Protocol of the Session on December 9, 2010

Es ist auch nicht selbstverständlich, weil entgegen mancher Beobachter, die darüber philosophiert haben, dass das alles im Haushaltsgesetz steht, weiß jeder, der das Haushaltsgesetz richtig liest, dass dort nicht vorgesehen ist, dass tatsächlich alle Mehreinnahmen zur Reduzierung der Neuverschuldung verwendet werden, sondern nur die Mehreinnahmen abzüglich unabweisbarer weiterer notwen

diger Ausgaben und der Verrechnung von tatsächlich zu buchenden Mindereinnahmen. Das ist ein anderer Betrag, als tatsächlich die 147 Mio. € Mehreinnahmen aus der November-Steuerschätzung in den Haushalt aufzunehmen. Das schafft Klarheit und Wahrheit und sorgt dafür, dass die Nettoneuverschuldung neben anderen vorgeschlagenen Ausgabereduzierungen, die wir heute beschließen werden, für das Jahr 2011 in Thüringen auf 472 Mio. € sinkt. Das ist ein richtiger Schritt, der geht in die richtige Richtung und erklärt auch unser Ziel, in dieser Wahlperiode wieder ohne neue Schulden auszukommen. Vielen Dank dafür.

(Beifall CDU)

Aber wir wissen auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann nur ein Zwischenschritt sein. Die großen Aufgaben, die wir lösen müssen, ergeben sich aus dem Sonderbericht des Rechnungshofs, aber sie sind ja auch in diesem Haus schon sehr oft diskutiert worden. Das betrifft die Frage, wie wir umgehen müssen mit unseren Personalausgaben in Thüringen - immerhin knapp 25 Prozent aller Ausgaben umfassen die Personalausgaben für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Thüringen. Das betrifft die Frage der Kommunalfinanzen immerhin auch dort 25 Prozent aller Ausgaben im tatsächlich angemessenen Finanzausstattungsbereich betreffen die Ausgaben der Kommunen, wenn ich andere Leistungen dazurechne, sind das fast 30 Prozent. Es betrifft die Frage der Kofinanzierung von Bundesmitteln und Europamitteln, wo der Freistaat Thüringen bisher auch immer eine vollständige Kofinanzierung sichert. Und es betrifft natürlich auch insgesamt die große Frage der Ausgabenreduzierung.

Ich bin überzeugt, dass uns der Weg zur Konsolidierung nicht schwer fallen muss, wenn wir ihn konsequent gehen. Ich will das am Beispiel der Personalausgaben einmal deutlich machen mit dem Blick auf die letzten zehn Jahre. Im Jahr 2000 hatte der Freistaat Thüringen noch über 63.000 Landesbedienstete, hat jetzt ausweislich des vorgelegten Haushalts für 2011 noch 47.000 Landesbedienstete, wovon 45.000 Stellen tatsächlich besetzt sind. Das heißt, es ist uns gelungen, in den letzten zehn Jahren, ohne dass merklich die Aufgaben beim Staat reduziert wurden, aber natürlich inklusive der Leistung, die wir vollbracht haben, dass wir auch 83 Behördenstandorte neu überprüft haben und da auch Reduzierungen vorgenommen haben in der vorherigen Regierung. Dass uns das gelungen ist, zeigt jetzt, dass auch erste Erfolge sichtbar werden in diesen Konsolidierungsschritten. Wenn wir es geschafft haben, bis zum Jahr 2010 von über 63.000 Landesbediensteten auf 47.000 Stellen im Haushalt zu reduzieren, dann ist mir auch nicht bange, dass ein zweiter Schritt auch bis zum Jahr 2020 gelingt. Die Haushaltsstrukturkommission unter Marion Walsmann hat erste Vorschläge gemacht, die sich

auch das Kabinett unter Christine Lieberknecht angenommen hat.

Weil das so ist, müssen wir auch dabei berücksichtigen, dass natürlich demographische Entwicklung für uns auch eine große Herausforderung sein wird, die wir in den nächsten Jahren lösen müssen. Sie macht sich fest an der Frage der Steuereinnahmeentwicklung - ich habe das mit Blick auf den Rechnungshofbericht kurz gesagt -, aber natürlich auch auf die Einnahmen, die wir haben beim Solidarpakt, Länderfinanzausgleich und den Mitteln der Europäischen Union. Daraus folgt dann, meine Damen und Herren, dass, wenn man das weiß und diese Analyse - deswegen will ich diesen Teil auch abschließen, weil wir darüber sehr oft schon geredet haben - feststeht und ich weiß, sie wird in der Mehrheit dieses Hauses auch geteilt, dann folgen daraus die entscheidenden Konsequenzen. Wer die Haushaltsdebatte 2011 im Jahr 2010 auch für den Haushalt 2010 verfolgt hat, der hat oft einen entscheidenden Satz gehört. Der hieß immer: Wenn das dann alles kommt mit den Ausgabenreduzierungen, dann wird es konkret und Sparen ist konkret und die Wahrheit ist konkret. Ich habe lange überlegt, woher ich diesen Satz kenne. Die technischen Hilfsmittel helfen ja Wunder und eine gut sortierte Bibliothek hilft auch Wunder. Da findet man ein Buch von Vladimir Iljitsch Lenin „Ausgewählte Werke Band 1“.

(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerpräsiden- tin: Vorher waren es noch die …)

Ja, aber ich will trotzdem daraus vorlesen, weil dieser Satz,

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, DIE LINKE: Das interessiert mich ja jetzt.)

jedenfalls, den Lenin verwendet, in einem schönen Aufsatz steht, der wie folgt überschrieben ist: „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution.“ Und nur deshalb ist es so schön, diesen Satz dort gefunden zu haben.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Genau deshalb wollte ich es mir auch nicht verkneifen, aus diesem Buch zu zitieren. Ich habe da wenn ich sage, dass ich da jeden Tag reinschaue, mein Gott, Christdemokraten tun das nicht. Aber weil es so schön war, dass unser Koalitionspartner darin erwähnt ist, habe ich mir gedacht, ich bringe das Buch einmal mit.

(Unruhe im Hause)

(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerpräsiden- tin: … aber keine falsche Koalition …)

Nein, natürlich nicht, zumal ja Lenin jetzt nicht mehr lebt, sondern nur zu der Zeit da war. Aber er hat dann auch geschrieben: „Es gibt keine abstrakte Wahrheit. Die Wahrheit ist immer konkret und kon

krete politische Aufgaben muss man in einer konkreten Situation stellen.“ Da will ich nicht einmal widersprechen, weil genau diese konkrete Situation, die wir jetzt haben, nämlich die Konsolidierung unseres Haushalts, ist diese, wo wir auch sagen müssen, wo wird es dann konkret. Ich finde, darüber zu sprechen, das lohnt sich auch immer, weil es wichtig ist, dass wir mit nachhaltiger Politik auch schauen, wie wir dieses Land zukunftsfest machen. Ich bin fest davon überzeugt, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir den Begriff der Nachhaltigkeit, dass wir schauen, wie wir unsere Ressourcen schonend noch verwenden, wie wir mit dem, was wir haben, auch so auskommen, dass das alles funktioniert, dass wir diesen Freistaat Thüringen auf feste Beine stellen können, dass wir auch uns gemeinsam dahin entwickeln müssen und sagen, was wollen wir, jeder von uns als Fraktion in diesem Parlament als Beitrag leisten, damit dieses Land auf guten Füßen weiter gut gestaltet werden kann.

Deshalb haben wir als CDU-Fraktion gesagt, wir wollen gemeinsam mit allen anderen demokratischen Kräften in diesem Land eine Sanierungsstrategie entwickeln. Wir wollen eine Konsolidierungsvereinbarung anbieten in diesem Land, weil wir sagen, es lohnt sich, diesen Freistaat Thüringen auf gesunde Beine zu stellen, damit langfristig die Existenz dieses Freistaats Thüringen gesichert ist.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil uns das so wichtig ist und weil wir mit dem Blick auf die Überschrift „Thüringen 2020“, die die Ministerpräsidentin im Sommer dieses Jahres geprägt hat, weil wir, wenn wir uns diesen Zeitraum vornehmen, wissen, dass dann Thüringen 30 Jahre in Eigenständigkeit seit der Wiederbegründung dieses Freistaats Thüringen im Jahr 1990 nach der friedlichen Revolution zurückblicken kann, und weil wir wissen, die richtigen Konsequenzen aus dem demographischen Wandel und den sich veränderten finanziellen Rahmenbedingungen zu ziehen, ausschließliche Verantwortung von Politik ist. Deshalb sind wir gewählt und deshalb wollen wir gemeinsam mit all denen, die Verantwortung für dieses Land tragen, einen zweiten Aufbruch wagen nach dem ersten Aufbruch des Herbstes 1989 und dem Frühjahr 1990. Wenn uns das gelingt, dann ist es uns um die Zukunft dieses Freistaats Thüringen nicht bange, sondern dann wissen wir, wir können diesen Freistaat in eine gute Zukunft führen.

Deshalb schlagen wir sieben Punkte vor für eine Konsolidierung unserer Staatsfinanzen, für die Zukunft dieses Freistaats Thüringen. Das ist natürlich erstens selbstverständlich, weil das die Grundlage für all unser Handeln ist, nämlich, dass wir im Jahr 2011 vorschlagen, dass analog der Regelung in der Thüringer Landeshaushaltsordnung in unserer Lan

desverfassung eine Schuldenbremse ausgebracht wird. Wir wissen, das kann die CDU-Fraktion nicht allein auf den Weg bringen. Dazu braucht sie die breite Mehrheit dieses Hauses. Wir wollen es aber vorschlagen, weil wir wissen, dass die Schuldenbremse in der Landesverfassung schlechthin die Grundlage aller Voraussetzungen dafür ist, dass eine Konsolidierung in Thüringen gelingen kann. Wir schlagen zudem vor, dass die Schuldenbremse im Jahr 2011 in der Landesverfassung verankert wird, aber das Inkrafttreten zum Ende dieser Wahlperiode auf das Jahr 2014 normiert wird. Wir denken, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt - wenn wir uns darauf verständigen, dass Steuermehreinnahmen und Minderausgaben des Landes zur weiteren Reduzierung der Neuverschuldung verwendet werden - den ersten richtigen Schritt zur Konsolidierung auf den Weg bringen können.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, wir schlagen zweitens vor, dass Thüringen bis zum Jahr 2020 einen Personalbestand aufweist, der den vergleichbaren westdeutschen Flächenländern entspricht. Deshalb schlagen wir vor, dass mit dem Haushalt 2012 weitere 6.000 Stellen im Landesdienst als künftig wegfallend ausgebracht werden. Das sichert uns, dass wir Einstellungskorridore für junge Menschen im Freistaat Thüringen im öffentlichen Dienst bilden können - für junge Lehrer, für junge Polizisten -, damit in diesen wichtigen landesspezifischen Kernbereichen trotz der schwierigen demographischen Entwicklung auch Nachwuchs gesichert ist und dass wir unseren Ausgabenbestand so sichern können, dass die Personalausgaben uns nicht über den Kopf wachsen, damit wir bei Mindereinnahmen am Ende nur noch quasi uns selbst verwalten können als Freistaat Thüringen. Dass das ein ganz anstrengendes, aber notwendiges Ziel ist, das zeigt die Zahl, die ich vorhin genannt habe, nämlich die Reduzierung der Landesstellen von 63.000 auf 47.000 von 2000 bis 2010. Es ist uns zwar gelungen, rund 16.000 Stellen abzubauen, aber die Kosten für das Personal im Landesdienst sind in diesen zehn Jahren durch Tarifsteigerungen und durch die Angleichung der Ost-West-Tarife gleich geblieben und das ist ganz entscheidend für uns, dass wir durch Reduzierung von Stellen im Landesdienst nichts anderes erreichen, außer die Ausgaben auf dem Niveau festzuschreiben, wie wir sie jetzt schon kennen, sie führen nicht zur Reduzierung und bei Mindereinnahmen und gleichzeitig feststehenden Ausgabenblöcken zeigt sich, dass an anderer Stelle der Konsolidierungsdruck immer größer wird. Deshalb sind wir dankbar, dass das Kabinett in der vergangenen Woche im Hinblick auf den Bericht der Haushaltsstrukturkommission und den Zwischenbericht schon diesen ersten Schritt gegangen ist. Wir wollen ihn als zweiten Punkt in der Konsolidierungsvereinbarung untermauern.

Meine Damen und Herren, drittens schlagen wir vor, dass die bisherige Finanzierung des angemessenen Finanzbedarfs der Thüringer Kommunen durch eine Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes neu geregelt wird und geregelt werden muss. Wir wissen, dass in der Vergangenheit - in den letzten 20 Jahren - der Kommunale Finanzausgleich eben nicht mehr der Aufgabenwahrnehmung vor Ort bei den Städten, bei den Gemeinden, bei den Kommunen insgesamt und bei den Landkreisen in Thüringen gerecht wird. Das, was den Kommunalen Finanzausgleich in Thüringen kennzeichnet - das Gothaer Wunder, die Rechtsprechung unseres Thüringer Verfassungsgerichtshofs, der goldene Zügel -, all diese Dinge spiegeln nicht mehr die Realität in unseren Kommunen wider. Es ist so, dass das Gothaer Wunder bestimmt seine Berechtigung hatte, als es damals erfunden wurde, um die Schlüsselzuweisungen zwischen den Gemeinden, Städten und Landkreisen aufzuteilen, aber tatsächlich ist es in der Realpolitik unserer Kommunen eben nicht so, dass die Landkreise 25 Prozent aller Aufgaben wahrnehmen, die verschlüsselt sind, und die kreisangehörigen Städte und Gemeinden 75 Prozent dieser Aufgaben wahrnehmen, sondern es gibt jede Menge Kreuzungen dieser Aufgaben. Man konnte es im Finanzausschuss in dieser Woche noch mal deutlich nachvollziehen. In wichtigen Bereichen des SGB haben die Landkreise eine Unterdeckung von über 300 Mio. € und in anderen Bereichen, zum Beispiel Kita, das ist gestern auch lange diskutiert worden, sagen die Kommunen zu Recht, dass die Landkreise überzahlt sind aus den Schlüsselzuweisungen. Das spricht dafür, das schreit tatsächlich schnellstens nach einer Novellierung des Kommunalen Finanzausgleichs. Wir wollen uns dieser Aufgabe stellen, weil es wichtig ist, dass unsere Kommunen aufgabengerecht ausfinanziert sind, wir aber auch wissen, dass wir schauen müssen, welche Aufgaben müssen überhaupt noch sein, wo sind Kooperationen möglich, aber wir auch wissen müssen, wenn der Freistaat Thüringen einen großen Block u.a. bei den Solidarpakteinnahmen verliert von über 2 Mrd. € in der Summe aller dieser Einnahmen, die notwendig sind, dann muss auf der anderen Seite durch Reduzierung von Aufgaben auch die Angemessenheit zusammen durchgetragen werden. Wir wollen uns dieser Aufgabe stellen und deshalb schlagen wir vor, dass die Finanzierung schnellstens, am besten im nächsten Jahr, angenommen wird.

(Beifall CDU)

Weil diese Aufgabenüberprüfung nicht allein geht, bedarf es viertens auch der Bereicherung der interkommunalen Zusammenarbeit. Deshalb muss was ich schon einmal vorgeschlagen habe - das Thüringer Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit rechtlich so umgebaut werden, dass so weit wie möglich Hürden, die sich aus der inter

kommunalen Zusammenarbeit, aus der jetzigen Rechtslage ergeben, abgebaut werden, damit sich kommunale Zusammenarbeit über Grenzen der Städte, über die Grenzen der dörflichen Gemeinschaft und über Landkreisgrenzen hinaus auch lohnt, weil dort tatsächlich Synergieeffekte zu erzielen sind.

Da wir wissen - um da einen Leitsatz aus dem Lateinischen zu übernehmen, den ich übersetze, der da heißt „ich gebe, damit du gibst“ -, dass diese Konsolidierungsvoraussetzung auch nicht ohne einen Blick in die Zukunft geht, schlagen wir fünftens vor, dass wir im Jahr 2011 mit Blick auf die Kommunalwahlen, die im Jahr 2012 stattfinden, das kommunale Wahlrecht novellieren. Wir schlagen vor, wenn unsere Landräte und Oberbürgermeister und Bürgermeister, die hauptamtlich im Amt sind, im Jahr 2012 gewählt werden, dass die nicht für eine sechsjährige Amtszeit, sondern einmalig für eine achtjährige Amtszeit gewählt werden. Gleichzeitig schlagen wir vor, dass mit der Novellierung des Kommunalrechts einmalig auch die Kreis- und Stadträte, die im Jahr 2014 gewählt werden, nicht bis zum Jahr 2019, sondern auch bis zum Jahr 2020, also auf sechs Jahre Wahlperiode, verlängert werden. Das ermöglicht uns, dass wir mit einer Übergangsfrist bis zum Jahr 2020, nach dem dort genau auch der Zeitpunkt ist, wo Solidarpakt ausgelaufen ist, wo genau dort der Zeitpunkt ist, wo Länderfinanzausgleich neu geordnet werden muss, wenn nicht vorher die Bundesrechtsprechung etwas anderes sagt, dass wir diesen Zeitpunkt der Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzströme insgesamt nutzen, um dort auch unsere Kommunalstrukturen so auf den Weg zu bringen, dass sie zukunftsfest sind.

Das heißt sechstens, dass wir das sich öffnende Zeitfenster vor allen Dingen dazu nutzen wollen, mit unseren kommunalen Mandatsträgern, mit denen, die in den Kommunen als Bürgermeister, mit denen, die als Landräte tatsächlich kommunale Verantwortung tragen, und mit den Bürgern dieses Freistaats Thüringen intensiv das Gespräch zu suchen in diesen Jahren bis zum Jahr 2020 und das vorbereiten, was notwendig ist im Ergebnis des von der Landesregierung jetzt demnächst in Auftrag zu gebenden Gutachtens über die Weiterentwicklung der kommunalen Strukturen und in der Analyse der Ergebnisse der Enquetekommission der letzten Wahlperiode wir vorbereiten wollen und sprechen wollen, was sich an den Kommunalstrukturen ab dem Jahr 2020 ändern muss. Wenn wir das ehrlich meinen, was wir aus den Erfahrungen von „Stuttgart 21“ lernen, wenn wir darüber reden, Bürger in den Partizipationsprozessen der Politik zu beteiligen, wenn das nicht alles nur Makulatur ist, sondern wenn das wirklich gilt, dann braucht es diese Zeit, um mit den Bürgern gemeinsam die Zukunft für diesen Freistaat Thüringen auf kommunaler

Ebene zu entwickeln. Wir wollen uns dieser Aufgabe stellen, deswegen gehört dieser Vorschlag im Besonderen auch zu dem Paket dazu.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren - und das ist das, was ich quasi einleitend jetzt gesagt habe -, im Ergebnis dieses Dialogs macht es siebentens Sinn, auf allen Ebenen die zukünftige demographische Entwicklung und die finanziellen Gegebenheiten so aufzustellen, dass wir damit unsere Aufgaben machen können und dort, wo wir Änderungsbedarf sehen, ihn bis dahin auf den Weg bringen. Aber das Entscheidende ist, um diesen Freistaat Thüringen wirklich zukunftsfest zu machen, dann ist es keine Frage von Zeit, dass man sagt, morgen muss es losgehen oder - wie ich in einem Entschließungsantrag gelesen habe - die Regierung soll schon im Frühjahr ihr Gutachten auswerten, was sie noch nicht einmal in Auftrag gegeben hat. Wenn man das alles ernst meint, dass Bürger zu beteiligen sind und dass das nicht damit abgetan ist, einmal eine öffentliche Ausschuss-Sitzung zu machen oder einmal einzuladen zu einem Dialog und dann ist alles wieder, wenn man das ernst meint, dann muss man die, die Verantwortung tragen vor Ort im Ehrenamt, als Gemeinderäte, als Stadträte, als Kreistagsabgeordnete, dann muss man die, die im Hauptamt dafür auch jeden Tag an der vordersten Front stehen und Kommunalpolitik zu verantworten haben, als ehrenamtliche Bürgermeister, als hauptamtliche Bürgermeister, auch als Landräte, dann muss man die alle mit ins Boot holen und muss ihnen die Chance geben, selbst auch ihren Beitrag zu leisten, dass von unten heraus freiwillig auch zunächst die Ideen gesammelt werden in diesem Land, die notwendig sind, um diesen wichtigen Herausforderungen auf der finanziellen Seite und der demographischen Entwicklung auch gerecht zu werden. Aber wir wollen das gemeinsam hier begleiten aus diesem Haus heraus. Deswegen unser Vorschlag für diese Konsolidierungsvereinbarung für Thüringen.

Wir strecken ausdrücklich die Hand an alle Fraktionen in diesem Landtag aus, weil uns zuallererst das Land am Herzen liegt. Wir wollen, dass dieser Freistaat Thüringen auf sicherem Fundament auch seine Zukunft bestreiten kann. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

(Heiterkeit DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mohring. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Siegesmund von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Abg. Mohring)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ursprünglich wollte ich diese Rede beginnen mit dem Satz: Der Haushalt liest sich für mich so, als ob ein Koalitionspartner erkannt hat, das Wasser steht uns bis zum Hals, und der andere ruft noch nach dem Piccolo. Aber nachdem ich jetzt die Rede von Herrn Mohring gehört habe, passt das nicht mehr zusammen. Ich habe den Eindruck, wenigstens unsere Fraktion hat gemerkt, das Wasser steht uns bis zum Hals und Sie alle, Schwarz-Rot rufen nach dem Piccolo.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Wir trinken nur Rotkäppchen.)

Denn wer sich hier hinstellt und sagt, wir lösen Strukturprobleme, indem wir an unserer Demokratie herumdoktern und Wahlperioden verlängern, der diskreditiert an dieser Stelle das Verständnis davon, wie Demokratie funktioniert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das finde ich schon sehr erstaunlich, so eine Auffassung hier hereinzutragen. Ihr Haushalt, den Sie hier vorgelegt haben, der ist weder zeitgemäß noch sozial gerecht, er ist auch nicht nachhaltig und er ist mitnichten ein Aufbruch. Er ist auch kein Aufbruch, den ich gern in einem Satz mit der friedlichen Revolution zusammen gedacht haben wollte. Sie haben das gerade gemacht. Er ist - ich habe das bereits bei der Einbringung gesagt - der zweite Aufguss des Haushalts 2010, den wir hier erlebt haben, ein Überschuldungshaushalt und er ist mitnichten ein Aufbruch in eine neue Ära. Wenn Sie mal in Ihrem Koalitionsvertrag nachlesen, darin steht: Wir setzen uns dafür ein, Schranken gegen ausufernde Haushaltsverschuldung aufzuzeigen bzw. auf Dauer ohne neue Schulden auszukommen. Wir reden hier über 2011 und über diesen 11er-Haushalt. Er tut das nicht. Die Strukturvorschläge, die ich gerade gehört habe, verschieben alle Probleme auf den Sankt-Nimmerleins-Tag und das finde ich in vielerlei Hinsicht enttäuschend. Wir geben viel Geld aus für Harmonie in dieser Koalition und das kommt die Thüringer und Thüringerinnen teuer zu stehen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich will auch sagen, dass es Lichtblicke gibt; es gibt kleine Lichtblicke. Mir war zum Beispiel nicht bewusst, dass kurz vor Weihnachten so schnell Wünsche in Erfüllung gehen können. Bei der Einbringung zum Haushalt hat so manch einer hier gesagt, wir schauen neidisch auf Sachsen, weil dort die Finanzierung auf anderen Füßen steht als bei uns. Wir erinnern uns gut daran, dass die Ausgangsbedingungen 1990 ähnlich waren. Offensichtlich ist dieser Satz ganz schnell auf fruchtbaren Boden gefallen und, Herr Minister Voß, wir begrüßen Sie

herzlich hier und freuen uns darauf, dass Sie uns jetzt in Thüringen helfen, auf solide Füße zu kommen und vernünftig hauszuhalten. Wir haben große Erwartungen an Sie. Ich freue mich sehr, dass Sie das hier mit uns zusammen tun wollen.

Die Analyse nach mehr als einem Jahr schwarz-roter Haushaltspolitik sieht doch, wenn wir mal ganz ehrlich sind, wie folgt aus: Diese kleine Große Koalition - wenn jetzt der Fraktionsvorsitzende der LINKEN da wäre, würde er spätestens hier korrigieren und würde sagen „aber wir“ -,

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das war okay. Das war gut formuliert.)

die bis 2014 eine Schuldenbremse einführen will, greift jetzt - und das gehört auch zum Selbstverständnis dieser Koalition und auch dieser Regierung - immer noch alle Programme völlig unkritisch ab und kofinanziert, egal worum es geht. Es wird nicht hinterfragt, was kofinanziert wird, es wird einfach alles abgegriffen und Sie stellen, wenn Sie Nachhaltigkeit in Ihrer Rede als Überschrift oder als Zwischenzeile verwenden, diesen Begriff völlig vom Kopf auf die Füße, Sie konterkarieren ihn. Diese Frage hier zeigt deutlich, dass Sie nicht wissen, was Nachhaltigkeit eigentlich ist.

Der zweite Punkt: Diese kleine Große Koalition ist handlungsunfähig und sie ist unzuverlässig. Das haben wir gestern wieder gehört, als es um die Kita-Finanzierung ging. Gestern heißt es, natürlich geht es nicht, dass den Eltern höhere Gebühren auferlegt werden, wir tun alles dafür, wie die Finanzierungslücke gelöst wird. Ich habe jetzt auch kein Konzept gehört, was die nächsten eins, zwei, drei, vier Jahre den Eltern an der Stelle die Sorge nimmt, wie diese Finanzierungslücke gelöst wird und was Sie versprochen haben, wird an dieser Stelle nicht gehalten. Die Konsequenz sind allerorten erhöhte Kita-Gebühren.

Der dritte Punkt: Sie machen kurzsichtige Politik, weil Sie eben überfällige Strukturreformen nicht angehen, sondern sich tagespolitisch fixieren und alle Dinge, Herr Mohring, die Sie hier vorgeschlagen haben, auf die nächste oder übernächste Legislatur verschieben. Das zeigt, dass Sie auch nicht daran glauben, dass diese Koalition die großen Strukturprobleme lösen kann. Das war ein Offenbarungseid in jeder Hinsicht.