Wir hatten von Frau Siegesmund bereits die Frage gehört: Wie sieht es eigentlich aus mit der monetären Verteilung von Leistungen, wie sieht es aus mit der Förderung von Familien? Da können Sie internationale Fachliteratur bemühen, Sie können Ihren eigenen Staatssekretär fragen, der dazu geforscht und gearbeitet hat. Der wird Ihnen sagen, das sagen auch sämtliche Arbeitsgruppen, die in diversen Ministerien zum Thema Kinderarmut getagt haben, dass vor allem die Förderung von Institutionen, also die Möglichkeit von Zugängen zu Bildungseinrichtungen, wichtig ist, weniger die monetäre Unterstützung.
Da hat Frau Siegesmund ganz recht: Das, was wir machen, ist wirklich ein ganz hochgradig fataler Ansatz, indem wir sagen, wir geben Leuten direkt Geld, entweder über Steuererklärung, wie es beim Ehegattensplitting stattfindet, wie es bei Kinderfreibeträgen stattfindet oder wie Sie es hier in Thüringen gemacht haben mit den 150 € Landeserziehungsgeld. Diesen Weg halten nicht nur wir als LINKE für falsch, diesen Weg hält im Übrigen auch die Fachwelt für falsch. Die Mittel, die wir in das Landeserziehungsgeld stecken, 34 bis 37 Mio. €, je nachdem, wie viele Kinder wir haben, denke ich, sind in Institutionen wie der Kita wesentlich besser aufgehoben.
Ich denke, dass wir als LINKE das auch im Vorfeld schon deutlich gemacht haben, als Sie mit der Familienoffensive hier den Landtag beglückt haben. Dieser Widerstand hält ja bis heute an. Die Frage, wie viel Geld wir den Familien geben, die Frage, wie viel Mittel wir den Familien zur Verfügung stellen, ist deshalb auch so wichtig, weil - Herr Zeh, wir mögen zwar die Erziehungsleistung anerkennen, das ist eine gute Sache - gerade Ihre Partei, die CDU, jetzt im Bundestag im Zusammenhang mit dem Sparpaket und mit den Neuberechnungen der Hartz-IV-Regelsätze die Kürzung des Bundeselterngeldes für Hartz-IV-Empfänger und -Empfängerinnen beschlossen hat. Damit wird denjenigen, die im ersten Lebensjahr vor besonderen Herausforderungen finanzieller Natur stehen, denjenigen, die sowieso schon am unteren Rand der Gesellschaft leben und jeden Euro ein- bis zweimal umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben können, auch noch das Geld gestrichen. Und jetzt stellen Sie sich hin und sagen, aber das Landeserziehungsgeld, das ist heilig, da dürfen wir nicht rangehen. Da ist in Ihrer internen Logik als CDU wirklich etwas verquer. Das ist unlogisch und es ist im Übrigen auch völlig unsinnig, denn das - Frau Siegesmund hat es schon gesagt -, was Sie begründen in Ihrem Ge
setz von 1993, sind Erwerbslücken, Einkommenslücken, die entstehen. Jetzt haben wir natürlich mit dem neuen Kita-Gesetz den Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr. Das heißt, Familien bekommen ein Kind, bekommen ein Jahr lang Bundeselterngeld, bekommen möglicherweise auch 14 Monate Bundeselterngeld, wenn die Vätermonate genommen werden, und dann haben sie in Thüringen einen Rechtsanspruch. Sie haben einen Rechtsanspruch auf eine Betreuung und dieser Rechtsanspruch ist bundesweit einmalig und für diesen Rechtsanspruch haben wir hart gekämpft. Ich sehe nicht ein, warum wir diesen Rechtsanspruch mit der Herdprämie konterkarieren sollen. Ich denke, das geht an dieser Stelle nicht zusammen.
Wenn man sich anschaut, welche Argumentationen die Bundespolitik hat, wenn es um das Kinderfördergesetz, um andere gesetzliche Novellierungen und gesetzliche Maßnahmen geht, dann laufen die alle darauf hinaus, die Institutionen, die für Kinderbetreuung, Kinderbildung wichtig sind, zu stärken und diese Institutionen stärker in den Fokus zu nehmen und weniger auf die Individualisierung von monetären Leistungen zu setzen. Ich glaube, dass wir wirklich von dieser Linie wegkommen müssen.
Darüber hinaus ist sowieso die Frage, wie viele Personen das überhaupt betrifft. Jetzt haben wir den Rechtsanspruch auf das Landeserziehungsgeld ein wenig gesenkt, da sehen die Proportionen etwas anders aus, aber bis noch vor einem Jahr haben 76 Prozent der Eltern die Kita in Anspruch genommen. Das ist, glaube ich, doch ein sehr, sehr deutliches Zeichen. Die Frage für uns ist in diesem Zusammenhang in der Tat - die wurde auch schon aufgeworfen - die nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wenn wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass ausreichend Einrichtungen vorhanden sind. Schauen Sie sich um, beispielsweise in Erfurt haben wir regelmäßig das Problem, dass Eltern nicht wissen, wie sie zu einem Kitaplatz kommen, dass die Plätze sehr, sehr eng bemessen sind; da müssen wir noch jede Menge ausbauen. Bevor wir nicht wirklich garantieren können, dass jeder, der einen Rechtsanspruch hat, den auch wahrnehmen kann, so lange können wir uns den Luxus des Landeserziehungsgelds, glaube ich, nicht leisten, so lange müssen wir dafür sorgen, dass das Kitasystem weiter ausgebaut wird. Da brauchen wir nicht nur nach Erfurt zu schauen, da gibt es, denke ich, noch genug Gemeinden, die ähnliche Probleme haben, dass der Sturm auf die Kitas so groß ist, dass wir da sogar noch Nachholbedarf an einigen Stellen haben und sogar dahin kommen müssen, Kitas neu zu bauen, größere Einrichtungen hinzustellen, damit wir den großen Bedarf auch auffangen können.
Solange das noch nicht geklärt ist, denke ich, braucht man schon noch die Mittel, um den Kitaausbau voranzutreiben.
Eine weitere Sache: Herr Gumprecht hatte gesagt, dass die CDU für das Landeserziehungsgeld steht und dass diese Argumentation mit der Herdprämie nicht zieht. Da will ich Ihnen etwas anderes sagen oder eine Interpretation geben. Heute kann man im Pressespiegel nachlesen, dass Unternehmer Frau Lieberknecht angreifen. Der Wirtschaftsflügel der CDU stellt nicht nur Gegenkandidaten zur Landesvorsitzenden der CDU auf, sondern fordert auch die sofortige Abschaffung des Landeserziehungsgelds. Also auch aus Ihren eigenen Reihen gibt es da Protest, und wenn sogar die Wirtschaftsweisen in der CDU die Abschaffung des Landeserziehungsgelds fordern, dann scheint es schon so zu sein, dass die vielleicht davon genervt sind, wenn Mütter erst später wieder in den Beruf zurückwollen, möglicherweise den fachlichen Anschluss verpasst haben, und das würde im Umkehrschluss genau diesen Effekt des Erziehungsgelds auch unterstreichen.
Wir wollen nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wir wollen auch, wenn es darum geht, Armut zu bekämpfen, Armutsprävention zu betreiben, den Ausbau von Kindertagesstätten. Denn ich glaube, wenn wir uns diese ganzen Maßnahmekataloge anschauen, wenn wir uns anschauen, was auch die Fachwelt sagt, wenn es um Armutsprävention geht, dann ist es durchaus sinnvoll, solche Institutionen wie den Kindergarten, die Kindertagesstätte zu unterstützen. Das wird dummerweise mit dem Landeserziehungsgeld … - die Studie wurde ja bemüht, die Auswirkungen sind nicht so dramatisch, aber ich glaube schon, dass man für einige, für eine gewisse Gruppe aus denjenigen, die das Landeserziehungsgeld wirklich in Anspruch nehmen, schon noch sagen kann, da wäre es sinnvoller gewesen, wenn dort die Kita besucht würde. Wie wollen wir Bildungseinrichtungen stärken, wenn wir jetzt die Kita so demontieren?
Was ich ganz witzig fand, Herr Gumprecht, Sie haben davon gesprochen, dass die CDU, wie gesagt, das Landeserziehungsgeld für heilig hält. Selbst die Junge Union - hier sind auch einige Zöglinge der Jungen Union im Landtag, Frau Meißner, Herr Voigt - fordert die Abschaffung. Am 31. August gab es dazu eine entsprechende Pressemitteilung von Herrn Gruhner, dem Chef der Jungen Union in Thüringen, das lässt mich hier schon ein wenig verzweifeln.
Nun zur SPD: Da muss ich natürlich sagen, Frau Pelke, das, was Sie gesagt haben, kann man verstehen, man kann es auch hören, aber das, was man wirklich nicht begreifen kann, ist doch die Tatsache, dass Sie gemeinsam mit den GRÜNEN, mit dem Landeselternbeirat, mit verschiedenen Verbänden, Initiativen, Gewerkschaften und auch mit
der LINKEN zusammen für das Kita-Gesetz gestritten haben, dass Sie dafür gestritten haben, dass die Familienoffensive wirklich über den Jordan geschickt wird, dass die Familienoffensive ad acta gelegt wird und wir zu einer vernünftigen Familienpolitik kommen. Und jetzt stellen Sie sich hier hin und rechtfertigen das Festhalten an diesen wirklich fachlich fragwürdigen Dingen beispielsweise mit dem Landeserziehungsgeld. Da muss ich wirklich fragen, was das soll. Damit diskreditieren Sie nicht nur sich selber, sondern diskreditieren vor allem auch die vielen Leute, die an dem Entwurf des Volksbegehrens mitgearbeitet haben. Das ist, glaube ich, eine ganz schwierige Angelegenheit, denn im Volksbegehren war von Anfang an auch ein Konsens da, das Landeserziehungsgeld infrage zu stellen und das Landeserziehungsgeld in Abrede zu stellen.
Ich denke schon, dass das Volksbegehren das Landeserziehungsgeld sehr, sehr kritisch gesehen hat. Selbst Sie als SPD-Fraktion, das wissen Sie ja selber, da brauchen wir gar nicht auf das Volksbegehren zu kommen, haben hier auch gegen das Landeserziehungsgeld gesprochen. Das, was jetzt eigentlich so ärgerlich ist, ist, dass wir das Volksbegehren quasi umgesetzt haben. Herr Mohring hat das vorhin für die CDU-Fraktion reklamiert. Jetzt lassen Sie sich den letzten Erfolg, den die SPD dort wirklich zu verzeichnen hatte, auch noch von hinten aus der Tasche fingern, indem man zum Beispiel die Kita-Finanzierung auf so eine abwegige Art und Weise durchführt. Das Ergebnis ist, dass landauf, landab jetzt Landräte, Dezernenten, wenn es darum geht, Kita-Gebühren zu erhöhen, ausschließlich darauf rekurrieren, dass das Volksbegehren und das neue Kita-Gesetz daran schuld seien, dass die Kita-Gebühren erhöht werden sollen. Damit erweisen Sie sowohl dem Volksbegehren als auch sich, als auch dem Anliegen des Ausbaus der Kita wirklich einen Bärendienst. Wir finden das nicht gut.
Zum Schluss möchte ich sagen, wir sind auch für die Wahlfreiheit, wir möchten auch, dass es Wahlfreiheit gibt bei der Frage Kita-Betreuung oder häusliche Betreuung. Ja, wir wollen dort auch Wahlfreiheit, aber, Herr Gumprecht, wir wollen Wahlfreiheit ohne Wahlmanipulation. Ich finde, die 150 € Landeserziehungsgeld, das ist Wahlmanipulation. Wir möchten den Eltern die Möglichkeit geben, dass sie frei entscheiden können, ohne aus ökonomischen Sachzwängen und ökonomischem Drücken heraus argumentieren zu können. Die insgesamt ausgerechneten 1.800 €, die das Landeserziehungsgeld im Jahresdurchschnitt ausmachen, die machen den Kohl nicht fett. Wenn eine Familie in finanziellen Nöten steckt, dann hilft ihnen das Landeserziehungsgeld in der Tat nicht wirklich weiter. Da wäre eine Vermittlung in Arbeit …
Ich habe ein sehr großes soziales Gewissen, Herr Günther. Ganz einfach, wenn die Leute ihre Kinder in die Kita geben können und nebenbei eine Arbeit aufnehmen können, damit ist ihnen viel mehr geholfen, deshalb machen sie doch Initiativen wie TIZIAN und anderes.
das sollen sie doch auch selbst wählen können Wahlfreiheit ohne Wahlbetrug. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen. Danke.
Vielen herzlichen Dank, Herr Bärwolff. Es hat sich noch einmal Abgeordneter Gumprecht für die CDUFraktion zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mich noch einmal dazu bewogen gesehen, hier vorzugehen.
Herr Bärwolff, Sie kommen hier vor mit Ihren Argumenten, die gleichen haben Sie schon in den letzten Jahren immer wieder vorgetragen, wie der Hamster in dieser Tretrolle. Sie bringen immer das Gleiche und kommen nicht voran. Ich denke, das, was wir hier haben und es ist nichts Neues gekommen, dass wir auch noch einmal gerade das Thema „Armut“, weil Sie es hier gerade angesprochen hatten, was scheren schon 1.800 €. Das ist sehr viel Geld. Ich finde das sehr arrogant, hier so vorzutreten und so Familien abzuhobeln.
Die zweite Bemerkung: Ihre Bemerkung - natürlich, dass es auch innerhalb der CDU andere Meinungen gibt, wir sind keine Einheitspartei, wir sind eine Volkspartei, da muss man auch andere Meinungen aushalten. Wir haben diese Meinung, die wir heute vertreten, im Wahlkampf versprochen. Ich stehe dazu und dabei bleibt es auch. Vielen Dank.
Herr Gumprecht, ich habe zwei Fragen. Als Erstes: Würden Sie mir zustimmen, dass 150 € mehr monatlich für Familien ein adäquates Einkommen ersetzen können, wenn Familien es sich anders nicht leisten können, zu Hause zu bleiben?
Meine zweite Frage: Sehen Sie den 93er Gesetzentwurf des Landeserziehungsgeldes, nachdem die Einkommenslücke geschlossen werden sollte durch das Landeserziehungsgeld, in seiner Begründung nach wie vor aufrechterhalten?
Das Landeserziehungsgeld ist nicht wie beispielsweise das Bundeserziehungsgeld eine Lohnersatzleistung, sondern wir haben hier eine Erziehungsleistung für Eltern; damit wollen wir ein Stück beitragen. Darin besteht der Unterschied. Ich denke, das beantwortet beide Fragen.
Vielen herzlichen Dank. Es gibt eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Bärwolff für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Gumprecht, wir haben doch nicht argumentiert, dass wir das Landeserziehungsgeld abschaffen wollen, weil wir den Eltern nicht das Geld geben. Das Schwierige ist doch, dass Sie eine Argumentation fahren, die bedeutet, wir wollen die Erziehungsleistung der Eltern honorieren - das sind 150 € im Monat. Da frage ich zum Ersten: Was ist mit der Erziehungsleistung derer, die ihre Kinder in die Kita schicken, wieso wird das nicht honoriert?
Das ist doch die ganz große Frage. Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und einen auf Armutsprävention machen, dann frage ich Sie, Herr Gumprecht, wenn Sie hier die große Armutsprävention fahren: Wo ist der Sozialfonds für die benachteiligten Kinder, wenn es um das Mittagessen geht?
Wo sind die großen Initiativen gegen Kinderarmut? Warum stimmt Ihre Partei im Bundestag für die Kürzung des Bundeselterngeldes gerade für diejenigen, für die Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IVEmpfänger, die künftig kein Bundeselterngeld mehr bekommen, Herr Gumprecht?
Das ist die Frage. Da brauchen Sie hier nicht mit Arroganz zu kommen, sondern da müssen Sie einfach schauen, wie stringent Ihre Argumente sind. Ich denke schon, dass die Abschaffung des Landeserziehungsgeldes sehr stringent ist, denn sie ist rechtssystematisch richtig und sie ist auch politisch korrekt. Denn wir wollen immer noch den Ausbau der Kita-Landschaft, das ist das vordringliche Problem, was wir in Thüringen haben, nicht mehr und nicht weniger. Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Herr Bärwolff. Es hat sich jetzt zu Wort gemeldet die Ministerin Frau Taubert.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bedanke mich bei den Oppositionsfraktionen, dass sie uns als Koalitionsparteien, Koalitionsfraktionen bescheinigt haben, wir halten uns an Koalitionsverträge. Wenn wir mal irgendwann gemeinsam in Verhandlungen sind oder partiell in Verhandlungen sind, werden Sie sehen, wie schön das ist. Ich könnte nur mal das Beispiel bringen, da beschränke ich mich jetzt auf die von mir aus gesehen linke Seite: Stellen Sie sich vor, wir hätten einen gemeinsamen Koalitionsvertrag und wir würden um Verkehrspolitik streiten. Wie macht das dann DIE LINKE, wenn es um den Altenburger Flughafen geht?