Protocol of the Session on January 27, 2011

Ja, bei den Feuerwehrvereinen, die sind aber nicht das Problem. Dazu - das ist nur ein Einzelaspekt gibt es hier überhaupt gar keine inhaltliche Überlegung. Das meine ich mit Weiterentwicklung. Es wird einfach das, was es gibt in Thüringen, aufgeschrieben, aber es wird nicht gesagt, wo denn im Augenblick auch Weiterentwicklungsbedarfe da sind und wie diese durch das Landesprogramm gestärkt werden könnten.

Meine Damen und Herren, zuletzt noch einmal etwas zur generellen Sicht auf das Landesprogramm. Sie haben selbstkritisch eingeräumt, eine ernsthafte Einbindung der Zivilgesellschaft in den Erarbeitungsprozess hat es nicht gegeben, weder ein Vertreter oder eine Vertreterin eines Bürgerbündnisses noch eines der landesweiten Strukturprojekte waren in der kleinen Gruppe an der Texterarbeitung beteiligt. Der Ausstieg der Bürgerbündnisse aus der großen Runde war trauriger Höhepunkt dieser Zurücksetzung der zivilgesellschaftlichen Akteure. Ich finde es bedauerlich, dass Sie heute mit keinem Wort etwas zu diesem Ausstieg der Bürgerbündnisse gesagt haben, außer, man ist halt nicht zusammengekommen. Das ist aber zu wenig. Dazu passt eben, dass wir heute eine Regierungserklärung haben und keine Vorlage hier debattieren können. Es ist halt nur so, wie Sie selbst gesagt haben in Ihrer Rede, ein Landesprogramm der Landesregierung geworden, kein Landesprogramm des Parlaments, kein Landesprogramm der Zivilgesellschaft.

(Beifall DIE LINKE)

Der Schulterschluss der Zuständigen mit den Anständigen ist an dieser Stelle nicht gelungen. Sie sprachen von notwendigen Kompromissen. Wer hat denn hier den Kompromiss geschlossen? Ist es ein Kompromiss der Zuständigen mit den Anständigen oder ist es nicht vielmehr ein Kompromiss in der Koalition? Um es deutlich zu sagen, die Kritik ging nie darum, die eigenen Vorstellungen 100-prozentig umzusetzen.

(Zwischenruf Dr. Schubert, Staatssekretär: Einige der Bürgerbewegungen.)

Das ist Quatsch. Es ging auch nicht darum, dass einige in der Diskussion die alleinige Wahrheit gepachtet hätten, wie es heute hieß. Das ist ebenso Quatsch. Es ging vielen um ein wirklich wirksames Landesprogramm, welches Bürgerbündnisse stärkt und Neonazismus tatsächlich in den Köpfen und auf der Straße versucht zu schwächen. Bürgerschaftliche Gegenwehr und Auseinandersetzung mit Neonazismus und Alltagsrassismus bleibt eben zuerst eine Frage des starken zivilgesellschaftlichen Engagements von unten. An die Erfolge, wie die Blockaden in Dresden und Erfurt, müssen wir auch in der Debatte zum Beispiel um wirksame Projekte, Präventionsmaßnahmen und Elemente eines Landesprogramms anschließen. Ein Landesprogramm müsste einen positiven Bezug auch zu dieser Form der außerparlamentarischen Auseinandersetzung mit dem Neonazismus finden.

Wir brauchen eine unabhängige, kritische Öffentlichkeit aus Bürgern und Medien, die sich traut, den Rassismus der Mitte offen anzusprechen.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb ist das Verfehlen eines wirksamen Landesprogramms in Thüringen bedauerlich, aber nicht das Ende engagierter antirassistischer und antifaschistischer Politik. Wir werden auch weiterhin ehrliche Analysen und konsequentes Handeln einfordern. Sie haben gesagt, das Landesprogramm soll sich weiterentwickeln, das könnte ein Ansatzpunkt sein, dass wir sagen, wie geht man jetzt mit der formulierten Kritik um, wie geht man mit dem Ausstieg der Bürgerbündnisse um? Wir werden sicherlich auch weiterhin aktiv bleiben, wenn es so wird, dass wir nicht über das Bekenntnis des Tages hinauskommen.

In diesem Sinne ist auch unser Entschließungsantrag zu verstehen. Wir glauben, dass der Landtag ein eindeutiges politisches Signal heute anlässlich des Holocaust-Gedenktages setzen sollte. Dieses Signal kann nur heißen: NPD-Verbot jetzt.

(Beifall DIE LINKE)

Die Landesregierung muss tatsächliche Schritte unternehmen, den Weg für ein erfolgreiches Verbotsverfahren zu ebnen.

Wir sollten uns an diesem Vormittag zu einem gemeinsamen politischen Auftrag verständigen. Ich hoffe auf eine breite Unterstützung für diesen Entschließungsantrag. Dann steht einer in vielen Passagen dem heutigen Tag angemessenen Regierungserklärung - das will ich noch mal deutlich betonen, bei aller Kritik am Landesprogramm - ein klares politisches Signal des ganzen Parlaments zur Seite. Ich denke, dann hätten wir als Parlament heute ein deutliches Signal für Demokratie gegen Neonazismus gesetzt. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion erhält Frau Abgeordnete Meißner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnetenkollegen, am 27.01.1945 befreiten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Dieses KZ steht symbolhaft für den Völkermord und die Millionenopfer des Naziregimes.

In vielen Veranstaltungen des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am heutigen Tag wird in Lesungen, Theateraufführungen oder Gottesdiensten bundesweit die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten wachgehalten.

Thüringen steht es daher gut zu Gesicht, am heutigen Tage im Wege einer Regierungserklärung über das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit zu beraten. Auch wenn die ganz überwiegende Mehrzahl der heute Lebenden keine persönliche Schuld mehr an dem, was geschehen ist, trägt, tragen sie aber Verantwortung nicht zuletzt für das, was zukünftig geschehen wird.

Die Geschichte des Nationalsozialismus erinnert uns daran, dass eine freie und demokratische Gesellschaft kein ungefährdetes Gut ist, sondern bewahrt und verteidigt werden muss. Diesem Sinn und Zweck trägt unser Thüringer Landesprogramm Rechnung.

Wir, die Abgeordneten des Thüringer Landtags, hatten im vorvergangenen Jahr in einem gemeinsamen Beschluss die Landesregierung beauftragt, ein Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit zu erarbeiten. Mit dieser gemeinsamen Erklärung über alle Fraktionen hinweg haben wir eine solide und tragfähige Übereinkunft getroffen. Ich bin froh, dass sich die Landesregierung dazu entschieden hat, die Erarbeitung des Landesprogramms nicht allein als Aufgabe der Ministerien zu betrachten. Stattdessen holte man sich entscheidende Akteure an einen Tisch, um das Landesprogramm letztendlich mit einem großen getragenen Konsens zu verabschieden.

(Beifall CDU)

Dies ist dann wiederum Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung dieses Programms. Von Anfang an wurden durch die sogenannte große Arbeitsgruppe Vertreter von über 50 Institutionen in die Erarbeitung einbezogen. Vor der Verabschiedung des Landesprogramms durch das Kabinett konnten alle Mitglieder der großen Arbeitsgruppe bei einer Anhörung im Thüringer Landtag ihre Ansichten zum Entwurf darlegen. Danach wurde der Entwurf in vier Regionalkonferenzen mit lokalen Akteuren diskutiert.

(Abg. Renner)

Meine Damen und Herren, gut Ding will Weile haben. Wenn man mehrere an einen Tisch holt, liegt es auf der Hand, dass der Diskussionsprozess nicht innerhalb kürzester Zeit zu einem Ergebnis führen kann. Da das Landesprogramm eben kein Schnellschuss sein sollte, sondern ein qualitativ hochwertiges Programm für einen langen Zeitraum, war eine tiefgründige Erarbeitung unabdingbar. Auch die Fraktion der CDU arbeitete konstruktiv an diesem Landesprogramm mit.

(Beifall CDU)

Kontinuierlich haben wir Gespräche und Diskussionen geführt und so kann mit dem vorliegenden Programm letztlich auch die Maxime erfüllt werden, die unsere gemeinsame Erklärung uns vorgegeben hat. Das war die längere Erarbeitungszeit wert.

(Beifall CDU)

Nach lebendigen, aber konstruktiven Diskussionen ist uns jetzt ein Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit gelungen, das seinen Namen auch verdient hat, nämlich ein Programm, das allen menschenverachtenden, rassistischen, antidemokratischen Einstellungen in Thüringen eine weltoffene, tolerante und engagierte Bewegung entgegensetzt.

(Beifall CDU)

Genau an diesem Punkt möchte ich konkret unser Landesprogramm zitieren: „Unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ist als wehrhafte Demokratie ausgestaltet. Der Staat darf Angriffe auf unsere Verfassungsordnung nicht unbesehen hinnehmen. Er ist vielmehr verpflichtet, seine Bürgerinnen und Bürger und die Verfassungsordnung als solche gegen Feinde zu schützen und zu sichern. Der Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Menschenwürde verlangt ein entschlossenes und offensives Vorgehen.“

(Beifall CDU)

Ich bin in diesem Sinne sehr zufrieden, dass das Landesprogramm neben der Gefahr, die durch den Rechtsextremismus ausgeht, auch die Gefahren erkennt, die von anderen Kräften herrühren. Ihnen allen ist gemein, dass sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Das Landesprogramm nennt dabei Ross und Reiter. Ich darf aus Kapitel 2.2 zitieren: „Rechtsextremismus ebenso wie Linksextremismus und islamistischer Extremismus stehen in klarem Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

(Beifall CDU)

Dem begegnet die Landesregierung gleichermaßen entschlossen.“

(Beifall CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, so unterschiedlich Rechts- und Linksextremismus in ihren ideologischen Begründungen auch sein mögen, für die Freiheit und den demokratischen Verfassungsstaat sind sie - jede für sich gesehen - gefährlich.

(Beifall CDU, FDP)

Ausdrücklich und zum wiederholten Male möchte ich an dieser Stelle für die CDU-Fraktion daher auch klarstellen, uns geht es nicht um eine Gleichsetzung, geschweige denn um eine Verharmlosung. Das Hauptaugenmerk auf den Rechtsextremismus zu legen, kann aber nicht heißen, andere Formen des Extremismus auszublenden.

(Beifall CDU, FDP)

Nicht umsonst hat der Bund erst kürzlich durch Modellprojekte auch auf entsprechende Entwicklungen reagiert,

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Kaffee- fahrt.)

so z.B. mit einem Projekt in Weimar. Frau Ministerin Taubert nannte bereits die aktuellen Zahlen der politisch motivierten Kriminalität, insbesondere die besorgniserregend hohe Zahl von Gewaltstraftaten. All diese sind im Verfassungsschutzbericht 2009 zu finden, der richtigerweise Bestandteil dieses Landesprogramms ist. Frau Ministerin, ich gebe Ihnen recht, dass bezogen auf die Einwohnerzahl rechtsextrem motivierte Straftaten in Thüringen deutlich häufiger als im Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer sind. Aber vergleicht man die genannten 79 Gewaltstraftaten des linksextremen Spektrums des Jahres 2009 auf der Basis pro 100.000 Einwohner in den Bundesländern, muss man auch feststellen, dass Thüringen mit knapp 3,5 Prozent nach den Stadtstaaten Hamburg und Berlin auf dem traurigen dritten Platz liegt.

(Beifall CDU, FDP)

Länder mit vergleichbarer Struktur und Geschichte wie Sachsen und Sachsen-Anhalt liegen mit etwa 2,1 und 2,5 Prozent deutlich darunter. Für die CDUFraktion steht trotz alledem fest, jedes Opfer politisch motivierter Gewaltkriminalität ist eines zu viel.

(Beifall CDU, FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, inhaltlich lässt sich zusammenfassen, dass das Landesprogramm auf drei Säulen aufbaut. Frau Ministerin hatte diese bereits näher erläutert, so dass ich an dieser Stelle nur einige Anmerkungen machen möchte.

Ein zentrales Anliegen ist auch im Sinne der CDUFraktion die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und der Zivilgesellschaft, insbesondere auf kommunaler Ebene. Bürgerbündnisse und Netzwerke sollen in ihrer Arbeit sinnvoll unterstützt werden, um sich umfassend für Demokratie einsetzen zu können. Das Landesprogramm stützt sich

dabei auf bereits erfolgreich agierende Strukturen wie etwa die Opferberatung, die Ausstiegsprogramme und die Mobile Beratung. Hinsichtlich einer flächendeckenden Umsetzung muss es uns aber gelingen, die bereits bestehenden lokalen Aktionsbündnisse und Netzwerke für Demokratie zukünftig besser einzubinden und stärker zu unterstützen. Daher sollen zu Recht in jedem Landkreis lokale Aktionsbündnisse gebildet und gefördert werden, damit vor Ort rechtsextreme Tendenzen schnell erkannt und auf einer breiten Basis bekämpft werden können.

Sehr geehrte Damen und Herren, zur Finanzierung möchte ich noch hervorheben - so, wie es Frau Ministerin schon tat -, dass kein anderes Bundesland ein solches Programm mit so vielen landeseigenen Mitteln unterstützt. Dabei ist unser Landesprogramm nicht abhängig von ESF, Bundes- oder sonstigen Mitteln, sondern garantiert gerade für diese Projekte Stabilität mit Landesmitteln, und das gerade in einer Zeit, in der Haushaltssparsamkeit angesagt ist. Letztlich ist das Programm jedoch wertlos, wenn es nicht umgesetzt wird. Aus Sicht der CDUFraktion bedeutet Umsetzung nicht, möglichst viel Geld für möglichst viele Projekte auszugeben, sondern das gesamtgesellschaftliche Engagement dann aktivieren zu können, wenn es darauf ankommt.

Sehr geehrte Abgeordnetenkollegen, ich möchte abschließend allen beteiligten Interessenten, Verbänden, Vereinen und Institutionen danken für die nicht immer einfache, aber sachliche Diskussion,

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Feuer- wehr.)