Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mit einer Vorbemerkung beginnen. Es ist des Öfteren hier üblich, über die Sinnfälligkeit der Aktuellen Stunden nachzudenken, gerade auch von Ihnen, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wird das öfter hier angemerkt. Ich habe gerade an dieser Stelle heute erhebliche Fragezeichen zu dieser Aktuellen Stunde. Ich will das begründen:
Erstens: Am Freitag ist erst der Beschluss im Bundesrat, erst dann können wir über Ergebnisse reden. Bis zur Stunde wurde noch am Kompromiss gefeilt, ich kenne das genaue Ergebnis nicht. Ich kann es dann überhaupt nicht auf Thüringen umsetzen. Ich denke, so viel Zeit muss ja sein, dass wenigstens, wenn schon über Thüringen geredet werden soll, auch die Zeit bleibt, darüber zu reden.
Zweitens: Ich denke, das Thema ist so umfänglich, dass es sich eigentlich kaum eignet, hier in fünf Minuten das zu sagen, was ausführlich notwendigerweise zu dem Thema zu sagen ist. Ich denke, damit werden wir den betroffenen Hartz-IV-Empfängern nicht gerecht.
Ich rege an, dass wir für die CDU dieses Thema nach hinreichender Zeit im Landtag in einem Bericht der Landesregierung noch einmal untersetzen und dann in gebotener Angemessenheit dieses Thema auch hier noch einmal bereden können.
Ich will eine zweite Vorbemerkung machen, Herr Adams, gerade auch auf Ihre Anmerkung hin: Es bleibt die Tatsache, dass Hartz IV von Rot-Grün auf den Weg gebracht worden ist.
Dass das hier leider die Handschrift eines Kriminellen trägt, der rechtlich verurteilt ist, nämlich Herrn Hartz, das ist eine unappetitliche Petitesse, aber das will ich nur am Rand sagen.
Es bleibt aber, Schwarz-Gelb musste das reparieren, was Rot-Grün in unzureichender Qualität im Gesetz formuliert hat. Deshalb, meine ich, ist es eigentlich von Vertretern von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hier speziell von Frau Künast, eine Unverfrorenheit, aus dem Kompromiss sich zu verabschieden und sich auszuklinken. Ich denke, wer die Suppe eingebrockt hat, hat auch die Pflicht, diese mit auszulöffeln.
Wenn Sie dann sagen, es wäre eine Dagegenpartei, die CDU, ich frage hier: Wer ist denn dagegen? Ich nehme an, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden dagegen stimmen.
Dennoch bleibt - und das ist die dritte Vorbemerkung - unter dem Strich: Die Politik hat gezeigt, dass sie kompromissfähig ist. Die Politik ist handlungsfähig! Dass hier drei ältere Herren diesen Kompromiss erreicht haben, will ich nur am Rande vermerken. Dass das natürlich auch und gerade noch vor Wahlen geschehen ist, ich denke, auch das ist ein Kennzeichen, das man positiv vermerken muss. Ich denke, das Hartz-IV-Thema eignet sich nicht für Wahlkämpfe. Wer damit Wahlkampf macht, schürt die Ängste von Millionen von Menschen und das ist unredlich.
Erstens zum Regelsatz: Die Höhe des Regelsatzes steht nunmehr fest, und zwar nachvollziehbar. In dem Gesetzentwurf von Rot-Grün wurde vom Verfassungsgericht kritisiert, dass dies nicht nachvollziehbar ist. Es ging nicht darum, die Höhe insge
samt zu beanstanden. Es hat nun einmal ergeben, dass die Höhe um 5 € zu niedrig bemessen war. Man könnte auch im Umkehrschluss sagen, dass die Betroffenen bisher um 5 € jeweils monatlich geprellt worden sind. Auch das ist ein Ergebnis von Rot-Grün, denn die 5 € fehlten ja offensichtlich im Regelsatz, Herr Adams.
Dieser Betrag, nämlich die 5 €, soll ab 01.01.2011 gelten und dann ab 01.01.2012 noch einmal um 3 € steigen. Dieser Betrag ergibt sich durch die Verschiebung des Anpassungszeitraumes von dem Datum 01.07. auf dann 01.01. Ich denke, auch das ist ein guter Kompromiss.
Zum Zweiten, und das sollte für uns Thüringer sehr wichtig sein, das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder: Es gab bereits eine Bundesratsinitiative des Freistaats Thüringen aus dem Jahre 2007, in der Thüringen gefordert hat, dass für Kinder ein eigener Regelsatz definiert werden muss, der sich nicht an Prozenten des Eckregelsatzes von Erwachsenen bemessen darf. Hier haben wir auch gefordert, dass ein Bildungs- und Teilhabepaket realisiert werden muss. Dass dies nunmehr erreicht ist, zwar einige Jahre später, das ist zum Ärgern, aber immerhin, es ist auf den Weg gebracht. Deswegen kann ich das auch als ein kleines bisschen Gerechtigkeit für eine Thüringer Initiative sehen, die aus dem Jahr 2007 stammt. Es gibt hier noch einige Dinge mehr, die zu benennen wären - ich will nicht auf alles einzeln eingehen -, ein warmes Mittagessen, Nachhilfe, eintägige Schul- und Kita-Ausflüge werden mit bezahlt und 10 € monatlich für die Teilnahme am Vereinsleben.
Wichtig auch - und das sage ich auch wiederum als Thüringer - die Mindestlöhne. Dass wir im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz für die Leiharbeiter nunmehr Mindestlöhne vereinbart haben, das ist eine Forderung, die die Thüringer Union erst am Anfang dieses Jahres in Volkenroda aufgemacht hat, nämlich die auf Initiative des CDA Thüringen hier einen Mindestlohn gefordert hat. Auch das ist umgesetzt und das ist sehr gut und da sind wir auch sehr einverstanden. Herr Bergemann, heute begeht die CDA 20 Jahre CDA. Sie hat das mit auf den Weg gebracht. Ein schönes Geschenk für die CDA. Und letztens...
Eine solche Entlastung hat es bisher noch nie gegeben, nämlich im Bereich der Frage der Grundsicherung. Eine Forderung, die Thüringen immer bisher schon gehabt hat. Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Zeh, im Gegensatz zu Ihnen bin ich der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dankbar, dass Sie das thematisiert hat, weil ich glaube,...
Doch erkennbar. Auf jeden Fall wollte ich Sie daran erinnern, Herr Dr. Zeh, dass es eine Große Koalition war mit Duldung von CDU und FDP, die das natürlich mit Rot-Grün an der Spitze auf den Weg gebracht hat.
Wir haben gesagt, bei Hartz IV gibt es keinen Kompromiss, Hartz IV kann man nicht verbessern, Hartz IV muss weg und dabei bleibt es auch nach diesen Verhandlungen bei der LINKEN.
Das ist richtig, aber Sie haben das alles geteilt und unterstützt. Und was jetzt an Kuhhandel, an Geschacher - und wie auch die Äußerungen alle lauten - auf den Weg gebracht wurde, nichts Genaues weiß man nicht und wir müssen ja auch erst noch die endgültige Entscheidung abwarten. Das ist ein Affront gegen das Bundesverfassungsgericht. Das ist an Ignoranz nicht zu überbieten. Das wird auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen und das bringt viele Unklarheiten bei Jobcentern und auch bei Kommunen. Deswegen - auch mit dem Ergebnis kann man nicht zufrieden sein - gibt es ja das Angebot jetzt schon, auch meiner Fraktion im Bundestag, eine Normenkontrollklage einzureichen. Es liegt auf dem Tisch und es ist jetzt sicherlich auch an SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Frage
zu richten, ob Sie die Verfassungskonformität dieses ausgehandelten Kompromisses in einer Normenkontrollklage hinterfragen wollen.
Ich will natürlich auch differenzieren: Wer könnte schon etwas gegen eine Aufstockung des Bildungspakets haben? Wer könnte etwas haben gegen mehr Schulsozialarbeiter? Das ist eine Uraltforderung von uns hier auch in Thüringen, die immer hier abgelehnt wurde. Es ist auch richtig, dass die Kommunen in den Prozess einbezogen werden und Verantwortung dort übernehmen, weil einfach die Kompetenz auch da ist. Es bleibt aber vieles auch offen. Ich will jetzt gar nicht über die 5 € und die 3 € zusätzlich dann ab 01.01.2012 reden. Wenn es hier um sachgerechte Ermittlung des Existenzminimums geht, Herr Dr. Zeh, empfehle ich Ihnen wirklich noch mal die Analyse vom Oktober/November 2010 der Diakonie Mitteldeutschland. Das ist hier in Thüringen erarbeitet worden, da kann man sehr exakt nachlesen, ich finde, das ist mit das Beste, was hier auch in die Diskussion eingebracht wurde. Davon ist dieser Kompromiss meilenweit entfernt. Kritisch muss man ganz klar noch einmal sagen, die Pauschalierung für Kosten bei Heizung und Unterkunft ist nicht vom Tisch. Die Sanktionen sind nicht vom Tisch. Die Bürokratie wird zuschlagen und die Befürchtung ist da, dass das Geld versickert im System und in der Bürokratie und bei den Betroffenen gar nicht ankommt. Kommunen, kommunale Vertreter - viele von uns gehören ja auch dazu - sagen ganz klar, wir brauchen Vereinfachung, klare Regelungen und Möglichkeiten des eigenverantwortlichen Handelns. Die Frage wird sein, sie ist ja auch jetzt diskutiert worden, wie die Zahlung der tatsächlichen Kosten an die Kommunen erfolgt. Ich muss Ihnen ganz klar sagen, die Forderung, dass der Bund dort über die Länder in Vorausleistung gehen muss, ist für mich ganz klar, es ist aber umstritten. Denn wenn die Kommunen erst mal zahlen sollen, wie soll denn das jemand machen, der gar keinen Haushalt hat? Davon gibt es immer noch genug, auch in Thüringen. Wir brauchen Klarheit und Rechtssicherheit.
Lassen Sie mich noch einen Satz zu dem Mindestlohn sagen, den Sie gerade so gepriesen haben. Nun kann man hier noch einmal sagen, wir kämpfen angesichts der Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 01.05.2011 weiter für den flächendeckenden gesetzlichen, existenzsichernden Mindestlohn. Das ist Sache des Bundes. Aber das, was hier in der Leiharbeit ausgehandelt wurde, ist wieder eine Zementierung der Unterschiede zwischen Ost und West: Leiharbeit-West 7,60 €, Leiharbeit-Ost 6,65 €. Beim Wach- und Sicherheitsgewerbe - das betrifft auch Kollegen, die unter anderem hier im Haus arbeiten geht es im Westen bis 8,46 €, im Osten 6,53 €. Wo ist denn dort Gerechtigkeit?
Aus meiner Sicht ist das tatsächlich indiskutabel. Zum Schluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen, was auch viele sagen, die Finanzierung des Bundes darf nicht zulasten der Hilfe für Langzeitarbeitslose gehen. Wir brauchen auch in Zukunft eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Die 50 Prozent Kürzung, die jetzt langsam bei den freien Trägern ankommen, sind nicht zu verantworten und sind indiskutabel. Deswegen ist es richtig, dass wir heute hier darüber reden.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich muss schon sagen, es ist erstaunlich, dass diese Aktuelle Stunde von einer Fraktion eingebracht worden ist, die in Berlin ihre politische Verantwortung im Sinne der Betroffenen
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihr habt die Verantwortung in die- sem ideologischen Prozess nicht wahrge- nommen.)
- das sage ich eindeutig - zum Schluss verweigert hat. Es ist ja noch nicht einmal so, dass die GRÜNEN das aus Sicht der SPD nachvollziehbare Ansinnen ablehnen würden, aus wahltaktischen Gründen, sachfremde Themen wie Mindestlöhne in die Diskussion um die Regelsätze eingefügt zu haben. Das wäre durchaus noch nachvollziehbar gewesen.