Protocol of the Session on March 24, 2011

(Beifall FDP)

Ein Wort noch zu Herrn Dr. Pidde. Sie haben gesagt, die Schuldenbremse stünde schon im Grundgesetz. Ja, aber Sie übersehen, dass dort für die Länder Übergangsfristen festgelegt sind. Unser Antrag hat bewusst einen früheren Termin vorgesehen,

(Beifall FDP)

denn alle Schulden, die das Land Thüringen zwischen jetzt und Ende der Übergangsfrist aufnimmt, müssen unsere Kinder und Kindeskinder immer noch zurückzahlen. Sie erhöhen den Batzen noch, den man nachher zu tragen hat. Sie sagten, wir brauchen stabile Steuereinnahmen. Aber aus der Erfahrung wissen wir, die SPD weiß zumindest nicht, wie man die zustande bekommt, sonst hätten Sie es ja schon einmal gemacht.

(Beifall FDP)

Sie argumentieren dann zuletzt, man könne mit diesem Verfassungsgebot, was wir in die Thüringer Landesverfassung aufnehmen wollen, mit Leichtigkeit umgehen. Das ist ein ganz interessantes Verständnis, ein ganz interessantes Selbstverständnis, mit der Thüringer Verfassung umzugehen, was Sie da zeigen. Ich muss Sie fragen: Was wollen Sie denn? Ist unser Vorschlag zu streng, ist er zu stringent oder ist er wirkungslos? Sie müssen sich für eines von beiden entscheiden.

(Beifall FDP)

Wenn er wirkungslos ist, dann können Sie problemlos zustimmen, weil Sie Schulden sowieso machen wollten. Um der dramatischen finanziellen Entwicklung bis 2020 zu entkommen und Thüringen zukunftsfest zu machen, ist es unabdingbar, dass sofort auf die Aufnahme neuer Schulden verzichtet wird. Jeder Euro neue Schulden verursacht hohe Zinszahlungen in jedem folgenden Jahr. Jeder Euro neue Schulden muss zudem auch irgendwann zurückgezahlt werden. Bereits heute zahlt das Land knapp 700 Mio. € für Zinsen. Das sind 7 Prozent der Gesamtausgaben, das bei einem aktuell sehr niedrigen Zinsniveau. Der Refinanzierungsbedarf, Herr Dr. Voß, Sie werden das wissen, ist in den folgenden Jahren immer in der Größenordnung, wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe, von grob gesagt 1,5 Mrd. € jedes Jahr. Wenn die Zinsen steigen, und sie werden steigen, dessen können wir sicher sein, dann müssen wir mindestens die Refinanzierung schon zu höheren Zinsen neu aufnehmen,

(Beifall FDP)

so dass die Spielräume, die wir im Haushalt haben, wenn wir überhaupt noch welche haben, verschwindend gering werden. Für die 700 Mio. € Zinsen könnte man beispielsweise 14.000 neue Lehrer oder Polizisten einstellen. Man könnte auch auf die

Erhöhung der Grunderwerbsteuer etwa 35-Mal verzichten.

(Beifall FDP)

Den Weg gehen Sie nicht. Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf zum Schuldenverbot vorgelegt, der eine Anpassung an die entsprechenden Regelungen in Artikel 98 und in Artikel 100 der Landesverfassung als Folge vorsieht. Korrespondierend dazu haben wir eine Änderung der Landeshaushaltsordnung vorgesehen. Auch hierzu liegt Ihnen der Gesetzentwurf vor. Dieses Schuldenverbot sollten wir gemeinsam schnell beschließen, damit es das erste Mal bei der Aufstellung des Haushalts 2013 angewandt werden kann. Bei diesem Haushalt wollte die Koalition ohnehin auf die Aufnahme neuer Schulden verzichten. Insofern ist der Zeitraum auch gar nicht so eng. Für den Haushalt 2012 wird die FDP-Fraktion jedoch unabhängig von diesem Gesetzentwurf natürlich wie bei diesen Verhandlungen der vorangegangenen Haushalte auf einen Neuverschuldungsverzicht dringen und entsprechende Einsparvorschläge vorlegen. Die langfristige Verankerung des grundsätzlichen Verzichts auf neue Schulden in der Landesverfassung ist dennoch wichtig, damit das Ziel auch nicht kurzfristig aus den Augen gerät nach dem Verzicht auf neue Schulden in den Jahren 2007 bis 2009 - herzlichen Dank an die CDU. So hat die neue Koalition aus CDU und SPD in 2010 und 2011 schließlich gezeigt, wie schnell neue Schulden wieder in Kauf genommen werden, um kurzfristige politische Projekte wie Landesarbeitsmarktprogramm, Gemeinschaftsschule und anderes zu finanzieren. Auf diese Gefahr hat Herr Mohring, den ich als Vorkämpfer für die Aufnahme eines Neuverschuldungsverbots in die Landesverfassung ganz besonders schätze, schon beim ersten Versuch 2009 an die SPD appelliert, der Schuldenbremse zuzustimmen. Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll, wenn ich darf, der 103. Sitzung des Thüringer Landtags vom 19. März 2009: „Jetzt stellen Sie sich doch mal eine Situation vor, die Thüringen noch einmal in die Situation bringt, es gäbe noch mal eine Neuauflage dieser Koalition von 1995 - 1999. Dann seien Sie doch froh, wenn dann spätere Generationen darauf zurückblicken können und sagen können, wegen der Schuldenbremse hat die zweite Große Koalition nicht mehr die meisten Schulden im Freistaat Thüringen gemacht.“

(Unruhe SPD)

Liebe Kollegen, wenn Sie etwas ruhiger sein könnten, um dem Kollegen Recknagel zuzuhören, wäre ich sehr dankbar.

(Beifall FDP)

Lieber Herr Mohring, Sie hatten recht. Jetzt ist genau das eingetreten, was Sie befürchtet haben. Die zweite Große Koalition ist wieder die Koalition der Schuldenmacher. Deswegen haben Sie wahrscheinlich auch in den letzten Monaten immer wieder die Aufnahme der Schuldenbremse

(Unruhe SPD)

in Interviews oder auch in Ihrer Homepage gefordert. Dort schreiben Sie, ich zitiere noch einmal: „Mit einer verfassungsfesten Schuldenbremse können wir dafür sorgen, dass Thüringen unabhängig von den Wahlausgängen seine finanzielle Handlungs- und politische Gestaltungsfähigkeit wahren kann.“

(Beifall FDP)

Im Wahlprogramm der CDU findet sich aus 2009

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das habe ich auch geschrieben.)

das haben Sie auch geschrieben: „Mit einem Neuverschuldungsverbot in der Landesverfassung stellen wir die richtigen Weichen für eine nachhaltige Finanzpolitik. Wir wollen, dass auch den nachfolgenden Generationen Gestaltungsspielräume erhalten bleiben.“ Wo ist das alles geblieben? Gut, dass das mittlerweile auch die Ministerpräsidentin erkannt hat. Erst vorgestern, am 22. März, beim Jahresempfang der CDU erklärte sie, die Aufnahme einer Schuldenbremse in der Thüringer Landesverfassung sei unverzichtbar.

(Beifall FDP)

Es freut uns, dass dieser Vorschlag auch bei Ihnen, liebe Frau Ministerpräsidentin - Sie ist gerade außer Haus -, auf Zustimmung stößt. Der Herr Finanzminister Dr. Voß möchte die Schuldenbremse ebenso, wie er am 13.01.2011 in der OVZ erklärt hat. Auch noch mal ein Zitat: „Wenn der Landtag eine solche Schuldenbremse beschließt, wäre das ein untrügliches Signal auch an die Bevölkerung, dass man es ernst meint, ohne Schulden auszukommen. Ich finde das wünschenswert.“, sagt er dort.

(Beifall FDP)

Ich kann mich für meine Person und meine Fraktion dem nur anschließen. Ich hatte Ihnen ja schon an anderer Stelle Unterstützung zugesagt. Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich schon für die Aufnahme eines Neuverschuldungsverbots in die Landesverfassung ausgesprochen. Da nach bisherigem Stand also bereits CDU und DIE GRÜNEN ihre Zustimmung signalisiert haben, hängt es jetzt nur noch an der SPD, eine so wichtige Maßnahme zu beschließen.

Schauen Sie mal in andere Länder. Die SPD in Schleswig-Holstein hat einer Schuldenbremse zugestimmt, Ihre Genossen in Schleswig-Holstein. In unserem Nachbarland Hessen hat die SPD eine Volksabstimmung für die Aufnahme einer Schuldenbremse in die hessische Landesverfassung unterstützt. Sie sollten sich also auch als Thüringer SPD zu Ihrer Verantwortung bekennen

(Beifall FDP)

und dem ausnahmsweise mal guten Vorbild Ihrer Genossen aus anderen Bundesländern folgen. Auch die SPD aus Rheinland-Pfalz hatte die Aufnahme einer Schuldenbremse in die Landesverfassung mit betrieben.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Haben Sie mal gelesen, was das für eine ist?)

Sie wurde dann im Dezember 2010 beschlossen. Dass es Ihnen immer gelingt, das zu entschärfen, will ich Ihnen gern zugestehen.

Anders in Thüringen: 2009 hat die Thüringer SPDFraktion die Aufnahme einer Schuldenbremse in die Verfassung noch mit dem Hinweis auf die große Wirtschaftskrise abgelehnt und argumentiert, man dürfe über eine Schuldenbremse nicht im Abschwung reden. Der Abschwung ist jetzt hoffentlich, Gott sei Dank, vorbei. Da also die Wirtschaft mittlerweile zum Glück wieder rund läuft und wir richtig erfreuliche Wachstumsraten haben, sollte jetzt auch die Zeit für die SPD-Fraktion dafür reif sein, sich mit der Schuldenbremse zu beschäftigen. Für eine reflexhafte Ablehnung gibt es keinen Grund, Herr Dr. Pidde.

Lieber Herr Höhn, jetzt ist die Zeit gekommen, zu handeln. Das wissen Sie genauso gut wie wir. Sie müssen aufstehen, wenn nachher die Abstimmung ansteht,

(Heiterkeit im Hause)

(Beifall FDP)

und dem zustimmen, dann wäre das Aufstehen angebracht.

(Zwischenruf Abg. Baumann, SPD: Auch das wissen Sie noch nicht, das ist die erste Bera- tung.)

(Beifall SPD)

„Nachher“ habe ich gesagt. Es gibt noch eine zweite Beratung, es gibt eine Schlussabstimmung und da können Sie aufstehen.

(Zwischenruf Abg. Baumann, SPD: Bei der Verfassung gibt es eine Dritte Beratung.)

(Heiterkeit im Hause)

Herr Recknagel, würden Sie Ihre Rede fortsetzen?

Ja. Selbst Ihr Kultusminister Herr Matschie verkündet zuweilen, z.B. in der „Südthüringer Zeitung“ am 19.08.: „Wir müssen auch den Mut haben, zu sparen.“ Sie haben recht.

(Beifall FDP)

Lieber Herr Höhn, lieber Herr Minister Matschie, trauen Sie sich, dazu möchte ich Sie heute ermutigen.

(Beifall FDP)

Außerdem wissen Sie genauso gut wie wir, dass 81 Prozent der Befragten in Thüringen es begrüßen würden, wenn die Landesregierung auf die Erfüllung teurer Wahlversprechen verzichten würde, solange diese nur über Schulden finanziert werden können.

(Beifall FDP)

81 Prozent ergeben sich aus der Umfrage des MDR aus dem letzten Jahr. Herr Pidde, in der Landtagsdebatte vom 19.03.2009 haben Sie gesagt, ich zitiere: „Ich denke, es ist richtig, dass eine Schuldenbremse gemacht wird. Wir wollen die auch!“ Hört, hört. Falsch zitiert?

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Wir ha- ben eine.)