Die Große Koalition hat sich hier heute ausgesprochen energisch Mut zugesprochen. Dass dies nottut, wissen wir ja nicht erst seit der doch mehr oder minder verpatzten Wahl zur Ministerpräsidentin. Auffallend war jetzt auch zu beobachten, wie geklatscht wird in diesem Hohen Hause, je nachdem, wer redet. Weil wir gerade beim Umgang miteinander sind, möchte ich die Stilfrage gern noch einmal thematisieren. Es sind ja gerade erfreulich viele anwesend, das war heute nicht immer so. Ich glaube, dass ganz entscheidend zu dem Umgang, der hier immer wieder angesprochen wurde, der neu sein soll, auch gehört, dass wir uns tatsächlich alle gegenseitig mit Respekt zuhören, auch wenn uns was nicht passt - das geht mir auch öfters so, Herr Mohring, ich höre Ihnen trotzdem zu -, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen und dass wir respektvoll miteinander umgehen.
20 Jahre nach der friedlichen Revolution und 15 Jahre, nachdem wir nicht mehr im Thüringer Landtag waren, sind wir hier wieder eingezogen. Sie können versichert sein, dass uns niemand an unsere eigene Geschichte erinnern muss, denn wir erinnern uns dieser tagtäglich. Ich selbst habe 1987 mein Engagement in einer kirchlichen Umweltgruppe begonnen und war die Jüngste in der Bürgerwache der ehemaligen Staatssicherheitszentrale, als diese besetzt gehalten wurde. Ich glaube, zum Erinnern für die Zukunft, damit wir alle daraus lernen und damit wir tatsächlich auch zusammenfinden - denn ich denke, das ist unsere Aufgabe hier in diesem Hohen Hause -, gehört, dass wir auch ehrlich sind im Umgang mit unserer eigenen Geschichte. Von etlichen wurde und wird die Geschichte hier auch immer wieder betont. Herr Barth, Sie geben mir heute den Anlass, einmal auf die Geschichte der FDP zu verweisen.
Die FDP hatte 40.000 Mitglieder dank der Integration der Blockparteien LDPD und NDPD - es sind heute wesentlich weniger -, der Ost-FDP und auch der Deutschen Forumspartei. Ich will gar nicht weiter auf Ihre Auslassungen von vorhin eingehen. Aber seien Sie versichert, zum respektvollen Umgang und zu einem ehrlichen Umgang miteinander, um nach vorn schauen zu können, auch um zukunftsfähig zu sein, gehört, dass wir ehrlich - und zwar alle - zu unserer eigenen Verantwortung stehen, dass wir auch zur Verantwortung der Blockparteien beispielsweise stehen und dass wir uns umfänglich dieser Thematik widmen, auch und gerade angesichts von 20 Jahren friedlicher Revolution.
Da möchte ich einen Punkt aufgreifen, der mir heute mehrfach aufgestoßen ist, und weil er immer wieder kam, möchte ich ihn auch ansprechen. Es ist gefährlich, wenn hier im Hohen Hause, wie es immer wieder heißt, von den Menschen da draußen und uns hier drinnen gesprochen wird.
Ich möchte uns allen empfehlen - viele von Ihnen, von euch sind vor 20 Jahren auf die Straße gegangen mit dem Ruf „Wir sind das Volk!“ -, das sehr ernst zu nehmen, was Werner Schulz, wie ich finde, neulich eindrücklich in einer Rede gesagt hat, nämlich: „Wir waren nicht nur das Volk, sondern wir sind auch heute das Volk und wenn wir das Volk sind, gehört dazu, dass wir nicht nach ‚drinnen’ und ‚draußen’ unterscheiden, sondern dass wir vor allen Dingen auch rausgehen und dass wir niemals die Bodenhaftung verlieren.“ Das sage ich auch und gerade an die Reihen der FDP.
Wenn wir Demokratie erfahrbar machen wollen und wenn wir dazu einladen wollen, wenn wir Menschen für Demokratie gewinnen wollen, wenn wir Mut machen wollen zu Teilhabe, zu politischem Engagement und wenn wir auch hier in diesem Hause beispielsweise von Minderheitenrechten reden, dann, glaube ich, müssen wir bei uns selber anfangen und müssen wir auch bei unserer eigenen Sprache anfangen, denn Sprache ist oft verräterisch. Und wer sich nicht mehr als Teil eines Ganzen selbst begreift, auch wir Abgeordneten sind Bürgerinnen und Bürger, der hebt schnell ab.
Lassen Sie mich kurz noch eingehen auf die Thematik „Bildungspolitik im Koalitionsvertrag“ und natürlich auch auf die Ausführungen von Christoph Matschie heute hier als unser Minister in diesem Bereich. Ich habe sehr interessiert zur Kenntnis genommen, wie die Gemeinschaftsschule jetzt interpretiert wird, wie sie offenkundig kommen soll als eine Schule neben den anderen Schultypen im fest gegliederten Schulsystem. Mir hat noch niemand erklären können, wie der Übergang tatsächlich gewährleistet sein soll und wo das längere gemeinsame Lernen sich als Ziel für alle längerfristig - so habe ich es jedenfalls lange verstanden - tatsächlich wiederfindet. Aber ich sage ganz deutlich, wir bieten natürlich konstruktiv unsere Mitarbeit an, weil es uns darum geht, allen Kindern von Anfang an die Türen
zur Welt zu öffnen. Das beginnt schon mit der frühkindlichen Bildung, das setzt sich fort in der Schule, wo wir meinen, dass das längere gemeinsame Lernen allen zugute kommen sollte, und das braucht manchmal auch Mut zu Reformen im strukturellen Bereich. Ich habe große Sorge, wenn wir jetzt nur eine weitere Schulform neben vielen anderen etablieren, weil wir nicht den Mut haben, die notwendigen Reformen anzugehen.
Ich will auch noch eingehen auf den Bildungsstreik. Ich habe ehrlich gewartet, Frau Ministerpräsidentin, dass Sie den Begriff zumindest erwähnen in Ihrer Regierungserklärung, das war leider nicht der Fall; Christoph Matschie hat es jetzt kurz angesprochen. Im Moment sind Räumlichkeiten auch in Thüringer Universitäten besetzt und wir solidarisieren uns ausdrücklich mit den Zielen, die diese jungen Menschen dort vertreten, weil sie für die Qualität der Lehre streiten, weil sie für andere Studienbedingungen streiten und weil es Ihnen um mehr geht als die Einheit von Prüfung und Lehre, wie wir sie gerade erleben, nämlich die tatsächlich gelebte Einheit von Lehre und Forschung, wie wir sie auch im humboldtschen Sinne verstehen. Ich glaube, wir sollten das sehr ernst nehmen und deswegen müssen wir auch solche Bewegungen - und das ist eine Bewegung, wenn Studierende aller Orten auf die Straßen gehen - sehr, sehr ernst nehmen. Das sage ich - das mit dem „auf die Straße gehen“ und „Bewegungen“ - auch noch in Anlehnung an eine andere Thematik, die mir am Herzen liegt. Es ist heute noch einmal erinnert worden an die 1. Plenarsitzung, auf der wir hier verabschiedet haben, dass wir uns gemeinsam gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus stellen, dass wir gemeinsam für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz werben. Ich bitte dringend darum, wenn dieses Landesprogramm, was jetzt kommt, tatsächlich auf den Weg gebracht wird, dass dann auch die Begrifflichkeiten mit benannt werden. Denn auch da ist Sprache sehr wichtig. Ich warne vor einem Extremismuseinheitsbrei, auch wenn wir hier sicherlich alle uns einig sind, dass niemand Extremismus gutheißen kann. Aber Rechtsextremismus steht für die faschistische Ideologie und für die Fortsetzung eines Gräuels, das nicht vergleichbar ist mit anderen Dingen. Diese Unvergleichbarkeit sollten wir auch achten, auch und gerade aus unserer Geschichte. Da hoffe ich auch und gerade auf Sie, weil das Erinnern für die Zukunft von uns allen ausgehen muss und wir uns an dieser Stelle keine Grabenkämpfe und auch keine Parteistreitigkeiten leisten sollten. Danke schön.
Es gibt eine weitere Wortmeldung. Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Bodo Ramelow.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Höhn ist wieder da, ich habe mir die Mühe gemacht, mir noch einmal Carlo Manzoni zu Gemüte zu führen und mich dann doch noch mal zu Wort zu melden. Der Koalitionsvertrag entspricht Carlo Manzoni, ich habe das noch einmal schnell geprüft, damit Sie auch keine Angst haben, ich habe ihn auch schnell noch mal gelesen, das geht ja sehr schnell. „Ideologie“, sagt Carlo Manzoni, „ist der Versuch, die Straßenbeschaffenheit zu ändern, indem man neue Wegweiser aufstellt.“ Ihr seid gerade dabei, so viele Floskeln aufzustellen, das entspricht dem neuen Straßenbelag.
Aber es gibt auch noch eine zweite Sentenz von Carlo Manzoni: „Opposition“ - und deswegen habe ich den tiefen Sinn von Carlo Manzoni in der Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden verstanden - „ist die Kunst, den Ast, auf dem die Regierung sitzt, so abzusägen, dass man selber darauf Platz nehmen kann.“ Das stimmt für die SPD.
Das habe ich aber in meiner Erwiderung auf die Regierungserklärung deutlich gemacht, dass ich ja bewundere, wie man da kraftvoll Platz genommen hat. Ich habe es aber messen wollen an dem Politikwechsel und ich habe ein anderes Verständnis für Politikwechsel.
Eine Bemerkung noch, liebe Astrid Rothe-Beinlich, Große Koalition, das hatten Sie gerade gesagt, können nur Große machen. Dies ist keine Große Koalition.
Nach dem Redebeitrag von Herrn Barth muss ich sagen, ich bitte die FDP endlich, inständig, nach so vielen Wochen nach dem Wahlkampf das Plakat vor meiner Haustür abzunehmen, da steht drauf: „RotRot-Grün verhindern - FDP wählen“. Das ist einfach gelogen. Wer die FDP gewählt hat, hat Rot-Rot-Grün nicht verhindert, nur wer SPD gewählt hat, hat RotRot-Grün verhindert. Das gehört zur Wahrheit und zur Wahrhaftigkeit.
Frau Ministerpräsidentin, zum Schluss spreche ich Sie an. Ich wundere mich, Ihr Haus hatte gebeten, dass wir Rücksicht nehmen sollten, wenn die Regierungserklärung bearbeitet ist, dass wir möglicherweise warten müssen, bis es gestern Abend alles so klappt. Wir haben das gemacht. Uns wurde mitgeteilt, akkurat, dass das mit den Häusern abzustimmen sei, was denn die Ministerpräsidentin heute in ihrer Regierungserklärung erklärt. Ich gehe davon aus, dass es dann mit den Häusern auch besprochen ist. Deswegen verstehe ich nicht, dass es offenkundig eine Doppelspitze in unserer Ministerpräsidenteneigenschaft gibt, dass wir eben noch eine zweite Regierungserklärung gehört haben, die uns nicht angekündigt war, auf die wir uns nicht vorbereiten konnten
und bei der wir das Gefühl haben, es war nicht ganz klar, ob es der ehemalige Oppositionsvertreter der SPD war, der gesprochen hat, der Parteivorsitzende, der dies mit dem Parteitag verwechselt hat mit diesem Hohen Haus oder ob Ihre Landesregierung in Zukunft von zwei Personen geführt wird, dann bitten wir nur um das Verständnis, dass auch die zweite Regierungserklärung rechtzeitig abgestimmt ist, so dass wir sie auch in unsere Erwiderung mit einbeziehen können.
Ich möchte auf die Details nicht eingehen, ich finde es nur verwunderlich, dass zur Eröffnung dieser Legislatur ein allumfassender Minister des Kultusbereiches sogleich über GreenTech und über die Abwasserbeiträge alles mit abhandelt. Offenkundig könnten wir uns ein paar Ministerien sparen, das wäre auch gar nicht schlecht, wäre ein echter Sparvorschlag.
Ich finde nur, es war an der CDU zu besichtigen, sie haben nicht geklatscht, stand offenkundig nicht im Koalitionsvertrag, dass bei der zweiten Regierungserklärung geklatscht werden muss.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deshalb schließe ich den Tagesordnungspunkt 1 und wir gehen jetzt gemeinsam in eine Mittagspause. Wir setzen, wie von der Vizepräsidentin Dr. Klaubert hier noch mal erklärt, die Landtagssitzung um 14.20 Uhr fort.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wir fahren fort in der Tagesordnung wie besprochen mit Tagesordnungspunkt 15
Wahl der Mitglieder der Parlamen- tarischen Kontrollkommission (ParlKK) gemäß § 18 Abs. 2 des Thüringer Verfassungsschutz- gesetzes (ThürVSG) Wahlvorschläge der Fraktionen der CDU und der SPD sowie der Fraktion DIE LINKE - Drucksachen 5/79/94 -
Vorab ein Hinweis: Nach Verfassungsschutzgesetz besteht die Parlamentarische Kontrollkommission aus fünf Mitgliedern, die zu Beginn jeder Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder, also mit mindestens 45 Stimmen, gewählt werden. Dabei entfallen nach dem d’hondtschen Höchstzahlverfahren auf die Fraktionen der CDU und DIE LINKE jeweils zwei Mitglieder und auf die Fraktion der SPD ein Mitglied. Die Wahlvorschläge liegen Ihnen in den Drucksachen 5/79 und 5/94 vor.
Ich frage zunächst: Ist die Aussprache gewünscht? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Nach unserer Geschäftsordnung kann diese Wahl durch Handzeichen abgestimmt werden. Voraussetzung ist, dass kein Mitglied des Landtags dem widerspricht. Möchte ein Mitglied des Landtags widersprechen? Ich sehe, das ist der Fall, also findet nach unserer Geschäftsordnung eine gemeine Wahl statt.
Ich will Ihnen den Stimmzettel gern dazu erläutern. Sie bekommen einen Stimmzettel mit den Wahlvorschlägen der von mir genannten Fraktionen. Sie können jedem Abgeordneten ein Kreuz geben, und zwar Ja, Nein und Enthaltung ist möglich. Als Wahlhelfer berufe ich die Abgeordneten König, Metz und Recknagel.
Adams, Dirk; Althaus, Dieter; Augsten, Dr. Frank; Bärwolff, Matthias; Barth, Uwe; Baumann, Rolf; Bergemann, Gustav; Bergner, Dirk; Berninger, Sabine; Blechschmidt, André; Carius, Christian; Diezel, Birgit; Döring, Hans-Jürgen; Doht, Sabine; Eckardt, DavidChristian; Emde, Volker; Enders, Petra; Fiedler, Wolfgang; Gentzel, Heiko; Grob, Manfred; Günther, Gerhard; Gumprecht, Christian; Hartung, Dr. Falk Thomas; Hauboldt, Ralf; Hausold, Dieter; Hellmann, Manfred; Hennig, Susanne; Hey, Matthias; Heym, Michael; Hitzing, Franka; Höhn, Uwe; Holbe, Gudrun; Holzapfel, Elke; Huster, Mike; Jung, Margit; Kanis, Regine; Kaschuba, Dr. Karin; Keller, Birgit; Kellner, Jörg; Kemmerich, Thomas; Klaubert, Dr. Birgit; König, Katharina; Koppe, Marian; Korschewsky, Knut; Kowalleck, Maik; Krauße, Horst; von der Krone, Klaus; Kubitzki, Jörg; Künast, Dagmar; Kummer, Tilo; Kuschel, Frank;
Lehmann, Annette; Lemb, Wolfgang; Leukefeld, Ina; Lieberknecht, Christine; Dr. Lukin, Gudrun; Marx, Dorothea; Matschie, Christoph; Meißner, Beate; Metz, Peter; Meyer, Carsten; Mohring, Mike; Mühlbauer, Eleonore Margarete; Pelke, Birgit; Dr. Pidde, Werner; Primas, Egon; Ramelow, Bodo; Recknagel, Lutz; Reinholz, Jürgen; Renner, Martina; Rothe-Beinlich, Astrid; Schröter, Fritz; Schubert, Jennifer; Sedlacik, Heidrun; Siegesmund, Anja; Sojka, Michaele; Stange, Karola; Tasch, Christina; Taubert, Heike; Untermann, Heinz; Dr. Voigt, Mario; Walsmann, Marion; Weber, Frank; Wetzel, Siegfried; Wolf, Katja; Worm, Henry; Wucherpfennig, Gerold; Dr. Zeh, Klaus.
Ich gehe davon aus, dass alle Abgeordneten ihrem Wahlrecht nachgekommen sind. Deshalb schließe ich die Wahlhandlung und bitte um Auszählung der Stimmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben ein Wahlergebnis. Ich stelle folgendes Wahlergebnis fest: Für die Wahl von Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission gemäß § 18 Abs. 2 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes wurden 84 Stimmzettel abgegeben. Anwesende Abgeordnete zu Sitzungsbeginn waren 85.