Protocol of the Session on May 19, 2011

Werte Kollegin Hennig, ich hatte es ja nun erwartet, weil dogmatisch haben Sie begonnen, dogmatisch haben Sie geendet, aber es ändert doch nichts daran, dass wir die Realitäten in der Hochschullandschaft annehmen sollten. Und die Realität, Ihre Denke, ist quasi vor Bologna. Da denken Sie, jawohl, die haben sich jetzt auf fünf Jahre Studium eingerichtet, das wollen wir Ihnen aber nicht verwehren. Aber real ist es doch so, wir haben mittlerweile im internationalen Hochschulraum der nach Bologna bedeutet, erster berufsqualifizierender Abschluss Bachelor und mittlerweile, ich sage mal, die Arbeitswelt hat sich darauf eingestellt, nimmt auch den Bachelor mehr und mehr an und schafft damit auch die Möglichkeit für diejenigen, die nicht langfristig wissenschaftlich arbeiten wollen, einen schnellen Berufseinstieg zu organisieren.

(Abg. Rothe-Beinlich)

Jetzt gehen Sie her und sagen, das wäre ja sozial ungerecht, wenn man diejenigen, die den Master machen, in den relevanten Studiengängen zulassungsbeschränkt. Nein, das ist doch genau das Modell, was Bologna will. Leuten, die keine wissenschaftliche Karriere starten wollen, die Chance geben, das Ganze über den ersten berufsqualifizierenden Abschluss zu erreichen und dann zweitens zu sagen, denjenigen, die entweder, nachdem sie ein paar Jahre gearbeitet haben und wieder an die Hochschule zurück wollen, einen Weg dahin zu bieten oder denjenigen, die sagen, jawohl ich möchte längerfristig wissenschaftlich arbeiten, einen Master anzubieten. Für diejenigen, die den Master machen, geht es dann darum, ideale Bedingungen zu schaffen. Das ist genau der Punkt, für den wir mit dem Gesetzesvorschlag werben. Wenn Sie definieren, dass es sozial gerecht ist, Zugang für alle zu gewährleisten, unabhängig und ohne Rücksicht auf die Fragestellung, ob sie überhaupt die ausreichenden Bedingungen dafür erfüllen, an dieser jeweiligen Hochschule ihren Abschluss zu machen, ihren Master zu machen, dann kann ich Ihnen nur entgegenhalten, nein, es geht genau darum, dass diejenigen auch ein bestimmtes Niveau halten müssen, um letztlich auch den Zugang zu bekommen. Da muss die Hochschule auch in die Lage versetzt werden, zu definieren, welche Kriterien das sein sollen, weil es schon entscheidend ist, wenn wir uns im Wettbewerb der einzelnen Graduate Schools befinden - und darauf läuft es ja hinaus in der Bologna-Welt, nicht in der Vor-Bologna-Welt, in der Sie denken -, dann ist es letztlich so, dass wir natürlich die Bedingungen dafür schaffen wollen. Jetzt kann man sich hierher stellen und sagen, Mensch wir müssen das doch hier alles mehr finanzieren. Klingt gut, hört sich gut an, können Sie im Live Stream gut verkaufen, aber es geht doch um etwas anderes. Es geht um reale Bedingungen an Thüringer Hochschulen, dafür kämpfen wir und deswegen, glaube ich, ist der Vorschlag der Landesregierung mit der Unterstützung der regierungstragenden Fraktionen genau der richtige Weg.

Ich wiederhole es noch einmal: Die Thüringer Hochschulen als öffentliche Hochschulen zu den Berkleys von Deutschland zu machen, ich glaube, das ist der richtige Weg.

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Ja, aber bis zum letzten Studienjahr.)

(Beifall CDU)

Jetzt sehe ich keine weiteren Redemeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. Für die Landesregierung Herr Minister Matschie, bitte.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich zunächst einmal für die zügige Beratung des Gesetzentwurfs bedanken, merke aber auch in dieser Debatte, dass trotz der Beratung noch einiges an Argumenten durcheinander geht und deshalb will ich zunächst noch einmal darauf hinweisen, wir müssen wirklich unterscheiden zwischen Hochschulzulassung und Hochschulzugang. Hier ist immer wieder vorgetragen worden, der Zugang zum Master würde beschränkt mit diesem Gesetz. Es ist schlicht falsch. Der Zugang zum Master wird nicht beschränkt. Was dieses Gesetz regelt, ist die Zulassung zu einzelnen Studiengängen. Selbstverständlich kann man mit einem Bachelorabschluss ein Masterstudium beginnen. Das Gesetz schränkt das in keiner Weise ein. Das Gesetz gibt den Hochschulen nur die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass bestimmte Studiengänge, die angeboten werden, nicht unter Überlast fahren müssen, sondern dass man eine sinnvolle Begrenzung der Studierendenzahlen vornehmen kann.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Das ist keine Beschränkung?!)

(Beifall CDU)

Frau Hennig, wenn Sie sich jetzt hinstellen und sagen: Wir stehen doch aber im Wettbewerb und womit sollen wir denn jetzt werben, wenn wir ein solches Hochschulzulassungsgesetz beschließen? Haben Sie sich mal angeschaut, wie sich die Studierendenzahlen entwickeln? Wir haben eine rasante Entwicklung bei den Studienanfängerzahlen. Wir haben im letzten Studienjahr ein Drittel aller Studienanfänger aus den alten Bundesländern gehabt. Wir liegen weit über der KMK-Prognose der Studienanfänger in Thüringen. Das alles zeigt doch, dass wir hoch attraktive Hochschulen in Thüringen haben, wo sehr viele Studierende sich entscheiden, genau hier in Thüringen zu studieren, weil wir hervorragende Bedingungen anbieten.

Frau Rothe-Beinlich, Sie haben jetzt noch einmal formuliert an dieser Stelle, jeder hat einen Anspruch auf den Zugang zum Master. Ja, natürlich. Jeder, der den Bachelor hat, hat auch einen Anspruch auf den Zugang zum Master. Der wird auch nicht eingeschränkt. Aber ich sage es noch einmal: Der Anspruch, einen Zugang zu haben, heißt doch nicht, den Anspruch zu haben, in einem bestimmten Studiengang, an einer bestimmten Hochschule, zu einem bestimmten Zeitpunkt auch zugelassen zu werden.

(Beifall CDU)

Das ist doch eine etwas absurde Vorstellung, dass die Hochschulen in der Lage sein müssen, jede beliebige Studienanfängerzahl in einem Masterstudiengang zulassen zu müssen. Wie soll denn das

(Abg. Dr. Voigt)

funktionieren? Eine Hochschule muss doch ihre Kapazität planen. Sie muss räumliche Kapazitäten planen. Sie muss ihre Professoren und Dozenten planen. Da muss es doch ein Regularium geben. Ihre Argumentation läuft darauf hinaus, dass wir in allen Studiengängen Zulassungsbeschränkungen abschaffen.

(Zwischenruf Abg. Hennig, DIE LINKE: Ja!)

Da sagen Sie Ja. Frau Hennig, das führt doch aber nur zu einem, dass Chaos angerichtet wird. Wenn Kapazitäten nicht mehr vernünftig planbar sind und alle, die sich auf einen bestimmten Studiengang bewerben, auch zugelassen werden müssen, das wäre so - ich habe das schon mal gesagt -, als wenn Sie das Recht auf Wohnen dahin gehend interpretieren, dass alle in der gleichen Wohnung wohnen dürfen und dass man deshalb keine Beschränkung vornehmen darf und die Wohnung nur an bestimmte Leute vergeben darf, sondern man müsste dann allen einen Schlüssel aushändigen und alle wohnen in der Wohnung, in die Sie gerade wollen. Genau das ist Ihre Forderung in Bezug auf die Studiengänge. Dass das nicht aufgehen kann, das erschließt sich mit normalen Möglichkeiten der Logik.

Herr Minister, gestatten Sie eine Anfrage durch Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich?

Aber gern.

Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Minister, dann frage ich gern: Wie stehen Sie denn zur Stellungnahme des Deutschen Hochschulverbands, der ganz deutlich sagt, dass der Gesetzentwurf gerade mit dieser Beschränkung in die falsche Richtung weist? Ich gehe mal davon aus, dass der Hochschulverband wissen müsste, was er sagt oder meinen Sie er unterliegt einer völligen Fehleinschätzung der Situation?

Ich kann die Einlassungen des Hochschulverbands nur dahin gehend interpretieren, dass hier in die Zulassungsbeschränkung die Vermutung hineingelegt wird, dass man nicht genügend Masterkapazitäten insgesamt vorhalten will. Das ist aber eine Interpretation, von der ich sage, dass sie nicht wirklich zulässig ist. Denn hier geht es nicht darum,

dass wir die Masterkapazitäten insgesamt nicht entsprechend vorhalten, sondern hier geht es um die Zulassungsbeschränkung einzelner bestimmter Studiengänge.

Jetzt schauen wir uns doch auch noch mal die Realität in Thüringen an. Herr Voigt hat auch schon darauf hingewiesen. Im Moment kommen vier Masterstudiengänge in Betracht, wo das überhaupt greift, weil dort die Zahl der Bewerber die Zahl der vorhandenen Studienplätze übersteigt. Ein Beispiel ist schon genannt worden. Ich gebe Ihnen noch ein anderes Beispiel: BWL-Masterstudiengang an der FSU in Jena. Dort beträgt die Kapazität 130 Studienplätze. Im letzten Wintersemester haben sich 180 Studieninteressierte beworben. Nun hätte man sagen können, das bekommt man vielleicht unter großer Überlast gerade noch hin. Besonders gute Studienbedingungen wären es nicht. Aber dann kommt es: Tatsächlich angefangen haben in dem Studiengang 20. Wenn ich jetzt Ihrer Forderung folge, dann muss ich die Kapazität, wenn sich 180 bewerben, auf 180 Studienplatzmöglichkeiten hochfahren mit entsprechendem Vorhalten von Dozenten und Personal, mit entsprechendem Flächenangebot. Am Ende habe ich dann vielleicht nur 20 Leute tatsächlich im Studiengang. Nein, so kann Hochschulpolitik nicht funktionieren. Wir müssen den Hochschulen Planungsinstrumente an die Hand geben. Alles andere wäre doch die reine Geldverschwendung.

(Beifall CDU, SPD)

Eines darf ich Ihnen auch noch einmal sagen, werte Kolleginnen von den GRÜNEN und von der LINKEN: Sie wissen doch ganz genau, dass alle Bundesländer außer Thüringen eine solche Zulassungsbeschränkung bei den Masterstudiengängen beschlossen haben.

(Zwischenruf Abg. Hennig, DIE LINKE: Ver- bessert.)

Ja, aber nun frage ich Sie mal: Dazu gehören auch Landesregierungen mit Regierungsbeteiligungen der LINKEN und Landesregierungen mit Regierungsbeteiligungen der GRÜNEN. Nun erklären Sie mal den jungen Zuhörerinnen und Zuhörern, die diese Debatte verfolgen, wie logisch das ist, wenn Ihre Partei in einem Bundesland einer solchen Regelung zustimmt und in einem anderen Bundesland die gleiche Regelung für des Teufels erklärt.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das machen Sie doch auch.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit wird doch die politische Glaubwürdigkeit zerstört.

(Unruhe DIE LINKE)

Sie können doch nicht in einem Bundesland sagen, das ist in Ordnung und wir beschließen es und im

(Minister Matschie)

anderen Bundesland sagen, das ist unmöglich und sagen, wir sind dagegen.

(Beifall CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch wohl ein Witz.)

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Sie wissen doch selbst, dass eine Koalition im- mer ein Kompromiss ist.)

Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Hochschulen stehen im bundesweiten Wettbewerb. Sie brauchen vernünftige Planungsinstrumente. Unsere Hochschulen sind hochattraktiv, das zeigen die hohen Zahlen von Studienanfängern aus anderen Bundesländern. Nach Auskunft der Hochschulen wird sich dieser Trend auch weiter fortsetzen. Die Kapazitäten, mit denen wir planen, müssen aber vernünftig verwaltet werden.

Ich möchte zum Zweiten sagen: In dieser Gesetzesnovelle wird die Voraussetzung für die Einführung des Dialogorientierten Seviceverfahrens geschaffen. Geplant war die Einführung ursprünglich schon zum kommenden Wintersemester. Der Stiftung für Hochschulzulassung ist es bisher nicht gelungen, die technische Umsetzung bundesweit abzuschließen. Deshalb hat es eine Entscheidung der zuständigen Vertreter aus den Hochschulen und aus Politik gegeben, jetzt kein Risiko einzugehen und die Einführung dieses Verfahrens noch einmal um ein Jahr zu verschieben. Das heißt, im kommenden Wintersemester wird für alle Studienbewerber noch einmal der herkömmliche Bewerbungsmodus gelten und ab dem Wintersemester 2012/2013 ist die Einführung dann des neuen Dialogorientierten Serviceverfahrens vorgesehen. Das macht es möglich, dass eine schnelle und möglichst lückenlose Vergabe aller Studienplätze mit örtlichen Zulassungsbeschränkungen auch sichergestellt ist. Denn wir haben heute das Problem mit den schwierigen Nachrückeverfahren, die dazu führen, dass dann ein Teil der ohnehin beschränkten Studienplatzkapazitäten in bestimmten Fächern gar nicht mehr besetzt werden kann. Ich denke, mit diesem neuen Verfahren, gerade auch vor dem Hintergrund steigender Studierendenzahlen, sind wir in der Lage, diese Anmeldungen auch vernünftig zu verwalten und dafür zu sorgen, dass jeder auch zeitnah eine Information über den Studienplatz bekommt.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal deutlich machen: Frau Rothe-Beinlich, ich habe es im Ausschuss schon einmal erklärt, Sie haben eingefordert, es müssen sich alle beteiligen, damit es Sinn macht; das sehe ich ganz genauso. Die Frage ist doch nur, wo wir das regeln. Ich habe es Ihnen im Ausschuss auch erklärt, wir haben Hochschulautonomie und deshalb können wir nicht im Gesetz den Hochschulen das einfach vorschreiben. Aber wir

führen Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Hochschulen und selbstverständlich wird die Anwendung dieses dialogorientierten Serviceverfahrens Bestandteil der Ziel- und Leistungsvereinbarung sein. Dort gehört es auch hin. Deshalb muss man doch hier nicht die Debatte führen, wir hätten hier etwas versäumt in der gesetzlichen Regelung, wenn Sie genau wissen, dass es an anderer Stelle geregelt werden soll.

Den dritten Aspekt der Novelle möchte ich hier auch noch kurz anreißen. Hier geht es um die Kapazitätsneutralität von Fördermitteln, die zur Verbesserung der Lehre zur Verfügung gestellt werden. Für diejenigen, die sich nicht ganz so auskennen, möchte ich noch einmal sagen: Normalerweise, wenn mehr Mittel in die Hochschulen fließen und mehr Lehrpersonal beschäftigt wird, steigt automatisch die Kapazität. Das heißt, dann müssen die Hochschulen auch mehr Studierende aufnehmen. Weil wir aber hier mehr Personal beschäftigen und Bedingungen bieten wollen zur Verbesserung der Lehre und des Studiums, müssen solche Mittel kapazitätsneutral sein. Das heißt, sie müssen in eine echte Verbesserung der Relation Studierender und Professoren zum Beispiel fließen. Dafür müssen jetzt die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Sie haben das gelesen, unsere Hochschulen waren sehr erfolgreich beim Qualitätspakt Lehre. Fünf Hochschulen haben den Zuschlag bekommen aus diesen Bundesmitteln. Damit diese Bundesmittel sinnvoll eingesetzt werden können oder überhaupt eingesetzt werden für die Verbesserung der Lehre, brauchen wir die Gesetzesänderung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch einmal sagen: Die hier vorgeschlagenen Gesetzesänderungen dienen dazu, unsere Hochschulen noch besser in die Lage zu versetzen, hohe Qualität anzubieten, unsere Hochschulen noch attraktiver zu machen und damit zwei Dinge sicherzustellen:

1. hervorragende Ausbildung für junge Leute in Thüringen und

2. ein klares Signal an die Wirtschaft hier im Lande.

Wir sorgen dafür, dass dem Fachkräftemangel entgegengesteuert wird und viele junge Menschen in Thüringen hervorragend qualifiziert werden können. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Ich glaube, ich kann die Aussprache schließen. Es gibt keine weiteren Redeanmeldungen. Nun kommen wir zum Abstimmungsverfahren.

Wir stimmen zuallererst über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der

(Minister Matschie)