, sie liest sich auch wie ein Regierungsprogramm und ist dadurch aber auch konkreter als die Koalitionsaussagen, die zur Europapolitik im Koalitionsvertrag sind.
Positiv, meine Damen und Herren, möchte ich hervorheben, dass in der europapolitischen Strategie klare Festlegungen getroffen wurden, wer für die Europapolitik verantwortlich ist, wer sie koordiniert und wer sich verantwortlich zeigt, nämlich die Staatskanzlei. Jetzt ist auch klar und in der Strategie deutlich gemacht worden, welche Ministerin die europapolitischen Fäden in der Hand hält in der Landesregierung, und das finde ich gut.
Die europapolitische Strategie sagt auch, was nicht geht. Da ergeben sich natürlich Fragen. Ein Beispiel, Frau Ministerin, Sie sprachen von der Strategie „Europa 2020“. Unter anderem ist darin auch festgehalten, dass die Forderung in der Strategie Europa 2020, 3 Prozent des Bruttoinlandproduktes für Forschung und Entwicklung auszugeben, durch
Thüringen nicht erreicht wird. Wir liegen bei 1,91 Prozent, der Bundesdurchschnitt liegt bei 2,68 Prozent. In der Strategie wurde auch zum Ausdruck gebracht, dass Thüringen noch einen langen Weg braucht, um dies zu schaffen. Da stellt sich natürlich die Frage: Warum ist das so? Wenn ich mir den Haushaltsplanentwurf 2012 anschaue, die Mittel, die dafür eingestellt sind, stagnieren eigentlich zu den Vorjahreswerten. Da muss die Frage gestellt werden: Warum ist das so und wie können wir nach Möglichkeiten suchen, dass die Forderung der Strategie Europa 2020 auch schrittweise auf diesem Gebiet von Thüringen eingegangen und erfüllt wird?
Zur Kohäsionspolitik: Wir können nicht auf alle Probleme eingehen, die in der Strategie enthalten sind, sondern nur auf wenige. Zur Kohäsionspolitik muss ich sagen, die Frage der Schaffung einer Zwischenkategorie - das muss ich jetzt sagen als LINKE Thüringen - es ist besser als gar nichts, diese Einführung der Zwischenkategorie, damit sind wir nicht glücklich, das hatte ich schon letztens gesagt. Wir wären eher für die Face-out-Methode gewesen. Aber auch - das muss ich hier eingestehen - gibt es in meiner Partei auf Bundesebene unterschiedliche Auffassungen und Diskussionsbedarf. Das muss ich an dieser Stelle sagen.
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das stimmt nicht. Sie haben eine Menge Diskus- sionsbedarf in Ihrer Bundespartei.)
Na, na, na. Wir unterstützen Sie in der Forderung, Frau Ministerin, dass wir als Freistaat Thüringen und die Mitgliedstaaten generell über die Verteilung der Strukturfondsmittel, besonders EFRE und ESF, selbst bestimmen sollten. Auch wenn der Gedanke, muss ich jetzt natürlich sagen, 40 Prozent ESF natürlich seinen gewissen Charme hat, das muss ich an dieser Stelle sagen, aber noch besser würde ich es finden, wenn bessere Mechanismen getroffen werden, dass ich die Strukturfonds untereinander besser vernetzen und gebündelt einsetzen kann, besonders auch was die Forderung des ländlichen Raums betrifft.
Die Frage Armut wird in der Strategie genannt. Begrüßenswert ist natürlich das Landesarbeitsmarktprogramm, was wir haben, dass dort auch für den Haushalt 2012 6 Mio. € eingestellt sind. Minister Machnig will natürlich weitere Millionen dort dafür noch zur Verfügung stellen aus ESF-Mitteln. Da muss ich natürlich sagen, da sind wir uns bewusst, dass diese 9 Mio., die er da einstellen will, aus anderen Programmen abgezogen werden. Da ist dann zu hinterfragen, ist das gut oder verlieren wir da was? Das ist natürlich noch ein Diskussionspunkt, den wir dann im Europaausschuss diskutieren werden.
natürlich die Strategie meiner Meinung nach zu wenig aus, wobei es ein Rezept nicht gibt. Wie gelingt es uns als Politik, die Thüringerinnen und Thüringer von der Notwendigkeit der Europäischen Integration zu überzeugen? Die Frage stellen wir uns in der Debatte auch im Ausschuss jedes Jahr. Zurzeit, muss ich sagen, ist Europa in aller Munde, allerdings so, wie wir es eigentlich nicht haben wollen, und es gibt viele Stammtischparolen, leider auch Stammtischparolen, die von Politikern in Talkshows und sonstwo vertrieben werden. Leider dachte ich, in Thüringen haben wir das nicht, aber wir sind vorhin leider von einem anderen Beispiel überzeugt worden. Wir haben das Gerede von den faulen Griechen, wir haben das Gerede, schaffen wir doch den Euro ab und schaffen wir wieder unsere Landeswährung. Das gerade bei so einem Schritt Deutschland am meisten Nasse machen würden, vergessen diejenigen, die solche Forderungen haben.
Natürlich muss ich auch sagen, Brüssel tut sehr viel, sich selbst in Misskredit zu bringen. Wir hatten ja erst am Ende der letzten Woche wieder ein Beispiel erlebt, indem nämlich die EU eine Richtlinie für mehr Wettbewerb in der Bodenabfertigung an Flughäfen fordert. Mag jetzt der eine oder andere sagen, das berührt vielleicht uns in Thüringen nicht so sehr, weil wir nur den kleinen Flughafen ErfurtWeimar haben. Aber trotzdem, allein die Tatsache und der Inhalt dieser Richtlinie ist schon ein Ausdruck dafür, dass auch in der EU, die Politik wird allerdings immer durch die Mitgliedstaaten bestimmt, versucht wird, eine neoliberale Politik voranzutreiben. Das müsste eigentlich bei den Kollegen der FDP natürlich Beifallstürme hervorrufen, diese Richtlinie. Dass dort nämlich grundsätzlich diese Dienstleistungen an den Flughäfen dem freien Markt geöffnet werden sollen, dass dort Billiganbieter zum Zuge kommen sollen, Billiganbieter, die sogar Leiharbeiter einsetzen können. Das führt natürlich zu weiterem Lohndumping in dieser Branche und das führt natürlich auch zu Arbeitsplatzverlusten. Ich kann hier eindeutig sagen, wir als LINKE lehnen so eine Richtlinie, die Lohndumping und den freien Wettbewerb zulässt, ab.