Zum Spannungsfeld zwischen Informationsanspruch einerseits und Schutz persönlicher Belange andererseits gehört natürlich auch die Frage der Ansiedlung eines Beauftragten für Informationsfreiheit. Da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die einen sagen, es wäre gut, diesen beim Datenschutzbeauftragten anzusiedeln. Die von uns favorisierte Variante sieht vor, dies beim Bürgerbeauftragten zu tun. Problematisch an dem Vorschlag der Konzentration der Aufgaben beim Datenschutzbeauftragten sehen wir, dass der Datenschutzbeauftragte sowohl Prüfbehörde gegenüber der Behörde in datenschutzrechtlichen Fragen ist als auch möglicherweise Ansprechpartner für Drittbetroffene auf der Grundlage des § 11 des Thüringer Datenschutzgesetzes oder - um es einmal salopp zu sagen - ein Datenschutzbeauftragter und ein Beauftragter für Informationsfreiheit nähern sich einer rechtskonformen Abwägung zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz aus unterschiedlichen Richtungen und mit unterschiedlichen Motivationen.
Erwidern muss ich an dieser Stelle auf einige Anmerkungen des Innenministers, die sich in Art und Form, wie Sie es in der ersten Lesung vorgetragen haben, nicht wesentlich von denen der Kollegin Marx unterschieden haben. Auch hier haben wir statt einer politischen Aussage zu unserem vorgelegten Gesetzentwurf so etwas bekommen wie eine juristische Belöffelung.
Da muss ich sagen, das hat Herr Huber durchaus eleganter vorgenommen. So wie wir es zuletzt dargeboten bekommen haben, entbehrte es jeder politischen Grundlage.
Zunächst kritisiert der Innenminister, dass nach unserem Gesetzentwurf auch zeitweilige Zusammenschlüsse einen Informationsanspruch haben sollen - Zitat: „Denn bereits jede Einzelperson, die sich in einer solchen Form engagiert, kann den Anspruch ja selbst geltend machen.“ - so haben Sie ausgeführt. Mit dieser Logik könnte man natürlich auch jeden Informationsanspruch einer juristischen Person aus dem Gesetz streichen, denn jede mit Vertretungs- und Handlungsvollmacht für eine juristische Person ausgestattete Person besitzt ja bereits als natürliche Person einen Informationsanspruch.
Um was es uns geht, uns geht es darum, mit dieser Erweiterung keine Anspruchslücke zu schließen, sondern im Sinne der Partizipation von zeitweilig und themenspezifisch sich findenden Gruppen - wie es Bürgerinitiativen sind, darauf habe ich in der ersten Lesung schon hingewiesen - auch diesen als gesellschaftlich natürlich relevante Gruppen die Teilhabe an Diskussionsprozessen und Entscheidungsprozessen zu ermöglichen. Demokratie ernst nehmen heißt nämlich auch, die demokratischen Formen, die sich die Träger der Demokratie selbst wählen - und das sind nicht immer nur eingetragene Vereine -, als ernsthafte Akteure zu akzeptieren und als solche auch einzubeziehen. Deswegen bleiben wir bei unserem Vorschlag, auch Bürgerinitiativen zum Beispiel den Zugang zur Informationsfreiheit zu gewähren.
Weiterhin wird dem Gesetzentwurf unterstellt, er sei deshalb verfassungswidrig, weil er die Gewaltenteilung nicht akzeptiere und die Gerichte nicht vollständig der Informationsfreiheit entzieht. Am 28.03. dieses Jahres wurde dem Thüringer Landtag ein Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zugeleitet. In diesem Verordnungsvorschlag wird in Artikel 1 beispielsweise der Informationszugang für den Gerichtshof neu geregelt und Sie finden hier eine inhaltlich gleiche Abgrenzung von schützenswerten Bereichen und öffentlich zugänglichen Informationen, wie wir ihn in unserem Gesetzentwurf formulieren. Ich bin gespannt, ob Sie den Vorschlag der Kommission in der gleichen Art und Weise kritisieren und ablehnen werden. Weiter werfen Sie dem Gesetzentwurf einen Verstoß gegen die föderale Kompetenzverordnung vor, weil mit der vorgeschlagenen Änderung des Thüringer Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung geregelt werden soll, dass künftig Verfahren vor den Thüringer Verwaltungsgerichten in Angelegenheiten nach dem Informationsfreiheitsge
setz gebührenfrei sein sollen. Es ist aber nach herrschender Rechtsprechung gerade auch des Bundesverfassungsgerichts so, dass Fragen der Rechtspflegezuweisung und der Kostentragung bzw. Gebührengestaltung für Verfahren nach einem Landesgesetz Folgefragen sind, die der Landesgesetzgeber selbst regeln darf und kann. Deswegen halten wir diese Vorwürfe für vollkommen haltlos. Ich hätte all diese Fragen, die hier jetzt im Rahmen der zweiten Lesung erörtert werden müssen, gern im Ausschuss diskutiert, denn da gehören sie eigentlich hin, weil es Fachfragen sind, die ein Fachausschuss zu behandeln hat.
Ich hoffe, Sie kommen heute zu dem Ergebnis, Ihre Haltung zu revidieren. Ich beantrage deswegen erneut die Überweisung an den Innenausschuss. Stellen Sie sich der Beratung dort und verstecken Sie sich nicht hinter den Worten des Koalitionsvertrags. Das ist nur Papier und noch lange keine bürgerfreundliche Politik. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Renner, an der Stelle möchte ich erst mal feststellen, uns muss niemand Beine machen, was Sie gerade gesagt haben. Wir sind auf dem Weg, wir werden die Gesetze, die wir derzeit beraten, auch rechtzeitig abschließen und bei uns geht immer noch Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Das ist so, Sie können darüber lachen, aber Ihr Gesetz, darauf komme ich gleich noch zurück, enthält doch eine ganze Menge Defizite, Sie haben sie selbst eben schon angesprochen. Es gehört ganz einfach auch zur Wahrheit, dass man auch sagt, dass unsere Gesetze, die wir - wie Sie gerade gesagt haben - noch nicht auf den Weg gebracht haben, derzeit in der Erarbeitung sind. Das ist das Personalvertretungsgesetz, das ist das Datenschutzgesetz, das ist aber auch das POG, was derzeit erarbeitet wird. Es ist das gute Recht der Opposition, darauf aufmerksam zu machen, was noch zu machen ist, aber es ist die Aufgabe der Regierung
und der Bürger weiß, was auf ihn zukommt. An der Stelle sind wir auf dem guten Weg und es gehört auch dazu, Frau Renner, dass unser Gesetz, das Informationsfreiheitsgesetz vom 29. Dezember 2007 bis zum 28. Dezember 2011, in Kraft ist und dann evaluiert werden soll, um eventuell Veränderungen vorzunehmen. Ich denke, auch das ist ein deutliches Zeichen, dass wir hier ein Gesetz auch überprüfen wollen. Deswegen verstehe ich Ihre Intention umso weniger. Wir haben dann die Zeit, wenn es so weit ist, auch darüber zu sprechen. Wenn Sie auch den Innenausschuss angesprochen haben, dass die Gesetze im Innenausschuss nicht diskutiert wurden, z.B. das Personalvertretungsgesetz oder das Datenschutzgesetz, so gehört es aber zur Wahrheit, dass in der Diskussion im Ausschuss darauf aufmerksam gemacht wurde, dass von Regierungsseite auch ein Gesetz vorgelegt wird - nämlich das Personalvertretungsgesetz und das Datenschutzgesetz - und dass wir, wenn das vorliegt, Ihres und das von der Regierung gemeinsam beraten wollen. Ich denke, das ist mehr als fair, was hier als Angebot gemacht wird, und zeigt auch, dass wir die Gesetzentwürfe auch ernst nehmen, wenn sie auch hier und da Schwachpunkte haben.
Meine Damen und Herren, in der ersten Beratung wurden mehrere Punkte angesprochen, mehrere Paragraphen benannt, die doch erhebliche Zweifel daran lassen, ob das Gesetz dann in der Praxis auch das verspricht, was der Bürger für sich erwartet, nämlich dieses Informationsfreiheitsgesetz. Den Informationsanspruch in § 4 möchte ich kurz erwähnen, der den Anspruch, aber auch die Versagungsgründe regelt. Allein in § 4 haben Sie 11 Unterpunkte aufgezählt, nach denen die Versagung möglich ist. Ich denke, wenn der Bürger das liest, weiß er zum Schluss nicht mehr so richtig, warum sein Anspruch nicht bearbeitet wird oder versagt wurde.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unterschätzen Sie mal die Bürgerinnen nicht.)
Jetzt kann man natürlich sagen, das soll Klarheit bringen, aber, ich denke, das bringt keine Klarheit, das bringt eine ganze Menge Unklarheiten und Verwirrungen - § 4.
Auch der § 5, den Sie schon angesprochen haben, dass es hier Defizite gibt, nämlich Rechte Dritter, ist
unserer Meinung nach in der Form nicht umsetzbar. Datenschutz und vor allem Personendaten, Rechte Dritter, haben einen höheren Stellenwert als Informationen von Betroffenen, aber der Datenschutz hat meiner Ansicht nach Vorrang. Auch dieser Punkt, wie gesagt § 5, hat erhebliche Defizite. Es ist auch nicht geregelt in § 5, wie der Zugriff erfolgen soll, wenn der beteiligte Dritte seine Information verweigert oder wie er das durchsetzt, dass dann auch eine Verweigerung erfolgt. Ich denke, hier bedarf es erheblicher Nachbesserung im Gesetzentwurf.
Der § 7 - Fristenregelungen - wird zukünftig, wenn er denn so kommt, erhebliche Probleme in den Verwaltungen bereiten. Diese Vier-Wochen-Frist, höchstens vier Wochen Zeit zu haben, um zu entscheiden, ob die Zulassung erfolgt oder nicht und dabei noch die Forderung aufmacht, umfangreich zu prüfen, welche Bereiche dafür zuständig sind, wird entweder dazu führen, dass es nicht gehalten werden kann oder aber letztendlich nur mit erhöhtem Personalaufwand abzudecken ist.
Ich denke, allein diese drei kurzen Punkte - sicher werden die Kollegen noch andere Ausführungen machen zum Gesetz, wo die Defizite sind, aber in der ersten Lesung wurde das schon hinreichend beleuchtet - zeigen deutlich, dass dieser Gesetzentwurf im Moment nicht benötigt wird. Wir haben ein Gesetz, es funktioniert, es hat sich in der Praxis bewährt.
Ja, Herr Kuschel, auch Ihr Vorbeten der 30 Fälle, die davon nur Gebrauch gemacht haben, kann natürlich auch so gewertet werden, dass es funktioniert, dass die Informationen da sind und dass die Bürger umfassend informiert sind. Abzuleiten, dass das Gesetz dadurch nicht funktioniert, ist zu kurz gesprungen.
Ich denke, das soll auch ein bisschen mehr sein, als dass man nur Zahlen vorsagt und vorbetet und meint, damit ein Gesetz begründen oder ablehnen zu können. An dieser Stelle habe ich unseren Standpunkt klargemacht, wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen. Danke.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächster spricht Abgeordneter Dirk Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, zunächst will ich kurz auf Frau Renner eingehen. Sie haben noch ein Gesetz vergessen, das von der Opposition eingebracht wurde und von der Koalition dann lange aufgehalten, geparkt wurde, um dann sagen zu können, wir haben eigentlich das bessere Gesetz noch gemacht, das ist das Ministergesetz.
Da im Prinzip das Ministergesetz der Landesregierung unserem sehr ähnlich und gleich ist, hätten Sie auch schon früher zustimmen können, dann hätten wir auch schon vieles erreichen können.
Ganz kurz noch mal in Richtung von Herrn Kollegen Kellner, natürlich haben Sie recht, dass in diesem Gesetz vieles noch nicht perfekt war. Aber was ist denn mit Gesetzen, die noch nicht perfekt sind? Sie werden diskutiert in Ausschüssen, es wird eine Anhörung durchgeführt, dann gibt es Änderungsanträge, gern auch der Koalition, gerne auch einen kompletten neuen Entwurf der Koalition, und dann kommen wir ein Stück weiter. Warum tun Sie das nicht? Warum?
Was ist Ihr Problem? Meine sehr verehrten Damen und Herren, das heute und hier gerade zu beratende Gesetz heißt „Gesetz zur Stärkung der Informationsfreiheit“. So nüchtern gesagt müsste es doch 100 Prozent Zustimmung in diesem Hause bekommen.
Dieses Ziel ist doch, denke ich, hoffentlich auch das Ziel der Koalition? Es muss doch Ihr Ziel sein, starke Bürger zu haben. Es muss doch Ihr Ziel sein, einen transparenten Staat zu haben. Warum verweigern Sie sich der Diskussion?