Natürlich ist jetzt die Frage: Was passiert nach dem Jahr 2013 und wie kann überhaupt sichergestellt werden, dass die Gelder wirklich dafür verwendet werden und nicht einfach für ganz andere Maßnahmen in der Kommune eingesetzt werden? Es ist schon erwähnt worden, dass das Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz der richtige Ansatz wäre, verbindlich zu regeln, dass die Schulsozialarbeit als Pflichtaufgabe eingeführt wird. Dann müssten die Kommunen das Geld, was aus dem Bildungs- und Teilhabepaket dafür zur Verfügung steht und das jetzt noch aus der Erhöhung der Kosten der Unterkunft zur Verfügung steht, dafür einsetzen.
Unser Ansatz ist, dass die Finanzierungsquelle ab 2014 dann aus dem Thema „Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter durch den Bund“ zur Verfügung stehen müsste. Das sind immerhin 40 Mio. €, die bis dahin vom Bund mehr in Richtung Land und Kommune fließen werden. Dazu muss man auch sagen, dass diese Summen in den nächsten Jahren weiter dramatisch ansteigen werden. Wir können froh sein, dass diese Mittel in Zukunft vom Bund übernommen werden. Während wir heute noch 57 Mio. € in dem Bereich ausgeben, werden es voraussichtlich 2014 schon 67 Mio. € sein, davon übernimmt der Bund zurzeit nur 7 Mio. € und würde dann diese Summe übernehmen. Einen Teil müssen die Kommunen heute schon selbst finanzieren, so dass wir diese Summe jetzt nicht ganz genau für 2014 beziffern können. Aber in der Größenordnung von 40 Mio. € kann man diese Summe schon benennen, ab diesem Jahr 25 Prozent, dann 50 Prozent, 75 Prozent und im Jahr 2014 wären es die genannten 40 Mio., die mehr zur Verfügung stehen. Darüber müssen wir weiter diskutieren und nachdenken, ob dies ein gangbarer Weg ist. Wir müssen darüber mit den kommunalen Spitzenverbänden weiterreden. Da haben wir schon Gespräche geführt. Ich glaube, dass dies der einzige Weg ist, dass wir das verstetigen, denn es wird uns überhaupt gar nichts nützen, wenn wir jetzt Schulsozialarbeiter einführen würden und die dann befristet nur für zwei Jahre ohne Perspektive eingestellt werden. Das Jahr 2013 ist schnell ran. Ehe dies umgesetzt wird, jetzt sind wir schon im Jahr 2011, dann wären das etwas über zwei Jahre. Das wäre überhaupt keine Perspektive. Deshalb ist das der einzige Weg, dass wir uns jetzt daran machen. Das ist auch die Aktualität dieses Themas heute, dass wir uns jetzt daran machen, dort zu verbindlichen Regelungen zu kommen und Gespräche mit den betroffenen Fachressorts der Landesregierung, aber auch mit den kommunalen Spitzenverbänden führen. Herzlichen Dank.
Es gibt keine weiteren Redewünsche, damit schließe ich die Aussprache zum vierten Teil der Aktuellen Stunde und rufe den fünften Teil auf
e) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: "Fordern und Fördern Aktuelle Entwicklungen im Thüringer Schulsystem" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/2418
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir haben die Aktuelle Stunde „Fordern und Fördern - Aktuelle Entwicklung im Thüringer Schulsystem“ auf die Tagesordnung gesetzt, weil seit 12 Tagen die von Herrn Minister Matschie vorgestellte neue Thüringer Schulordnung in aller Munde ist. Viele neue pädagogische Überraschungen hat der Herr Minister in eine Verordnung gepackt, die zwar beredet und besprochen werden darf, aber ob konstruktive Kritiken ernst genommen werden perspektivisch gesehen, bleibt aus Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit schwer zu bezweifeln.
Sehr verehrte Damen und Herren, die in Rede gestellte Schulordnung legt großen Wert auf den Begriff der Förderung von Schülern und beinhaltet neben den Punkten wie individuelle Schuleingangsphase und individuelle Abschlussphase auch die Bereiche der §§ 48 und 49 des Thüringer Schulgesetzes. Konkret geht es hier erstens um die verbale Leistungseinschätzung ergänzend zur Notengebung.
Die verpflichtende Einführung in Perspektive von verbalen zusätzlichen Leistungseinschätzungen in den Schulen unterstellt, dass die Pädagogen bis zum heutigen Tage und in den letzten Jahren gar nicht oder wenig mit ihren Schülern und deren Eltern kommuniziert hätten, und dies ist keinesfalls so.
Neben regelmäßigen Elternsprechtagen werden Leistungseinschätzungen in gemeinsamen Gesprächen geführt und die Lernerfolge der Schüler analysiert. Das machen die Pädagogen gemeinsam mit den Eltern und den Schülern. Mögliche Lernprobleme werden schon in der Tendenz erkannt und es werden auch Zielsetzungen formuliert. Wie kommt
man eigentlich auf die Idee, meine Damen und Herren, dass die Schüler und deren Eltern nicht in der Lage wären, erbrachte Leistungen und deren Bewertungen richtig zu verstehen? Unsere Schüler sind sehr kritisch und selbstbewusst, was auch heißt, sie hinterfragen durchaus die Leistungseinschätzung und lassen sich diese auch erklären. Eltern wollen schnell und effizient über die Leistungen ihrer Kinder unterrichtet werden und das wiederum heißt natürlich auch, sie wollen ein übersichtliches Zeugnis. Aus Gesprächen mit Eltern hört man im Übrigen auch immer wieder heraus, dass sogar schon die Grundschüler, die Kleinen, sich freuen, wenn sie ab der 3. Klasse Zensuren bekommen, weil sie sich dann leichter vergleichen können.
Durch das Ministerium, in Person den Herrn Minister, wird stets und ständig davon geredet, dass Eigenverantwortlichkeit der Schulen ein sehr zentraler Punkt ist und Profilbildung ausgesprochen wichtig ist. Aber jetzt wird allen Schulen der gleiche Stempel aufgedrückt und alle müssen das Gleiche tun. Wo ist hier eigentlich die Profilbildung? Haben das die Praktiker empfohlen, dass alle das Gleiche tun müssen, oder geht es hier nur um die Durchsetzung einer SPD-Ideologie?
Sehr verehrte Damen und Herren, die Schüler haben einen unbändigen Drang nach gerechter Bewertung und sie wollen sich vergleichen. Schüler wollen gefördert und sie wollen respektiert werden, Schüler wollen aber auch gefordert werden.
Die Tatsache, dass nach der 3., der 5. und der 7. Klasse niemand mehr sitzen bleibt, wird den Bedürfnissen der Schüler und deren Eltern sicher nicht gerecht werden.
In der Thüringer Gemeinschaftsschule wird die Situation noch prekärer, denn hier gibt es bis zur Klasse 7 dann gar kein Sitzenbleiben mehr. Da kann man sich nur fragen: Wie soll das eigentlich gehen? Die pädagogische Idee ist nicht bis zum Ende gedacht. Wer soll die geforderte individuelle Förderung leisten? Einfach zu sagen, die Lehrer müssen ihre Arbeit umorganisieren, das wird nicht reichen. Man sollte nicht der Reform wegen auf Teufel komm raus einen Ballon steigen lassen und dann abwarten, ob er knallt.
Die Meinungen der Fachleute, der Lehrervertreter, der Elternvertreter, ja selbst die der GEW machen die Problematik sehr deutlich. Bildung braucht Zeit, Bedacht und Besonnenheit.
Leider werden aber Ratschläge aus allen Richtungen mit konstanter Stetigkeit ignoriert. Spezifische Förderungen der Schüler mit Lernproblemen zur Pflicht zu erheben, ohne auch nur ansatzweise über die übrigen Schüler zu sprechen, die auch das Recht auf Förderung haben,
das scheint mir doch sehr verwerflich zu sein. Was ist mit den Schülern ohne Auffälligkeit? Werden die einfach mitschwimmen im Einheitsbrei? Wie sollen begabte Schüler gefördert werden? Müssen sich die leistungsstarken Schüler nach unten korrigieren? Werden Leistungswille und die Forderung nach Leistung eventuell auch zu Schimpfwörtern? Wenn alle Schüler gleich sind, dann sind Sie noch lange nicht gleich. Und unser Leben ist vom Leistungsgedanken durchdrungen und das ist die Realität. Mit dieser Schulordnung scheint mir allerdings der Beweis gegeben zu sein für einen ministeriellen Realitätsverlust.
Klassenwiederholungen sind keine Strafe und nur weil Sitzenbleiben abgeschafft wird, werden sich unsere Schüler nicht wohler fühlen und Sie werden auch nicht automatisch besser.
Ich kann Sie nur auffordern, Herr Minister, ignorieren Sie nicht permanent die Hinweise aus den Reihen der Eltern, der Pädagogen und der Thüringer Bevölkerung.
Noch einen Satz. Sie arbeiten im Auftrag des Souveräns, des Bürgers, und sind genau wie alle gewählten Volksvertreter dazu angehalten, dessen Interessen zu respektieren und auf die Meinungen der Bürger zu reagieren.
Kuschelpädagogik ist nicht der Wille der Thüringer und sie wird es sicher auch nie werden. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, es ist ein bisschen schwierig, in einer Aktuellen Stunde zu dem Thema Schulordnung zu reden, weil man dazu schon ausführliche fachliche Debatten braucht. Insofern teile ich das Anliegen, es ist aktuell, dass eben im Lande sehr hitzig über dieses Thema diskutiert wird. So nehmen wir das auch wahr. Wir nehmen aber auch den Minister ernst in seiner Äußerung, dass er sagt: Es geht darum anzuhören. Wir gehen davon aus, dass die Anzuhörenden und Angehörten auch ernst genommen werden mit Ihren Stellungnahmen.
Frau Hitzing, ich bin durchaus Ihrer Auffassung, dass es wichtig ist, die Erfahrungen von Pädagogen ernst zu nehmen und auch die Eltern ernst zu nehmen, und deswegen können wir nur auch betonen, dass es Gesprächsbedarf gibt zu diesem Thema, an welchen Stellen die Schulordnung in Thüringen geändert wird. Dazu braucht man Anhörungszeit, notfalls eben auch ein bisschen mehr als vier Wochen. Aber das wird sich noch zeigen müssen. Ich gehe davon aus, dass dieser Gesprächsbedarf gedeckt werden kann und das Benehmen im Bildungsausschuss ist ja auch noch herzustellen.
Ich will aber auch zwei, drei Punkte benennen: Das Thema der verbindlichen Einführung der flexiblen Schuleingangsphase will eben gut überlegt sein. Denn es hat gute Gründe, wenn in Thüringen mit einer Gesetzesnovelle 2003 trotzdem die Sache nicht so ist, dass generell in jahrgangsgemischten Formen die Schuleingangsphase unterrichtet wird. Es hat gute Gründe, dass es nur wenige Bundesländer gibt, die die Schuleingangsphase in der Form einführen, dass andere sich nur sehr zögerlich auf den Weg machen, dass es lange Modellphasen gibt. Man muss einfach sagen, Thüringen hat z.B. bei der IGLU-Grundschullesestudie hervorragend europaweit - Platz 1 - abgeschnitten und man muss sich gut überlegen, wenn man ein gut funktionierendes System so grundlegend über den Haufen werfen will. Deswegen muss man einfach im Gespräch miteinander sein und muss abwägen, was die vernünftigen Schritte sind. Aber auch das Thema der Klassenwiederholungen, ich will das Wort „sitzenbleiben“ nicht in den Mund nehmen, weil es einfach schon impliziert, dass in der Sache etwas Schlechtes ist, und das sehe ich nicht so.
Deswegen muss man darüber reden, wie hier sinnvolle Lösungen geschaffen werden können. Wir wollen doch nicht den pädagogischen Kollektiven, die neue Wege gehen wollen, die Dinge verbauen, wenn dadurch positive Impulse angestoßen werden. Aber man muss diese Kollektive in selbstverantwortlichen Schulen ernst nehmen und deswegen muss man über die konkreten Wege und Kannregelungen in diesem Bereich nachdenken. Genauso
verhält es sich mit dem Thema der Leistungseinschätzung. Ich habe das hier an der Stelle schon einmal gesagt, ganz klar ist die CDU-Fraktion der Meinung, dass es Noten braucht für eine gute Schule.
Das heißt aber nicht, dass man an manchen Stellen Noten auch aussetzen kann und wenn das die Thüringer Gemeinschaftsschule so für sich entscheidet, dann sei das akzeptiert und okay. Da muss man nur die Frage stellen, wie gelingen dann die Übergänge in andere Schulen, wenn sie stattfinden. Notengebung ist auch ausgesetzt in der Schuleingangsphase, das macht auch einen Sinn, aber dann muss man darüber mal reden, wann macht es Sinn, dass die Notengebung einsetzt, und in welcher Form macht es Sinn, dass sie einsetzt. Und ob und in welcher Form eine ergänzende verbale Einschätzung notwendig ist, darüber muss auch noch gesprochen werden. Was nicht passieren darf, ist, dass am Ende der Lehrer in Formalien erstickt und die Zeit für guten Unterricht nicht da ist.
Deswegen gibt es sicherlich Gesprächsbedarf. Das ist gar keine Frage, meine Damen und Herren von der FDP, aber ein aktuelles Thema, das trotzdem in Fachkreise hineingehört. Wir gehen davon aus, dass eine Anhörung zur Schulordnung, so war das in Thüringen immer gang und gäbe, ausführlich vorgenommen wird, dass die Beteiligten sich melden dürfen, dass sie ernst genommen werden, und dann werden wir konkret über die Änderungsvorschläge zur Schulordnung reden und dann wird es doch, denke ich, ein vernünftiges Ergebnis geben.