Es sei Ihnen aufgrund der letzten Nacht in diesem Hause verziehen. Zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Kuschel von der Fraktion DIE LINKE zum Tagesordnungspunkt 4. Ja, Herr Kuschel? Gut.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, vielen Dank nochmals für den Hinweis, bei welchem Tagesordnungspunkt wir uns befinden. Bei allem Verständnis, dass wir eine umfangreiche Tagesordnung haben, machen sich aus Sicht unserer Fraktion doch einige wenige Anmerkungen auch zum Verwaltungskostengesetz erforderlich. Der Berichterstatter hat schon darauf verwiesen, dass wir als Fraktion DIE LINKE im Ausschuss mehrere Änderungsanträge zum Gesetzentwurf der Landesregierung eingebracht haben, weil wir der Auffassung sind, dass das Verwaltungskostengesetz an einigen
Stellen nicht mehr zeitgemäß ist und sich insbesondere in der praktischen Anwendung doch einige Probleme gezeigt haben. Wir haben als Erstes vorgeschlagen - und dieser Vorschlag ist insbesondere vom Verein „Mehr Demokratie in Thüringen“ stark unterstützt worden -, dass wir im Verwaltungskostengesetz eineindeutig regeln, dass nicht nur Volksbegehren, Volksentscheide kostenfrei sind, sondern auch die Elemente auf kommunaler Ebene, nämlich Bürgerbegehren, Bürgerentscheid und der Einwohnerantrag. Die Landesregierung hat zwar umfangreich dargelegt, dass es doch eine rechtskausale Kette gibt, die letztlich auch zur Gebührenfreiheit bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden führt. Selbst diese komplizierte rechtskausale Kette war für uns noch einmal Anlass zu sagen, wir können das viel einfacher und eineindeutig im Gesetz regeln und brauchen nicht über das Verwaltungskostengesetz und den § 11 des Thüringer Kommunalabgabengesetzes letztlich erst zu dieser Gebührenfreiheit zu kommen. Es ist unstrittig, jedes demokratische Mitwirkungsinstrument, das mit irgendeiner Verwaltungskostengebühr auch nur bedroht ist, wird eingeschränkt. Bedauerlicherweise hat sich gerade in der kommunalen Praxis gezeigt, dass einige Bürgermeister mit Vehemenz Verwaltungskosten im Zusammenhang mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden festgesetzt haben und das natürlich zu Verunsicherungen bei den Bürgern führt und oftmals die Bürger sagen, wir nehmen dieses Mitwirkungsinstrument nicht mehr in Anspruch, weil wir befürchten müssen, mit horrenden Verwaltungskostengebühren belastet zu werden. Insofern nehmen wir die Auffassung der Landesregierung hier zur Kenntnis und haben auch heute nicht noch mal diesen Änderungsantrag in die Plenarsitzung eingebracht, denn wir haben im Ausschuss ausführlich darüber diskutiert. Aber es war uns wichtig, auch hier in der Öffentlichkeit zu dokumentieren und den Bürgern deutlich zu sagen: Nutzt die Instrumente des Einwohnerantrags, des Bürgerbegehrens, Bürgerentscheids aus inhaltlichen Gründen, eine Belastung mit Verwaltungskosten ist nicht mehr zu befürchten - so zumindest die Aussage der Landesregierung. Wir werden hier die Landesregierung immer beim Wort nehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in einem zweiten Antrag haben wir thematisiert, dass wir es nicht mehr für zeitgemäß halten, dass Kirchen, Religionsgemeinschaften und weltanschauliche Gemeinschaften unter die persönliche Kostenbefreiung fallen, aber Parteien und Fraktionen nicht. Wir sind der Überzeugung, dass Parteien und Fraktionen, auch kommunale Wählervereinigungen entscheidend zur Willensbildung beitragen, und das auch außerhalb von Wahlkampfzeiten. Die Wahlkampfformen sind da vielfältig. Es geht oftmals um Sondernutzungen und Plakatierungsgenehmigungen. Die dann letztlich mit einer Gebühr zu belasten, das halten wir für sehr kritisch. Wir wissen,
dass durch die allgemeine Regelung im Verwaltungskostengesetz dieses Problem nicht endgültig gelöst wird. Dazu müssen wir eine Veränderung im Thüringer Straßengesetz vornehmen. Ich darf schon für unsere Fraktion ankündigen, dass wir im nächsten Jahr das genau tun werden. Wir werden im Landtag hier eine Veränderung im Straßengesetz vorschlagen und wir wollen damit erreichen, dass auch Parteien, deren Fraktionen und kommunale Wählergruppen unter die Gebührenfreiheit fallen.
Ein dritter Komplex, den wir thematisiert haben, sind pauschalierte Verwaltungskosten, insbesondere dort, wo Bürger Massenwidersprüche einlegen. Da bedauern wir, dass der Thüringische Landkreistag doch eine sehr umstrittene Auffassung zum Verhältnis Verwaltung und Bürger vertritt, indem dort formuliert wird - und die beiden regierungstragenden Fraktionen haben sich das ja zu eigen gemacht -, dass die Bürger als eine Art Volkssport Widersprüche massenhaft einlegen. Wenn es dort zu einer pauschalierten Verwaltungsgebühr kommen würde, würde dieser Volkssport noch weiter aktiviert. Wir haben da ganz andere Erfahrungen. Der Bürger möchte in Entscheidungen frühzeitig einbezogen werden und dort, wo das geschieht, hält sich die Anzahl der Widersprüche aber in erheblichen Grenzen. Deshalb können wir immer nur appellieren, insbesondere auch an die Landkreise, die ja als Rechtsaufsichtsbehörde in diesen Prozessen fungieren, dafür Sorge zu tragen, dass Bürger frühzeitig in Entscheidungen einbezogen werden. Oftmals sind Informationsdefizite die Ursache dafür, dass Bürger Widerspruch gegen Verwaltungsentscheidungen einlegen. Dort, wo umfassend und frühzeitig Bürger informiert werden, halten sich Widersprüche von der Anzahl her in Grenzen. Insofern unsere Aufforderung an die Landräte: Keine Angst vor den Bürgern, die Verwaltung ist für die Bürger da und nicht umgekehrt. Wer diesen Grundsatz beherzigt, braucht auch keine Bedenken zu haben, dass die Bürger das Instrument Widerspruch in irgendeiner Art und Weise missbrauchen. Wir halten eine pauschalierte Verwaltungskostenregelung in diesem Bereich auch deshalb für sachgerecht, weil sich der Bearbeitungsaufwand bei all diesen Widersprüchen nur einmal darstellt und insofern nicht zu begründen ist, warum bei jedem einzelnen Widerspruch eine separate Verwaltungskostengebühr festgesetzt wird.
Insgesamt, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir nicht gegen dieses Gesetz stimmen, halten aber die von mir benannten Punkte nach wie vor für diskussionswürdig und werden im Bereich, insbesondere was das Thüringer Straßengesetz betrifft, in den nächsten Monaten hier weiter parlamentarisch tätig werden. Danke.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Gibt es weitere Wortmeldungen? Die sehe ich nicht. Der Abgeordnete Meyer hat noch mal um das Wort gebeten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, es gebietet die parlamentarische Redlichkeit, mich dafür zu entschuldigen, dass ich zum falschen Tagesordnungspunkt gesprochen habe.
Auch das nehme ich zur Kenntnis. Vielen Dank für das Verständnis. Sie wussten, warum das möglicherweise passiert ist. Wir stimmen diesem Gesetzentwurf auch zu. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das sehe ich nicht. Möchte die Regierung sprechen? Herr Minister Dr. Voß, bitte schön.
Vielleicht von meiner Seite ganz kurz: Ich bitte um Zustimmung zu dem Gesetz und verweise noch einmal auf die Rechtsklarheit, die durch dieses Gesetz hergestellt wird. Einmal: Die Entfristung dieses Gesetzes entfällt. Wir haben eben gehört, der Bürgerantrag auf Landesebene wird kostenfrei gestellt und in § 2 Abs. 1 erfolgt eine Klarstellung, dass nur der Entschädigungspflichtige kostenfrei gestellt werden kann. Das ist deshalb wichtig, weil es ja sonst Dritte geben könnte, die an derartigen Verfahren partizipieren und das ist nicht gewollt. Ich bitte Sie um Zustimmung. Schönen Dank.
Abgestimmt wird über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 5/1506 in zweiter Beratung. Wer ist für diesen Gesetzentwurf? Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Sehe ich nicht. Gibt es Enthaltungen? Enthaltungen bei der Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, CDU und FDP angenommen.
Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer für den Gesetzentwurf ist, den bitte ich, sich jetzt von den Plätzen zu erheben. Danke. Zustimmung bei den Fraktionen der FDP, der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist gegen diesen Gesetzentwurf? Ich sehe keine Gegenstimmen. Wer enthält sich? Enthaltung durch die Fraktion DIE LINKE.
Gesetz zur Stärkung der Wartburgregion durch kommunale Neugliederungsmaßnahmen Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1526 ZWEITE BERATUNG
Ich eröffne die Aussprache. Zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Kuschel von der Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beraten heute zum zweiten Mal unseren Gesetzentwurf zur Stärkung der Wartburgregion. Für unsere Gäste: Es geht letztlich darum, die kreisfreie Stadt Eisenach, die seit 1998 aus dem Wartburgkreis ausgekreist wurde, wieder in den Wartburgkreis zu integrieren, um dadurch die Region zu stärken.
Einige aktuelle Informationen aus den letzten Tagen im Zusammenhang mit Eisenach machen deutlich, wie notwendig dort eine neue gesetzliche Regelung ist. Da wird die Zufahrtsstraße auf die Wartburg gebaut, die Stadt ist nicht in der Lage, den Eigenanteil zu realisieren. Das Land muss einspringen über den Landesausgleichsstock, das heißt nicht das Land, sondern alle übrigen Thüringer Kommunen müssen den kommunalen Anteil für Eisenach aufbringen. Das Bach-Museum steht vor der Schließung, weil die Stadt Eisenach nicht den kommunalen Eigenanteil aufbringen kann. Erneut muss das Land einspringen wieder aus dem Landesausgleichsstock, um den städtischen Anteil zu übernehmen. Die neue Zufahrtsstraße zur neu trassierten A 4 zur Erschließung des Industriestandorts Opel wird gebaut. Die Stadt Eisenach kann den Eigenanteil nicht erbringen, das Land springt erneut ein über den Landesausgleichsstock. Die Wartburg Tourismus GmbH steht vor der Insolvenz. Der Mitgesellschafter, die Stadt Eisenach, ist nicht in der Lage, ihrer Nachschusspflicht nachzukommen, um die Gesellschaft zu retten, das Land muss einspringen und die kommunalen Anteile übernehmen.
Das waren nur die Informationen der letzten Tage und Wochen und es macht deutlich, dass sich Eisenach in einer finanziellen Notsituation befindet. Aus eigener Kraft kann die Stadt Eisenach diese Situation nicht überwinden. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie lösen wir dieses Problem? Lösen wir es wie bisher, indem wir bei jeder Einzelmaßnahme einen Landeszuschuss gewähren? Lösen wir es so, wie es die Regierung vorgeschlagen und CDU und SPD gestern im Finanzausgleichsgesetz geregelt haben, dass wir so tun, als hätte die Stadt Eisenach mit 43.000 Einwohnern 100.000 Einwohner, und denken, weil wir einfach per Gesetz regeln, Eisenach hat 100.000 Einwohner, lösen wir die Finanzprobleme? Schlimmer kann man Realität nicht verzerren und die Augen vor den Realitäten verschließen. Wir haben selbst formuliert - wir müssen die jetzige Situation in irgendeiner Art und Weise lösen im Interesse der betroffenen Bürgerinnen und Bürger -, zeitlich befristet eine steuerkraftunabhängige Vorwegschlüsselzuweisung den kreisfreien Städten zu gewähren. Aber Sie haben eine andere Lösung völlig ohne Befristung und Sie zementieren damit die jetzigen Zustände. Vielleicht wollen Sie das, weil es natürlich schick ist für Sie als Landesregierung und Sie vielleicht auch als Innenminister, dass in dem Fall der Oberbürgermeister von Eisenach jede Woche an Ihre Tür klopfen muss, auf die Knie runtergehen und sagen muss, bitte helft uns, wir brauchen Geld. Dann wird immer die Fahne der kommunalen Selbstverwaltung hochgehalten, die ist im Fall Eisenach nicht mal mehr das Papier wert, auf dem sie formuliert ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann haben CDU und SPD gesagt, DIE LINKE soll aufhören zu reden und doch endlich einmal einen Vorschlag unterbreiten.
Das haben wir gemacht - wir nehmen Anregungen gern auf - und haben noch einmal betont, da wir keine Dogmatiker mehr sind
- ja, Herr Fiedler, das müssen auch Sie inzwischen gemerkt haben -, wir sind zwar Rechtsnachfolger der SED, das ist unbestritten, aber wir haben festgestellt, wer in diesem Haus Handlungsnachfolger ist. Das ist in erster Linie die CDU.
Insofern nehmen wir Hinweise immer auf und sagen, unser Vorschlag ist ein Diskussionsangebot. Aber Sie verweigern ja die Diskussion, indem Sie diesen Gesetzentwurf nicht einmal an den Innenausschuss zur Beratung überwiesen haben. Nicht einmal den Mut hatten Sie, sich in nicht öffentlicher
Sitzung mit unseren Vorschlägen auseinanderzusetzen. Das finde ich äußerst bedenklich. Ihnen passiert doch nichts. Sie haben doch selbst im Innenausschuss die Mehrheit, Ihre Koalition funktioniert ja noch.
Noch, noch. Von daher brauchen Sie uns im Ausschuss einfach nur zuzuhören, könnten Ihre Argumente dagegenstellen und schon wäre die Sache in Ordnung. Aber nicht einmal diesen parlamentarischen Anstand haben Sie. Eigene Vorschläge liegen bedauerlicherweise auch nicht auf dem Tisch.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde immer wieder gesagt, unser Gesetzentwurf geht an der Stimmungslage in der Wartburgregion vorbei. Es gebe weder in der Stadt Eisenach noch im Wartburgkreis eine Mehrheit bei den Bürgern, die für eine Rückkreisung der Stadt Eisenach in den Wartburgkreis seien. Wir nehmen diese Bedenken von Bürgern immer ernst. Wir haben da ein hohes Maß an Vertrauen, deshalb haben wir bewusst in unseren Gesetzentwurf reinformuliert, dass zum Schluss die Bürgerinnen und Bürger des Wartburgkreises und der Stadt Eisenach entscheiden sollen, ob dieser Gesetzentwurf in Kraft tritt. Wir haben also geregelt, der Gesetzentwurf tritt nur in Kraft, wenn er die erforderliche Mehrheit im Rahmen eines Bürgerentscheids bekommt. Insofern verstehe ich Ihre Bedenken nicht. Wenn Sie ein hohes Maß an Vertrauen haben in Ihre Argumente, dann können Sie doch diese Argumente in der Wartburgregion zur Diskussion stellen. Dann können die Bürger doch sachlich zwischen den unterschiedlichen Konzepten entscheiden. Aber Sie verhindern, dass Sie ein Stimmungsbild in dieser Region bekommen. Dieses Stimmungsbild würden Sie nur bekommen, wenn Sie den Bürgern die Entscheidung vorlegen würden. Das machen Sie nicht, insofern müssen Sie sich von uns auch die Kritik vorhalten lassen, dass Sie keine weitere Lösung in dieser Region wollen, weil Sie schwache Kommunen wollen, damit Sie starkes Land spielen können. Betroffen und ausbaden müssen es die Bürgerinnen und Bürger. Danke.
Frau Präsidentin, ich beantrage im Namen unserer Fraktion erneut die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kuschel, im Gegensatz zu Ihnen wollen wir starke Kommunen mit kommunaler Selbstverwaltung.
Aber starke Kommunen mit kommunaler Selbstverwaltung müssen ihre Geschicke erst mal selbst in die Hand nehmen und wenn sie - aus welchen Gründen auch immer - in die Negativseite gekommen sind, sind sie die Ersten, die daran zu würgen haben, dass sie aus dem Ganzen wieder herauskommen, um zu neuen Wegen aufzubrechen. Ich sage Ihnen noch mal, was ich in der ersten Beratung gesagt habe: Es geht nicht einfach darum, dass am Ende das Land alles löst. Kommunale Selbstverwaltung heißt auch, dass erst vor Ort gelöst wird.
Das müssen Sie endlich mal in Ihren Betonschädel hineinbekommen, ansonsten kommt das nie an. Das ist der Unterschied. Das Land kann nicht alles von oben regeln, sondern die kommunale Selbstverwaltung geht natürlich immer in beide Richtungen. Deswegen ist es notwendig, dass entsprechend vor Ort auch die Hausaufgaben gemacht werden und - mein Kollege Mohring hat gestern noch mal das Programm bis 2020 vorgestellt - das heißt ja nicht, dass es nicht Einzelfalllösungen trotzdem geben kann. Da hat man alle Möglichkeiten, die dort infrage kommen. Wenn Sie hier vom parlamentarischen Anstand reden: Wir haben den Gesetzentwurf für so dünn befunden, dass wir ihn nicht mal überwiesen haben, weil es nicht notwendig ist, diesen zu überweisen. Wir beantragen Ablehnung.