Protocol of the Session on November 12, 2010

Aber es ist auch so, dass dieser Spannungsbogen nun wirklich nicht allein meiner Partei anheim ist. Ich habe, Herr Kollege Fiedler, einen deutlich größeren Spannungsbogen beispielsweise bei der CDU ausfindig gemacht. Wenn Sie im Landtag Brandenburg die Drucksache 5/1442 hernehmen, dann sehen Sie einen Gesetzentwurf der Fraktion der CDU.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Ist das wahr?)

Dort fordert die CDU - übrigens in der Opposition eine namentliche Kennzeichnung von Polizisten in geschlossenen Einsätzen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das geht eindeutig zu weit, Herr Kollege Fiedler. Diese Auffassung teilen wir eindeutig nicht.

(Unruhe CDU)

Wenn wir nach Bayern schauen, finden wir dort einen Antrag der SPD - ebenfalls für die Kennzeichnung von Polizisten, meine Damen und Herren. Und auch da zeigt sich, wir sollten...

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist ein Oppositionsantrag, den kann man auf www.opposition.de runterladen.)

Herr Kollege, Sie können dann gern im Anschluss sprechen. Jetzt bitte ich Sie doch darum, nicht die ganze Zeit dazwischenzureden.

(Unruhe CDU)

Ich wiederhole meine Bitte. Es ist also eindeutig so, dass dieser Spannungsbogen in den Positionen quer durch die Parteien geht. Wir sollten hier und heute, meine Damen und Herren, uns damit beschäftigen, wie wir in Thüringen bessere Lösungen zustande bringen. Auch deswegen werbe ich für diesen Antrag. In den ablehnenden Stellungnahmen, meine Damen und Herren, wird teilweise eben nicht unterschieden zwischen der namentlichen und der anonymen Ausweisung der Polizistinnen und Polizisten. Genau deswegen gehen diese Ablehnungen teilweise nach meiner festen Überzeugung weitgehend ins Leere. Unser Vorschlag, meine Damen und Herren, stellt einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den legitimen Schutzinteressen von Polizei, übrigens auch vor unberechtigten Vorwürfen, und legitimen Bürgerinteressen dar. Ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen: Es handelt sich um einen Prüfauftrag. Wir haben ganz bewusst noch keine fertige Lösung vorgegeben, weil wir wissen, dass es eine breite Diskussion ist, wo man auch Menschen mit auf den Weg nehmen muss, um zu einem besseren Ergebnis zu kommen. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie, überprüfen Sie Ihre Blockadehaltung.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können Besseres für Thüringen erreichen. Und wir können mit dem Besseren, was wir für Thüringen erreichen, auch in die IMK gehen. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. Danke schön.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort die Abgeordnete Renner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, bevor ich zum Gegenstand des Antrags spreche, vorab eine Nachfrage, eine Bemerkung. Herr Fiedler, Sie haben eben ausgeführt, dass Sie zusammen mit dem Staatssekretär die aus Gorleben zurückgekehrten Polizeikräfte besucht haben. Ich muss zum einen feststellen, dass eine Einladung zu einem derartigen Treffen, an dem ich auch sehr gern teilgenommen hätte, nicht an andere Fraktionen ergangen ist. Das bedaure ich.

(Unruhe CDU)

Das bedaure ich auch vor dem Hintergrund, da ich im Vorfeld dieses Einsatzes an den Innenminister geschrieben habe mit der Bitte, dort vor Ort einen Gesprächstermin mit Thüringer Einsatzkräften ermöglicht zu bekommen. Diese Bitte wurde abschlägig beschieden. Es wurde auf einsatztaktische Momente hingewiesen. Dafür habe ich Verständnis. Verständnis habe ich nicht dafür, dass, wenn es im Nachgang zu einem solchen Gespräch kommt, unsere Bitte, im Vorfeld ein Gespräch zu führen, derartig ignoriert wird.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wenn Sie erst Einladungen brauchen...)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mein geschätzter Kollege Herr Bergner von der FDP hat ja auf vielfältige Argumente aus der Anhörung im Innenausschuss reflektiert. Ich muss die in der Einzelheit hier nicht erwähnen. Aber ich will noch einmal summarisch feststellen, dass die Mehrheit der Anzuhörenden nicht nur den Antrag der FDP befürwortet hat, sondern deutlich auch gesagt hat, es besteht eine sachliche, fachliche Notwendigkeit zur Einführung einer derartigen Kennzeichnungspflicht. Ich muss mir mittlerweile auch wirklich Gedanken machen, wie wir diese Anhörung in den Ausschüssen betrachten. Wir haben es im Innenausschuss zu mehreren Themen jetzt erlebt. Ich darf einmal reflektieren - Abschaffung Residenzpflicht, Wahlen bei Kommunalwahlen mit 16 usw., wo wir wirklich eine überwältigende große

qualifizierte Mehrheit der Sachverständigen hatten, die die entsprechenden Vorhaben gutgeheißen haben. Und im Nachgang spielen diese Wortmeldungen in der Debatte hier eigentlich nur noch eine untergeordnete Rolle. Ich finde, da müssen wir mal grundsätzlich darüber nachdenken, wie wir mit diesen Anzuhörenden in den Ausschüssen umgehen.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Gentzel, Sie sprachen von der Studie. Wir haben ein großes Vertrauen in die Institution Polizei. Das ist zu begrüßen, aber es muss doch auch darum gehen, dieses Vertrauen noch weiter zu steigern. Wir müssen uns doch nicht mit dem Status quo an dieser Stelle zufriedengeben.

Einige Argumente noch mal aus der Anhörung, die für die Identifizierbarkeit von Polizeikräften im Einsatz sprachen. Es wurde darauf hingewiesen, dass eine derartige Kennzeichnungspflicht deeskalierend wirkt, weil Anonymität auch als bedrohlich empfunden werden kann. Es wurde auf die strafprozessuale Seite hingewiesen, dass Verstöße bislang schwer zu ahnden sind und Fehlverhalten nur sehr schwierig aufgeklärt werden kann und an einigen Stellen überhaupt nicht. Es ging um effektiven Rechtsschutz und es ging um erhebliche Vorteile, die auch für die Polizei, nicht nur für den Bürger, aus einer derartigen Kennzeichnungspflicht erwachsen werden. Was wären das für Vorteile für die Polizei? Da gibt es natürlich zum einen das Eigeninteresse der Polizei, Fehlverhalten in den eigenen Reihen besser aufklären zu können. So eine Maßnahme würde auch zu einer Stärkung des Vertrauens in den Rechtsstaat führen. Auch ein Aspekt, der aus Sicht der Polizei eigentlich für so eine Kennzeichnungspflicht sprechen müsste. Es lassen sich ungerechtfertigte Vorwürfe besser entkräften, das ist auch ein Argument, was eigentlich aus Sicht der Institution Polizei für dieses Vorgehen sprechen müsste.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ach ja.)

Ach ja, Herr Fiedler.

(Heiterkeit CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ihr Feind- bild kann ich nicht bedienen, ich war es nicht.)

(Unruhe CDU)

Herr Fiedler, ich komme noch mal zurück auf die Sachverständigen und nicht auf Ihre ideologischen Sichtweisen. Es wurde bei den Sachverständigen ausgeführt, dass dort, wo wir Kennzeichnungspflicht haben, z.B. beim Berliner SEK, es durchweg nur positive Erfahrungen damit gibt und vor allem diese Gefährdung,

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Bergner)

die hier in Rede gestellt wird, für die Polizeibeamten und ihre Familien, an keiner Stelle aufgetreten ist.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt keinen empirischen Beleg wirklich für die Behauptung, dass Polizeibeamte oder Familienangehörige durch Kennzeichnungspflicht gefährdet werden.

Zum Argument noch mal - das ist ja vorhin auch gekommen -, dass keine Einsatzkräfte anderer Bundesländer mehr nach Thüringen kämen, wenn Thüringen eine individuelle Kennzeichnungspflicht einführen würde. Das finde ich, ist ein relativ merkwürdiges Verständnis von der Verantwortung für öffentliche Sicherheit, wenn hier Innenministern aus anderen Bundesländern unterstellt wird, dass sie rechtsstaatlich zustande gekommene Regelungen in Thüringen dann nicht akzeptieren würden. Und es gehört ja zum Prüfauftrag, wie ihn die FDP formuliert, auch nachzudenken, ob eine Kennzeichnungspflicht im Rahmen einer Verwaltungsvorschrift oder im Rahmen einer gesetzlichen Regelung normiert werden muss. Ein Gesetz gilt natürlich auch für Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern, aber eine Verwaltungsvorschrift würde nur interne Wirkung entfalten, und da wäre dieses Argument dann auch ad absurdum geführt.

Zum zweiten Argument - Nachstellung gegen Polizeibeamte: Ich habe Ihnen schon gesagt, empirische Grundlage fehlt und Herr Adams hat ja nun auch das Gegenargument gebracht, das ich auch an der Stelle bringen würde, wenn es tatsächlich eine Gefahr darstellt, wenn der Polizeibeamte dort mit seinem Namen zu erkennen ist, dann gibt es andere Formen per Symbol oder numerischer Darstellung, die derartige Darstellungen, sofern sie überhaupt ein Problem sind, verhindern würde.

Wir sind im Ausschuss ja dann kritisiert worden dahin gehend, dass es keine Beispiele dafür gäbe, dass eine fehlende Kennzeichnungspflicht tatsächlich die strafprozessuale Aufarbeitung von Übergriffen der Polizei verhindern würde. Wir haben recht ausführlich in einem anderen Tagesordnungspunkt den Übergriff eines Polizeibeamten am Rande eines Fußballspiels diskutiert, und da wurde ganz deutlich, dass es ein großes Problem jetzt bei der Aufarbeitung dieses Vorgangs gibt, weil es einen Täterkreis gibt, der aus 10 bis 12 Beamten besteht und das LKA jetzt einen erheblichen auch Kostenaufwand betreiben muss, um aus diesen 10 bis 12 Beamten den tatsächlichen Täter zu ermitteln. Das macht noch mal das, was ich vorhin gesagt habe, deutlich, dass es eigentlich aus Sicht der Polizei ein Eigeninteresse geben müsste, solche Aufarbeitungen wirklich schnell und effizient zu Ende zu führen und vor allem die jetzt auch zu Unrecht beschuldigten 9 bis 11 Beamten schnell aus dieser Anschuldigung herauszuholen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde, die Ablehnung des FDP-Antrags verstellt uns eine Chance, die Bürgernähe der Polizei zu stärken. Das passt für uns rein: Polizeibeschwerdestelle - wir hatten die Diskussion - ist abgelehnt, die Novellierung des PAGs - ich habe es gestern angesprochen -, wir warten immer noch darauf. Die Kennzeichnungspflicht, ein weiterer Etappenstein, der nicht genommen wird auf dem Weg hin zu einer bürgernahen Polizei. Wir treten ein bisschen sicherheitspolitisch in Thüringen auf der Stelle, obwohl sich das Selbstbild der Polizei, wie es zum Beispiel in der Ausbildung formuliert wird, durchaus weiterentwickelt hat. Ich denke, wir müssten endlich hier auch vonseiten der Sicherheitspolitik auf diese veränderten Prämissen in der Polizeiausbildung eine Antwort geben. Hier scheint der Bürger weiterhin der Gefährder zu sein - Herr Fiedler, das ist auf jeden Fall Ihr Bild,

(Beifall DIE LINKE)

wenn Sie vom Verhältnis Bürger und Polizei reden, da ist der Bürger der Gefährder, vor dem sich die Polizei schützen muss. Für mich ist der Bürger der Partner der Polizei. Ich habe da ein vollkommen anderes Bild von diesem Verhältnis. Ich glaube, das ist auch das Bild, das die überwiegende Anzahl der Polizeibeamtinnen und -beamten hat.

(Beifall DIE LINKE)

Auch wenn Sie diese sicherheitspolitische Wagenburgmentalität hier beibehalten wollen, ich glaube, wenn Sie in die Medien sehen, wenn Sie in die Zeitung schauen, die Diskussion geht weiter. Wir haben durchaus die Debatte im Augenblick um die polizeilichen Ausschreitungen in Stuttgart oder auch die Frage um die Enttarnung von Provokateuren innerhalb der polizeilichen Reihen. Dieser Debatte werden Sie sich am Ende nicht verweigern können, denn auf diese Debatte müssen Antworten gegeben werden, auch von der Politik.

Ich schließe mich gern Herrn Bergners Genesungswünschen an die 131 Polizeibeamtinnen und -beamten an, die bei dem Einsatz im Wendland verletzt wurden. Ich möchte aber auch ganz herzliche Genesungswünsche an die 1.000 verletzten Demonstrantinnen und Demonstranten richten,

(Beifall DIE LINKE)

die bei ihrem Engagement gegen diesen CastorTransport in erheblichem Maße verletzt wurden,

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Die sind selbst schuld.)

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Das ist so zynisch, was da von Ihnen kommt.)

insbesondere gilt mein Genesungswunsch der Frau, deren Oberschenkel durch einen Tritt eines Polizeipferdes zerschmettert wurde, und dem