Protocol of the Session on January 19, 2011

(Zwischenruf Carius, Minister für Bau, Lan- desentwicklung und Verkehr: Mir?)

Irgendwie verweigern Sie sich und andere auch. Deshalb also noch einmal: Unbestritten sind die Gemeinden auch Straßenbaulastträger, aber verfassungsrechtlich gehören die Gemeinden zum Land. Die sind also keine eigene föderale Ebene. Sie haben keine eigene Steuerkompetenz z.B., kein Steuerfindungsrecht, sondern da sind sie immer abhängig vom Land. Deshalb hat unser Verfassungsgericht definiert, dass wir als Land für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen verantwortlich und zuständig sind. Wenn dazu die eigenen Steuereinnahmen der Kommunen nicht ausreichen, ist das Land in der Verpflichtung, die Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können. Die Verantwortung haben wir. Da sind wir uns sicherlich einig, wenn das Verfassungsgericht solche Entscheidungen trifft, sind sie zunächst zu respektieren, von Ihnen und auch von uns. Wir machen das ständig, bei Ihnen gibt es da ab zu mal doch ein Abweichen. Wenn dem aber so ist, dann müssen Sie jedoch erklären, weshalb bei der Bedarfsermittlung für den Finanzausgleich 2011 das Land als Gesetzgeber - also die Mehr

(Minister Carius)

heitsfraktionen, und das basiert ja auf dem Vorschlag der Landesregierung - den Kommunen für den Winterdienst nur 20 Mio. € zugesteht. Ganze 20 Mio. €, das sind 9 € pro Einwohner und Jahr. Die Kommunen, in denen ich bin, die sagen, das Geld ist bereits nach drei Wochen weg. Da müssen wir nachbessern. Und bei der Straßeninstandsetzung bei den kommunalen Straßen - und da sagt der kommunale Spitzenverband - ist jetzt der Investitionsstau bei 300 Mio. €. Die Straßeninstandsetzung ist bei der Ermittlung des angemessenen Finanzbedarfs überhaupt nicht berücksichtig worden. Insofern sind wir als Land und sind Sie auch als Landesregierung hier in der Verantwortung, gemeinsam mit den Kommunen eine Lösung zu finden. Wenn Sie da eine Pkw-Maut als Finanzierungselement vorschlagen - wir sind da offen -, aber Ihren Worten müssen mal Taten folgen. Nur Ankündigungen und dann sagen, die Kommunen sollen mal sehen wie sie zurechtkommen, das funktioniert nicht. Insofern noch einmal unsere Forderung: Wir müssen auch die Belange der Kommunen - dafür sind wir zuständig - und offenbar reichen die geplanten Gelder dafür nicht aus, aber nicht die Gelder die wir den Kommunen zur Verfügung gestellt haben, wir werden ja nächste Woche, weil wir nicht nur reden, weil wir auch handeln - ja da lachen Sie wieder, das ist halt so - wir werden Ihnen nächste Woche Donnerstag einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, da können Sie sich positionieren. Das ist ein Sofortprogramm das hilft, nicht alles. Ich gehe mal davon aus, Ihre Vorschläge sind da langfristig, aber wir brauchen auch eine Sofortmaßnahme. Da können wir in den Dialog treten. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. Gibt es weitere Wortmeldungen? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Als Erstes stimmen wir über den Antrag der Fraktion BÜNDINS 90/DIE GRÜNEN ab. Hier wurde Ausschussüberweisung beantragt an den Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr. Keine weiteren Ausschüsse? Wer für diese Ausschussüberweisung ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist Zustimmung bei den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP. Wer ist gegen diesen Antrag Ausschussüberweisung? Das sind die Gegenstimmen bei der SPD-Fraktion und bei der CDU-Fraktion. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir stimmen jetzt über den Antrag ab von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/1524. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist gegen diesen Antrag? Da sind die Gegenstimmen bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD.

Wer enthält sich? Ich sehe keine Enthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung zum Alternativantrag. Auch hier wurde Ausschussüberweisung beantragt. Wer ist für diese Ausschussüberweisung, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich sehe Zustimmung bei der FDP, bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der LINKEN. Wer ist gegen diese Ausschussüberweisung? Ich sehe Ablehnung bei der SPD-Fraktion und bei der CDU-Fraktion. Damit ist der Antrag an den Ausschuss nicht überwiesen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Alternativantrag. Wer für den Alternativantrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/2153 ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich sehe Zustimmung bei der FDP-Fraktion. Wer ist gegen diesen Antrag? Ablehnung bei der CDU-Fraktion, der SPDFraktion. Wer enthält sich? Enthaltungen bei der Fraktion DIE LINKE und bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4

Rückkehr zur Rente mit 65 Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1527

Wünscht die Fraktion DIE LINKE die Begründung zu diesem Antrag? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Als Erste spricht zu diesem Antrag Frau Abgeordnete Jung von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Ihnen heute einen Antrag vorgelegt, mit dem wir Sie auffordern, im Bundesrat aktiv zu werden, das Renteneintrittsalter wieder abzusenken. Dieser Antrag trägt das Datum vom 24.09.2010 und er ist trotzdem heute, gerade heute, sehr aktuell. Denn die aktuelle Meldung von heute besagt, die Finanzreserven der Rentenversicherung sind im vergangenen Jahr auf den höchsten Stand seit Mitte der 90er-Jahre gestiegen. Die Rücklage erhöhte sich um 2 Mrd. € und deshalb denkt man im Wahljahr 2013 über eine Beitragssenkung von 19,9 auf 19,3 Prozent nach, ein Jahr früher als geplant.

Aber, meine Damen und Herren, was sind denn die Argumente eigentlich für die Rente ab 67? Es wird gesagt, aufgrund der demographischen Entwicklung sei es notwendig, dass man zukünftig erst mit 67 in Rente gehen kann. Weil die Menschen einfach länger leben, verlängert sich die Zeit, in der sie Rente beziehen. Das alles ist nicht finanzierbar und weil es nicht finanzierbar ist, müssen die Menschen

(Abg. Kuschel)

länger arbeiten, um die Rentenbezugszeiten wieder zu verkürzen.

Meine Damen und Herren, das greift einfach zu kurz. Wir leugnen nicht, dass es demographische Veränderungen gibt. Aber wir glauben auch nicht, dass es deshalb notwendig wäre, länger zu arbeiten.

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte Ihnen dazu auch einige Gründe vortragen, warum wir das weder für sinnvoll noch für notwendig halten. Wir wissen, dass das Bruttoinlandsprodukt jährlich in einer Größenordnung von ca. 1,5 Prozent steigt. Das bedeutet, dass wir im Jahr 2030 ein deutlich höheres Bruttoinlandsprodukt haben als heute. Ferner wissen wir, dass gleichzeitig die Zahl der Menschen, die im Jahr 2030 in der Bundesrepublik leben und auch in Thüringen leben, deutlich - und das sagen alle Demographen - sinken wird. Es werden deutlich weniger sein, als es heute sind.

Was haben wir dann für eine Situation? Wir haben den Zustand, dass die Torte, die zu verteilen ist, deutlich größer geworden ist. Im Jahr 2030 wird sie rund 30 Prozent größer sein; es werden aber deutlich weniger Menschen diese Torte teilen müssen. Warum gibt es dann trotzdem ein Problem, wenn die Torte größer wird und damit auch die Tortenstücke? Jemand nimmt vorher die halbe Torte weg, bevor sie an die Bürgerinnen und Bürger und an die Rentnerinnen und Rentner verteilt wird. Durch die Verweigerung des Mindestlohns fehlen z.B. Einzahlungen in die Rentenkasse ebenso wie bei den Hartz-IV-Empfängern, wo gar keine Rentenbeiträge mehr eingezahlt werden.

Meine Damen und Herren, es ist Fakt, dass wir eine sinkende Lohnquote zu verzeichnen haben. Wenn die Löhne von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung von der größer werdenden Torte abgekoppelt werden, dann ist es logisch, dass wir Probleme bei der Finanzierung der Rentenkasse haben. Das hat aber nichts mit Demographie zu tun, sondern schlichtweg mit der Tatsache, dass den Menschen, insbesondere auch den Rentnern, ein großer Teil dessen vorenthalten wird, was in diesem Land erwirtschaftet wird. Das ist eine Tatsache, meine Damen und Herren. Und Frauen sind davon besonders betroffen. Wir wissen, dass die geringeren Löhne von Frauen später zu geringeren Rentenleistungen führen.

Meine Damen und Herren, ein anderes Argument betrifft die Frage, ob der Arbeitsmarkt und die Beschäftigungssituation es insgesamt hergeben, die Menschen länger arbeiten zu lassen. Da genügt ein Blick auf die Realität. Nur knapp 10 Prozent der 64-Jährigen, also derjenigen, die bis 67 arbeiten sollten, haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und nur 6,4 Prozent arbeiten in Voll

zeit. Wenn also insgesamt 90 Prozent außen vor sind, dann gibt die Arbeitsmarktsituation einen späteren Renteneintritt schlichtweg nicht her. In Wirklichkeit führt die Rente ab 67 für 90 Prozent der Beschäftigten zu höheren Abschlägen.

(Beifall DIE LINKE)

Sie wissen das alle, und der Abschlag beträgt 7,2 Prozent für alle, die im Alter von 64 Jahren keinen Job mehr haben und dann bis 67 Jahre arbeiten müssen. Das wollen Sie so. Die Rente ab 67 ist nichts anderes für uns als ein Rentenkürzungsprogramm.

(Beifall DIE LINKE)

Das, meine Damen und Herren, ist auch das, was Sie den Menschen hierzulande zumuten. Die Höhe der Abschläge hat von 2000 bis 2008 von 35 € auf durchschnittlich 115 € pro Monat zugenommen. Das bedeutet, dass wir bei einem durchschnittlichen Rentenanspruch von 848 € noch einmal 115 € abzuziehen haben. Die Rente mit 67 treibt die Menschen in die Grundsicherung im Alter, also in Altersarmut. Wer bezahlt das? Das bezahlen die Kommunen.

Ein weiteres Argument, das Sie immer anführen, ist das der Generationengerechtigkeit. Meine Damen und Herren, wir wissen, dass nur um 0,5 Prozent höhere Beiträge notwendig wären, um auf die Rente ab 67 zu verzichten, 0,25 Prozent für die Arbeitnehmer. Jetzt erinnere ich noch mal an meine Eingangsworte, an die Beitragsabsenkung vom Anfang von 0,6 Prozent. Das ist zum Beispiel eine der Begründungen, warum niemand zwei Jahre länger arbeiten müsste. Ich sage Ihnen, mit dem Vorschlag wird Jung und Alt auch gleichermaßen getroffen. Die Jungen kriegen weniger Geld, kriegen weniger Rente und sollen länger arbeiten. Den Alten muten Sie zu, in den Betrieben zu bleiben, bis sie umfallen. Vielleicht löst sich dann das eine oder andere Rentenproblem biologisch.

Meine Damen und Herren, ich halte diese Politik, die hier betrieben wird, für absolut unzumutbar.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen möchte ich zum Abschluss noch mal auf unsere Vorschläge eingehen, ich denke, weil es auch noch mal nötig ist. Die Rente mit 67 gehört sofort zurückgenommen.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist auch keine Lösung, meine lieben Kolleginnen und Kollegen der SPD, zu sagen, dann warten wir mal bis 2015. Aber 2029 soll sie dennoch voll wirken. Ihr Vorschlag, dass die Rente mit 67 bei einer Beschäftigungsquote der 60- bis 65-Jährigen von 50 Prozent eingeführt werden soll, bedeutet dann immer noch, dass die Hälfte der Betroffenen nur eine Rentenkürzung kriegt. Das kann für uns keine

Lösung sein. Ein weiterer Punkt ist, wir brauchen natürlich sofort eine Stabilisierung der Löhne, unter anderem den gesetzlichen Mindestlohn. Wir brauchen vor allen Dingen eine andere Rentenformel. Wir brauchen auch als einen der ersten Schritte eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen und in der alle gleich behandelt werden, auch die Beamten, auch die Selbstständigen und auch wir als Mitglieder des Landtags.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist nicht akzeptabel, dass hier den Menschen dauernd eine Kürzung der Renten auch mit der Rente ab 67 verordnet wird, während gleichzeitig die Abgeordneten des Landtags so tun, als würde sie das überhaupt nichts angehen. Es geht sie auch tatsächlich nichts an, weil sie über eine ausreichende Rente verfügen. Das ist aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion nicht akzeptabel. Die Rente erst ab 67 ist nicht nur arbeitsmarktpolitisch unmöglich und sozial katastrophal, sondern auch aus Sicht der Rentenfinanzen überflüssig. Einen halben Prozentpunkt weniger Beitrag soll die Rente erst ab 67 bringen, aber sie bringt auch massive Rentenkürzungen. Deshalb, meine Damen und Herren, stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Gumprecht das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Jung, ich will es Ihnen geradeheraus sagen, wir lehnen Ihren Antrag ab. Der mit Ihrem Antrag geforderte Rückwärtssalto ist unredlich, er ist ungerecht und verantwortungslos. Der Weg ist unredlich, weil er den Menschen vorgaukelt, sich an den unangenehmen Konsequenzen der Bevölkerungsentwicklung vorbeimogeln zu können. Das zeigt Ihr Bild von der angeblich größeren Torte. Die These, dass die sogenannte Torte schneller als die Summe aller Rentenbezieher wächst, ist falsch. Er ist ungerecht, weil mit jedem Jahr Verzögerung der Druck auf die Beiträge und auch das Rentenniveau wachsen wird. Er ist verantwortungslos, weil in einer Phase der gedanklichen Umorientierung und zunehmender Akzeptanz des Unvermeidlichen ein falsches, fatales Signal gesetzt wird. Sie verschließen die Augen vor den Herausforderungen, die Deutschland durch seine Bevölkerungsentwicklung erwachsen und provozieren auf mittlere Sicht einen Generationenkonflikt. Denn es ist Fakt, dass die Lebenserwartung der Menschen steigt, und es ist Fakt, dass im Gegensatz dazu die Geburtenrate sinkt, und das bei einer schrumpfenden mittleren Generation.

(Unruhe DIE LINKE)

Um diesen Konflikt zu lösen, gibt es drei Möglichkeiten:

1. Wir erhöhen den Rentenbeitrag und belasten damit die mittlere Generation mehr. Trotz einer, wie Sie heute gerade sagen, zwischenzeitlich guten Lage der Rentenkassen würden wir nicht drum herum kommen.

2. Wir senken die Renten und verschärfen damit die Altersarmut oder

3. wir verlängern die Lebensarbeitszeit.

Die beiden ersten Wege der Kürzung der Renten oder Erhöhung der Beiträge können von Ihnen sicherlich nicht gewollt werden. Eine Kehrtwende einzuleiten, schädigt das ohnehin, ich sage, fragile Rentensystem. Der erzielte Kompromiss, das Renteneintrittsalter zu verschieben und die Lebensarbeitszeit stufenweise auf 67 zu verlängern, ist in meinen Augen vernünftig, weil er die Handlungsoptionen für alle Generationen verträglich kombiniert. Bei einer Rente mit 67 geht es um eine Unumgänglichkeit, denn schon jetzt werden etwa ein Drittel der Steuern auf die Rente verwendet. Wir kennen alle die Situation, den Älteren werden in Zukunft immer weniger Jüngere gegenüberstehen. Während das Verhältnis der 65-Jährigen und Älteren zu den 20- bis 64-Jährigen im Jahr 2005 noch 1 zu 3,2 betrug, wird es im Jahr 2030 voraussichtlich bei 1 zu 2 liegen.

Herr Abgeordneter Gumprecht, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Bärwolff?

Bitte, Herr Bärwolff.

Herr Gumprecht, erstens hat Frau Jung das schon zum Teil ausgeführt, aber ich möchte gern noch einmal die Frage stellen: Was halten Sie denn davon, wenn man die Berechnungsgrundlage der Rente und die Mittel der Rentenversicherung nicht nur auf die Anteile der Arbeitnehmer und Arbeitgeber umlegt, sondern z.B. auch auf die Wertschöpfung? Denn die Wertschöpfung, die Produktivität ist ja in den letzten 50 Jahren gestiegen und wird vermutlich auch noch weiter steigen. Das heißt, dass wir auch Einkommen mit in die Rentenkasse einbeziehen. Was halten Sie denn davon?