Protocol of the Session on March 23, 2011

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Selbstverständlich - und das betone ich ganz ausdrücklich - gehört hierzu vor allem auch die Abschaffung oder wenigstens die deutliche Lockerung der Residenzpflicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man den betroffenen Menschen die Möglichkeit der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewährt, ist schon viel erreicht, für meine Begriffe eigentlich sogar das Wichtigste. Dabei ist es zu kurz gesprungen, ausschließlich über finanzielle Fragen zu debattieren. Es ist nicht nur die Unterstützung durch finanzielle Mittel entscheidend, sondern auch das alltäglich menschliche Zusammenleben.

Die am 1. Juli 2010 in Kraft getretene Thüringer Verordnung zur Unterbringung und Beratung von Flüchtlingen stellt sicher einen Schritt in die richtige Richtung dar. Die Verordnung definiert die Mindestbedingungen für den Betrieb von sogenannten Gemeinschaftsunterkünften und soll dazu führen, dass dem Isolationscharakter von Unterkünften entgegengewirkt wird. Gleichwohl erinnert die Ausgestaltung zumindest teilweise an die Haftbedingungen bei Straftätern, wenn ich beispielsweise an die Fläche von 6 m² pro Person denke. Auch fehlt es in der Verordnung oft an zwingenden Regelungen. Vielmehr werden Begrifflichkeiten wie „möglichst“, „soll“ und „kann“ verwendet, was in meinen Augen zu schwammig und zu rechtsunbestimmt ist. Darüber hinaus,

(Beifall FDP)

meine Damen und Herren, ist es unverständlich, wenn im Vorfeld durch das Land keine Überprüfung der Unterkünfte vorgenommen wird und auch bisher noch keine systematische Überprüfung stattgefunden hat. Wenn menschenunwürdige Bedingungen vorliegen, darf man eben nicht warten, bis der Vertrag mit einem Betreiber ausgelaufen ist, hier muss sofort gehandelt werden.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings, meine Damen und Herren, denke ich, dass das Ziel menschenwürdiger Unterkünfte - und hier denke ich an die Gemeinschaftsunterkünfte nur ein Teil der Diskussion sein kann. Viel wichtiger ist es, dass wir uns über die Integration der Betroffenen Gedanken machen und darüber, ob es nicht sinnvoller ist, freie Kapazitäten auf dem Thüringer Wohnungsmarkt zu nutzen. Das scheint mir der bessere Weg zu sein, als alle Jahre wieder über unwürdige Verwahrstationen im gesellschaftlichen

Abseits zu debattieren. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Zu Wort gemeldet hat sich weiterhin Frau Abgeordnete Katharina König von der Fraktion DIE LINKE.

Danke schön. Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! „Wir garantieren menschenwürdige Standards für die Unterbringung von Asylbewerbern.

(Beifall DIE LINKE)

Wo es möglich ist, sorgen wir für dezentrale Unterkünfte.

(Beifall DIE LINKE)

Die Residenzpflicht weiten wir auf ganz Thüringen aus. Die geltende Gutscheinregelung werden wir überwinden.“ Ich habe im Vorfeld nicht gesagt, dass ich zitiere, was ich aber gerade gemacht habe, nämlich aus dem SPD-Regierungsprogramm 2009.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

2009 haben Sie und Ihre Fraktion, Frau Kanis, demzufolge noch gesehen, dass es keine menschenwürdigen Standards für die Unterbringung von Asylbewerbern in Thüringen gibt. Dem ist anderthalb Jahre später, anderthalb Jahre in einer Koalition mit der CDU, wohl nicht mehr so oder Sie haben die Augen zwischenzeitlich geschlossen. Die Bundesregierung hat zugegeben, dass die Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verfassungswidrig sind. Wie können Sie dann, und ebenso Frau Holbe, erklären, dass in Thüringen alles in Ordnung wäre und dass es falsch ist, die Zustände hier zu kritisieren,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

wenn die Bundesregierung, die nicht mal die unsere ist, dies klar und eindeutig als verfassungswidrig benennt. Menschenwürdige Unterbringung ist für uns mehr als nur die dezentrale Unterbringung. Um vielleicht das, was Herr Bergner schon angebracht hat, noch einmal zu untermauern; 6 m² gibt es für Flüchtlinge, das ist der Mindeststandard. In Deutschland müssen gleichzeitig 8 m² mindestens für einen Hund zur Verfügung stehen. Das verstehen Sie unter einer menschenwürdigen Unterbringung, das verstehen Sie, indem Sie es nicht kritisie

ren, das ist jedenfalls meine Logik und meine Interpretation des Ganzen.

Sie haben auf die neue Gemeinschaftsunterkunft in Saalfeld hingewiesen. Sie hätten gleichzeitig auch darauf hinweisen sollen, dass es mehrere Jahre gedauert hat, die Unterkunft in Katzhütte zu schließen, die menschenunwürdig war, worüber der MDR berichtete, die Schimmel an den Wänden hatte und

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

in der Erkrankungen aufgrund des Zustands dieser Asylbewerberunterkunft vorhanden waren. Die neue Asylbewerberunterbringung, die Gemeinschaftsunterkunft in Saalfeld ist neu. Sie existiert ein halbes Jahr. Gekämpft für diese wurde mehr als fünf Jahre, insbesondere gekämpft wurde von den Flüchtlingen. Da empfehle ich Ihnen an dieser Stelle, vielleicht einmal mit den Flüchtlingen zu reden, was ich gut finden würde,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

wenn Sie schon die Gemeinschaftsunterkünfte besuchen. Denn der Terminus „Lager“ wird von diesen geprägt, weil es von ihnen als solches empfunden wird, auf engstem Raum, ohne Intimsphäre, ohne Privatsphäre, ohne die Möglichkeit, sich in ihren eigenen Interessen zu verwirklichen. Sie können den Begriff für sich ablehnen. Ich möchte darauf hinweisen, dass Flüchtlinge dies so empfinden. Ihnen das abzusprechen, halte ich für unverschämt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Letztendlich ist es ein Grundproblem des Asylbewerberleistungsgesetzes, welches eben nicht auf Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern aus ist, sondern auf Deintegration. Das kritisieren wir als Fraktion DIE LINKE, das werden wir auch weiterhin kritisieren, denn wie bitte soll ein Kind mit 112 € im Monat verpflegt werden, soll es Bildungszugänge bekommen, soll es vielleicht auch am kulturellen und sozialen Leben in der jeweiligen Kommune teilhaben können? Wie soll es nach mehreren Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft überhaupt noch in der Lage sein, sich integrieren zu können? Diese Frage können Sie nicht beantworten. Ich danke Ihnen trotzdem für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Die Regierung hat das Wort. Minister Geibert, bitte.

(Abg. Bergner)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! „Für eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in Thüringen“ - dieses Thema beschäftigt uns hier im Rahmen einer Aktuellen Stunde.

Erlauben Sie mir zunächst einige grundsätzliche Anmerkungen. Nach § 53 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes sind Asylbewerber in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Das Flüchtlingsaufnahmegesetz des Landes steht im Kontext mit dieser bundesgesetzlichen Vorgabe und regelt in § 1 Abs. 1, dass vorrangig eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zu erfolgen hat. Damit wird den kommunalen Gebietskörperschaften ein gewisser Handlungsspielraum eingeräumt, der es ihnen erlaubt, die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. In allen Landkreisen und kreisfreien Städten werden daher auch Einzelunterbringungen vorgenommen. Die Gründe für die Gewährung von Einzelunterbringungen ergeben sich insbesondere aus § 2 Abs. 3 des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes. Danach können Personen, die mehr als 12 Monate in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind oder nach den Feststellungen des Landesverwaltungsamtes voraussichtlich länger als 12 Monate in Gemeinschaftsunterkünften leben werden, auch in Einzelunterkünften untergebracht werden. Voraussetzung hierfür ist, dass das Verhalten des Betroffenen nicht die Besorgnis der Beeinträchtigung von Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung begründet und der öffentlichen Hand dadurch keine Mehrkosten entstehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die nachfolgenden Zahlen machen deutlich, dass die Landkreise und kreisfreien Städte die ihnen gegebenen Möglichkeiten bei der Unterbringung von Asylsuchenden nutzen. So waren zum Stand 15. Februar 2011 in Thüringen 2.945 Asylbewerber und Flüchtlinge untergebracht; davon 1.639 Personen in 24 Gemeinschaftsunterkünften und 1.306 Personen in Einzelunterbringung. Dies entspricht einer Einzelunterbringungsquote von 44,35 Prozent. Unter den in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Personen befanden sich 921 Männer, 325 Frauen und 393 Kinder und Jugendliche. Von den in einer Einzelunterkunft untergebrachten Personen waren 415 Männer, 359 Frauen und 532 Kinder und Jugendliche. Der Landesregierung ist es ein besonderes Anliegen, dass die in Thüringen lebenden Flüchtlinge menschenwürdig untergebracht werden. So hat die Landesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der am 1. Juli letzten Jahres in Kraft getretenen Thüringer Gemeinschaftsunterkunfts- und Sozialbetreuungsverordnung einheitliche Vorgaben für die Ausstattung und örtliche Lage von Gemeinschaftsunterkünften sowie die soziale Betreuung und Beratung ausländischer Flüchtlinge geschaffen. Damit existieren erstmals verbindli

che landesrechtliche Vorgaben zum Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften, deren Ausstattung, aber auch zum Inhalt und Umfang der zu erbringenden Betreuungsleistung sowie zur Qualifikation des eingesetzten Personals.

Die Thüringer Gemeinschaftsunterkunfts- und Sozialbetreuungsverordnung beinhaltet in § 3 Abs. 2 aber auch Vorgaben, die für eine zeitliche Umsetzung der normierten Regelungen maßgeblich sind. Verträge, die der Einhaltung oder Umsetzung der Verordnung entgegenstehen, sind danach durch die Landkreise und kreisfreien Städte anzupassen oder zu kündigen. Das Landesverwaltungsamt wurde gebeten, zu prüfen, inwieweit die in der Thüringer Gemeinschaftsunterkunfts- und Sozialbetreuungsverordnung niedergelegten Kriterien bereits von den kommunalen Gebietskörperschaften erfüllt werden bzw. welcher Umsetzungsbedarf noch besteht. Ein entsprechender Bericht wird in Kürze vorliegen und ausgewertet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie stimmen sicherlich mit mir überein, dass die Schaffung von verbindlichen Rahmenbedingungen für Gemeinschaftsunterkünfte die eine Seite ist. Auf der anderen Seite benötigt deren praktische Umsetzung allerdings auch seine Zeit, die den Landkreisen und kreisfreien Städten auch zugestanden werden muss. Ich verkenne darüber hinaus auch nicht, dass in den letzten Jahren die Zahl von Asylbewerbern und Migranten stetig gestiegen ist. Die sich derzeit zuspitzende Situation in Nordafrika wird vor diesem Hintergrund sehr genau zu beobachten sein. Mir ist bewusst, dass es für die Landkreise und kreisfreien Städte in der nächsten Zeit gegebenenfalls schwierig sein wird, die entsprechende Anzahl von Unterbringungsplätzen vorzuhalten, aber auch diese Entwicklung darf nicht zulasten der Flüchtlinge gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie sehen, ist die Landesregierung im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten intensiv um eine menschenwürdige Unterbringung der Asylsuchenden und Flüchtlinge in Thüringen bemüht und wird auch künftig im Sinne einer die Menschenrechte achtenden Flüchtlingspolitik handeln. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Spärlicher Beifall aus den Reihen der CDU.)

Vielen Dank, Herr Minister. Ich schließe den ersten Teil der Aktuellen Stunde und rufe den zweiten Teil der Aktuellen Stunde auf

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN zum Thema: "Frauen verdienen 100 Prozent - gleicher Lohn und gleiche Anerkennung nicht nur am Frauentag" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/2392

(Unruhe CDU)

Ich eröffne die Aussprache. Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Anja Siegesmund von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Datum des Equal Pay Day variiert von Jahr zu Jahr. Der Equal Pay Day markiert den Tag, bis zu dem Frauen länger arbeiten müssen, um das gleiche Gehalt zu bekommen wie Männer in der gleichen Position. Das heißt, erst am kommenden Freitag, also übermorgen, haben Frauen im Schnitt so viel verdient wie Männer in der gleichen Position. Das sind fast drei Monate mehr. Ich kann es ganz klar sagen, Frauen wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen unterstützen wir mit einer Aktion den Equal Pay Day. Diese Lohnungleichheit kritisieren wir. Bereits zum vierten Mal markiert dieser Tag genau das, worüber wir heute reden, nämlich Öffentlichkeit herzustellen über die Tatsache, dass Frauen im Schnitt 23 Prozent weniger verdienen als Männer in gleichen Positionen. Die Business and Professional Women haben vor vier Jahren diesen Tag initiiert und seitdem begehen wir ihn jährlich. Was hat sich geändert seitdem? Sehr wenig! Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Frauen liegt weiterhin rund 23 Prozent unter dem der Männer. Je älter im Übrigen die Beschäftigten sind, umso größer ist diese Lücke. Bei den Jüngeren zwischen 24 und 35 Jahren sind es gerade einmal 17 Prozent Lohnunterschied, bei den Älteren sind es fast 30 Prozent. Also Sie sehen, dass sich das in den höheren Altersgruppen sogar noch verschärft. Das ist ein Grund mehr, es erstens zu benennen und zweitens auch zu sagen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist wichtig. Es lohnt sich, sich dafür einzusetzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Frauenanteil in der Führungsebene, in der höheren Führungsebene in Unternehmen lag 2008 bei gerade 21 Prozent und bei Unternehmen, die über 200 Beschäftigte haben, lag die Zahl bei lächerli