Protocol of the Session on November 19, 2009

das heißt ausreichendes Material, das heißt Bibliotheken, das heißt technische Voraussetzungen - und dann könnten wir mit dem Stichwort „Studienstandort Thüringen“ in Gänze werben, um jungen Leuten den Weg nach Thüringen zu erleichtern. Mit einem ausfinanzierten und dauerhaft abgesicherten Studentenwerk müssen wir auch Angebote entwickeln, die uns deutschlandweit attraktiv machen. Eine integrierte Studentenkarte, ein Semesterticket, mit dem sämtliche Nahverkehrsmittel in Thüringen in Gänze benutzt werden können, wären zum Beispiel ein solches Angebot. Aber auch ein preiswertes Wohnen für junge Leute, Kinderbetreuung auf dem Campus und weitere solche Beispiele ermöglichen es uns, ein Spitzenland beim Thema Bildung zu werden. In Westdeutschland muss man den Kopf nach uns drehen und über unsere ungewöhnlichen Maßnahmen staunen. So würde es gelingen, die innerdeutsche Grenze, die zum Glück nicht mehr in der Landschaft steht, aber in den Köpfen immer noch vorhanden ist, zu überwinden. Zu viele junge Menschen in Westdeutschland denken nicht über Thüringen als Studienstandort nach. Deshalb brauchen wir eine andere Sicht auf unsere Universitäten und Fachhochschulen.

(Beifall DIE LINKE)

Gemeinsam mit den Berufsakademien, den Fachhochschulen und Universitäten sollten wir den Begriff „Campus Thüringen“ wieder in den Vordergrund stellen. Unsere Antwort auf die Studentenproteste muss das ehrgeizige Leitbild sein, modernstes Bildungsland sein zu wollen. Das meint Kitas, das meint Schulen, das meint Fachhochschulen, Universitäten, Berufsakademien, das meint aber auch eine Landesregierung, die sich im Bund dafür stark macht, dass im Grundgesetz nicht nur eine Schuldengrenze eingebaut und verteidigt wird, sondern dass im Grundgesetz endlich eine Bildungsindexierung von 7 Prozent festgeschrieben und aufgenommen wird. Dies würde uns im Übrigen davor schützen, dass andere Bundesländer bei der Verhandlung des Länderfinanzausgleichs das Geld wieder gegen uns anrechnen, die bei sich weniger für Kinder, Jugend und Schule ausgeben. Es muss einen nationalen Bil

dungspakt geben, bei dem alle zusammen neue Wege gehen. Wir müssen als Thüringer in der Tradition der großen Reformpädagogik des vergangenen Jahrhunderts Motor dieses innovativen Ansatzes sein. Um neue Ansätze umzusetzen, bedarf es nicht mehr Geld, sondern einfach nur einigen politischen Mutes, auch mit westdeutschen Denkblockaden endlich zu brechen. Ambulant und stationär habe ich erwähnt. Integriertes Lernen und längeres gemeinsames Lernen meint es ebenso wie ein einheitliches Dienstrecht im öffentlichen Dienst und einen systematischen Ausbau der Mitbestimmungsrechte für Bedienstete und alle Bürgerinnen und Bürger. Worauf Thüringen aus eigener Kraft gar keinen Einfluss hat, was aber alles beeinflusst, ist die Frage der Steuereinnahmen. Hier im Koalitionsvertrag einfach zu sagen, dass Steuersenkungen der schwarz-gelben Koalition im Bundesrat mit Nein beantwortet werden, wenn sie den Landeshaushalt Thüringen betreffen, ist viel zu wenig. Dann kommen Mehrheiten ohne uns zustande und der Wettbewerbsföderalismus schlägt zu. Schon die Schuldenbremse ist in ihrer Systematik ein Instrument der starken Südstaaten Bayern, Baden-Württemberg und Hessen gegen die armen Nordstaaten. Hier haben die ostdeutschen Länder leider nicht mit einer Stimme gesprochen. Jetzt kommt der Bumerang, denn die Schuldenbremse sieht für die Bundeshaushalte eine großzügigere Regelung vor als für die Landeshaushalte. Das Ergebnis ist, dass die wirtschaftlich Stärkeren besser mit Steuersenkungen klarkommen und die wirtschaftlich Schwächeren systematisch damit in die Verarmung getrieben werden. Deshalb fordern wir auch von der Landesregierung, dass gegen die Steuersenkung mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht erzwungen wird, dass der Bundeshaushalt das ausgleicht, was er an Steuergeschenken, an Einnahmeverlusten produziert. Die Steuergeschenke der einen bedeuten die Verarmung der öffentlichen Haushalte bei den anderen. Dagegen müssen wir uns aktiv zur Wehr setzen und daran werden Sie sich messen lassen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Diese Form der Steuergeschenke ist die Umverteilung mithilfe des Staates von unten nach oben und es ist Abbau an Standards, der das Zusammenleben in einem sozialen Rechtsstaat weiter zerstört. Dazu sagen wir deutlich Nein. Ihre Antwort ist uns dazu zu halbherzig.

(Beifall DIE LINKE)

Verwundert sind wir allerdings, dass im Bund jahrelang von CDU und FDP verkündet wurde, Steuersenkungen auf Pump seien unverantwortlich. Das sei ein Vergehen an der nächsten Generation. Jetzt gibt es Steuersenkungen auf Pump, dazu kann ein Nein im Bundesrat nicht die adäquate Antwort sein.

Hier heißt es, mit einer Klage in Karlsruhe gegenzusteuern, und dann müssen die Verfassungsrichter entscheiden, wie der Eingriff in die Haushaltsrechte der Länder endlich wirksam gestoppt wird. Am Schluss wären wir nur noch nachgeordnete Dienststelle und da, liebe Frau Lieberknecht, haben Sie sich schon mit Ihrem Engagement am Lübecker Konvent gegen die Entmachtung der Länderparlamente aktiv zur Wehr gesetzt. Wir nehmen Sie jetzt ernst und fordern den Mut für unser Land, gemeinsam in Karlsruhe dazu Maßstäbe zu erzwingen.

Ausdrücklich schließen will ich mit dem Verweis, dass Geldausgeben kein Selbstzweck ist und deshalb jede Verwaltungsmaßnahme und jeder Haushaltsposten auf den Prüfstand gehört. Dies werden wir gern aktiv begleiten, aber dies macht nur Sinn, wenn die Haushaltskonsolidierung über die Einnahmenseite ebenso gestärkt wird. Hier vermissen wir eindeutige und klare Antworten. Ich finde es erstaunlich, dass nun selbst Frau Merkel von der Börsenumsatzsteuer geredet hat.

(Zwischenruf Matschie, Minister für Bil- dung, Wissenschaft und Kultur: Das finde ich auch erstaunlich.)

Jetzt käme es darauf an, Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, Börsenumsatzsteuer, Kapitalertragsteuer direkt unter die Lupe zu nehmen und einen Ausbau der Steuerquote über Steuergerechtigkeit herzustellen. Warum sollten die am Finanzmarkt Beteiligten nicht mit einer entsprechenden Abgabe belegt werden? Hier hat die SPD interessante Festlegungen in der Bundesprogrammatik getroffen. Dann lassen Sie uns nicht nur über einen verzögerten Haushalt und die Haushaltslöcher durch die Wirtschaftskrise reden, sondern lassen Sie uns aktiv für mehr Steuereinnahmen werben, damit diejenigen, die bislang in der Krise und an der Krise verdient haben, auch an der Finanzierung des Sozialstaats endlich nachdrücklich beteiligt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Aus all diesen Gründen, meine Damen und Herren, sagen wir unsere Zusammenarbeit in dieser Richtung ausdrücklich zu. Wir stellen aber fest, dass die Koalition geprägt ist durch ein gewisses Maß an Mutlosigkeit, wenn es um große Reformansätze für die nächsten Jahre und Jahrzehnte geht. Wir stellen fest, dass der Koalitionsvertrag bei den Themen Kultur, Bildung, Verwaltungsmodernisierung und Energie nicht den großen Wurf darstellt. Er enthält kleine Ansätze, viele Vorbehaltsprüfungen und noch mehr Floskeln. Er atmet auch den Stillstand einer Partei, die 19 Jahre mit ihrem Personal konservativ und teilweise rückwärts gewandt ideologisch verbrämt den Stillstand in Thüringen zu verantworten hat.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb können wir nicht begeistert auf die Bänke klopfen und Ihnen zurufen, dass dies ein großer Wurf sei.

Wir stellen fest, dass im 40. Jahr der Rede von Willy Brandt im Deutschen Bundestag, bei der er den zentralen Satz formuliert hat: „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“, die Thüringer Landesregierung diesen Weg wohl nicht gehen will. Wir hätten uns einen Aufbruch in mehr Demokratie und in mehr Politik gewünscht. Das wäre der Ansatz, für den wir standen und stehen. Er dient uns als Kompass, mit dem wir Sie begleiten und wenn es sein muss, unterstützen, aber auch da, wo es nötig ist, deutlich kritisieren werden. Auf den neuen Stil im Landtag würden wir uns freuen; ob daraus ein neuer Inhalt entsteht, bleibt abzuwarten. Erkennen können wir den neuen Stil und Inhalt jedenfalls im Nebel der allgemeinen Worte zurzeit noch nicht; wir warten auf die Taten. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Mike Mohring.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben als CDU-Fraktion gestern gesagt, das wird ein Plenum voller Erwartungen. Ich glaube, die Erwartungen sind erfüllt in positiver wie auch in negativer Hinsicht. Ich will zuerst das positive Beispiel nennen: Frau Ministerpräsidentin, wir danken Ihnen für Ihre Regierungserklärung, sie hat die Erwartungen, die wir in sie gesetzt haben, erfüllt.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Hausold, DIE LINKE: Wir danken Partei und Regierung.)

Aber wir wissen auch, das wollen wir auch feststellen, der Oppositionsführer im Thüringer Landtag hat die Erwartungen erfüllt, die wir in ihn gesetzt haben. Wir werden uns damit auseinandersetzen. Es war eine Rede voller Tränen, es war eine Rede voller Traurigkeit, sie war nicht zukunftsorientiert, sie war so, wie sie ist, negativ; wir haben das erwartet.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, ich will zunächst etwas Grundsätzliches sagen. Am 30. August haben die Thüringer Bürgerinnen und Bürger das Wort gehabt.

Sie haben den 5. Thüringer Landtag gewählt seit 1990. Wir haben mit diesem Wahltermin am 30. August fünf durchgehaltene Wahlperioden der Abgeordneten hier im Thüringer Landtag, fünf Parlamente ohne Rechtsextremisten, fünf Proben auf die demokratische Reife unserer Bürgerinnen und Bürger hier in diesem Freistaat. Ich glaube, wir können auf diese demokratische Reife sehr stolz sein.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, vier Landtage, drei Ministerpräsidenten mit ihren Kabinetten haben gute politische Rahmenbedingungen gesetzt. Mit der Regierungserklärung jetzt nimmt eine neue Landesregierung die Arbeit auf der Grundlage der Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD in Thüringen auf. Wir haben diesen Koalitionsvertrag in einem konzentrierten Diskussionsprozess vereinbart, vereinbart, was wir gemeinsam umsetzen wollen, vielfach mehr als manche Beobachter vermutet haben. Jetzt geht es an die Arbeit, jetzt wird fünf Jahre für Thüringen gearbeitet. Wir freuen uns darauf und wir wollen das gemeinsam tun.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, mit diesem Koalitionsvertrag werden wir ein neues Kapitel Thüringer Erfolgsgeschichte schreiben. Wir Thüringer Christdemokraten wollen das gemeinsam mit den Thüringer Sozialdemokraten tun. Wahrscheinlich schreiben wir diese Erfolgsgeschichte mit einem roten Füllfederhalter, aber wir schreiben sie mit schwarzer Tinte und das werden wir in großer Souveränität tun.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Was da für Zahlen herauskom- men werden?)

Dass Thüringen Erfolgsgeschichte geschrieben hat, kann man an vielen Parametern ablesen. Wir haben in der Arbeitsmarktsituation - wenngleich unsere Arbeitslosenquote in Thüringen immer noch hoch ist - Spitzenwerte in den neuen Bundesländern. Wir sind dabei, in Industriearbeitsplätzen weiter unsere Sockelarbeitslosigkeit abzubauen und Menschen hier in Thüringen Beschäftigung zu geben. Wir haben eine einmalig hohe Betriebsdichte, eine weit gefächerte Branchenstruktur - das ist in der Regierungserklärung noch einmal sehr deutlich geworden - auch in ihrer Spezialisierung in wichtige Bereiche, in denen wir Weltmarktführerschaft in Thüringen erreicht haben. Thüringen ist definitiv als Innovationsland zu bezeichnen, in der Optoelektronikclusterindustrie, in der Solarclusterindustrie. Wir haben dafür auch gute Rahmenbedingungen geschaffen mit unserem Hoch

schulpakt, mit der Exzellenzinitiative, mit der Gebührenfreiheit des Studiums, was Studiengebühren betrifft. Wir haben mit der Familienpolitik und der Wahlfreiheit im Zentrum beispielgebende Akzente gesetzt und wir wollen auch mit der Frage der Durchlässigkeit an zentralen Gesichtspunkten in der Bildungspolitik wichtige Akzente, was die Qualitätssicherung betrifft, setzen.

Was uns ganz wichtig und entscheidend ist: Wir wollen den Thüringer Bürgerinnen und Bürgern Heimat geben. Ich glaube, wir haben dazu die Grundlage mit der Thüringer Landgemeinde gesetzt. Es liegt jetzt an uns, dieses Modell so erfolgreich umzusetzen, dass es wichtige Identifikationsräume in der Zukunft sichern kann.

(Beifall CDU)

Und, meine Damen und Herren, wir hätten dieses sichere Fundament nicht, wenn wir nicht in den letzten drei Haushaltsjahren keine neuen Schulden gemacht hätten. Wir können darauf ruhig ein Stück stolz sein.

(Beifall CDU)

Deshalb will ich noch einmal von hier vorn im Namen der CDU-Fraktion den Landesregierungen danken, die wir in den letzten zehn Jahren allein getragen haben. Das waren die Kabinette von Bernhard Vogel und das war das Kabinett von Dieter Althaus. Vielen Dank für dieses Fundament, vielen Dank für die Mitarbeit aller Minister und aller Staatssekretäre in diesen Jahren.

(Beifall CDU)

Aber neue Zeiten verlangen auch neue Antworten und nichts ist so gut, dass man es nicht noch besser machen kann. Die CDU ist davon überzeugt, dass wir mit dieser Koalition, jetzt mit der Partnerschaft von CDU und SPD,

(Beifall SPD)

mehr bewegen können als in allen anderen denkbaren Koalitionsoptionen, die nach dem 30. August möglich gewesen wären. Wir wollen mehr bewegen und wir werden mehr bewegen für Thüringen.

(Beifall CDU)

Deshalb ist natürlich die Frage zu beantworten: Vor welchen Herausforderungen stehen wir? Ich bin fest überzeugt, die großen Herausforderungen verlangen am Ende große Verantwortung und verlangen auch große Gemeinsamkeit, diese Fragen zu diskutieren und danach, wenn möglich, natürlich zu großen ge

meinsamen Verantwortungen und Entscheidungen zu kommen.

Der demographische Wandel, allein gekennzeichnet durch einen Abwanderungs- und Sterbefallüberschuss, verlangt von uns alle Anstrengungen, der Zukunft Herr zu werden. Deshalb will ich niemandem Sand in die Augen streuen, aber wenn ich davon rede, dass nicht unbedingt Überalterung unser Problem ist, sondern Unterjüngung, dann wissen wir auch, welche zukunftsreichen Entscheidungen wir insgesamt in der Gesellschaft treffen müssen. Deswegen gehört auch dazu, dass wir uns unter diesen nachhaltigen Gesichtspunkten auch der Frage der Schonung der Umwelt, des Klimas stellen und unsere vorhandenen Ressourcen nutzen und darum schauen müssen, welchen Beitrag kann so ein kleines Land wie Thüringen in dieser wichtigen Frage leisten. Das ist wichtig, damit unsere Wirtschaft konkurrenzfähig ist, damit das Fundament unseres Wohlfahrtsstaates gesichert, aber auch gesteigert werden kann. Dazu gehören nicht zuletzt Innovationskraft in den Freistaat und dazu gehören zuallererst Fachkräfte. Deswegen müssen wir alles tun, damit junge Menschen hier als Fachkräfte eine Perspektive haben, und wir müssen alles tun, damit die, die in den letzten Jahrzehnten Thüringen verlassen haben, wieder hier zurückfinden und hier ihre Zukunft finden.

(Beifall CDU, SPD)

Dass das notwendig ist, beschreibt eine ganz andere Herausforderung, nämlich die finanzielle Herausforderung. Ich will darauf gern später noch einmal eingehen. Die Dramatik nach der jüngsten Steuerschätzung ist dargelegt. Wir werden dazu heute auch in der Aktuellen Stunde debattieren. Das verlangt besondere Entscheidungen und deshalb bin ich der Ministerpräsidentin sehr dankbar, dass sie in ihrer Regierungserklärung einer soliden Haushaltspolitik das Wort geredet hat. Unsere Fraktion wird sie dabei nach Kräften unterstützen.

(Beifall CDU)

Aber, meine Damen und Herren, eines will ich an dieser Stelle sagen, und das soll zum 30. August noch dazugehören: Die Thüringer Wähler haben nicht den politischen Wechsel gewählt. Alle Umfragen davor, aber auch das Wahlergebnis haben gezeigt, eine große Mehrheit der Thüringer Bevölkerung wollte eine Regierung unter der Mitverantwortung der CDU.